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Olivia McNabbs spähte immer zum Haupthaus, als sie ihr Pferd durch den Torbogen auf die Rock-Fall-Ranch lenkte. Aber nirgendwo brannte Licht, und keiner der Bewohner war am Fenster zu sehen. Das Grundstück wirkte verlassen. Über ihr ballten sich beängstigend dunkle Wolken. In der Ferne sah der Himmel aus wie schwarze Dachpappe. Der Wind hatte merklich aufgefrischt.
Olivia zog das Kinnband ihres Cowboyhuts straffer. Sie fragte sich, ob es wirklich eine gute Idee gewesen war, so spät und bei so einem Wetter ihre Freundin Becky Panman zu besuchen. Wie auch immer, jetzt war sie da, aber wo waren die Bewohner?
Olivia saß ab, leinte das Pferd an einen Pfosten und ging zur Tür. Als sie über die Schwelle trat, erlitt sie den Schock ihres Lebens...
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Seitenzahl: 132
Veröffentlichungsjahr: 2024
Cover
Totentanz in Mesa Verde
Vorschau
Impressum
Totentanz in Mesa Verde
von Tom Hogan
Olivia McNabbs spähte immer wieder zu den Fenstern des Haupthauses, als sie ihr Pferd durch den Torbogen auf die Rock-Fall-Ranch lenkte. Aber keiner der Bewohner war am Fenster zu erblicken. Nirgendwo brannte Licht. Das Grundstück wirkte verlassen. Über ihr ballten sich beängstigend dunkle Wolken. In der Ferne sah der Himmel aus wie schwarze Dachpappe. Der Wind hatte merklich aufgefrischt. Olivia zog das Kinnband ihres Cowboyhutes straffer.
Sie fragte sich, ob es wirklich eine gute Idee war, so spät und bei so einem Mistwetter ihre Freundin Becky Panman zu besuchen. Wie auch immer, jetzt war sie da, aber wo waren die Bewohner? Hockten sie ohne Licht im dunklen Haus? Seltsam. Olivia saß ab, leinte das Pferd an einen Pfosten und ging zur Tür. Als sie über die Schwelle trat, bekam sie den Schock ihres Lebens.
Der erste Tote lag nur drei Schritte hinter der Tür.
»O mein Gott!« Olivia war vor Schreck wie gelähmt.
Dicht hinter der Leiche der zweite entseelte Körper. Es waren Beckys Vater und einer der Ranchhelfer, den Olivia vom Sehen kannte. Beide lagen auf dem Rücken, in der Hemdbrust die Einschusslöcher einer großkalibrigen Waffe. Dass kein Leben mehr in den Männern war, sah Olivia auf den ersten Blick.
Der grausige Anblick trieb ihr die Tränen in die Augen. Ein jäher Schwindel überkam sie. Halt suchend stützte sie sich an dem Gobelin, der rechts unter der Garderobe hing.
Der Geruch von Blut stieg ihr in die Nase. Ihr Herz wummerte, als wolle es in tausend Stücke zerspringen.
Nur nicht umkippen!, dachte sie, während sie gegen die Ohnmacht ankämpfte. Es sind nicht die ersten Toten, die du gesehen hast, Liv!
Für einige Zeit konnte sie keinen klaren Gedanken fassen. Zu tief saß ihr der Schock in den Knochen.
Olivia zwang sich zur Ruhe. Ein paar Sekunden kniff sie die Augen zu. Bemüht, ganz ruhig und tief zu atmen, versuchte sie, ihr aufgewühltes Gemüt wieder unter Kontrolle zu bringen.
Jetzt!
Sie riss die Augen auf und ließ stoßweise die angehaltene Luft aus ihren Lungen.
Dann gab sie sich einen Ruck. Sie berührte die Leiche des Ranchhelfers am Hals.
Sie war noch warm.
Vorsichtig einen Fuß vor den anderen setzend, passierte sie Beckys toten Vater und die des Rancharbeiters. Ihr fiel ein, dass der Mann Smoky gerufen wurde, weil er beim Pfeiferauchen so kunstvolle Rauchringe blasen konnte.
Wo war ihre Freundin?
»Becky?« Olivia erschrak über den Klang ihrer verängstigten Stimme.
Sie räusperte sich und rief den Namen ihrer Freundin noch ein zweites Mal, diesmal aber mit viel kräftigerer Stimme.
Im Haus kein Laut.
Die Stille des Todes.
Bei dem Gedanken, dass sie Becky auch tot finden würde, kroch Olivia eine Gänsehaut über den Rücken. Sie zitterte am ganzen Leib.
»Nein, bitte nicht«, murmelte sie und ballte die Hände zu Fäusten. »Lieber Gott, bitte nicht Becky...«
Sie kam an die Tür, die zur Wohnstube führte. Es dauerte eine Weile, bis sie den Mut hatte, die Tür zu öffnen.
Was zum Kuckuck war hier eigentlich passiert? Dem Anschein nach ein Überfall auf die Rock-Fall-Ranch. Aber was gab es hier schon zu erbeuten? Olivia wusste, dass die bescheidenen Ersparnisse der Panmans in den Tresoren einer Bank in Durango deponiert waren. Das Wohnhaus der Ranch barg keine besonderen Reichtümer. Beckys Mutter trug weder extravagante Kleidung, noch behängte sie sich mit kostspieligen Klunkern. Dazu fehlte es den Panmans an Geld. Und Beckys Vater investierte seine Dollars lieber in den landwirtschaftlichen Betrieb, den er vor einigen Jahren aus dem Boden gestampft hatte. Die Miner im San Juan-Bergarbeiterdistrikt und die Bürger vom La Plata County waren dankbare Abnehmer seiner Produkte.
Bevor Olivia die Verbindungstür aufschob, warf sie einen Blick in den Flurspiegel.
Sie erblickte eine junge Frau von knapp zwanzig Jahren: mittelblondes Haar, zum Pferdeschwanz gebunden. Schreckhaft geweitete grüne Augen. Rot-weiß gestreifter Flanell-Blouson mit kakaobrauner Lederweste. Der speckige Filzhut mit der Adlerfeder an der Krone saß etwas schief, und sie rückte ihn schnell zurecht.
Dann drückte sie die Klinke hinunter.
Die Angeln knarrten leise, als die Tür aufging.
Sie ließ die Blicke durch die Stube schweifen. Massive Möbel aus Eichenholz, eine Truhe mit kunstvollen Intarsien und Eisenbeschlägen. Ein Vertiko mit Aufsatz, auf dem gerahmte Fotografien der Familienmitglieder standen. Neben dem aus gebrannten Ziegeln gemauerten Kamin gestapelte Holzscheite in einem käfigähnlichen Gebilde aus geflochtenem Draht. Eine lange Chaiselongue, zwei Schaukelstühle und ein Sessel im Chippendale-Stil, dazu ein Esstisch mit einem halben Dutzend Stühlen. An den Wänden ein farbenprächtiges Aquarell von dem Mesa-Verde-Bergmassiv und einem Personenzug der Denver and Rio Grande Western Railroad.
Von einem Menschen keine Spur.
Olivia atmete auf.
Sie wandte sich nach rechts, zum Durchgang, der in die Küche führte. Darin hatte sie mit Becky oft gesessen, Limonade getrunken, Karten gespielt und über die ansehnlichsten Burschen aus der Gegend geplaudert.
Die Tür war nur angelehnt, und als Olivia ihr einen Schubs gab, schwang sie auf, ohne ein Geräusch zu verursachen.
Niemand da.
»Becky?« Olivias Stimme hatte noch immer einen zittrigen Beiklang. »Becky?«
Keine Antwort.
Am Spülstein blieb Olivia stehen. In dem Becken war noch Wasser, darin einige Tassen und Teller. Zwei abgewaschene Töpfe standen mit der Öffnung nach unten auf dem Abtropfblech.
Olivia bewegte sich auf die Tür zu, die zum rückwärtigen Teil des Anwesens hinausging, auf den Stallhof und den Gemüsegarten, den Beckys Mutter vorbildlich in Schuss hatte.
Als Olivia vor das Haus trat, hörte sie in dem Scheunengebäude ein Pferd wiehern. Sie blieb stehen und lauschte angestrengt.
Auf einmal hatte das Gefühl, nicht mehr allein zu sein. Instinktiv griff sie nach ihrem Holster, in dem ein kurzläufiger Pocket-Colt steckte. Bevor sie zur Rock-Fall-Ranch aufgebrochen war, hatte sie die Trommel der handlichen Schusswaffe mit sechs Patronen bestückt. Ihr Vater hatte ihr eingeschärft, einen Ausritt nie ohne Waffe zu unternehmen. Seitdem Durango an die Eisenbahnlinie angeschlossen war, strömten nicht nur redliche Menschen nach Colorado.
Inzwischen war es ziemlich dunkel geworden.
Das Pferd im Stall wieherte nochmals.
Und im nächsten Augenblick hörte Olivia aus dem Stall die rauhalsige Stimme eines Menschen.
Ein Mann stieß einen Fluch aus.
✰
Olivia traf die Erkenntnis wie ein Schlag. Die Banditen, die Mr. Panman und Smoky erschossen hatten, lungerten noch auf der Ranch herum!
Aber wo waren Mrs. Panman, Becky und ihr Bruder Sam?
Den Revolver im Hüftanschlag, wich Olivia rückwärts zur Tür zurück. Sie kam mit dem rechten Hacken gegen eine Stufe und strauchelte. Aber sofort hatte sie sich wieder in der Gewalt.
»Holt sie euch!«, rief eine Stimme.
Olivia zögerte keine Sekunde. Jetzt wurde es brenzlig. So schnell sie konnte, rannte sie um das Haus.
Mach, dass du wegkommst, Liv. Ehe es zu spät ist!
Als sie um die Ecke kam, sah sie eine dunkle Gestalt hinter ihrem Pferd auftauchen. Ein finster dreinschauender Kerl, der ein Gewehr in den Händen hielt. Bei ihrem Anblick brachte er die Flinte in Anschlag.
Verdammt! Olivia bog ab und lief zur Remise, in der der Conestoga-Wagen und der kleine Einspänner der Panmans abgestellt waren.
Hinter ihr krachte ein Schuss, der ihr galt.
Dicht über ihrer Hutkrone schwirrte eine Kugel durch die Luft, die mit einem hässlichen Geräusch in einen Pfeiler des Wagenschuppens einschlug.
Sie ging hinter der aufgestellten Deichsel des Einspänners in Deckung.
Trampelnde Schritte wurden laut.
»Sie ist in der Remise!« Die Stimme des Mannes, der im Stall geflucht hatte.
Olivia brachte den Pocket-Colt hoch, zielte kurz und gab einen Schuss ab.
Der Mann mit dem Gewehr brüllte auf.
Treffer! Jetzt nur kühles Blut, Liv!, spornte sie sich an. Du bist eine gute Schützin. Sollen die Mistkerle nur kommen.
Doch die Eindringlinge zeigten sich nicht. Vermutlich hatte sie das Wehgeschrei ihres angeschossenen Kumpans verunsichert.
Feiglinge! Olivia warf einen Blick über die Deichsel hinweg. Der Mann, den sie getroffen hatte, war auf die Freitreppe an der Vordertür gesunken.
»Das Miststück hat ein Loch in mich geschossen«, jammerte er. »Kelly, Jason, ihr müsst mir helfen. Ich laufe aus wie eine gottverdammte Badewanne!«
Doch Kelly und Jason ließen sich nicht blicken.
Denkbar, dass die Halunken sie in die Zange nehmen wollten. Im Watschelgang bewegte sich Olivia aus der Remise hinaus, in Richtung Holzmiete. Zum Glück wurde es immer dunkler. Auf der Rock-Fall-Ranch gab es eine Menge Nebengelass, das man als Deckung nehmen konnte. Leider war der Weg zu ihrem Pferd versperrt. Der Rotbraune stand am Pfosten der Vordertür, und von dem Stall hatte man ein gutes Schussfeld über den vorderen Hof.
Also musste Olivia versuchen, zu Fuß zu entkommen. Die Ranch lag auf einem Hügel, umgeben von etlichen Bergmassiven verschiedener Größe. Sie überdachte ihre Chancen. Natürlich war es ein Wagnis, im Dunkeln, ohne Reittier, durch die Wildnis zu irren. Aber alles war besser, als ein Kugelfang für eine Horde mordlüsterner Desperados zu sein.
Ganz in der Nähe hörte Olivia scharrende Schritte, die rasch näher kamen. Offenbar hatte einer der Banditen den Wagenschuppen erreicht. Der zweite Outlaw würde sicher von der anderen Seite kommen. Wie es aussah, waren die Hurensöhne zu dritt.
Olivia spähte ins Dunkel. Hinter der Holzmiete konnte sie nicht länger bleiben. Wenn sie von zwei Seiten angegriffen wurde, war ihre Chance, mit heiler Haut davonzukommen, ziemlich gering. Es brachte auch nichts, lange darüber nachzudenken, was sie tun konnte.
Sie kroch auf allen vieren zum Lattenzaun, der den Ranchhof umgab. Bis zu der schmalen, von Strauchwerk gesäumten Pforte waren es nicht mehr als dreißig Yards. Wenn es ihr gelang, das Grundstück hinter sich zu lassen, war sie fürs Erste aus dem Schneider.
»Aufpassen! Die Kleine will flitzen!«, grölte eine Stimme.
In schneller Folge peitschten drei Schüsse durch das Dunkel.
Olivia warf sich auf den Bauch. Die Kugeln summten über ihr hinweg und trafen die Holzmiete, die sie längst hinter sich gelassen hatte. Sie stemmte sich auf und glitt ein Stück über den sandigen Untergrund.
»Eine Fackel!«, rief einer der Banditen. »Hol eine Fackel, Jason! In der Scheune sind welche. Bring sie her, dann schnappen wir die Wildkatze!«
»Helft mir doch endlich!«, lamentierte der Mann an der Vordertür.
Doch niemand kümmerte sich um ihn. Die anderen beiden Strolche waren hinter ihr her, um sie in Jenseits zu verfrachten.
Gleich geschafft! Nur noch ein paar Yards bis zur Einfriedung.
Unvermittelt tauchte der Mond in einem Wolkenloch auf. Olivia rollte gedankenschnell hinter einen Stapel Kanthölzer, die vor dem Zaun abgelegt waren.
Keine Sekunde zu früh.
Ein Schuss knallte, und eine Fontäne aus Sand peitschte an der Stelle auf, an der Olivia eben noch gelegen hatte.
Sie duckte sich hinter die Balken. Nachdem sie dreimal tief Luft geholt hatte, reckte sie sich auf und riss den Colt hoch. Sie feuerte auf die geduckte Gestalt, die gerade neben dem Holzstoß in die Hocke ging.
Höchste Zeit, wieder in Deckung zu gehen.
Getroffen hatte sie wohl nicht. Aber auch Fehlschüsse sollen ja was Gutes haben, weil sie den Gegner zwingen, vorsichtig zu sein.
»Mein Gott, wollt ihr mich verbluten lassen?«, quäkte der Typ, den sie angeschossen hatte.
Seine zwei Komplizen reagierten nicht auf sein Gewimmer. Die ungeteilte Aufmerksamkeit seiner Spießgesellen galt ihr. Zu dumm, dass sie keine Reservemunition mitgenommen hatte. Jetzt blieben ihr nur noch vier Patronen. Aber wer konnte denn ahnen, dass die Rock-Fall-Ranch von mörderischen Bestien heimgesucht worden war?
Olivia spähte rasch zu der Pforte hinüber. Zum Greifen nahe lag der Durchschlupf vor ihr. Doch der verräterische Mond erhellte die Fläche davor. Viel zu gefährlich, den Bereich jetzt zu betreten. Die Angreifer würden sie gnadenlos niedermähen.
Sie blickte zum düsteren Colorado-Himmel hinauf. Das Loch in den Wolken war nicht allzu groß. Nicht mehr lange, und der Mond würde wieder unsichtbar sein. Im Schutz der Dunkelheit würde sie das letzte Stück bis zur Pforte zurücklegen und im angrenzenden Waldstück untertauchen. Von hier aus würde sie sich zum Trail aufmachen, der nach Durango führte. Für gewöhnlich war die Straße am Tage sehr belebt. Bestimmt fand sich schnell jemand, der sie mitfahren ließ. Aber zuallererst musste sie die Nacht überstehen, und zwar bei lebendigem Leibe.
Wumms! Ein Schuss zischte ihr um die Ohren.
»Ich hab eine Fackel!«, brüllte einer der Banditen.
Schon sah Olivia das helle Licht aufflackern. Das hatte ihr gerade noch gefehlt.
O je, das sieht nicht gut aus, dachte sie.
Den Colt im Anschlag wartete sie, dass einer der Banditen ins Schussfeld kam...
✰
»Du bist aber eine Hübsche«, sagte Lassiter zu dem Hausmädchen, das mit der frischen Bettwäsche in sein Hotelzimmer kam.
»Danke, Sir.« Die junge Frau mit dem texanischen Akzent bedachte ihn mit einem koketten Lächeln.
Er musterte sie von Kopf bis Fuß. Das, was er sah, brachte sein Blut gehörig in Wallung. »Verrätst du mir deinen Namen?«
»Tara.« Sie legte das Bettzeug auf einen Stuhl.
»Tara. Hübscher Name.«
Die Texanerin strich sich eine herabfallende Korkenzieherlocke aus dem Gesicht. »Well, Sie finden wohl alles hübsch an mir, oder?«
»Offen gestanden: ja«, sagte er wahrheitsgemäß.
Sie schmunzelte, während sie den Bezug auseinandernahm.
Er stellte sich an das Fußende des Bettes und beobachtete, wie die Chambermaid in Windeseile das Laken über die Matratzen spannte und die Inletts bezog. Mit ihrem lockigen Rotschopf, dem üppigen Busen, dem wohlgeformten Hinterteil und den schönen Beinen erinnerte sie ihn sehr an seine Geliebte Phoebe Gallagher, die er leider seit Monaten aus den Augen verloren hatte.
Je länger er dem Hausmädchen bei der Arbeit zusah, desto heftiger klopfte sein Herz. Der Anblick der Rotblonden erregte ihn mehr, als ihm lieb war. Sie trug nur einen leichten Kittel, und er hatte längst bemerkt, dass sie kein Mieder darunter anhatte. Ihre Twins hüpften bei jeder Bewegung, die sie machte.
Es kostete ihn Mühe, den Blick abzuwenden. Sekundenlang blickte er aus dem Fenster auf die Fassade der gegenüber liegenden mexikanischen Gaststätte.
Oh, wie er den Anblick von nett anzusehenden Frauen liebte! Diese Texanerin war wirklich ein besonders hübsches Exemplar einer Evastochter. Der Drang, sie erneut anzuschauen, wurde übermächtig.
Er wandte sich zu ihr um und beschloss, eine Runde zu flirten.
Vielleicht gefiel er ihr auch, und sie war bereit, mit ihm mal auszugehen. Das Diego's auf der anderen Straßenseite war ein gemütliches, kleines Speiserestaurant. Hier könnten sie gemeinsam einen Happen essen und sich bei einem Glas Wein näher kommen. Die Kontaktperson der Brigade Sieben hatte sich noch nicht gemeldet. Daher wusste er auch noch nichts über seine Mission und war nicht in Zugzwang. Womöglich erfuhr er von der süßen Texanerin dies und jenes über die Leute aus Durango, was ihm bei seinem Auftrag hilfreich sein konnte. So konnte er zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen. Aber zuerst musste er sich vergewissern, ob sie noch zu haben war. Frauen, die in festen Beziehungen steckten, waren für ihn tabu.
»Bist du schon vergeben, Tara?«, fragte er ohne Umschweife.
Sie wandte langsam den Kopf. »Warum fragen Sie?«
»Du gefällst mir, und ich würde dich gern mal – küssen.«
»Wow!« Ihre Augen wurden rund wie Murmeln. »Sie gehen aber ran, Mr. Lassiter. – Nein, ich habe derzeit keinen Partner.«
»Prima«, feixte er. »Dann steht einem netten, kleinen Kuss ja nichts im Wege.«
»Na, Sie sind ja lustig, Mister.« Tara lachte. »Mein Boss wird mich aus dem Hotel jagen, wenn er erfährt, dass ich mich mit den Gästen in meiner Arbeitszeit herum knutsche.«
»Keine Bange. Er wird nie davon erfahren.« Lassiter machte einen Schritt auf sie zu. Diese Evastochter besaß so eine kolossale erotische Ausstrahlung, dass er sie am liebsten auf der Stelle vernascht hätte. »Nur einen kleinen Kuss auf die Wange«, sagte er. »Es tut auch überhaupt nicht weh.«
Tara strich die Bettdecke glatt, richtete das Kopfkissen und drehte sich dann zu ihm um.
Er sah das Funkeln in ihren grünen Augen.
»Wieso sollte ich Sie küssen?«, fragte sie und runzelte die Stirn. »Ich kenne Sie doch gar nicht.«
»Okay, dann werde ICH dich küssen«, gab er zurück. »Du brauchst nur stillzuhalten, und ehe du dich versiehst, hast du's schon hinter dir.«
Es entstand eine kleine Pause. Tara machte die Augen schmal und sagte: »Wie lange ist her, dass Sie eine Frau geküsst haben?«