Lassiter 2672 - Tom Hogan - E-Book

Lassiter 2672 E-Book

Tom Hogan

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Beschreibung

Die Sonne schien heiß vom Arizona-Himmel, als Lorna McCain die Geisterstadt erreichte. Sie glitt aus dem Sattel, straffte die Leine ihres Packpferdes und band es zusammen mit ihrem Reittier an den Stumpf eines Mastes. Während sie ihre vom langen Ritt steif gewordenen Glieder lockerte, schaute sich die junge Frau nach allen Seiten um
Nirgendwo eine Menschenseele. Der böige Südwind trieb kugelige Steppenhexen über die Mainstreet der verlassenen Bergarbeiterstadt. Die Ruinen der Adobehäuser kamen Lorna vor wie überdimensionale Grabmale auf einem Totenacker.
Sie schob ihren Hut höher, griff nach der Wasserflasche und spülte sich den Staub aus dem Mund. Als sie dann die zur Rolle geformte Landkarte aus der Satteltasche zog, schlug ihr Herz schneller.
"Der Schatz von Sierra Vista", murmelte sie. "Du bist ein Glückskind, Lorna..."


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Seitenzahl: 132

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Sierra Vista Gold

Vorschau

Impressum

Sierra Vista Gold

von Tom Hogan

Die Sonne schien heiß vom Arizona-Himmel, als Lorna McCain die Geisterstadt erreichte. Sie glitt aus dem Sattel, straffte die Leine ihres Packpferdes und band es zusammen mit ihrem Reittier an den Stumpf eines Mastes. Während sie ihre vom langen Ritt steifgewordenen Glieder lockerte, schaute sich die junge Frau nach allen Seiten um.

Nirgendwo eine Menschenseele. Der böige Südwind trieb kugelige Steppenhexen über die Mainstreet der verlassenen Bergarbeiterstadt. Die Ruinen der Adobehäuser kamen Lorna vor wie überdimensionale Grabmale auf einem Totenacker.

Sie schob ihren Hut höher, griff nach der Wasserflasche und spülte sich den Staub aus dem Mund. Als sie dann die zur Rolle geformte Landkarte aus der Satteltasche zog, schlug ihr Herz schneller. »Der Schatz von Sierra Vista«, murmelte sie. »Du bist ein Glückskind, Lorna...«

Lorna McCain ging ein paar Schritte. Die morschen Bretter des Gehsteigs knarrten unter ihren Sohlen. Linker Hand kam ein Saloon in Sicht. Eine der Schwingtüren lag quer auf dem Sidewalk. Der Gastraum lag in Trümmern, aber ihm entströmte noch immer der Geruch von kaltem Rauch und verschüttetem Alkohol.

Widerlich! Lorna krauste die Nase. Nach kurzem Zögern sank sie auf den Stuhl neben dem Eingang der Kneipe. Wie durch ein Wunder war er heil geblieben. Sie legte die Karte auf ihren Schoß, strich sie glatt und dachte an das, was auf sie zukam.

Bei der Karte handelte es sich um ein vergilbtes Stück Papier, das ihr ein alter Abenteurer überlassen hatte. Vor ein paar Wochen war sie dem Mann auf einem Trail unweit von Santa Fé begegnet. Eigentlich war sie auf dem Weg zu ihrer Schwester Bonny gewesen, die früher in einem zwielichtigen Etablissement in der Rinderstadt Wichita als Amüsiergirl gearbeitet hatte. Inzwischen war Lorna jedoch zu Ohren gekommen, dass Bonny einen Doktor geheiratet und nun ein sittsames, bürgerliches Leben führte. Da hatte sie beschlossen, ihrer Schwester einen Besuch abzustatten und die jahrelange Feindschaft zwischen ihnen zu begraben. Aber als der Mann namens Royce ihr sein Geheimnis offenbart hatte, hatte sie ihre Pläne geändert und sich sofort in die Geisterstadt aufgemacht.

Das hatte einen schwerwiegenden Grund. In einer Mine des aufgegebenen Bergarbeiterortes lag ein Schatz. Jede Menge Gold und Silber. Banditen hatten den stillgelegten Stollen als Versteck für ihre Beute auserkoren. Aber inzwischen war die Horde Desperados von einem Aufgebot bis an die Zähne bewaffneter Freiwilliger aufgerieben und die Überlebenden nach einem Prozess zu langjährigen Haftstrafen in Fort Yuma und Fort Leavenworth verdonnert worden.

Lorna betrachtete das rote Kreuz auf der Karte. Damit hatte der Alte die Lage des Verstecks in dem Schacht markiert. Die Sierra-Vista-Mine befand sich nur knapp eine Meile von der Ghosttown entfernt, die zu ihren Glanzzeiten New Eldorado hieß.

Im Geiste erblickte Lorna das zerfurchte Gesicht des alten Abenteurers vor sich. Mädel, dich schickt mir der liebe Gott, hatte er gesagt, als sie ihn, an einen Baumstumpf gelehnt, am Rand des Trails aufstöberte.

Drei Atemzüge später bekam sie mit, dass es dem betagten Vagabunden sehr schlecht ging, mehr noch: Er lag im Sterben. Es gelang ihm jedoch, noch einige wenige Sätze zu sprechen. Er sagte, er hieße Ben Royce und sei früher selbst einmal Mitglied der Bande gewesen, die ihre Beute hier gebunkert hatte.

Am Anfang glaubte Lorna ihm kein Wort, seine Story kam ihr einen Tick zu fantastisch vor. Ein Goldschatz im Cochise County? Einfach absurd.

Doch der Greis schwor beim Grab seiner Frau, dass es seine Richtigkeit mit der Karte und dem verborgenen Kostbarkeiten hatte.

Er hatte die doch Reichtümer doch selbst hierher gebracht und sei wohl jetzt der letzte Überlebende der Bande. In dem Boardinghouse, worin er logierte, war er überfallen und bis aufs Hemd ausgeplündert worden. Er konnte froh sein, dass ihn die Einbrecher nicht umgebracht hatten.

Ben Royce starb in Lornas Armen.

Noch immer klangen ihr seine letzten, geflüsterten Worte in den Ohren: »Mach das Beste daraus, Mädel. Ich wünsche dir alles Glück dieser Welt. Und sieh dich vor Menschen vor, die vorgeben, es gut mit dir zu meinen...«

Lorna atmete tief durch. Ein flüchtiger Hauch von Trauer streifte sie, aber im Nu hatte sie die Anwandlung überwunden.

Sie widmete sich Ben Royce' Vermächtnis, der Karte mit dem eingezeichneten Banditengold.

Sierra Vista war eine Silbermine gewesen, ziemlich klein im Vergleich zu den anderen im Arizona-Territorium. Es gab einen Mittelstollen, von dem vier andere kleine Gänge abzweigten. Einer davon mündete in einen tiefen Schacht.

Die Beute der Banditen lag in dem zweiten Gang auf der rechten Seite des Hauptstollens.

Lorna prägte sich die Lage ganz genau ein. Wenn es darauf ankam, würde sie die Stelle auch ohne Walkers Karte finden.

Lornas Reittier, eine braune Stute mit hübscher Blesse, schnaubte laut.

Alarmiert warf Lorna den Kopf herum. Die Sonne blendete sie. Sie zog den Hutrand tiefer und kniff die Augen zusammen.

Nichts Verdächtiges. Alles still. Auf der mit Abfall und Gerümpel bedeckten Hauptdurchgangsstraße der Geisterstadt rührte sich nichts. Nur ein Tumbleweed rollte hüpfend auf sie zu und blieb an einem Stuhlbein hängen. Lorna stand auf, gab dem rundlichen Gespinst einen Fußtritt und stapfte zu den Pferden.

Die Stute warf den Kopf hoch und scheute.

»Ganz ruhig, meine Hübsche«, sagte Lorna und tätschelte dem Tier den Hals.

Auf einmal hörte sie ein Geräusch, das aus dem Saloon kam, das Knarren einer Fußbodendiele.

Upps! Nach der Schrecksekunde griff Lorna nach dem Navy-Colt, den sie im Holster an der rechten Hüfte trug. Auf Verdacht spannte sie den Schlaghahn. Auch in einer scheinbar verlassenen Geisterstadt musste man gewappnet sein.

»He, ist da jemand?«, rief sie halblaut.

Keine Antwort.

Sie machte einen großen Schritt über die zertrümmerte Schwingtür hinweg. Geduckt wandte sie sich dem Eingang zu. Im Türrahmen machte sie Halt. Den Revolver im Hüftanschlag, ließ sie ihre Blicke durch den verschmutzten Raum wandern. Was für ein Dreckloch! Umgekippte Stühle und Tische, ein Billardtisch mit aufgeschlitztem Filz. Ein zertrümmerter Barspiegel, ein Klavier mit herausgerissener Tastatur, schief hängende Werbeplakate mit pausbäckigen Pin Up-Girls, die große Bierhumpen schwenkten. Die Wände ringsum voll mit obszönen Kritzeleien, Schmutzflecken und Einschusslöchern.

»Jemand da?« Sie lauschte angespannt.

Ein weiteres Mal blieb ihre Frage unbeantwortet. Es war totenstill.

Tief in Lornas Inneren meldete sich ein dumpfer Druck. Es war wie eine Hand, die sich langsam zur Faust ballte.

Ich bin nicht allein, jagte es ihr durch den Kopf. Jemand spielt Versteck mit mir!

Prompt bekam sie es mit der Angst zu tun. Obwohl sie eine Einzelgängerin und das gefährliche Leben im Grenzland westlich des Mississippi gewohnt war, waren ihre Nerven bis zum Zerreißen gespannt.

Langsam einen Fuß vor den anderen setzend, näherte sie sich der zerschrammten Bartheke.

Zwischen Glasscherben und Spielkarten lag auch ein Stück vom zerbrochenen Spiegel, so groß wie ein Handteller. Sie nahm die Scherbe in die linke Hand und erblickte ihr Konterfei: eine Frau von Mitte zwanzig, mit fuchsrotem Lockenschopf, sonnenverbranntem Gesicht und furchtsam flackernden grünen Augen.

Mach, dass da hier rauskommst, meldete sich eine Stimme in ihr. Reite zur Mine, hol dir das Gold und dann nichts wie weg aus diesem Kaff!

Lorna schleuderte die Scherbe in eine Ecke, drehte sich um und wandte sich dem Ausgang zu. Bevor sie hinaus auf die Plattform vor dem Saloon trat, blickte sie sich noch einmal um.

Niemand zu sehen.

Sie ließ die Luft aus ihren Lungen. Das seltsame Gefühl, von jemandem beobachtet zu werden, war verschwunden. Alles nur Einbildung? Hatte der lange Ritt bei brütender Hitze ihr Urteilsvermögen beeinträchtigt?

Wie auch immer, sie war nicht nach New Eldorado gekommen, um Angst zu haben, sondern um sich das Banditengold unter den Nagel zu reißen.

Lorna rammte den Sechsschüsser ins Holster, löste die Leinen vom Mast und geleitete die beiden Pferde die Mainstreet entlang. Als sie die Einmündung zur nächsten Seitengasse erreichte, erblickte sie einen Mann mit einer Greener-Schrotflinte.

Die Mündung des abgesägten Gewehrlaufs zeigte auf ihre Leibesmitte.

»Hands up!«, rief er sie an. »Und keine Dummheiten, wenn ich bitten darf!«

Lassiter stand am Geländer auf der Terrasse von Doc Westons Haus in Wichita und blickte hinaus auf den Gemüsegarten. Bonny, die junge Frau des Arztes, war dabei, Tomaten zu ernten. Der Doktor war mit der Kutsche zur Bahnstation gefahren, um Bonnys Jugendfreundin vom Zug abzuholen, die für eine Woche bei den Westons wohnen würde.

Lassiter verlagerte sein Gewicht von einem Bein auf das andere. Bei seiner letzten Mission hatte er sich einige Verletzungen zugezogen. Ein Streifschuss an der linken Hüfte, Blutergüsse und eine Prellung in der Rippengegend. Die Zentrale der Brigade Sieben reagierte, indem sie ihrem besten Agenten einen Genesungsurlaub verordnete. Lassiter hatte die Zwangspause genutzt, um seinem alten Freund und Kampfgefährten Benjamin Weston einen Besuch abzustatten. Nach seiner Vermählung mit Bonny McCain hatte sich der Landarzt am Rande von Wichita ein hübsches, kleines Holzhaus errichten lassen.

Bonny trat mit den frisch gepflückten Tomaten in der Schale auf die Veranda. Am Geländer blieb sie stehen und musterte ihn kritisch.

»Warum setzt du dich nicht?«, sagte sie und wies auf den Schaukelstuhl neben der Hintertür. »Rate mal, wozu ich den Stuhl ins Freie gestellt habe.«

Er sah die Frau an und schmunzelte. Mit ihren knallroten Haaren, der vorwitzigen Nase, den grün blinkenden Augen und den aufgeworfenen Lippen bot Bonny wahrhaftig einen spitzbübisch-fröhlichen Anblick. Aber der Schein trog. Wenn es drauf ankam, konnte die zierliche Rotblonde knallhart sein. In brenzligen Situationen hatte sie das schon mehrmals unter Beweis gestellt.

Lassiter nahm eine Tomate aus der Schale, biss hinein und setzte sich auf den Stuhl. »Deine Freundin«, sagte er. »Ist sie hübsch?«

Bonny starrte ihn ungläubig an. »Du bist unverbesserlich. Gerade bist du dem Sensenmann von der Schippe gesprungen, und schon hast du schon wieder die Frauen im Kopf.«

»Eine Schwäche, gegen die ich mich nicht wehren kann.«

»Schau mal einer an.« Bonny lachte. »Hast du's denn schon mal versucht?«

Er kaute seinen Mund leer und nickte. »Du glaubst gar nicht, wie oft. Aber es ist jedes Mal in die Hose gegangen.«

»Du Ärmster.« Bonny wandte sich zur Tür. »Wenn ich Zeit habe, bedaure ich dich.«

»Du hast mir meine Frage noch nicht beantwortet.«

Bonny zwinkerte ihm zu. »Ja, damals, als ich Jenny kennenlernte, sah sie sehr ansprechend aus.«

»Wie lange hast du sie nicht mehr gesehen?«

»Zehn Jahre, schätzungsweise.«

Lassiter überlegte. Gern hätte er erfahren, welche Haarfarbe diese Jenny hatte und ob sie eine gute Figur besaß, doch er verkniff sich die Fragen. Bald würde Doc Weston mit ihr auftauchen, dann konnte er sich selbst ein Urteil bilden.

Aus der Küche hörte er die Hausfrau mit Geschirr und Gläsern hantieren. Heute Abend wollten die Westons Jenny zu Ehren eine Party geben. Mit eingelegtem Fleisch auf dem Grillrost, rotem Bordeaux-Wein und einem besonders schmackhaften Bier aus der Bavarian Brewery in St. Louis.

Lassiter stemmte sich auf und schaute in die Küche. Auf einem dicken Holzbrett schnitt Bonny gerade die frisch gepflückten Tomaten in dünne Scheiben.

»Kann ich dir über irgendwas helfen, Sweetheart?«, fragte er.

Sie pustete sich eine Locke aus dem Gesicht. »Kein Sitzfleisch, oder was?«

»Sagen wir mal so: Ich möchte etwas Nützliches tun.«

»Ach so?«

Er baute sich neben ihr auf. »Ich könnte zum Beispiel das Bier kosten, um zu überprüfen, ob es unseren hohen Anforderungen entspricht.«

»Nichts da!« Bonny boxte ihn gutmütig gegen die Schulter. »Jetzt wird kein Bier gepichelt, Tigerman! Wenn du unbedingt etwas tun willst, dann schneide Zwiebelringe. Die brauche ich für den Salat. Hier hast du das Messer.«

Damit räumte sie ihren Platz am Schneidebrett und begann, mit einem Baumwolltuch ein langstieliges Weinglas zu polieren.

Kaum hatte Lassiter die erste Zwiebel geschält, da drangen Hufgetrappel und das Scheppern eines Kutschwagens an seine Ohren. Das Messer in der Hand, trat er ans Fenster.

Doc Weston brachte gerade das Fuhrwerk zum Stehen. Neben ihm, auf dem Fahrersitz, saß eine dunkelhaarige Frau in einem schicken, hellgrauen Reisekostüm.

Lassiter war hingerissen. Was für eine imposante Erscheinung!

Sogleich wummerte ihm das Herz wie eine Pauke in der Brust. Bonnys Freundin war wirklich eine Augenweide. Sie erinnerte ihn an das George Watts-Porträt der berühmten Theaterdiva Lillie Langtry.

Bonny flitzte über die Veranda, um ihre Freundin zu begrüßen. Indessen spannte der Doktor das Pferd aus und brachte es in den Stall.

Durch die Verandatür verließ Lassiter die Küche.

»Außer dir haben wir noch einen Gast«, sagte Bonny zu ihrer Freundin. »Darf ich vorstellen – Lassiter. Lassiter, das ist Jenny Steinberg.«

Die Frau, die Jenny hieß, reichte ihm die Hand zum Kuss.

Er hauchte ihr einen angedeuteten Kuss auf den Handrücken, wobei er ihr in die rehbraunen Augen blickte. »Freut mich, Ihre Bekanntschaft zu machen, Ma'am.«

»Freut mich auch.« Sie nickte ihm zu.

All devils! Ihre Stimme ging ihm durch Mark und Bein. Frauen, die erotische Stimmen hatten, standen in seiner persönlichen Rangliste ganz weit oben. Mit einem Großteil von ihnen hatte er angebändelt und so manche ergötzliche Stunde verbracht. Am liebsten mochte er es, wenn diese Evastöchter mit ihren wohlklingenden Stimmen Schreie der Lust ausstießen. Für ihn das Lebenselixier schlechthin.

Er schob die Gedanken beiseite und gab sich neutral, vorerst.

Munter plaudernd, begleitete Bonny die Neuangekommene ins Haus. Lassiter ging zum Wagen, um Ben Weston beim Hineintragen des Gepäcks zu helfen. Er stemmte gerade einen bunt beklebten Koffer über die Bordwand, als der Doktor zu ihm trat.

»Was ziehst du für ein Gesicht, Doc? Unterwegs dem Geist von Wild Bill Hickok begegnet?«

Weston winkte ab. »Ich weiß nicht, wie ich es Bonny erklären soll«, sagte er gepresst. »Es geht um ihre Schwester Lorna.«

»Was ist mit ihr?«

»Sie wird vermisst, schon seit ein paar Tagen.«

»Ich wusste gar nicht, dass Bonny eine Schwester hat.«

»Die zwei sind verfeindet, seit frühester Jugend.« Weston rückte umständlich seine Brille zurecht. »Bonny hat erst nach der Hochzeit mit mir über sie gesprochen. Diese Lorna ist womöglich noch einen Zahn schärfer als sie.«

»Diese Lorna, hat sie auch mal im horizontalen Gewerbe mitgemischt?«

»Nein, so viel ich weiß, nicht!« Weston hob die Hände. »Sie ist eine Abenteurerin, die schon seit frühester Jugend durch die Lande zieht.«

»Allein?«

Weston nickte. »Ja, sie geht Menschen lieber aus dem Wege.«

»Verstehe.« Lassiter machte die Augen schmal. »Von wem hast du die Nachricht, dass Bonnys Schwester von der Bildfläche verschwunden ist? Stand es in der Zeitung?«

»I wo.« Weston fingerte an seinem Sehglas. »Hab's von dem Schaffner aus dem Zug, mit dem Jenny Steinberg hergekommen ist. Hatte den Burschen mal unterm Messer. Furunkel in Gesicht und Nacken, böse Sache, aber gut ausgegangen.«

»Und von wem wusste er es?«, hakte Lassiter nach. »Sagtest du nicht, Lorna sei eine Einzelgängerin, die Menschen meidet?«

»Ja, das ist sie wohl«, antwortete der Doktor. »Aber Maynard, der Schaffner, kennt einen Drifter aus Green Oaks, der mal eine Weile mit Lorna durch die Great Plains gezogen ist. Sein Name ist Bumper. Von ihm weiß er, dass Lorna sich in den Kopf gesetzt hatte, in eine Geisterstadt zu reiten, in der früher einmal nach Silbererz gegraben wurde.«

»Wie heißt die Stadt?«

»New Eldorado.«

»Den Namen haben sich viele Orte gegeben. Wo liegt dieses neue Eldorado genau?«

»Sierra Vista.«

»Cochise County.« Lassiter geriet ins Grübeln. »Seltsam. Was in aller Welt will eine einzelne junge Frau in einer verlassenen Bergarbeiterstadt?«

Doc Weston zuckte die Achseln. »Das wusste der Drifter auch nicht. Lorna tat sehr geheimnisvoll.« Er hielt inne. »Jedenfalls macht dieser Bumper sich große Sorgen. Sie hatten regelmäßig Briefkontakt. Seit einer Weile hat er aber kein Lebenszeichen mehr von ihr bekommen. Lorna hatte eigentlich vor, sich mit ihrer Schwester zu versöhnen. Das hat sie mit Bumper besprochen. Sie war schon auf dem Weg nach Wichita, bis sie ihre Pläne plötzlich änderte. Sie kam zurück zu Bumper, besorgte sich eine Ausrüstung und Proviant und brach sofort wieder auf, nach Sierra Vista. Warum, steht in den Sternen.«

Lassiter rieb versonnen sein Kinn. Das Geheimnis, dass Lorna McCain umgab, erregte sein Interesse. Was hatte Bonnys Schwester davon abgehalten, hierher nach Wichita zu kommen? Er überlegte hin und her, und dabei beschlich ihn ein Verdacht. Möglicherweise hatte die Aussicht auf unerwarteten Reichtum ihren Sinneswandel hervorgerufen?

Im Haus brandete lautes Gelächter auf.