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Das Buch enthält Lebensbilder von Dichtern aus dem Umkreis der Nachkriegs-Literaturszene. Nähere Informationen zum Gesamtprojekt: https://www.facebook.com/VerlagfuerBibliotheken
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Seitenzahl: 355
Veröffentlichungsjahr: 2018
Ernst Bacmeister
Dorothea Hollatz
Karl Springenschmid
Jugendbewegung und Dichtung
Wilhelm Pleyer
Friedrich Franz von Unruh
Ferdinand Avenarius
Mirko Jelusich
Festgabe des Arbeitskreises für deutsche Dichtung
zu seinem 85. Geburtstage
MCMLIX
Dr. phil. Ernst Bacmeister, geboren am 12. 11. 1874 in Bielefeld, verheiratet seit 1907, wohnt in Wangen am Bodensee (Untersee). Er erhielt 1932 den Dramatikerpreis des Bühnenvolksbundes und 1940 den Kulturpreis der Stadt Düsseldorf. — Lyrik, Dramen, Essays, Autobiographie, Funkmanuskripte.
Diese Festgabe wurde herausgegeben im Auftrage des Arbeitskreises für deutsche Dichtung (Göttingen, v. Ossietzkystraße 7) von Dr. Walter Jantzen, Kronberg im Taunus.
Druck: Göttinger Druckerei- und Verlagsgesellschaft mbH., Göttingen
Ernst Bacmeister
Ernst Bacmeister
Mein Glaube
Ich glaube, daß es nirgends im Weltall etwas gibt, was uns Menschen heiliger sein dürfte als der Stern, den wir selber bewohnen, und daß wir uns nicht frömmer zum Leben verhalten können als indem wir die höchste Möglichkeit der Erde, ihre Gottesblüte Geist, immer reiner und reicher in uns verwirklichen. — Wo aber diese Blüte im Menschen deutlich erwacht ist, da wird sie in seinem Willen auch zur Frucht und streut ihren Samen aus als eine Fülle geläuterter Taten, die unsere irdische Wohnstätte zu einem diesseitigen Himmel der Heimatlichkeit im unendlichen All gestalten. Und hiermit erfüllt sich der ewige Sinn des kosmischen Gebildes, das wir unseren Planeten nennen.
Ministerialrat a.D. Professor Dr. Kurt Asal
Ernst Bacmeister zum 85. Geburtstag
Ein unvollkommenes, ja einseitiges Bild gewänne der Betrachter, der sein Urteil über das Wesen einer Zeit nur nach denjenigen Stimmen bilden wollte, die im Chor der geistigen Lebensäußerungen laut und vernehmlich hervortreten. Wer zur richtigen Wertung gelangen will, darf die Stimmen nicht überhören, die, überdeckt von den Klangwogen der Führenden, unbeirrt und unbeirrbar ihre sanfte Melodie ertönen lassen. In diese Reihe gehört das Dichtwerk Ernst Bacmeisters. Wer wie er das „recede in te ipsum“, die Selbsterziehung, in den Mittelpunkt seines dichterischen Schaffens stellt, geht in der heutigen Zeit einen eigenen und auf weite Strecken einsamen Weg. Aber gerade deshalb hat er den Heutigen, denen so viel von den materiellen Gütern des Lebens und den menschlichen Trüben und Leidenschaften und so wenig von den seelischen Werten vor Augen geführt wird, Wesentliches zu sagen. Seine Aussagen und Lehren sind geradezu die heilende Komponente gegenüber den zermürbenden Einseitigkeiten der gegenwärtigen Lebensführung allzuvieler.
So sei denn dem Dichter und Denker, der mit solcher Folgerichtigkeit und Selbstverleugnung aus dem Gefühl sittlicher Verantwortung heraus seine Lebensaufgabe erfüllt, zum 85. Geburtstage aufrichtig Dankbarkeit und Verehrung bezeugt mit allen guten Wünschen für ein weiteres segensreiches Schaffen.
Ernst Bacmeister
Mein Leben
Die Anschauungswelt meiner Kindheit ergab sich aus einer ganzen Reihe von Wohnorten meiner Eltern im mittleren Deutschland. Der äußerliche Raumwechsel erscheint mir dabei nicht sehr wichtig gegenüber der Einheitsmacht der jungen Seele, alles gleicherweise träumerisch in sich hineinzunehmen. Auch blieb ja das elterliche Haus von Stadt zu Stadt immer dieselbe engste Heimat und treuliche Umschließung. Und ob wir sechs Brüder an der Saale bei Bernburg Schmetterlinge fingen oder, mit immer wachsendem Unternehmungsschwung, in den Bergen bei Eisenach abenteuerten, machte keinen wesentlichen Unterschied aus gegenüber dem Element unserer angeborenen Dauergemeinschaft, die jede Eigenbrötelei verhinderte und uns unwillkürlich zu Tatlust und Opferbereitschaft erzog. Ich halte es um so mehr für einen Segen, in einer zahlreichen Familie aufgewachsen zu sein, weil ich zur Einzelbewußtheit besonders veranlagt war und schon frühzeitig den Blick nach innen wandte. Deshalb nahm ich auch die Schule ungewöhnlich ernst und kam dem Wunsche meiner Mutter, daß ich ein evangelischer Prediger werden möchte, wie es ihr Vater gewesen war, mit einem fast pedantischen Lerneifer entgegen, der mein Gemüt vergewaltigt haben würde, wenn nicht das heimische Miteinander heilsam dagegen gewirkt hätte.
Ich studierte dann doch nicht Theologie, sondern ohne Berufsplan alles, was mich lockte. Zum Abschluß wanderte ich als folkloristischer Philologe durch siebenbürgische Dörfer und schrieb rumänischen Bauern mit phonetischer Akribie Lieder und Märchen vom Munde ab. Dann folgten problematische Wanderjahre durch Deutschland in der lockeren Sckicksalsweise des Hauslehrers. Von Danzig bis an den Bodensee. Das dunkle Verlangen, des eigenen Geistes und Gottes mächtig zu werden, entführte mich endlich der vielspältigen Bildungswelt in die Einheit der sprachlosen Natur unter dem klärenden Gestirn der Ehe. Unsere alte Bruchsteinhütte auf dem Uferberge des Untersees lag in einer paradiesischen Landschaft, und, zur Armut gewillt, fanden wir es nicht schwer, der Zukunft zu vertrauen. Das Vorher und Nachher versank uns, denn „die Ewigkeit saß auf unserer Schwelle“. Nun wirkte die Natur, unsere einzige Umwelt auf der schweigenden Höhe, mit Ursprungsmächten auf mich ein. Die überfüllte Geistesmitte tat sich zur Gestaltung ihrer selbst in tragischen Bildern schöpferisch auf. Ein Werk rief das andere. Ehe und Natur nährten die Seele und bewahrten sie in dichter Fruchtbarkeit.
Zwar nur wenige erreichte das abseits Geschaffene. Aber Gestaltung gestaltet den Gestalter. Und „Läuterungswiderstand“ nannte ich, mir zur Versöhnung, die lange Vergeblichkeit meiner Rufe. Es soll aber um der Wahrheit willen auch nicht verschwiegen werden, daß mir die Freundin Armut meiner schweifenden Jahre als zähe Mitgesellin meiner Ehe endlich eine dürre Despotin geworden ist. Fiat justitia? Büßt man so rechtens das Glück eines eigenwüchsigen Glaubens und die Seligkeit der Werke? – – In der süddeutschen Wahlheimat finde ich die Herkunft aus norddeutschem Blute bestätigt als eine unerbittliche Protestantik meines geistigen Gewissens und als Bevorzugung herber Führungsformen im Kunstwerk, außerdem aber in dem trotzigen Willen, die seelische Anmut der weicheren Landschaft und das halkyonische Idyll des Bodensees, in das die Alpen so heldisch herüberblicken, nicht mit einer Entspannung der produktiven Kräfte zu büßen.
Hans Franke, Heilbronn
Schöpferische Weltbetrachtung
Ernst Bacmeister als Dichter und Mensch
Nicht nur für mein eigenes dichterisches Schaffen, viel mehr noch für meine menschliche Entwicklung habe ich von drei Dichtern entscheidende Anregungen im Laufe meines Lebens erhalten. Alfred Mombert lenkte in meinen Jugendjahren mein Denken in weite kosmische Räume und stand mit seiner Vision vom „Helden der Erde“ Pate bei manchem meiner lyrischen Werke; Alexander von Bernus bereicherte mein Forschen in den Bereichen des Magischen und des Zwischenreiches, und Ernst Bacmeister gab meinem Denken mit einigen seiner grundsätzlichen Themen wichtige Akzente.
Es war vor ungefähr 35 Jahren, als ich Ernst Bacmeister in Heilbronn bei einer seiner Vorlesungen in der Volkshochschule erstmals begegnete. Ich sah mich einem stämmigen, untersetzten Manne mit schon damals graudurchwirktem Schnurrbarte gegenüber, einem Menschen, in dem der Typus des Landmanns mit dem des Militärs eine eigenartige und sympathische Mischung eingegangen war; ein starker Knochenbau, arbeitsame Hände, lebendige Augen, gesammelte, aber oft auch impulsive Bewegungen zeichneten diese Erscheinung aus. Bacmeister las damals das kleine Lustspiel „Die Schlange“, das erst später zum Druck und zur Aufführung gelangte.
Diesem ersten Begegnen folgten im Laufe der Zeit viele, es kam die Aussprache in zahllosen Briefen hinzu, und dies enge geistige Verhältnis zu ihm, die Spannung, in die mich sein Denken, seine Dramen, die denkerische Grundrichtung seines Gesamtschaffens versetzten, wuchs ständig. So kam es, daß ich Ernst Bacmeister zu den meisten Uraufführungen seiner Dramen begleitete, wollte ich doch ebenso Zeuge dieser immer wieder erregenden theatralischen Vorgänge wie auch der Widerspiegelung dieser Eindrücke bei dem Schöpfer der Werke sein. Ich war so Zeuge des Erfolges von „Maheli wider Moses“ in Augsburg (1932), von „Der Kaiser und sein Antichrist“ in Düsseldorf (1943), des großen Erfolges von „Kaiser Konstantins Taufe“ in Stuttgart am Staatstheater (1937) und von dem Heinrich IV.- Drama „Der Größere“ in Frankfurt (1938).
In der Zeitspanne, in der sich gerade diese Begegnungen abspielten, war vieles urn uns her geschehen. Es waren solchen Begegnungen auch noch andernorts Gespräche gefolgt, sei es in Heilbronn, sei es in Stuttgart (wo Bacmeister in dem Gründer und Leiter der bekannten Werkschule Merz. Albrecht L. Merz, einen besonderen Freund besitzt) oder sei es dort am Bodensee, wo sich Bacmeister sehr früh schon in einem herrlichen Park ein Tuskulum geschaffen hatte, in dem er mit der Gattin und dem einzigen Sohne lebte. Es liegt gegenüber dem schweizer Ufer, man sieht die ansteigende Kette von Bergen; und nur, wer diesen Park, diesen Blick über das Wasser kennt, wer Spaziergänge durch das Hinterland unternommen hat mit seinen Wiesen, Obstgärten und Weinbergen, kann ganz die geistige Welt, die Naturbetrachtung und die Stille verstehen, die in vielen der kleinen Essays des Dichters den nachdenklich-philosophischen Untergrund bildeten.
Das Schaffen nun dieses Dichters, um den es unverständlicherweise nun schon seit Jahren ruhiger geworden ist, ist vielfältig; aber man kann es nur in seiner ihm innewohnenden Substanz verstehen, wenn man es als Ganzheit sieht, das heißt, wenn man die Dramen, die großen Essays, die kleinen Naturbetrachtungen ebenso wie Einzelschriften und das biographische Buch „Wuchs und Werk“ zusammenschaut, wobei sich Bacmeister gerade in letzterem mit seinem dichterischen Gesamtwerk entscheidend auseinandergesetzt hat. Wir wollen dieses Werk ganz kurz aufzählen. Es besteht aus den zwei Reihen der Dramen, und zwar gehören die in dem Bande „Innenmächte“ (1922) zusammengefaßten Dramen „Lazarus Schwendi“, „Andreas und die Königin“, „Die dunkle Stadt“ und „Barbara Stossin“ thematisch in die erstere; während in den nun folgenden Werken „Maheli wider Moses“, „Der Kaiser und sein Antichrist“, „Kaiser Konstantins Taufe“, „Der Größere“, „Theseus“, „Der indische Kaiser“ (1943) und „Lionardo da Vinci“ (1952) sich konsequenter in der Richtung seiner allgemeinen denkerischen Weglinie bewegen. Zwischen diesen Theaterstücken liegen die heiteren Werke wie „Die Schlange“ und „Der teure Tanz“ (1940). Auf der anderen Seite steht die lyrische Ernte, eingetragen in den Büchern „Die Spur“ und „Lyrik im Lichte“ (beide 1942), und vor allem das reiche Material essayistischer und denkerischer Bemühungen, wie sie uns in den Bänden „Erlebnisse der Stille“ (1938), „Schöpferische Weltbetrachtung“ (1939), „Die Tragödie ohne Schuld und Sühne“ (1940), „Der deutsche Typus der Tragödie“ (1941), „Schau und Gedanke in Baden-Baden“ (1942), „Intuitionen“ (1947), „Essays“ (1948), „Innenernte des Lebens“ (1952) oder in kleinen Sonderdrucken wie „Die Bewertung der Maschine in der Weltschau des Geistes“ usw. vorliegen. Dazu gesellt sich wie gesagt die Biographie „Wuchs und Werk“ (1939), die ich als einer der ersten im Manuskript zu lesen die Freude hatte.
Fragt man nun heute einen der sogenannten „Gebildeten“ nach Ernst Bacmeister, so wird man ein fragendes Kopfschütteln zur Antwort bekommen. Aber das wird einem bei Alfred Mombert oder Alexander von Bernus nicht anders ergehen . . . Und dabei steckt in Bacmeisters Werk — liest man es richtig und versucht seine Zielsetzung zu begreifen—etwas ungemein Zeitwichtiges, ein Weg zur eigenen und allgemeinen Lebensgestaltung. Ja, man möchte fast meinen, daß Bacmeisters Weltschau, die dem Menschen eine so ungemeine Mächtigkeit zuweist, den in aller Munde würzigen Existenzialismus auf eine positive Weise ergänzt, die zu kennen für die Menschen lehrreich wäre. Es ist fast unverständlich zu bemerken, daß weder in dem vielgekauften Buche von Lennartz „Die Dichter unserer Zeit“, noch in der „Deutschen Literaturgeschichte“ von Prof. Martini, noch in der von Paul Fechter Bacmeister auch nur mit Namen erwähnt wird!
Es gibt zwei Grundpfeiler im Schaffen Bacmeisters, die besonders geeignet sind, seine neue und eigentümliche Denkweise zu erkennen. Das eine ist der Essay-Band „Schöpferische Weltbetrachtung“, das andere ist das Lebensbuch „Wuchs und Werk“. Bei den in dem Bande „ Schöpferische Weltbetrachtung“ zusammengefaßten Essays sagt schon der Titel, wohin Bacmeister zielt. Er ist, so werden wir später noch sehen, Dichter und Denker zugleich. Denn was sich ihm als Lebenslehre vom Grunde einer allgemeinen Betrachtungsweise abhebt, ist nicht ein kalt-nüchternes System erklügelter philosophischer Bemühungen, sondern ein aus denkerischem Urgrunde in dichterische Lebenswärme getragene Erkenntnis. Als im Grunde durchaus sinnlich Schauender kommt es ihm nämlich darauf an, dieses Schauen zu einem schöpferischen Akte emporzubilden und es als eine Kunst des Geistes zu lehren. Das Instrument aller dieser Versuche und Hinweise ist der geklärte, von allen Schlacken irdischer Fesseln und hemmender Alltäglichkeiten befreite und gereinigte Geist, den Bacmeister den „selbstbewußten Herrn der Seele“ nennt. Er unterscheidet hier in seiner Methodik sehr weise Seele und Geist und überträgt letzterem das höhere Amt. Seine nun in vielerlei Vergleichen durchgeführte Schulung — wenn wir das so nennen könnten — läuft vor allem auf eine ununterbrochene Mehrung, eine Anreicherung und Stärkung der Welterfassungskräfte hinaus, mit ihnen kann der Mensch „führungsmächtig“ werden, was heißen will, daß er sich selbst zu immer neuen spirituellen Landschaften und Ausblicken emporläutern kann. So wird er sich langsam dem All-Geist nähern, ihn begreifen und mit ihm eine Kommunion eingehen, jenem Geiste, der als immertätige Macht hinter der Welt der Erscheinungen steht, ohne auch nur eine der irdischen Erscheinungen aus seinem Banne zu entlassen; und der den Menschen aufruft, sich seiner zu bemächtigen und freischaffend selbst Welt, Welt-Geist, zu sein. Ist der Mensch einer solchen „Bewußtseinsgestaltung“ fähig, dann fühlt er sich allteilhaftig, sei es den Wundern der Natur, sei es den Zeugnissen hoher Kunst, sei es dem bestirnten Himmel oder der freien menschlichen Tat gegenüber, die alle aus dem gleichen Weltbrunnen stammen. So geht Bacmeisters Denken stets auf die „Zusammenschau“ aus, ihm ist die schillernde Fliege im Blattwerk genau so ein Zeichen der geistbelebten Welt wie der schwebende Adler, das große Drama, der Mensch in all seinen Widersprüchen. Das Ich wird zur bewußten Erlebnisfläche des Alls. Dieser Geist ist nicht wie bei manchem anderen Denker ruhendes Licht, sondern „erzieherische Kraft“, er kann nur strahlen in dem bewußten Mitstrahlen, nur denken in dem schöpferischen Mit-Denken. So rückt unser Leben in die Nähe des schöpferischen All-Geistes. Man kann also von einem schwebenden Liebesspiel der Denkkräfte reden, das erstrebenswert ist, weil es uns zu zeugerischen Zeugen macht. Das alles aber ist nun nicht schweres, dem Laien etwa unzugängliches philosophisches Rüstzeug oder eine unverständliche Spekulation, nein: eine liebevolle und gründliche Natur- und Menschenkenntnis bietet es uns klar und bewegt an, leichtfaßlich in den Vergleichen, lebensnahe in der Deduktion, mag es sich nun um das Verhältnis des Zivilisationsmenschen zur Natur, um das zauberhafte, symbolträchtige Leben der Pflanze oder um Untersuchungen über die dramatischen Aufgaben der Zeit handeln. Der Mensch wird zu einem „dichterischen Verhalten“ der Welt gegenüber gezwungen, was nichts anderes heißt, als daß die Welt den Stoff anbietet und der Mensch daraus sein geistiges Verhalten schöpferisch gestalten kann.
In engstem Zusammenhange damit steht alles, was Bacmeister in kleinen Betrachtungen oder in seiner Lyrik zu sagen hat, ja man hat fast den Eindruck, daß sich von der liebevollen Schau auf die kreatürliche, die Welt der Pflanzen und das Weben in der Natur diese erhöhte Betrachtungsform entwickelt hat. In diesen beiden Disziplinen ist Bacmeister durchaus goethisch eingestellt, ja er wird nicht müde, gerade auch in Gesprächen auf die naturwissenschaftlichen Zeugnisse in den Goethe’schen Arbeiten hinzuweisen. Eine ebensolche Schau durchstrahlt seine Lyrik und vor allem jene in einem Bande zusammengefaßten Rundfunkansprachen, in denen Bacmeister im Süddeutschen Rundfunk durch Monate hin zu den Hörern sprach und ihnen seine Weltbetrachtung zu vermitteln suchte. Der große Widerhall, den gerade diese kleinen Bilder gefunden haben, zeugt davon, daß sie sehr wohl eine breite Menge von Menschen anzurühren wußte. In dieser „Innenernte des Lebens“ finden wir auch den Abschnitt „Ein Lebensgipfel und seine Deutung“, den jeder, der sich, mit Bacmeister jemals befassen will, zuerst lesen sollte. Denn hier wird dargetan, wie sich der Mensch geistig in den Besitz des Lebendigen setzen kann. Hier finden wir den lauteren und klaren Satz: „Der Geist braucht sich nicht entschulden zu wollen durch Mitteilung! Er entschuldet vielmehr durch sich selbst, in einsamer Seligkeit (eben durch Versenkung in seine Erscheinungen, seine Fülle, seine Dramatik)“, den Ungeist der ganzen Menschheit, weil er, wie die Weltschöpfung mit dem geringsten Aufwand das Große bewirkt: jene empirisch, er intelligibel, das heißt, unerfahrbar außer von den Gleichgesinnten. Und zu solchen Gleichgesinnten uns zu machen, das eben ist Bacmeisters Anliegen. „Dennoch teilt er sich mit“, so fährt der Dichter fort „als ob die als Menschen geboren wurden, Götter zu werden veranlagt sind“; er tut es gegen den Verstand aus Herzensfreiheit der Liebe: und so ist der Weg des Menschen im Leben gekennzeichnet! Dank solcher „Überwirklichung“ des Wirklichen, im geistig-selbstschöpferischen Liebesakt, wirkt „der Durchschwung“ des Universalen durch das Individuelle offenbar als sieghafter Aufschwung. Und dem Menschen ruft der Dichter zu: „O du unsterblich Beteiligter an solcher Krönung des Ewigen in Deiner eigenen obersten Wesenswahrheit!“
Von hier aus sei ein Blick auf den Gegensatz Bacmeisters zur existenziellen Weltbetrachtung erlaubt. Es scheint nämlich, als ob zwischen Bacmeisters Inthronisierung des derart mächtig gewordenen Menschen nur ein geringer Unterschied bestünde zu Sartre oder Camus, die ja ebenfalls dem Menschen eine göttliche Machtfülle zuerkennen, ja, wie Camus in seinem Werke „Der Mythos von Sisyphos“ schreibt, die ihn als den Allein-Verantwortlichen kennzeichnen. Aber der Hauptunterschied scheint mir in dem Verhältnis zum Tode zu liegen; und in dem zur Natur. Camus etwa kennzeichnet den Menschen als das Wesen, das fragt, gegenüber der Natur, die schweigt; er meint, daß das einzige, das wir wissen, der Tod sei, weshalb ja das menschliche Leben dem Tun des Sisyphos ewig gleiche, der in immerwährender schwerer Arbeit den Felsen zum Gipfel stößt, der wieder zur Tiefe rollt. Nach Camus lebt man, um sich zu freuen als freute man sich nicht; zu trauern als trauere man nicht; die Pflichten so zu erfüllen, daß alles nicht das Letzte, sondern das Vorletzte sei: denn wenn der Mensch Gott erkennt, ohne sein Elend zu erkennen, verfällt er dem Stolze; erkennt er sein Elend, ohne Gott zu erkennen, verfällt er der Verzweiflung. So hebt sich bei den Existenzialisten der Mensch mit einer ungeheuren Anstrengung zu seiner Größe und Macht, während er bei Bacmeister, freilich ebenfalls ohne den Segen der Kirche, in spielerischem Selbstzeugen, in der geistigen Durchdringung von Dasein und All zu einem heiteren Wesen, einem lächelnden Wesen wird, für das nicht Verzweiflung, sondern Staunen das Kennzeichen ist.
Nun ist es lehrreich, diese Entwicklung in dem Lebensbuche „Wuchs und Werk“, der Autobiographie des Dichters, nachzulesen. Bacmeister stammt, um das nachzuholen, aus einem alten westfälischen Geschlecht; es ist ein weitverzweigter Stamm, der auch wesentliche Zweige ins Schwäbische ausgebreitet hat. Er selbst stammt aus der rheinischen Linie. Nach einem liebevollen Eingehen auf seine Jugend- und Studentenzeit erfahren wir in diesen Schilderungen, wie Bacmeister dann Hauslehrer wurde und sich in einer bestimmten Stunde für das entsagungsvolle Leben des Dichters entschied. Und für uns ist es ergreifend, zu beobachten, mit welcher Konsequenz er sein Weltbild ausbaute. Bei der Betrachtung eines Kunstwerkes in München wurde ihm der Kerngedanke seiner „Selbstermächtigung“ bewußt, er „fühlte sich als freier Tänzer zwischen dem Nichts und dem All“ frei, weil er sich „wie auf unsichtbarer Brücke zwischen beiden halten konnte, in schwebender Noch-nicht-Entscheidung sich den Vollzug der Selbstkonstituierung wählend“. Das aber heißt doch nichts anderes, als daß der Mensch eben vollkommen unabhängig ist von allen Mächten, vornehmlich denen des „Schicksals“. Ja, daß es letzten Endes das, was man gemeinhin Schicksal, also Abhängigkeit nennt, nicht gibt.
Diese Auffassung stellte Bacmeister beispielsweise in Gegensatz zu Hebbel und zu dessen Konstruktion der „Seins-Schuld“, während er Gedanken von Fichte weiterführte, der uns sagte, daß der Gegenstand oder die Welt nur durch das Ich, das sie erfaßt, vorhanden ist. Freilich überhöhte er diesen Begriff wesentlich!
Derart vorbereitet können wir uns nun dem wesentlichsten Teil des Bacmeister’schen Schaffens nähern, seinen Dramen.
Ohne Zweifel hat sich Ernst Bacmeister mit Hebbel entscheidend auseinandergesetzt. Er habe über ihn hinaus gewollt, vermerkt Nadler in seiner Literaturgeschichte. Er ist in der Fixierung des tragischen Untergrundes zweifellos Hebbel in den ersten vier Dramen (in dem Bande „Innenmächte“) mehr verpflichtet als er zugeben will, vor allem scheint mir „Lazarus Schwendi“ als Drama des Maßlosen, der durch ein Opfer zu sich selbst geführt wird, stark aus dem Hebbel’schen Ideenkreis dramatischer Observanz hervorgegangen. Aber mit dem „Maheli“ setzt eine neue Schau, eine neue tragische Auseinandersetzung ein, die sich auch in einer anderen Szenenführung kundtut: Bacmeister verzichtet immer mehr auf das theatralische Geschehen im alten Sinne und zwingt uns, an Auseinandersetzungen des Geistes teilzunehmen, jenes göttlichen Stoffes, der, wie wir sahen, als „Verzehrer der Materie“ im Gedankengebäude Bacmeisters die führende Rolle spielt. Geist ist dem Dichter das schlechthin Göttliche, das uns befähigt, an dem göttlichen Allstrom, an der geistigen Nährsubstanz unmittelbar teilzuhaben. Von ihm umsponnen, in ihn gebettet werden die Menschen zu neuen Entscheidungen, neuen Verantwortungen gezwungen, erheben sie sich in ihrer Wertmächtigkeit weit über die bisherige menschliche Spielfläche.
Der Geist als lebenschöpfende, hell durchlichtete Kraft gedacht, wird unmittelbar in das Spiel einbezogen und macht die Helden des Dramas, da er in ihnen lebendig ist und sie sich so in Gegensatz zum allgemeinen Typus Mensch stellen, zu „Verfrühten“, ihrer Zeit gedanklich, seelisch, moralisch und ethisch voraus. Diese Gegensätzlichkeit aber wird nicht ausgetragen etwa auf die Art Shakespeares in deren turbulentem Widerstreit genialischer, gigantischer, übersteigerter Charaktere, sondern spielt sich ab in Auseinandersetzungen denkerischer Art. Man hat das Bacmeister verübelt und seine Dramen als undramatisch abgetan. Ganz einfach deshalb, weil dieses Spiel des Geistes noch nicht als tragisch-dramatisch empfunden wird. Bacmeisters Art benötigt nicht die Figurationen gewisser Konflikte, seien es solche familiärer, sozialer oder gruppenmäßiger Observanz, ihn zieht das ergreifende Zurückbleiben selbst großer Menschen von der letzten geistigen Schwebe an, dem die Einschmelzung in einen höheren Typus folgt. Nicht ohne Grund hat der Dichter in dem großen Essay „Das Drama ohne Schuld und Sühne“ seine Art zu erklären versucht, und wir selbst können nur auf den Begriff der Siegfried-Schwebe hinweisen, das heißt: wir sehen, wie alle diese Gestalten — sei es nun Maheli, Konstantin, Siegfried, Theseus oder Lionardo — den Auftrag haben, den Akt der Selbstermächtigung bis zum letzten durchzudenken, schwebend zwischen Nichts und All, Schöpfer neuer Denkzonen, gehalten, sich für gut oder böse, rein oder unrein, lebensstark oder daseinsschwach zu entscheiden. Bacmeister ficht für die „intelligible“ Tragödie, das heißt für jene, die „nur geistig faßbar“ ist. Deshalb hält er es mit Nietzsche, der einmal sagte, daß der Held „heiter“ sei; und eine große geistige Heiterkeit, die Überlegenheit des weit vorgedrungenen Menschen, strömt auch von diesen Gestalten oder ihren Gegenspielern aus. Das ist ohne Zweifel eine neue wesentliche Schicksalsauffassung.
Ich entsinne mich vieler Begegnungen. Unvergeßlich bleibt mir vor allem der erste große Erfolg des „Maheli wider Moses.“ Es ist die Tragödie des Revolutionärs, der, obwohl Moses seine Gedanken gutheißt, doch sterben muß, weil die Elemente der Revolution nicht legalisiert werden können. Man war in jener Zeit derart aufs Geistige gerichteten Dramen nicht gewachsen, aber sie wirkten dennoch. — In dem riesigen Rund des Münchener Residenztheaters wurde Bacmeisters „Siegfried“ gespielt. Ich selbst war überaus skeptisch, fand doch diese Aufführung noch dazu statt in irgend einem nationalsozialistischen Besucherring. Siegfried ist der Mittelpunkt des Werkes. Er hebt sich aus einer Gruppe überdimensionaler (Brunhild) und ungeistiger Gestalten (Hagen, Gunther, Kriemhild) empor in das freie Geistesreich des ich-bewußten Menschen, und er kann dergestalt nur einen Gegenspieler haben, eben die dank dämonischer Kräfte götterhaft gewordene Walküre. Seine Daseinsschuld ist es, sich für Kriemhild zu entscheiden, es ist der Betrug an der Walküre, der ihn in den Tod führt. Wie sollte, so fragte ich mich, als ich mit Bacmeister durch das immer lebensfrohe München den Nachmittag hin wanderte, wie sollte diese Gedankenfülle, nur durch das Wort, nicht durch Handlung geprägt, wirken? Es geschah das Unglaubliche: die fast 2000 Menschen, die dieses Theater faßt, verharrten das ganze Stück über in atemloser Stille. Es schien ihnen keineswegs schwer oder unmöglich, den Ideen des Dichters zu folgen. Freilich wurde mit Anne Kersten als Brunhilde ungemein eindringlich gespielt. Und es kam zu einem durchschlagenden Erfolg.
Der schönste Tag aber ist, meine ich, jener der Uraufführung von „Kaiser Konstantins Taufe“ gewesen, das mit Walter Richter in der Titelrolle und mit Rudolf Fernau als Sopater im Staatstheater Stuttgart gespielt wurde. Es ist hier eine der von Hebbel bevorzugten „Weltstunden“. Kaiser Konstantin besiegelt den unabwendbaren weltgeschichtlichen Willen und nimmt die Schöpfung einer Kirche, „dem göttlichen Geheimnis, keinem Gott!“ gewidmet in den Staatsgedanken auf. Er bezeichnet sich selbst als „die Haut ein Heide und das Haupt ein Christ“ und vergißt nicht, in dem großartigen Gespräch mit dem Weisen Sopater sich über die Urgeheimnisse aller Kulte zu befragen. Gerade das Gespräch zwischen Konstantin und Sopater bildete den Höhepunkt dieser bedeutenden, auch im Szenischen lebendigen Aufführung. Wir saßen nach der Aufführung noch lange in dem gastlichen Hause des schon erwähnten Albrecht L. Merz beisammen, einige der Schauspieler und der Dichter in unserer Mitte. Es schien, als ob alle Lebendigkeit, deren ein Mensch fähig ist, jetzt erst in Bacmeister erwachte, denn er, der schon damals uns an Jahren weit voraus war, blieb der Anregende, der unermüdlich weiter nach vorn Stoßende, der seinen Goethe, seinen Hebbel, seine eigene Welt beschwor, um uns noch einmal in die Grundgedanken des Dramas zu führen. Unvergeßlicher Abend, unvergeßlicher Morgen als ich mit Bacmeister zum Hotel schritt.
Dergestalt mit dem Dichter Umgang zu haben, gehört zu den Wertbeständen meines Lebens! Wer ihn kennt, wird ihn verehren und lieben. Als Heilbronn noch nicht zerstört war, bildete der runde Tisch in meiner Behausung immer den Sammelpunkt, um den sich die Freunde mit dem Gast vereinten. Selbst die Kinder kamen dem Dichter ohne Scheu entgegen und lauschten seinen Worten. Damals lebte noch ein inzwischen verstorbenes unvergeßliches Mitglied des Kreises: Christian Leichtle, der Leiter der Volkshochschule. Ihm ist es zu danken, daß sich in Heilbronn eine große Gemeinde um den Dichter bildete, die gerne kam, ihm zuzuhören.
Aber man muß Bacmeister auch in seiner eigenen Welt gekannt haben, im Garten, in seinem Arbeitszimmer. Dann erst wird man die Bedeutung fühlen, die Goethe als Persönlichkeit für ihn gehabt hat. Bacmeister gibt in dem Handbuch „Wer ist’s“ als Liebhaberei „Gartenpflege“ an. Fürwahr: er ist ein Freund der Pflanzen und Fluren, weil sich hier für ihn das Tor öffnet in seine Betrachtungsart, von der wir einiges mitteilen konnten. Aber es wäre weit gefehlt, Bacmeister als weltfremd, abgeschlossen, versponnen zu bezeichnen. Vielleicht gibt es keinen besseren Beweis dafür als die kleine Schrift „Die Bewertung der Maschine in der Weltschau des Geistes“. Denn hier dringt er mit seinen Ideen in die Sphäre des Alltags, der Maschinenwelt ein und stellt am Schlusse eine bezeichnende und schwere Frage, die aber gleichzeitig für sein dichterisches Wesen von höchster Bedeutung ist. Er fragt nämlich, wer schon genug erlöst sei, dem „anderen“ das Himmelreich in sich überzeugend mitteilen zu können. Welchem anderen? Da heißt es: „Das ist doch wohl der an Natur gebundene ... Bauer, der industrielle Arbeiter im verzehrenden Betrieb der fabriklichen Werkstatt, der ... spezialisierte Erfinder, Forscher und Gelehrte; das ist auch der naturwidrig abstrakte... Philosoph und auch endlich der schöpfungsgläubige Priester der Transzendenz, der Theologe.
Jedoch nur der Dichter bleibt nach Bacmeister als Verkünder dieser neuen Lehre „in seiner Steigerung zum denkerischen Bekenner der neuen Religiosität, welche dem Leben seine vom Jenseitsglauben seit Jahrtausenden abgeblendete Diesseitsgöttlichkeit zurückgibt.“
Um solche Diesseitsgöttlichkeit geht es Ernst Bacmeister. Sie strahlt aus jeder Zeile seines vielfältigen Werkes, lesen wir es nur aufmerksam und liebevoll!
Ernst Bacmeister
Neuer Psalm
Löse, Mensch, die Weltenschwere!
Erde, Sonne, Mond und Meere:
Wer vermöchte sie in sich?
Nur in dir fährt Gott zum Ziele.
Jauchze seinem großen Spiele: —
Alle Wunder meinen dich!
Dr. Margarete Dierks, Darmstadt
Macht — Geist — Liebe
Zur Dramatik Ernst Bacmeisters
Sucht man in der „Deutschen Literaturgeschichte von den Anfängen bis zur Gegenwart“ von Fritz Martini den Namen Ernst Bacmeister auf, so findet man ihn in der Nachbarschaft von Henry und Bernt von Heiseler, Max Mell, Curt Langenbeck, Hans Rehberg, Eugen Ortner genannt. 1874 geboren, ist Bacmeister der älteste in dieser Reihe, die der Verfasser nicht nur aufgrund der Generationsnähe’ aneinanderschloß; seine kurz das Schaffen eines jeden charakterisierenden Sätze zeigen vielmehr, daß Martini neben unterschiedlichen gewisse gemeinsame Züge vor allem im dramatischen Werk der Genannten findet. Vergegenwärtigen wir uns, daß sie Dichter sind, die kurz vor dem oder um das 40. Lebensjahr vom Erlebnis des ersten Weltkriegs und seines folgenschweren Ausgangs betroffen wurden. In der Erschütterung und Umschichtung der Gesellschaft, im Niederbruch des Reiches, in der Auflösung geschichtlich gewachsener Bindungen, in der Haltlosigkeit der vergangenheitsentbundenen Mitlebenden trachteten sie, die geistigen Grundkräfte des Abendlandes neu ins Bewußtsein zu heben und das sich verschiebende Zeit- und Lebensgefühl vor der überdauernden Gültigkeit geistiger Mächte und menschlicher Haltungen zur Klärung zu bringen.
Die Jüngeren heute mögen staunen über die Zahl der Namen, über die Anzahl der Werke der jetzt erst ins 8. und 9. Lebensjahrzehnte getretenen Generation, die auf keinem deutschen Theaterprogramm mehr zu finden sind. Werden sie von der Jugend heute, die das Theater liebt, abgelehnt, weil sie sie kennt, oder hat diese Jugend gar keine Gelegenheit gehabt, sie kennenzulernen, weil „die Generation der Mitte“ sie ihr vorenthielt, auch als Lektüre?
Der Abschnitt mit diesen Autorennamen ist von Martini überschrieben „Aktivismus und Idealismus im Drama“, Begriffe, deren Gehalt man als Lebensimpulse im allgemeinen der Jugend zuspricht. Die Charakterisierungen bei Martini lauten dann aber vorwiegend philologisch und formalistisch wertend: klassische Strenge, christliche Innerlichkeit, klassizistisch geformtes politisches Gedankendrama, neue Besinnung auf den Glauben, Wiedergeburt des symbolisch-heroischen Dramas nach antikem Beispiel, dramatische Legende ... Diese Begriffe dämmen viel von der tiefgreifenden Bewegung des dramatischen Schaffens dieser Epoche ab. In der Mitte etwa der angeführten Autoren heißt es dann: „Als ‚Bekenner des Geistes’ offenbarte sich Ernst Bacmeister (geb. 1874); sein geschichtlich-politisches Drama (Der Kaiser und sein Antichrist, 1934; Kaiser Konstantins Taufe, 1937) wird jedoch gedanklich überbelastet, allzu starr konzentriert und damit der mimischen Fülle und Bewegung beraubt. Dem gleichen Fehler verfällt Curt Langenbeck ...“ Das ist Heraushebung und Einordnung im Tadel zugleich; Aktivismus, Idealismus, Bekenner des Geistes —, mit dem Odium des Unzeitgemäßen behaftet, mit dem Vorwurf des Fehlerhaften belastet, sonst nichts.
Forscht nun der hier Unbefriedigte über Bacmeister anderwärts weiter nach, so findet er außer den beiden bei Martini genannten Dramen eine ganze Reihe Bühnenwerke dieses Autors in Vers und Prosa, darunter: „Arete“, „Maheli wider Moses“, „Pippin der Krüppel“, „Siegfried“, „Der „Größere“, „Theseus“, „Lionardo da Vinci“ und an Komödien u.a. „Barbara Stossin“, „Die Schlange“, „Der teure Tanz“ — ein Autor also, der nicht nur bei wenigen Bühnenversuchen blieb, ein Autor, der ernsthaft arbeitete und sich mit den Fragen der Bühne, besonders der Tragödie gedanklich auseinandersetzte, wovon seine zahlreichen dramaturgischen Aufsätze zeugen, die zusammengefaßt erschienen unter den Titeln: „Aus der Praxis der Bühne“, „Der deutsche Typus der Tragödie“ und „Zu den eigenen Dramen“. Die Selbstbiographie Ernst Bacmeisters, erschienen im Karl Rauch Verlag, 1939, läßt zudem an der Entstehung seiner Bühnenwerke Anteil nehmen. Sie können aus dem Werden, dem Erleben und dem Daseinskampf ihres Schöpfers erfaßt werden.
„Theseus“ — „Konstantin“ — „Lionardo“ —, in drei weit auseinanderliegende Weltalter führen uns diese Namen und müssen auch vom Stoffe her jenen unverdächtig bleiben, die unsere gesamte Literatur nach Nationalismen durchsuchen, um danach ihr geltendes Ja und Nein zu verteilen. Greifen wir diese drei Bühnenwerke heraus, um aus ihnen zu erfahren, was der Dramatiker Bacmeister zu sagen hat und ob er es nach den Gesetzen des Dramatischen tat.
„Kaiser Konstantins Taufe“
Von den drei Werken hat „Kaiser Konstantins Taufe“ nach Bacmeisters eigenem Zeugnis die längste Werdezeit bis zur abschließenden Rundung gebraucht. In den zwanziger Jahren vorgeformt, blieb die Dichtung unvollendet liegen und wurde erst acht Jahre später wieder aufgenommen, als das religiöse Erlebnis in ein neues Stadium getreten war. Im Mai 1937 erlebte die Tragödie ihre Uraufführung in Stuttgart.
Die Handlung des Stückes ist auf die Spanne von zwei Tagen gegen Ende der Regierung Konstantins des Großen festgelegt. Mit der Öffnung des Vorhangs reißt sie hinein in die Zeit der religiösen Eifersüchte um die Frage, welcher der alten und neuen Götter der Gott sei. Sechsundvierzig Tempel folgten der Aufforderung des Kaisers, Priester zu einer Gottesprobe zu entsenden. Schon sind die Christen in Byzanz in der Überzahl, aber auch die Gruppe der Juden ist stark, Priester der Urmutter Kybele, des Megius, des Zeus, der Hekate sind erschienen, die gotische Leibwache bekundet, vor jedem Kampfe Odhin anzurufen, und die Illyrer bekennen sich zum Mithraskult. Eine Tochter Konstantins, selbst Priesterin der Vesta, ahnt das tiefere Motiv der Gottesprobe, die als frevelndes Spiel erscheint, verlangt doch Konstantin von jeder Glaubensgruppe, ihren Gott zu bestürmen, daß er leiblich erscheinen soll. Nur dem leiblich erscheinenden Gott will Konstantin sich zuschwören und hat für diesen Tag der Gottesentscheidung in dem von ihm gewaltig befestigten Byzanz dem Volk ein Fest verheißen. Am Morgen steht die Säule errichtet, die in der Inschrift die Sonne als Gefährtin des Herrschers nennt und zum Ausdruck bringt, daß er, Konstantin, sich selbst als Mächtigsten geehrt wissen will, wenn ihm kein Mächtigerer leiblich erscheint. Er will den Menschen in herrscherlicher Macht und im geistigen Anspruch als oberstes Wesen verkünden. Indessen ist das höfische Intrigenspiel gegen ihn fortgesponnen worden. Der Lieblingsneffe, dem er die Nachfolge zugedacht hatte, wird ermordet aufgefunden, die Perser bedrohen die Grenzen des Reichs, und durch die geschlossenen Tore zieht der Hunger ein, da die Getreideschiffe ausbleiben. In der Stadt aber drängen sich die’Christen um Athanasius, und seine bloße Anwesenheit scheint Zündstoff zum Aufruhr zu geben. Die Stunde der Entscheidung kommt heran. Niemand vermochte „den Frevel und das Fromme/ in solchem Übermut zu unterscheiden“. Eutropia hat den kaiserlichen Bruder gewarnt: „So hoch hat nie ein Mensch, wie du, gespielt“, und zur Antwort erhalten: „Weil nie ein Mensch so hoch gewinnen wollte ...
Um dieses Spiel zu spielen wurde ich
Durch Not und Tod herauf der Herr der Welt.
Was hätt’ ich sonst für Lohn davon? — Die Macht
Am Ziele, wehe, würde sie nicht Geist!
Wie Christus teile ich mich selber mit,
Doch nicht als Abend-, sondern Morgenmahl.
Und siehe an: Triumph! —: die Macht wird Liebe,
Wie es der Ohnmacht vorbehalten schien.“
Macht — Geist — Liebe, so will Konstantin verwandeln, was ihn als Herrscher auszeichnet, um so an die Stelle der bisher unter vielerlei Namen verehrten Götter zu treten.
Als die Unheilsnachrichten vor der Säule für den Kaiser zusammentreffen und die Situation für ihn ausweglos geworden scheint, führt Valeria den Vater zu dem erblindeten Weisen, dem Platoniker Sopater, der schon der Lehrer des Priskus, eines getöteten Sohnes des Konstantin, war. Dies Gespräch nun zwischen Konstantin und Sopater um Gott, die Götter und den Geist ist der Höhepunkt des weitgreifenden Dramas. Es gelingt Sopater, den Kaiser von der Notwendigkeit zu überzeugen, daß er in diesem geschichtlichen Augenblick die Taufe nehmen muß. Aber er überzeugt ihn aus der Sinnesart heraus, daß es gleichgültig sei, unter welchem Namen man sich dem Geiste zuschwört. Von ihm fordere die Stunde, den Glauben in dieser Form des Christentums anzunehmen.
„Ein Kaiser kann nicht nichttun. Also füge
Dich in den Zwang, wie er die Zeit durchfließt,
die Gotteswoge ‚Welt’, — und werde Christ . . .
Wer anders dürfte, während du noch lebst,
Die Völkerherde, die du schufest, führen?
Und weiterführen kann sie nur ein Christ.
Du bist der Welt die Tat der Lüge schuldig.
Sonst werde weise — tatenlos wie ich —
Und überlaß die Welt sich selber ...“
Konstantin ergreift diese Entscheidung und fordert ungebeugt und ohne Beichte von Athanasius die Taufe, von ihm ein ähnliches Wagnis damit verlangend, wie er es selbst auf sich nimmt:
„... Mann zu Mann:
Weil ich mich doch nun einmal taufen lasse —
Die Gründe groß und kaiserlich erwogen —
Geschähe mir’s am würdigsten von dir,
Der du mein starker Feind bist, auch ein Herrscher
Und auch wie ich voll hoher Tatbegier.
Nun denn, so wage dich und mich — vor Gott.“
Als Werk der Beichte bietet Konstantin einzig an, zu tilgen, was er auf die Säule schreiben ließ, und dessen Namen in sie einzugraben, in dem „Du stolz ungd heilig bist“. Athanasius, „die Stunde der Geschichte“ begreifend, sagt die Taufe zu und wendet sich im Gebet:
„Am Kreuz Erhöhter, schenk ihm Deine Gnade.
Ob auch sein Trotz es nicht von Dir vermeint.“
Konstantin aber denkt über der Entscheidung schon Zukunft voraus und sieht sie, von ihm weltweit, künstlerisch und geschichtlich angelegt als Manifestation des Geistes, der keinen Namen und viele hat:
„Ich will noch selber eine Kirche baun,
Ein Wunder, dich zu schmücken, mein Byzanz, —
Die herrlichste, die je ein Auge sah
Und künftig sehen wird. Gewölbt wie keine.
Der Weltenraum als steinernes Gedicht:
Daß man ihn spüren soll. — Die weihe ich
Dem göttlichen Geheimnis. Keinem Gott! —“
In „Wuchs und Werk“ heißt es in der Darlegung zur Gestaltung (S. 259): „Göttliche Immanenz gegen göttliche Transzendenz lockte wie ein erhabenes Gebirge mit ewigen Firnen“. Dazu kam die Erkenntnis, daß die Vielgestalt der Völker, wie sie im Reiche des Konstantin lebte, nur zur Einigung gebracht werden konnte durch das Einigende des Religiösen. Nach Bacmeister mußte das Sinnfällige der Form von dem Herrschenden vollzogen werden. Das war Konstantins geschichtliche Tat.
„Theseus“
Blicken wir von dieser Konstantingestalt auf den Theseus Bacmeisters, so zeigt sich, wie den Dichter die Frage um Geist, Religion und die aus Form und Tat sich entfaltende Kultur und Geschichte in der unendlichen Vielgestalt der Erscheinungen weiter beschäftigte. Um noch deutlicher zu werden, hat er für diese Tragödie das mythisch-geschichtliche Gewand nur noch im ganz losen Faltenwurf gebraucht. „Die Handlung spielt übergeschichtlich im neugegründeten Athen“, heißt es unter dem Personenverzeichnis zum Stück, das im Winter 1940/41 in Hannover uraufgeführt wurde.
„Im ‚Theseus’ sehe ich die lauterste Erfüllung meines Strebens nach der geistbedingten Tragödie“, schrieb Ernst Bacmeister im Nachwort zu diesem Drama, das er, wie er bekennt, unter „dem Aspekt des Lebensendes“ konzipierte, doch nur, um seine strahlende Überwindung aus dem Geist zu zeigen, „indem als wahrhaftige Tatsache ein Über leben gefunden wurde, aus welchem der Tod ausgeschaltet war.“
Aus dem mythischen, dem Sagenraum Griechenlands griff der Dichter die Gestalten und hob sie auf die Schwelle der Geschichte, auf der Theseus schon steht, der erste König von Athen. Sein Weib ist eine Amazone; Kastor, Pollux, Helena erscheinen vor Theseus, und mit Herakles rechtet er um die Tat, Prometheus von dem Felsen abzulösen. Der Zehnerrat von Athen vertritt die Stimme des Volkes, das nicht dulden will, daß Theseus zusammen mit dem Bildhauer Melanippos Eleusis baut und Tempel und Bildwerke stiftet, aber keine Priester zuläßt.
„Die Götter walten dessen, was sie sind,
Auch ohne Priester, reinlicher sie selber.“
Mit Spürsinn erfaßt der Sprecher des Zehnerrats, wie diese Bildnisse der Götter gemeint sind:
„Du willst sie in die Bilder schwinden lassen,
Bis Marmormenschen, was sie waren, sind ...“
Wieder wird der geiststrebende, geistbezeugende, herrscherliche Mensch schuldig vor dem Götterglauben der vielen. Das Volk ruft Klage wider ihn. Ihm erscheint Eleusis als
„... Frevelstätte, wo die Unterwelt
Verbaut, vermauert, vermörtelt wird ...
Wohin denn sterben,
Wenn er der Seele ihren Unterschlupf
Durch sein Gemäuer sperrt!“
Die Empörung schwillt an, die Götterbilder werden zerschlagen bis auf eines, Athene. Melanippos stirbt, die Gattin des Theseus wird, da sie ihm ein Heer der Amazonen zur Hilfe zuführen will, erstochen, und Theseus muß als Verbannter in seinem zerstörten Eleusis weiterleben. Wie überwindet er?
„Ein einz’ger Tag zerschlug mir alles. Nur
Mich selber nicht ...
Dennoch mein Athen ...
Und wenn es auch noch tausend Jahre währte,
Der Tag kommt doch, wo es die Ewigkeit,
Die gültige und unverwesliche,
Mit mir beginnt ...“
Mit diesem, einem der ältesten abendländischen Stoffe wagte Ernst Bacmeister das „Urbild des vom Bewußtsein her unendlich befreiten und gesicherten Menschen“ (Nachwort zum »Theseus’, S. 104) vor Augen zu stellen. Aus der Fülle der Beziehungen noch zum ganzen hellenischen Mythos hat er damit einen zeitlosen Theseus gestaltet, der als ein erster moderner Mensch im Lichte der Bewußtheit sich fühlt und todüberwindend von seiner Wiederkehr in allen Gestalten weiß, die gleichermaßen hell und sicher aus dem Geiste leben werden. „Ich habe Theseus nicht nur zum Keimling des hellenischen Kulturreiches mit der Mitte ‚Athen’ gemacht, sondern ich habe das ganze Phänomen ‚Hellas’ in ihm monadologisch vorausversammelt.“ Das ist nach des Autors eigenem Wort („Nachwort“) Kern und Sinn dieser Tragödie, die, wie „Konstantin“, mit dem Blick in ein neues Feld der Geschichte schließt.
„Lionardo da Vinci“
Erst zehn Jahre nach diesem Werk begegnen wir dem Namen Ernst Bacmeister wieder im Druck, 1950 erschien bei der Eggebrecht-Presse in Mainz, „hergestellt in wenigen Exemplaren für Freunde des Verfassers“, die Tragödie „Lionardo da Vinci“, auf dem Vorsatzblatt: „Der Vollendung des Menschen gewidmet.“ Wahrlich ein stolzes Wort, das nach der ungeheuren Verwandlung der europäischen Mitte und damit der Welt die Unwandelbarkeit der Überzeugung ausspricht, aus der die Gestalten des Konstantin- und Theseus-Dramas geschaffen worden waren.
„Die Handlung spielt 1519 im Königsschloß zu Amboise und im benachbarten Schlößchen Cloux.“ Sie ist auf fünf Gestalten beschränkt, ergänzt durch Schüler und Diener des Lionardo und Hofgefolge des Königpaares von Frankreich.
Wie im „Konstantin“ Eutropia dem Sopater, dem Theseus die Gattin Antiope zugeordnet ist, jede in ihrer Art, den großen Menschen innerlichst zu erfassen, so ist Claudia, die Gattin Franz I., in dieser letzten Tragödie dem Lionardo zugeordnet, ihm, der sie malen soll, aber zuvor ihr eigentliches Gesicht entdecken will. Königin Claudia gewinnt auch den König dem Wesen und Werk des großen Lionardo, so daß er das politische Ränkespiel um die deutsche Krone vergißt. Es ist ihm unwichtig geworden vor den eigentlichen Aufgaben für die Menschen seines Reiches, die ihm Meister Lionardo gewiesen und angebahnt hat:
„Mein Kopf ist voller Dankbarkeit. Mein Herz
Eratmet einen weiseren Beschluß
Als dieses uferlose Kaiserspiel.
Ihr müßt mich nur in Eurem Geiste halten:
Daß ich mich nicht verspiele ...
Wir wollen miteinander Täter sein:
Ihr gebt den Sinn dafür, laßt mich die Form
Der Königstat in meinem Lande finden ...“
Wieder sind, gesteigert noch und erhöht, Gespräche Handlungsmitte der Tragödie, sind selbst dramatische Geisthandlung dem Geschehen gegenüber, das hier als menschliche Gegenhandlung von der machtbegierigen Mutter des Königs und der kirchlichen Partei des Kardinals Duprat intrigant vorangetrieben wird bis zur Vergiftung Lionardos.
Von den Frauen, die in den drei Dramen rezessiv der Strahlung der männlichen Hauptgestalt zugeordnet sind, hat Bacmeister jeweils den Zauber der Poesie in Handlung und Gedankenkühle einströmen lassen, doch von keiner so durchseelend wie von Claudia, der Königin, aus, die mit ihrem liebenden Verstehen und erkennendem Ja an die Panthea-Gestalt in Hölderlins „Empedokles“ erinnert. Wie dieser könnte ihr gesagt sein: „Du bist vielleicht / Ihm gleicher, als du denkst, wie fändst du sonst / An ihm ein Wohlgefallen?“, wenn sie vor dem Könige bezeugt:
„Kein zauberdunkler Merlin. Nein. Er ist —
Nur eben dieses Wunder Lionardo.
Der klarste Mensch, dem je die Sonne schien.
Der sie, die Sonne selbst, im Glanze mindert,
Von innen, durch die Strahlung seines Lichts.“
Es sind die ersten Worte des Dramas. Die letzten dann bestätigen es der von Lionardo zu ihrer tiefsten Freiheit geführten Claudia mit den Worten des sterbenden Meisters:
„... Sei bedankt! —
Du warest mir die Welt in der Vollendung...“.
In Bacmeisters Gestaltungen erkennen die Geschlechter, gespiegelt eins im anderen, die Möglichkeit der menschlichen Vollendung. Auf dem Wege dazu treten sie nebeneinander in einer Bezogenheit aufeinander, die in der höchsten Form der leiblichen Gemeinschaft nicht bedarf, um das Zueinander des menschlichen Ich-Du beseligend zu erfahren. Claudia sagt:
„ ... Ich wollte wissen
von einer nahen Erdenseligkeit
Und fühlte: dieser Lebende zuerst
Von allen Sterblichen besitzt sie so,
Wie man sein Ich besitzt, so selbstbedingt,
Als Angelpunkt der tausendfachen Wende
Zum Du der Welt. — O, unsere Gespräche!
Der Odem solcher Freiheit!“
Harmonisierende Gegensätze