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Vergiss alles, was du über verbotene Liebe zu wissen glaubtest... Zehn Jahre unerfüllter Kinderwunsch haben in Kates Ehe tiefe Wunden hinterlassen. Während ihr Mann Kevin sich in den Umbau ihres Hauses flüchtet, sucht Kate Zuflucht im Poolhaus ihrer Schwiegermutter – und muss notgedrungen Zeit mit Kevins unkonventioneller Schwester Stella verbringen, die noch bei ihrer Mutter wohnt. Bei Stella dreht sich gerade alles um ein Casting, das ihre Karriere verändern könnte. Sie ist wenig begeistert, als ihr Bruder und dessen Frau einziehen und spürt Kates unterschwellige Ablehnung ihr gegenüber. In Kevins Abwesenheit entdecken Kate und Stella aber überraschende Gemeinsamkeiten: heimliche Schwärmereien, die neuesten Kinohits und den glamourösen Schein der Promiwelt. Bei nächtlichen Gesprächen wächst eine zarte Vertrautheit zwischen den beiden Frauen. Doch eines schicksalhaften Abends, unter dem Einfluss von zu viel Tequila, überschreiten ihre Gefühle eine gefährliche Grenze. Was als unerwartete Nähe begann, entwickelt sich zu einer leidenschaftlichen Anziehung, die alles in Frage stellt – Kates Ehe, ihre Familien und die gesellschaftlichen Konventionen. Kann diese verbotene Sehnsucht eine Zukunft haben oder werden Kate und Stella an den unüberwindlich scheinenden Mauern ihrer Lebensumstände zerbrechen? Ein Roman voller prickelnder Momente, emotionaler Tiefe und der unwiderstehlichen Kraft einer Liebe, die eigentlich nicht sein darf.
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Seitenzahl: 408
Veröffentlichungsjahr: 2025
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Inhaltsverzeichnis
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Kapitel 1: Kate
Kapitel 2: Stella
Kapitel 3: Kate
Kapitel 4: Stella
Kapitel 5: Kate
Kapitel 6: Stella
Kapitel 7: Kate
Kapitel 8: Stella
Kapitel 9: Kate
Kapitel 10: Stella
Kapitel 11: Kate
Kapitel 12: Stella
Kapitel 13: Kate
Kapitel 14: Stella
Kapitel 15: Kate
Kapitel 16: Stella
Kapitel 17: Kate
Kapitel 18: Stella
Kapitel 19: Kate
Kapitel 20: Stella
Kapitel 21: Kate
Kapitel 22: Stella
Kapitel 23: Kate
Kapitel 24: Stella
Kapitel 25: Kate
Kapitel 26: Stella
Kapitel 27: Kate
Kapitel 28: Stella
Kapitel 29: Kate
Kapitel 30: Stella
Kapitel 31: Kate
Kapitel 32: Stella
Kapitel 33: Kate
Kapitel 34: Stella
Kapitel 35: Kate
Kapitel 36: Stella
Kapitel 37: Kate
Kapitel 38: Stella
Kapitel 39: Kate
Kapitel 40: Stella
Kapitel 41: Kate
Kapitel 42: Stella
Kapitel 43: Kate
Kapitel 44: Stella
Kapitel 45: Kate
Kapitel 46: Stella
Ebenfalls im Ylva Verlag erschienen
Über Harper Bliss
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Jenseits der Harmonie
Wer verliebt sich schon in eine Prinzessin?
Küsse und Wellenrauschen
Ein Kuss wie kein zweiter
Vielleicht nur dieser eine Kuss
Eine Französin zum Küssen
Zwei Herzen allein, suchend, vereint
Die Erfahrung von Liebe
Ergreif die Sterne
Summer’s End: Eine lesbische Liebesgeschichte
Sommergeflüster zu zweit
Kaffee mit einem Schuss Liebe
Kapitel 1
Kate
Ich bin fast vierzig und gerade dabei, in das Poolhaus meiner Schwiegermutter zu ziehen. Obwohl ich dieses Haus mit all seinen wunderbaren Details persönlich eingerichtet habe, möchte ich nicht hier leben. So war das alles nicht geplant.
»Brauchst du Hilfe?«, ruft Stella von ihrem Liegestuhl neben dem Pool.
Als ich mich zu ihr umsehe, hat sie nicht mal von dem Manuskript in ihrer Hand aufgesehen – nicht, dass am Ende noch irgendjemand in der Familie vergisst, dass sie in ein paar Tagen für eine große Rolle neben Nora Levine vorsprechen wird.
»Hier, Schatz.« Kevin reicht mir eine Flasche Wasser. »Es ist ja nur für ein paar Wochen.« Er drückt meine Schulter. »Unser Haus wird bald fertig sein. Es wird wunderschön. Vertrau mir.«
Ich will meinem Mann unbedingt glauben. Ich will ihm mit derselben Leidenschaft vertrauen, die ich empfunden habe, als ich bei unserer Hochzeit Ja gesagt habe. Aber inzwischen ist viel geschehen – und anderes leider nicht.
»Ich frage nicht noch mal«, ruft Stella.
»Wir sind kaum eingezogen«, zische ich Kevin zu, »und schon geht mir deine Schwester mit ihrem privilegierten Getue auf die Nerven.«
»Sei nicht so hart zu ihr«, gibt er wie erwartet zurück. »Sie bereit sich auf –«
»Du musst nicht weiterreden.« Ich hole tief Luft. »Und es tut mir leid.«
Nichts von alledem ist Stellas Schuld, auch wenn sie eine verzogene Göre und seit unserer ersten Begegnung fest davon überzeugt ist, dass ihr großer Durchbruch kurz bevorsteht.
»Ich fahre noch mal nach Hause und hole unsere restlichen Sachen.« Kevin küsst mich auf die Wange. »Versuch, es dir schon mal bequem zu machen.« Er grinst mir zu. »Oder vertreib dir mit meiner wunderbaren kleinen Schwester die Zeit am Pool.«
Ich verdrehe die Augen und seufze, auch wenn weder das eine noch das andere etwas an meiner Situation ändert. Ich spähe kurz zu Stella, die Selbstgespräche führt und einzelne Zeilen rezitiert, als würde sie sich ganz allein im Garten ihrer Mutter befinden.
»Ich hoffe, ich störe dich nicht zu sehr«, stichele ich, um ein bisschen Frust abzulassen.
»Du könntest mich nie stören, Kate.« Stella senkt das Manuskript und setzt sich auf.
Ihr Lächeln wirkt ziemlich aufrichtig. Sie weiß, warum wir hier sind. Vielleicht ist sie doch nicht zu sehr mit sich selbst beschäftigt, um ein klein wenig Mitgefühl für ihren Bruder und seine unfruchtbare Frau aufzubringen.
»Ich finde es super, dass Kev und du hier wohnt. Je mehr, desto besser, jetzt, wo Keanu bei Mom eingezogen ist.«
Ich lasse mich neben ihr auf einen Stuhl fallen. »Solange du nicht von mir erwartest, dass ich dir Abendessen koche.«
Stella schüttelt den Kopf. Sie mustert mich, sagt jedoch nichts. Ihre Bluse steht offen, darunter trägt sie nur einen winzigen Bikini.
»Nur damit du vorgewarnt bist«, sagt sie nach ein paar Sekunden. »Keanu kocht heute Abend für uns, ein richtiges Familienessen.«
Eigentlich heißt Marys Freund nicht Keanu, aber Stella nennt ihn immer so, weil er Keanu Reeves zu Gefährliche Brandung-Zeiten ähnelt, inklusive entspannten Surfer-Vibes.
»Das wird sicher lustig«, sagt sie.
Zu behaupten, dass Stella nicht viel von der Wahl ihrer Mutter hält, ist eine Untertreibung. Wahrscheinlich hat es damit zu tun, dass sie jetzt die Aufmerksamkeit ihrer Mom mit jemand anderem teilen muss. Aber ich freue mich für Mary. Und Keanu, der in Wirklichkeit Nathan heißt, ist wirklich ein netter Anblick.
»Das klingt lustig, finde ich«, sage ich.
»Kevin hält auch nicht besonders viel von ihm, weißt du?«
»Ja, ist mir klar.« Aber Kevin ist erwachsen genug, es nicht bei jeder Gelegenheit raushängen zu lassen. Er respektiert seine Mutter und möchte, dass sie glücklich ist. Egal mit wem. Aber von jemandem wie Stella, die mit achtundzwanzig immer noch zu Hause wohnt, dasselbe zu erwarten, ist anscheinend zu viel verlangt. Als Grund dafür, dass sie immer noch hier wohnt, gibt sie übrigens an, sich vor ihrem großen Durchbruch keine eigene Wohnung leisten zu können.
Sicher, die Mieten in L.A. sind der Wahnsinn, aber wenn es Stella wirklich wichtig wäre, könnte sie ausziehen. Tut sie aber nicht, weil sie bei Mary von vorn bis hinten verwöhnt wird. Ein Beispiel dafür ist, dass sie sich am Pool rekeln kann, während sie für das kommende Vorsprechen lernt.
»Wie läuft es denn?« Ich deute auf das Manuskript. Mir ist nicht danach, weiter hinter Nathans Rücken über ihn zu reden. Wenn ich Stella dafür entgegenkommen muss, bin ich gern dazu bereit. Wenigstens muss ich so nicht über mich selbst sprechen oder darüber, warum Kev und ich hier gelandet sind.
»Ich war noch nie so nervös.«
Für meine Ohren klingt Stella ziemlich selbstbewusst.
»Nicht mal, als ich Faye Fleming küssen musste.«
Ich gebe mein Bestes, nicht die Augen zu verdrehen oder angesichts der Erwähnung von Fayes Namen wie ein Teenie zu kichern. Trotzdem entfährt mir genau dieses Kichern. Ich kann mich schlicht nicht beherrschen, weil ich schon immer etwas für Faye Fleming übrighatte, und meine nervige Schwägerin in einem Film ihre lesbische Geliebte gespielt hat – eine Tatsache, an die sie mich bei jeder Gelegenheit erinnert.
Jeder anderen würde ich anbieten, ihren Text mit ihr zu üben, aber das hier ist Stella, Kevins anstrengende kleine Schwester, und gerade heute kann ich mich einfach nicht überwinden. »Bestimmt haust du sie alle um«, sage ich seufzend.
»He, Kate.« Stellas Stimme wird sanft. »Geht es dir gut? Der Tag ist ganz schön hart für dich, oder?«
Ich streiche mir mit einer Hand durch die Haare und atme tief durch. »Kev will es halt wirklich durchziehen. Er will reinen Tisch machen, soweit das möglich ist. Damit wir in ein anderes Haus zurückkehren, nachdem …«
Es fällt mir immer noch schwer, es auszusprechen, aber Stella weiß Bescheid.
»Das ist typisch für ihn. Er muss sich beschäftigen. Er muss irgendetwas bauen. So verarbeitet er das Ganze.«
Ich nickte.
»Wie … kommst du damit voran?«, fragt Stella.
Gar nicht, daher zucke ich mit den Schultern.
Stella berührt mich so unerwartet am Arm, dass ich zusammenfahre. »Faye und Isa geben nächste Woche nach der Premiere eine Party für den Cast. Hast du Lust, mich zu begleiten?«
»Faye Fleming und Ida Burton?«
»Genau.« Stella schenkt mir ein breites Lächeln.
Vielleicht ist sie doch nicht so übel, wie ich gedacht habe. Vielleicht war ich zu sehr mit meinen eigenen Sorgen beschäftigt, um meiner Schwägerin einen Vertrauensvorschuss zuzugestehen.
»Und du willst mich zu ihrer Party mitnehmen?« Ungläubig lege ich die Hand an meine Brust.
»Aber klar doch.«
Sie schaut mich so an, dass ich mir zum ersten Mal überhaupt vorstellen kann, dass Stella Flack aus eigener Kraft ein Filmstar werden könnte. Sie hat dieses gefällige Lächeln, das die Agenten in Hollywood lieben, und auch ein bisschen diesen Mädchen-von-neben-an-Vibe, dem die Kinobesucher nicht widerstehen können.
»Auf jeden Fall!«, rufe ich. »Vielen, vielen Dank.«
»Dafür hat man doch eine Familie«, sagt Stella. »Um sich gegenseitig wieder aufzubauen.«
Kapitel 2
Stella
Ich bin noch nie einem intelligenteren Menschen begegnet als meiner Mutter. Sie hat auf der ganzen Welt die unglaublichsten Gebäude erbaut, und trotzdem könnte sie sich nicht mal dann einen vernünftigen Mann aussuchen, wenn ihr Leben davon abhinge.
Ich verstehe natürlich, was sie in Keanu sieht. Er ist ein Hingucker. Ein gut aussehender Mann an ihrem Arm, wenn sie zu einer Cocktailparty geht. Wie eine Vorzeigeehefrau, nur andersherum – Gott sei Dank sind sie nicht verheiratet. Klar, Keanu ist scharf, aber er wäre …
Er ist kaum älter als ich. Genau genommen nur ein Jahr und sieben Tage. Er könnte einer der Typen sein, mit denen ich an einem dieser lächerlichen hippen Hotspots in East Hollywood herumhänge. Eigentlich fehlt ihm nur noch ein Man-Bun. Stattdessen lässt er sich die Haare lässig über die Wangen fallen, wie es in den Neunzigern als schick galt. So kann er sie sich immer wieder mal hinter die Ohren streichen, eine dieser niedlichen Gesten, nach denen Mom ganz verrückt ist. Ich weiß das, weil sie es ihm vor den Augen ihrer Kinder gesagt hat. Kinder, von denen eines älter ist als er.
Die ganze Situation regt mich auf. Aber wie mein Bruder vor nicht allzu langer Zeit gesagt hat, als ich mich mal wieder endlos über Keanu ausgelassen habe: Ich muss hier nicht wohnen. Ich könnte mir etwas Eigenes suchen, dann würde ich vielleicht besser mit Moms Boytoy klarkommen. Ich hätte ihn dann nicht jeden Tag in Boxershorts von der Nase, mit durchtrainierten Brustmuskeln und perfekt ausgebildetem Bizeps. Aber das ist mein Zuhause. Ich bin hier aufgewachsen und habe hier mein ganzes Leben verbracht, und wenn man mich fragt, ist Keanu der Eindringling. Also sollte auch er es sein, der auszieht.
Mom kommt zum Esszimmertisch. »Schatz«, sagt sie, während sie mich sanft an den Schultern nimmt und mich auf die Wangen küsst. »Nur damit wir uns klar verstehen: Ich gehe mit Nathan zu deiner großen Premiere nächste Woche.«
Ich bin halb versucht, mich aus ihrer Fast-Umarmung zu befreien, aber die Erwähnung des Films, in dem ich eine kleine, aber keinesfalls unwichtige Rolle übernehmen durfte, besänftigt mich. Meine Mutter weiß genau, wie sie mich manipulieren kann. Sie hat mich großgezogen. Niemand weiß so gut wie sie, welche Strippen man bei mir ziehen muss.
»Rate mal, wer eine Einladung zur After-Party von Faye Fleming und Ida Burton bekommen hat?«, schreit Kate förmlich. Sie deutet mit beiden Daumen auf ihre wohlgeformte Brust. »Moi!«
Sie wirft mir einen Handkuss zu, was überhaupt nicht zu ihr passt. Mir ist absolut klar, dass meine Schwägerin nicht gerade mein größter Fan ist, aber mein Bruder und sie haben viel durchgemacht. Das Leben läuft nicht so, wie sie es sich vorgestellt haben, und sie gehören zur Familie.
»Wow.« Mom drückt mir die Schulter. »Du nimmst nicht Hayley mit? Sie wird traurig sein.«
»Hayley ist nicht meine Partnerin. Ich muss sie nicht überall mit hinnehmen.«
»Stimmt auch wieder«, erwidert Mom, dann wird es kurz still.
»Meine Mom spielt immer noch ständig die alten Lady Kings-Platten«, sagt Keanu schließlich. Offensichtlich ist ihm egal, dass er damit die Aufmerksamkeit darauf lenkt, wie lächerlich jung er ist.
Was seine Mutter wohl davon hält, dass ihr Sohn mit einer Frau zusammen ist, die mehr als doppelt so alt ist wie er? Ich halte in Moms Gesicht nach Anzeichen von Beunruhigung Ausschau, nachdem Keanu seine eigene Mutter erwähnt hat, aber da sind keine. Alle Bedenken, die sie wegen ihrer Affäre nicht hat, habe ich dafür um ein Tausendfaches.
»Ich hoffe, Kevin schafft es noch rechtzeitig.« Mom wirft demonstrativ einen Blick auf die Armbanduhr. Sie kann mit allem umgehen, außer mit Unpünktlichkeit. Besonders, wenn ihr Freund gekocht hat.
Sie seufzt leise.
Uns ist allen klar, dass Kev zu spät kommen wird. Seine ganze Aufmerksamkeit gilt dem Umbau von Kates und seinem Haus – das sowieso schon perfekt ist, weil er es zusammen mit unserer Mutter entworfen hat. Garantiert hat er die Zeit aus den Augen verloren. Der Umbau ist im Moment das Einzige, das ihn vergessen lässt, dass er nicht Vater werden wird. Zumindest nicht in nächster Zeit, vielleicht auch nie. Deshalb hat Mom ihm bereits vergeben, dass er unpünktlich ist.
Ich werfe Kate einen raschen Blick zu. Sie scheint sich damit abgefunden zu haben, dass Kevin nicht hier ist. Dass er vor drei Stunden angekündigt hat, nur kurz noch ein paar Sachen holen zu wollen, und seitdem nicht wieder aufgetaucht ist. Dass er sie in eine Situation bringt, in der sie sich allein mit ihren Gefühlen auseinandersetzen muss. So ist mein Bruder nun mal. Aber er sieht besser zu, dass er bei meiner Premiere erscheint. Andererseits … Wenn er es nicht schafft, werde ich ihm genauso schnell verzeihen wie Mom.
»Ich kann nicht fassen, dass ich Faye Fleming treffen werde.«
Wie es scheint, hat Kate ihre eigene Art, mit ihren Gefühlen fertigzuwerden. Allerdings hat sie schon immer sehr klar zu verstehen gegeben, dass sie auf Faye steht.
»Ich glaube, mir wird jetzt erst klar, dass du ihre Geliebte gespielt hast.« Sie richtet den Blick auf mich.
Ich lächele ihr zu und streiche mir mit einer Fingerspitze über die Lippen. »Dieser Mund hat Fayes berührt.« Ich liebe nichts mehr, als eine Show abzuziehen und im Zentrum der Aufmerksamkeit zu stehen, und diese Familie braucht gerade jedes bisschen Ablenkung, das ich liefern kann. Vielleicht hat Mom deshalb meinen Traum, Schauspielerin zu werden, immer unterstützt. Es gibt schon genug bierernste Leute in der Familie, die nur mit der linken Hirnhälfte denken.
Kate spielt mit und schlägt die Hände vor den Mund. »Hör sofort auf, Stella. Zieh mich nicht so auf.«
»Ich kann es nicht erwarten, deinen Film zu sehen, Schatz.« Mom sitzt da und grinst.
Sie war schon immer entspannt in diesen Dingen. Ich sollte mich wirklich bemühen, den Gefallen in Bezug auf Keanu – auf Nathan – zu erwidern, aber es fällt mir schwer. Wahrscheinlich bin ich einfach noch nicht erwachsen genug. Abgesehen davon liegt mein Schlafzimmer in derselben Etage wie ihres, und ich bin nicht taub. Ich höre Dinge, die nie an die Ohren einer Tochter dringen sollten. Ich hätte ins Poolhaus ziehen sollen, sobald sie Keanu angeschleppt hat, aber das kommt nun nicht mehr infrage.
»Von meinem Film kann kaum die Rede sein, Mom.« Meine Stimme trieft vor falscher Bescheidenheit. Meine Rolle als bedeutend jüngere Geliebte der queeren Rocklegende Lana Lynch mag klein sein – ich spiele Cleo Palmer und sie ist noch nicht lange genug an Lanas Seite, um es in einer Verfilmung ihres Lebens auf viel Leinwandzeit zu bringen –, aber in gewisser Hinsicht ist sie riesig. Cleo ist nicht weniger als Lanas Erlösung. Und ich habe Faye Fleming geküsst. Wenn das das Einzige ist, wofür meine Schwägerin mich respektiert, kann ich damit leben.
»Trotzdem, ich kann es nicht erwarten, zu sehen, wie du die Freundin einer viel älteren Frau spielst«, verkündet Mom und legt den Arm um Nathan.
»Touché«, fügt Kate hinzu.
Ich kann schlecht behaupten, dass der Film nichts mit der Realität zu tun hat. Immerhin erzählt er von Lana Lynchs Leben, viel Freiraum für Fantasie gibt es da nicht.
»Na gut. Ich bin eine Heuchlerin.« Ich hebe ergeben die Hände. Aber es ist nun mal nicht dasselbe, wenn es um die eigene Mutter geht. Lana Lynch hat keine Kinder. Aber das kann ich nicht laut sagen, selbst wenn es der Wahrheit entspricht. »Wisst ihr eigentlich schon, dass ich nächste Woche für das heiß erwartete Nora-Levine-Projekt vorspreche?« Ich lasse mich lieber für meine Ich-Bezogenheit aufziehen als für meine Unfähigkeit, Nathan in der Familie willkommen zu heißen.
»Du machst es uns schwer, es zu vergessen, Schatz«, meint Mom.
Kate stößt einen ihrer hinreißend verächtlichen Stoßseufzer aus.
Der Einzige, der mir ein ermunterndes Lächeln zuwirft, ist mein Quasi-Stiefvater Nathan.
Kapitel 3
Kate
Vielleicht liegt es an den derzeitigen Umständen unseres Lebens – ich mit meiner unfruchtbaren Gebärmutter, und mein Mann mit seinem unbrauchbaren Sperma –, dass ich die Stunden bis zum großen Tag zähle. Schließlich wird man nicht jeden Tag zur Premiere eines Films eingeladen, in dem die eigene Schwägerin mitgespielt hat, schon gar nicht, wenn Faye Fleming die Hauptrolle in diesem Film übernommen hat.
Faye und Ida sind nicht die einzigen A-Promis, die ich heute Abend entdecke. Lana Lynch und The Lady Kings sind ebenfalls hier. Dazu Lanas Freundin Cleo Palmer mit ihrer eigenen Band, The Other Women. Und ich hätte schwören können, dass ich vorhin, als die Promis ins Kino geleitet wurden – mehr als eine halbe Stunde nach uns Normalsterblichen –, Sadie Ireland aus King & Prince entdeckt habe. Die Wiederholungen der Serie waren mir ein unerwarteter, aber gewaltiger Trost in all den schlaflosen Nächten, nachdem meine Hoffnungen, Mutter zu werden, zu Staub zerfallen sind.
Doch das Beste ist, dass Stella mich morgen zu einer Party auf Fayes und Idas Anwesen in Malibu mitnimmt, auf der es vor Stars nur so wimmeln wird. So oberflächlich ich dadurch auch wirke, kann ich die Ablenkung doch gebrauchen.
Anders als die meisten meiner Mitschülerinnen habe ich nie heimlich davon geträumt, Schauspielerin zu werden. Ich hatte immer zu viel damit zu tun, mein Schlafzimmer umzugestalten oder – wenn mir das zu langweilig wurde – das Wohnzimmer oder das Schlafzimmer meiner Eltern. Ich wollte mein Leben lang immer nur Inneneinrichterin werden – und Mutter. Einen Traum konnte ich verwirklichen, den anderen eindeutig nicht. Also warum sollte ich mich nicht in der fesselnden Lebensgeschichte einer Lana Lynch verlieren?
Der Film ist anders als alles, was ich bisher gesehen habe. Faye Fleming ist mit Lanas coolem Haarschnitt und in den ledernen Rockstar-Klamotten kaum wiederzuerkennen. Aber sie wird Lana auf jeden Fall gerecht. Ich frage mich, wie es für Lana als Musikerin ist, in dieser Form auf großer Leinwand präsentiert zu werden. Vielleicht kann ich sie morgen auf der Party fragen.
»Jetzt kommt sie.« Mary, die normalerweise der Inbegriff der Gelassenheit ist, ist vollkommen außer sich, seitdem wir das Haus verlassen haben. »Stellas große Szene.«
Vielleicht geht es ihr darum, dass ihre Tochter endlich eine Rolle spielen durfte, die aus mehr als ein paar Sätzen besteht. Oder sie ist einfach unglaublich stolz auf Stella, weil sie aus Tausenden Bewerberinnen für die Rolle der Cleo Palmer ausgesucht worden ist. Was muss das für ein Gefühl für eine Mutter sein …
Nein, ich werde jetzt nicht an das Kind denken, das ich nie haben werde, auch nicht an den mütterlichen Stolz, den ich nie erleben werde. Stattdessen nicke ich Mary zu und konzentriere mich wieder auf den Film.
Auf der Leinwand singen Faye und Stella als Lana und Cleo ein Duett. Zwischen ihnen fliegen die Funken. Als Stella diesen Film vor über einem Jahr gedreht hat, haben Kevin und ich gerade eine weitere Kinderwunschbehandlung durchlaufen, und ich stand zu sehr unter dem Einfluss der zugesetzten Hormone, um meiner Schwägerin und ihren Geschichten vom kommenden Ruhm in Hollywood viel Aufmerksamkeit zu schenken. Meine ganze verbliebene Energie habe ich damals in die hervorragend bezahlte Neueinrichtung eines Hauses gesteckt. Aber um ehrlich zu sein, habe ich Kevins Schwester bis dahin allgemein nur wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Bis jetzt.
Sie muss sich nicht hinter Faye Fleming verstecken, einer Schauspielerin, die selbst an schlechten Tagen umwerfend ist. Ich weiß nicht wieso, aber bis vor Kurzem habe ich nie wirklich geglaubt, dass Stella das Zeug zum Filmstar hat. Doch jetzt sehe ich sie vor mir, auf der Leinwand des Dolby Theatres, wie sie vorgibt, diesen heißblütigen Song mit Faye Flaming vorzutragen, und sie hält sich verdammt gut. Genau genommen hinterlässt sie den Eindruck, als ob sie genau dafür geboren wurde.
»Das ist mein kleines Mädchen«, flüstert Mary neben mir.
Kevin schließt die Finger um meine.
Heute ist ein großer Tag für die Flacks. Ich bin jetzt schon eine ganze Weile eine von ihnen, sowohl in guten wie in schlechten Zeiten. Und unsere Familie kann einen Tag wie diesen gebrauchen, an dem alles ein bisschen besser aussieht oder zumindest danach, als könnte es eine kleine Weile gut für uns laufen. Das hat Stella für uns erreicht.
Wir kommen jetzt zum letzten Teil des Films, die Sache zwischen Lana und Cleo nimmt Fahrt auf. Sie sind irgendwo in einer Garderobe hinter der Bühne. Ihre Lippen sind sich so nah, dass sie sich fast berühren. Die Kamera zoomt auf Cleos Gesicht, und es kommt mir beinahe so vor, als würde Stella mich direkt ansehen. Und dann küsst meine Schwägerin – die Frau, von der ich immer gedacht habe, dass sie nicht viel erreichen wird – Faye Fleming auf den Mund, und mir wird klar, dass ich nie wieder auf dieselbe Weise an Stella denken werde. Denn wow, das nenne ich mal einen Kuss.
Für mich gibt es keinen Zweifel, dass Lana und Cleo zu diesem Zeitpunkt ihres Lebens sehr ineinander verliebt sind, dass sie sich wollen, denn Faye und Stella lassen es mich mit jeder Faser meines Körpers nachempfinden.
~ ~ ~
»Es sollte verboten sein, seine Schwester so zu sehen«, sagt Kevin auf der Fahrt nach Hause.
»Sei nicht so verklemmt«, meldet Mary sich vom Fahrersitz. »Es ist Kunst. Nicht mehr und nicht weniger.«
»Von wegen Kunst.« Kevin sieht mich an, als erwarte er Rückendeckung, und zuckt mit den Schultern, als er sie nicht bekommt.
Ich bin mehr oder weniger sprachlos, seitdem der Film zu Ende ist. Lanas Lebensgeschichte war faszinierend. Faye Fleming war wie zu erwarten großartig. Aber ich kann nicht aufhören, an den Kuss zu denken. Ich kann nicht aufhören, daran zu denken, wie Stella Faye geküsst hat.
Mary und Kevin beharken sich eine Weile, wie sie es immer tun – wie ein Elternteil und ein Kind, die miteinander arbeiten und daher zu viel Zeit miteinander verbringen –, aber ich höre ihnen nicht zu.
Zum ersten Mal, seitdem Kevin und ich entschieden haben, keine weitere kräftezehrende und höchstwahrscheinlich sinnlose Kinderwunschbehandlung auf uns zu nehmen, wandern meine Gedanken nicht wie von selbst zu dem Kinderzimmer, das wir zu Hause vorbereitet haben; seit Jahren bereit, ein Baby willkommen zu heißen. Zu der leeren Wiege. Dem nutzlosen Schaukelstuhl. Den herrlichen Pastelltönen, die ich für die Farbgestaltung ausgesucht habe und die mich jetzt so wütend machen. Zu den Flaschen, die im Küchenschrank bereitstehen. Den winzigen Kleidungsstücken, die unser Kind nie tragen wird.
Stattdessen beschäftige ich mich immer wieder mit Stella. Sie hat diese Rolle nur gespielt, das ist mir klar. Aber es geht hier auch nicht wirklich um sie. Es geht darum, was ich empfunden habe, als sie Faye – oder von mir aus Lana – geküsst hat. Es hat sich irgendwie echt angefühlt. Greifbar. Wie etwas, an dem ich mich in einer Phase meines Lebens festhalten kann, in der alles offen ist, in der alles, was ich je wollte, auf dem Prüfstand steht. In der ich nicht mehr weiß, wer ich bin, nachdem ich nie Mutter sein werde. In der ich eine Frau sein werde, die nie ein Kind in sich getragen hat.
Ich will mich einfach nur an dem Gefühl festhalten, das der Kuss in mir geweckt hat, damit ich nicht wieder in der schwarzen Taubheit meines Gehirns versinke. Die Entscheidung fällt mir leicht. Entweder den Kuss von Lana und Cleo auf der Wand wieder und wieder in mir wachrufen und die kleinen, aber herrlichen Funken der Freude genießen, die er in mir entzündet hat, oder mich der Tatsache stellen, dass meine Gebärmutter eine lebensfeindliche Umgebung ist, in der Kevins Sperma nicht willkommen ist. Und natürlich ist da noch die schmerzhafte Tatsache, dass die Kinderwunschbehandlung zweimal funktioniert hat, dass ich zweimal tatsächlich schwanger war, aber jedes Mal nur für einige wenige Wochen.
Kevin und ich haben immer wieder gehofft, sind immer wieder verzweifelt, nur um am Ende umso ahnungsloser zurückzubleiben. Der Schaden für unsere Ehe ist immens. Die stummen Schuldzuweisungen. Das heimliche schlechte Gewissen. All die Dinge, die man nicht sagt, und die anderen, die man sagt, obwohl man es nicht sollte.
Die Entscheidung fällt mir wirklich leicht. Es ist kein Thema für mich, dass ich meine Schwägerin benutze, um mich für ein paar Minuten von meiner Trauer abzulenken. Sie gehört zur Familie. Genau dafür hat man eine Familie – das hat sie neulich selbst gesagt.
Abgesehen davon ist es ja nur ein Gedanke. Es geht um einen Film. Eine Illusion. Einen gespielten Kuss, der gerade genug vorgetäuschte Empfindungen in mir weckt, um dem Schmerz den Stachel zu nehmen. Ehrlich gesagt ist es perfekt. Wie ein Medikament ohne Nebenwirkungen. Ich würde es nicht mal als Schwärmerei bezeichnen, auch wenn ich schon ewig auf Faye Fleming stehe. Schon lange bevor sie mit Ida Burton zusammengekommen ist und die beiden ein Kind adoptiert …
Adoption.
Der Gedanke reicht aus, um den Zauber zu brechen, in dem ich gerade gefangen war. Ich will jetzt nicht über eine Adoption nachdenken. Aus allen richtigen und falschen Gründen will ich gerade nur an mich denken. Und daran, wie ich von jetzt an weitermachen soll. Wie ich mein Leben neu gestalte, so wie Kevin gerade unser Haus umgestaltet.
Als wir zu Hause ankommen, geht Mary sofort nach oben und zieht Nathan hinter sich her. Sie ist eine notorische Frühaufsteherin und hat morgen vermutlich ein Dutzend wichtiger Meetings. Hat sie immer.
»Ich bin auch müde«, sagt Kevin. Kein Wunder, immerhin hat er sich mit dem Hausumbau quasi einen zweiten Vollzeitjob gesucht. »Kommst du, Babe?«
»Ich setze mich noch ein bisschen nach draußen. Einen Schluck Wein am Pool trinken und runterkommen.«
»Na klar.« Er legt mir die Arme um die Taille und zieht mich an sich, bevor er die Nase in meinen Haaren vergräbt. »Alles in Ordnung mit uns?«
»Immer«, sage ich, ohne recht zu wissen, ob ich lüge oder nicht. Aber darauf kommt es nicht an. Er ist mein Mann, und manchmal muss ich ihm sagen, was er hören muss, selbst wenn es nicht ganz der Wahrheit entspricht.
Kapitel 4
Stella
Als ich nach Hause komme, bin ich viel zu aufgedreht, um sofort ins Bett zu gehen, außerdem will ich ganz sicher sein, dass Mom und Nathan schon schlafen. Ich schenke mir einen ordentlichen Drink ein, um noch ein bisschen zu feiern, und gehe nach draußen. Dort treffe ich auf Kate, die am Pool sitzt und die Füße ins Wasser baumeln lässt.
Nach der Vorführung hat die Presse mich vollkommen vereinnahmt, sodass ich meine Familie noch nicht persönlich fragen konnte, was sie von dem Film hält. Aber Mom hat mir nach der Vorführung mehrere Nachrichten geschickt und mir geschrieben, dass sie nicht stolzer auf mich sein könnte. Andererseits war vorprogrammiert, dass sie begeistert sein würde. Ich bin viel neugieriger, zu erfahren, was meine Schwägerin von meinem ersten nennenswerten Film hält.
»Hey.« Ich ziehe mir die Schuhe aus und setze mich neben sie. »Es ist schon spät. Warum bist du noch wach?«
»Ehrlich gesagt habe ich auf dich gewartet.« Kate wirft mir einen merkwürdigen Blick zu.
»Auf mich?« In gespielter Überraschung hebe ich die Hand an die Brust. »Warum das denn?«
Kate stupst mir mit dem Ellbogen gegen den Oberarm. »Du bist jetzt ein Filmstar. Da kann ich mich doch nicht im Poolhaus deiner Mom schlafen legen, als wäre heute ein ganz normaler Tag.«
»Nun, nachdem du gesehen hast, wie ich Faye geküsst habe, meinst du?«
Sie grinst und nickt. »Exakt.«
»Hast du ein Problem damit, sie morgen kennenzulernen?« Es ist schön, ein bisschen mit Kate zu quatschen. Wir waren bisher nie sehr eng miteinander. Ich habe es immer gutmütig darauf geschoben, dass wir an unterschiedlichen Punkten unseres Lebens standen: sie, die versucht hat, Kinder zu bekommen, und ich, die versucht hat, ihre Karriere in Gang zu bringen. Allerdings konnte ich nie ganz das Gefühl loswerden, dass sie mich einfach nicht leiden kann.
»Ich werde der anständigste Partygast sein, den du je gesehen hast.«
»Nee.« Ich stieß sie mit der Schulter an. »Geh mal aus dir raus. Auf die guten alten Zeiten und so.«
»Aber mal im Ernst, Stella.« Sie wendet sich mir zu. »Du warst fantastisch. Wirklich. Ich würde es nicht sagen, wenn ich nicht zu hundert Prozent dahinterstehen würde. Kev war ein bisschen angesäuert, dass er mitansehen musste, wie dein Charakter jemanden küsst und anfasst, aber er ist eben dein großer Bruder.«
»Danke.« Irgendwie bedeutet es mir sehr viel, dass Kate so etwas sagt. Zumindest mehr, als wenn das Lob von einem meiner Blutsverwandten gekommen wäre. »Ich bin froh, dass es dir gefallen hat.«
»Wie sieht der Dresscode für morgen aus?« Kate nippt an ihrem Wein.
»Wir sollen einfach wir selbst sein.«
»Was soll das denn heißen?«
»In deinem Fall würde ich mir keine Gedanken machen. Du hast einen großartigen Geschmack. Du siehst in allem toll aus.«
»Wirklich?«, fragt Kate.
»Ja, was denkst du denn?« Ein Bild erscheint vor meinem inneren Auge. »Dieser cremefarbene Hosenanzug, den du zu Moms Sechzigstem getragen hast zum Beispiel. Der war der Hammer.«
»Tut mir leid, aber ziehst du mich gerade auf oder meinst du das ernst?«
Ich runzele die Stirn. Warum sollte ich Kate aufziehen? Und wie kommt sie darauf? »Helle Farben stehen dir. Sie betonen die dunkle Fülle deiner Haare.«
»Die dunkle Fülle meiner Haare?« Kate schüttelt den Kopf. »Jetzt bin ich mir sicher, dass du mich verarschst.«
»Du hast umwerfende Haare. Hattest du schon immer. Weißt du nicht mehr, wie Mom sie immer bewundert hat? Wie sie dich nach Tipps gefragt hat, damit ihre genauso glänzen wie deine? Ich schätze, seitdem bin ich auf deine Haare fixiert.«
Kate kichert. »Das ist doch ewig her. Mary hat meine Haare schon lange nicht mehr erwähnt.«
»Ich weiß es aber noch. Keine Ahnung, wieso. Vielleicht, weil sie recht hat. Du hast wirklich tolle Haare.« Kates Haare sehen immer so perfekt aus, als hätte sie ständig einen Friseur in Reichweite. Ich trinke einen Schluck, um mich davon abzuhalten, sie zu berühren.
»Dann trinken wir eben auf meine Haare.« Kate erhebt ihr Glas. »Und auf meinen Hosenanzug. Ich hoffe, er passt nach den ganzen Hormonbehandlungen noch.«
»Egal, was du anhast …« Ich neige mein Glas in ihre Richtung. »… du wirst super aussehen und gut zu den anderen Gästen passen. Ich sehe nur ein Problem auf uns zukommen: Jeder weiß, dass ich lesbisch bin. Wahrscheinlich halten die anderen dich für meine Freundin, was ein bisschen peinlich sein könnte, da du mit meinem Bruder verheiratet bist.«
Kate kichert erneut und schlägt dann die Hand vor den Mund. »Ich will Kev nicht wecken. Er arbeitet wie ein Irrer.«
»Ich glaube, Mom lässt ihm in der Firma ein bisschen Luft, damit er genug Zeit hat. Schließlich muss er euer Haus ja unbedingt mit eigenen Händen renovieren.«
»Ich weiß.« Kate schließt die Finger um ihr fast leeres Weinglas. »So wird er damit fertig.«
»Ja. Sehr männlich von ihm.« Ich weiß, dass mein Bruder leidet. Sein Kummer steht ihm ins Gesicht geschrieben, aber er ist nicht der Typ, der ihn mit seiner kleinen Schwester teilt. »Wie kommst du klar?«
»Ich … indem ich einfach weiterlebe, schätze ich.«
»Im Poolhaus deiner Schwiegermutter.«
»Das ich zum Glück selbst eingerichtet habe.« Kates Stimme ist angespannt. »Können wir, äh, über etwas anderes reden, bitte? Ich … kann das gerade nicht. Vielleicht ein anderes Mal.«
»Natürlich.«
»Dass du mich morgen zur Party mitnimmst, bedeutet mir viel. Das perfekte Gegengift gegen meinen Wir-bekommen-kein-Baby-Blues.«
»Schon seltsam.« Ich ziehe die Füße aus dem Wasser, damit ich mich zur Seite drehen und Kate direkt anschauen kann. »Ich hätte dich nie für den Typ Frau gehalten, die durchdreht, weil sie zu einer Promi-Party darf. Und ehrlich gesagt hatte ich bisher immer das Gefühl, dass du nicht viel von meiner Berufswahl hältst.«
»Das tut mir leid.« Kate stellt ihr Glas ab und stützt sich rückwärts auf die Hände. »Ich kann manchmal ein Arsch ein.«
»Das können wir alle. Also was soll’s?«
»Im Ernst.« Sie neigt den Kopf in meine Richtung. »Ich habe auf deinen Beruf hinabgesehen. Ich bin mit Mädchen wie dir aufgewachsen. Es gab sie im Dutzend billiger, und soweit ich weiß, hat es keine von ihnen geschafft. Aber das gibt mir nicht das Recht, über dich zu urteilen. Und das habe ich. Tut mir leid.«
»Man muss Glück haben, ich hatte es. Wobei das jetzt noch nicht viel sagt. Schließlich könnte nach diesem einen Film schon alles vorbei sein.« Meistens ist es dieser Gedanke, der mich nachts wach hält. Als Schauspielerin hat man keinerlei Kontrolle. Im Filmgeschäft hängt alles von denen ab, die das Geld haben.
»Auf gar keinen Fall.« Kate schüttelt entschieden den Kopf. »Wenn Nora Levine diesen Film sieht, wird sie sogar verlangen, dass du die Rolle in ihrer neuen Serie bekommst, für die du vorsprechen willst.«
Kates Entschlossenheit ist ein verdammt großes Kompliment. Und das, nachdem ich sowieso schon so einen tollen Abend hinter mir habe. »Danke, dass du das sagst.«
»Ich sage dir noch was.« Sie wirft mir ein Lächeln zu, das dem eines Filmstars Konkurrenz machen könnte. »Falls mich jemand morgen für deine Freundin hält, werde ich mich geehrt fühlen.« Sie lacht leise. »Ich verspreche auch, dass es nicht peinlich wird.«
»Und dabei dachte ich, dass Faye die einzige Frau ist, auf die du stehst.«
Wir geben beide ein leises Lachen von uns.
»Mal im Ernst: Du würdest es mir doch sagen, wenn ich dir zu nahe trete, oder?«, fragt Kate.
»Würden manche vielleicht so sehen, ich aber nicht. Nur, äh, erzähl es morgen vielleicht nicht jedem.«
»Du hast mein Wort.« Kate wirkt ernst.
»Aber nur so aus Neugier … Was heißt das genau? Wenn eins zum anderen käme, würdest du?« Unser mitternächtliches Gespräch ist jetzt weit genug gediehen, um vorsichtig nachzuhaken.
Kate macht große Augen. »Was meinst du?«
»Ich meine … Sind das mehr als große Worte? Hast du schon mal darüber nachgedacht? Dir ein paar Fantasien gegönnt?«
»Fantasien?« Kate läuft rot an. »Ähm. Ich weiß nicht. Ich –«
»Schon gut. Jetzt ziehe ich dich auf.«
»Hast du dich schon mal in einen Mann verknallt?«
Sie hat sich schnell erholt. Vielleicht hat sie nach allem, was sie mit Kev erlebt hat, die Kunst der Ablenkung gemeistert. »Nur auf platonische Weise. Ohne Fantasien oder so. Nee. Das ist nichts für mich.« Ich sehe ihr in die Augen, aber eigentlich will ich gar nicht wissen, ob meine Schwägerin schon mal davon geträumt hat, mit einer Frau zusammen zu sein oder nicht. Kate ist mit meinem Bruder verheiratet, und es geht mich nichts an.
»Und Toni? Bist du inzwischen über sie hinweg?«
Diese Bemerkung kommt etwas unerwartet. »Ich hatte ja ein paar Jahre Zeit dafür.«
»Aber du hast es seitdem nicht mehr auf etwas Ernsthaftes angelegt, oder?«
Ich schüttele langsam den Kopf. »Würdest du es anders halten? Nachdem sich die Frau, die du heiraten wolltest, in deine beste Freundin verliebt hat?«
»Es tut mir leid, dass ich nicht für dich da war, als alles in die Hose gegangen ist.« Kate legt mir eine Hand aufs Knie und tätschelt es kurz.
»Das war nicht deine Aufgabe.«
»Trotzdem. Ich hätte mehr sein können als die Schwägerin, mit der du nicht viel zu tun hast.«
»Mach dir keine Gedanken.« Ich habe schon ewig nicht mehr an Toni gedacht, auch wenn ein winziger Teil von mir hofft, dass Sheena und sie das Filmplakat zu Wie keine andere sehen und sich ein klein wenig schuldig fühlen werden wegen dem, was sie mir angetan haben.
Kate unterdrückt ein Gähnen. »Ich gehe ins Bett. Ich muss morgen gut aussehen.«
»Danke, dass du heute Abend mitgekommen bist.« Ich stehe auf. »Es bedeutet mir viel, dass ihr dabei wart.«
»Gilt das auch für Keanu?«
Kates Grinsen ist ansteckend.
»Für einen Mann in unpassendem Alter ist er ziemlich süß.« Ich zucke mit den Schultern. Ich will nicht über Nathan nachdenken. Ich will mich einfach im Licht meiner großen Hollywood-Premiere sonnen.
»Nacht, Stella.« Kate streckt die Hand nach mir aus und küsst mich auf die Wange. »Wir sehen uns morgen.«
Kapitel 5
Kate
Meine Geschäftspartnerin Skye ist das genaue Gegenteil von mir. Sie lebt für den Glamour von L.A. Wie so viele ist sie mit der festen Absicht an die Westküste gezogen, einmal im Filmgeschäft zu arbeiten. Stattdessen ist sie bei mir gelandet.
Wer kann schon sagen, warum wir mit gewissen Menschen auf einer Wellenlänge sind, während uns andere kaum weniger interessieren könnten? Ungeachtet unserer vollkommen unterschiedlichen Wesenszüge und Zeitvertreibe sind Skye und ich seit dem College unzertrennlich. Es war unsere gemeinsame Leidenschaft für Vorhangstoffe und Farben, die uns zusammengebracht hat.
»Erzähl mir alles, was gestern passiert ist.« Sie tätschelt den freien Platz neben ihr auf der Bank. Wir sitzen gerade auf der Veranda hinter unserem Büro, wo wir morgens immer unseren Kaffee trinken. »Ich habe dir einen Flat White gemacht, genau wie du ihn magst.«
»Es war unglaublich.« Ich lasse mich auf die Bank fallen. »Ich habe mich ständig gefragt, wie es angehen kann, dass ich achtunddreißig bin und seit zwanzig Jahren hier lebe, ohne je eine schillernde Hollywood-Premiere besucht zu haben.«
»Das sind ja mal ganz neue Töne.«
»Ich weiß, aber es ist … Na ja, du weißt schon.« Skye weiß jede Kleinigkeit über mein Privatleben.
»Besser als die Selbsthilfegruppe, die ich dir vorgeschlagen habe.«
»Vielleicht gehe ich da auch hin, aber sicher ohne Kev. Er ist viel zu sehr damit beschäftigt, sich zu distanzieren, oder wie er es nennen würde: alles zu verarbeiten, indem er sich beschäftigt.«
»Wahrscheinlich braucht er einfach mehr Zeit.«
»Schon gut. Ich habe kein Problem mit dem, was er tut. Fürs Erste. Ich habe auch kein Problem damit, bei Mary zu wohnen. Eigentlich bin ich sogar froh über die Gesellschaft, schätze ich.«
»Und das Timing könnte nicht besser sein. Ausgerechnet jetzt, wo Stellas Karriere so richtig losgeht und du dein inneres Faye-Fleming-Fangirl von der Leine lassen kannst.«
»Ich kann gar nicht glauben, dass ich heute Abend bei ihr und Ida Burton zu Hause sein werde.« Ich werfe einen Blick auf die Uhr. »In weniger als elf Stunden.«
»Willst du dir vielleicht den Nachmittag freinehmen, um dich vorzubereiten?«, witzelt Skye.
»Wer weiß?« Es ist sogar mein Ernst.
»Auch wenn ich mich wiederhole …« Skye stupst mich mit der Schulter an. »Nimm dir alle Zeit, die du brauchst. Ich halte dir den Rücken frei.«
Tränen treten mir in die Augen, genau wie in den Phasen, als ich die Hormonbehandlungen durchlaufen habe und vor dem Gemüseregal im Supermarkt spontan in Tränen ausgebrochen bin. Aber im Augenblick kreisen nur meine eigenen Hormone durch meine Adern. Ich habe aus reinem Widerwillen aufgehört, meinen Zyklus schriftlich festzuhalten. Wenn mein Körper nicht mit mir zusammenarbeitet, während ich mich von seinem ultimativen Verrat erhole, werde ich ihn eben ignorieren, so gut ich kann.
»Verdammt.« Hastig fange ich eine Träne auf, die mir über die Wange zu laufen droht.
»Schon gut.« Skye legt den Arm um meine Schulter und zieht mich an sich. »Lass es raus. Ich weiß, wie schwer das für dich ist.«
Ich kann ihr nichts sagen, was ich ihr nicht schon tausendmal erzählt hätte. Aber es hilft, es laut auszusprechen, statt meine Gedanken vor sich hin schwelen zu lassen, bis es endgültig unmöglich wird, mit ihnen fertigzuwerden. »Was für eine Frau bin ich, wenn ich es nicht mal schaffe, ein Kind zu bekommen?«
»Diesen frauenfeindlichen Unsinn will ich nicht hören«, sagt Skye sofort. »Als ob Frauen für nichts anderes zu gebrauchen sind, als Babys auf die Welt zu bringen.«
An manchen Tagen reicht so ein Satz nicht. Aber heute braucht es nur einen Menschen, der mir so was sagt, um dem Teufelskreis meiner Gedanken zu entkommen. Heute ist einer dieser Tage – vermutlich, weil Stella mich zu Faye Flemings Party mitnimmt.
»Du hast genug für uns beide auf die Welt gebracht«, scherze ich wie üblich.
»Du bist herzlich eingeladen, mir die Zwillinge für die nächsten zehn Jahre abzunehmen«, antwortet sie, ebenfalls wie üblich. »Sie sind ein Albtraum. He, kannst du Stella nicht sagen, dass deine beste Freundin auch ein bisschen schillernde Ablenkung vertragen könnte? Weißt du, was es heißt, die einzige Frau in einer sechsköpfigen Familie zu sein? Der Klodeckel ist einfach nie unten.«
»Ich nehme Thiago. Der Süße bricht mir jedes Mal das Herz, wenn ich ihn sehe.« Es ist nicht lange her, dass Skye ihren jüngsten jede Woche für ein paar Tage mit ins Büro genommen hat. Ich vermisse sein niedliches, kleines Gesicht, seine winzigen Fingerchen, die nach meinen greifen, seine funkelnden Augen. Ich habe ihn stundenlang auf dem Arm herumgetragen. Nicht weil er unruhig war, sondern einfach, weil ich es konnte.
»Tut mir leid, Süße, aber den kleinen Kerl muss ich noch ein bisschen behalten.«
»Verständlich.« Ich versuche, eine Art Lächeln zustande zu bringen.
»Die Jungs vermissen ihre Tante Kate.« Skye trinkt ihren Kaffee aus. »Du solltest demnächst mal mit Kev zum Abendessen vorbeikommen. Gabriel hat seinen Spaß an der Kinderausgabe von Messer gezückt. Du kannst dich ja zur Abwechslung mal von ihm bekochen lassen.«
»Gabriel ist doch erst neun!«
»Wem sagst du das?«
Ich kann nicht anders, als zu kichern. Über Geschichten von Skyes Kindern habe ich schon mehr als einmal Tränen gelacht.
»Ich rede mit Kev« sage ich, während ich mich erhebe.
»Wenn du dich bereit fühlst.«
»Ich hoffe, ich kann euch eher früher als später in unser frisch renoviertes Haus einladen.«
»Denk daran, was ich dir gesagt habe: Lass ihn mit dem Haus nicht einfach machen, was er will. Behalt ihn im Auge. Sieh zu, dass er im Rahmen bleibt und euch kein zusätzliches Stockwerk aufsetzt, das ihr nicht braucht, nur weil er mit seinen Gefühlen nicht fertigwird. Männer sind seltsam, was so was angeht.«
»Roland nicht.«
»Ach ja, mein wunderbarer Beta-Mann. So viele Frauen stehen auf Alphas, aber eins sage ich dir: Sie haben keine Ahnung, was sie verpassen.«
»Ich habe Kevin auch immer eher als Beta und nicht als Alpha einsortiert, aber dass er nicht in der Lage war, ein Baby zu zeugen, hat ihn weiter in Richtung Alpha abdriften lassen, als ich je erwartet habe. Als müsste er irgendwas ausgleichen.«
»Solche Definitionen sind fließend, nehme ich an.« Skye streckt die Hand nach meiner leeren Tasse aus. »Er wird schon wieder auf dich zukommen, wenn es ihm besser geht. In der Zwischenzeit wirst du eben die neue beste Freundin von Faye Fleming.«
»Weißt du, was Stella mich gestern Abend gefragt hat?«
Skye schüttelt den Kopf.
»Ich habe doch immer Witze darüber gemacht, dass ich für Faye lesbisch werden würde.«
»Hm.«
»Stella wollte wissen, ob ich je richtige Fantasien über Faye hatte. Also genau genommen, ob ich mich wirklich zu ihr hingezogen fühle.«
»Und?« In Skyes Augen leuchtet es auf.
»Vielleicht ein- oder zweimal. Oder vielleicht auch fünf- oder sechsmal, aber das werde ich Stella nicht sagen.«
»Warum nicht?«
»Weil … Sie ist Stella. Sie gehört zur Familie.«
»So oder so, diese Art Fantasie haben alle mal, Süße. Kein Grund, sich deshalb mies zu fühlen.«
Dann bringt sie unsere Tassen rein und überlässt mich meinen Grübeleien. Was genau könnte sie damit wohl gemeint haben? Schließlich schaue ich wieder auf die Uhr.
Nur noch zehn Stunden und sechsunddreißig Minuten, bis ich Faye kennenlerne.
Kapitel 6
Stella
Ich hätte Kate nicht an ihren Hosenanzug erinnern sollen. Sie sieht aus wie ein Superstar. Oder als wäre sie kurz davor, bei ihrer eigenen Hochzeit mit einer Frau auf den Altar zuzuschreiten. Und auf jeden Fall sieht sie aus, als wäre sie mehr als fähig, mir die Schau zu stehlen. Doch egal, wie umwerfend sie nach außen hin erscheint, ist mir klar, dass sich hinter dieser Fassade unendlicher Schmerz verbirgt. Also gönne ich ihr den großen Moment, dass sich mehr als nur ein paar Leute nach ihr umdrehen, als sie Fayes und Idas Haus betritt.
Als Erstes stelle ich ihr Charlie Cross vor, die das Drehbuch für Lana Lynchs Lebensgeschichte geschrieben hat. Außerdem dann noch ihre fast lächerlich attraktive Frau Ava Castaneda, die Kates wohlgeformten Körper bewundernd mustert.
»Oh mein Gott.« Kate drückt mir den Arm. »Ich gebe mir wirklich Mühe, ruhig zu bleiben, aber Skye hat erst vorhin von Messer gezückt gesprochen. Mir war gar nicht klar, dass Ava Castaneda auch hier sein würde.«
»Ava und Faye sind beste Freundinnen«, sage ich so gelassen, als wäre mir seit dem Filmkuss jedes Details von Fayes Privatleben bekannt.
»Oh mein Gott«, wiederholt Kate. »Da ist sie.« Sie bleibt abrupt stehen, als wäre sie eine Gläubige, der gerade ein leibhaftiger Engel erschienen war. Sie klammert sich an meinen Arm. »In Wirklichkeit sieht sie sogar noch besser aus. Wie ist das nur möglich?«
»Stella! Hey.« Faye hat mich entdeckt und kommt auf uns zu. Ich bin keineswegs immun gegen die Situation. Wenn Faye eine Schauspielerin der Kategorie A ist, zähle ich an einem guten Tag vielleicht zur Kategorie C – und das wäre dann ein Tag, an dem ich mit ihr am Set bin. Bevor der Film erschienen ist, gehörte ich in gar keine Kategorie oder allenfalls in die hinterletzte mit Leuten, die sich gern verpissen dürfen, weil sie nicht ansatzweise berühmt sind, wie meine Freundin Hayley mich immer gern erinnert hat. »Ich freue mich so, dass du da bist.«
Faye legt mir die Hände an die Taille und küsst mich auf beide Wangen – und zwar richtig. Das sind nicht nur ein paar Luftküsse.
»Vielen Dank für die Einladung.« Kate drückt meinen Oberarm so fest, dass ich mich auf blaue Flecken einstelle. »Das ist Kate, meine Schwägerin und ein riesiger Fan von dir.« Dass Kate auf Faye steht, behalte ich klugerweise für mich.
»Sie waren großartig in Wie keine andere. Aber auch in Zwei schüchterne Bisse«, zählt Kate Filme auf, in denen Faye mitgespielt hat. »Und in Ein neuer Tag natürlich.« Sie atmet durch und strahlt Faye an. »Sie haben mich so oft zum Lachen gebracht, wenn ich das dringend gebraucht habe. Also herzlichen Dank dafür.«
»Oh.« Faye legt die Handflächen auf Kates Schultern und küsst sie auch auf die Wangen. »Vielen Dank. Das freut mich wirklich sehr. Und herzlich willkommen bei uns zu Hause. Ich hoffe, du hast deinen Spaß. Wir sagen doch Du, oder?«
»Kate ist Inneneinrichterin. Sie wird schon allein beim Umschauen hier Spaß haben«, sage ich.
»Wirklich? Wie großartig. Lass mich gern wissen, was du denkst. Ich musste ein paar … äh, Zugeständnisse machen, als Ida eingezogen ist, aber zum Glück nicht zu viele.«
»Habe ich gerade meinen Namen gehört?«
Kate, die wieder nach meinem Arm gegriffen hat, als würde sie es ohne etwas Halt nicht durch die Parade aus Stars schaffen, drängt sich an mich, als Ida Burton zu uns tritt.
»Du erinnerst dich sicher an Stella«, sagt Faye.
»Ich erinnere mich an jede Frau, die du je geküsst hast, Süße.« Ida hat eine wilde Mähne und ein umwerfendes Lächeln. »Aber gute Arbeit. Ich war ein bisschen eifersüchtig. Mit anderen Worten: Eure Chemie auf der Leinwand war nicht zu übersehen.«
»Das ist Kate.« Faye gibt ganz die charmante Gastgeberin. »Stellas Schwägerin, sie ist Inneneinrichterin. Ich wollte ihr gerade von dem kalten, unpersönlichen, ganz in Weiß gehaltenen Haus erzählen, in dem du vor meiner Zeit gelebt hast, und wie ich dein Leben seitdem in Regenbogenfarben getaucht habe.«
»Das ist leicht übertrieben, aber ich lasse dich damit durchkommen. Schließlich ist es deine Party«, antwortet Ida.
»Danke, Babe.« Faye legt den Arm um sie und zieht sie eng an sich. Dann richtet sie ihren Blick auf mich. »Ich werde ständig nach dir gefragt. Ich habe dem PR-Team gesagt, sie sollen dich in die Promo für den Film einbinden. Drehst du gerade?«
»Äh, nein.« Ich wünschte, ich würde.
»Stella hat nächste Woche ein wichtiges Vorsprechen«, wirft Kate ein.
»Welches Projekt?« Faye scheint ernsthaft interessiert.
»Die neue Nora-Levine-Serie«, erkläre ich.
»Wow! Das klingt fantastisch«, sagt Faye. »Ich hoffe, es läuft gut, Stella. Halt mich auf dem Laufenden, ja?«
»Na klar«, sage ich, als wären wir befreundet. »Und sag du mir Bescheid, wenn du mich mal brauchen kannst.«
Sie nickt ernst. »Jemand aus dem Studio meldet sich bei dir. Ich denke, wir können dich für alles Mögliche gut gebrauchen.«
»Aber nicht für alles«, sagt Ida. »Nicht dass ich hier jetzt die notorisch eifersüchtige Frau raushängen lassen will.« Sie wirft uns ihr patentiertes Ida-Lächeln zu.
»Stella ist viel zu jung für mich, Süße«, gibt Faye zurück. Sie hat offensichtlich großen Spaß dabei mitzuspielen. »Ich mag meine Frauen etwas reifer. Wie dich zum Beispiel.«
Ida gibt vor, tödlich beleidigt zu sein. »Nur zu deiner Information. Wir sind gleichaltrig.« Die Fröhlichkeit in ihrer Stimme verrät ihre wahren Gefühle.
Ein Mann, den ich nicht erkenne, nähert sich Ida und Faye und beansprucht ihre Aufmerksamkeit.
»Bitte kneif mich«, sagt Kate. »Ist das gerade wirklich passiert?«
»Ja, verdammt.«
»Sie sind so … unglaublich nett und freundlich.« Endlich lässt Kate meinen Arm los.
»Was hast du denn erwartet?«
»Eher so was wie … aufgesetzte Freundlichkeit und Überheblichkeit vielleicht. Dass sie sich anmerken lassen, dass sie etwas Besseres sind als wir.«
»Sind sie aber nicht. Jedenfalls nicht in jeder Hinsicht, die zählt. Sicher, ich lebe bei meiner Mutter und ihrem Boytoy statt in einem Strandhaus in Malibu, aber das sagt nichts über mich als Mensch aus.«
»Das Haus deiner Mutter ist wunderschön. Das sagt mir also, dass du schöne Sachen magst.«
»Wenn ich es auf mehr Unabhängigkeit anlegen würde, würde ich ja ins Poolhaus ziehen, aber das ist schon besetzt.«
»Und was für ein Poolhaus es ist.«
»Das soll aber nicht heißen, dass ihr schnell wieder ausziehen sollt, Kate.«