Zwei Herzen suchend - Harper Bliss - E-Book

Zwei Herzen suchend E-Book

Harper Bliss

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Beschreibung

Wenn die Liebe die einfachste Herausforderung ist. Anna und Zoe haben zueinander gefunden. Doch vor ihnen stehen turbulente Zeiten, denn jeder in Donovan Grove möchte sich in ihre Beziehung einmischen und es ist nicht einfach, ihre unterschiedlichen Persönlichkeiten in Einklang zu bringen. Werden Annas Unsicherheiten die Oberhand gewinnen und ihre neue Beziehung zum Scheitern bringen, bevor sie wirklich begonnen hat?

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Seitenzahl: 139

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhaltsverzeichnis

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Die Erfahrung von Liebe

Ergreif die Sterne

Summer’s End

Sommergeflüster zu zweit

Kaffee mit einem Schuss Liebe

1

Zoe

Ich kann nicht anders. Ich lasse ein paar leuchtend rote Kerzen im Schaufenster stehen. Nicht für die Leute, die den Valentinstag vielleicht vergessen haben und ihre Lieben ein paar Tage zu spät überraschen wollen, sondern zu meinem eigenen Vergnügen. Und vielleicht auch, um Anna ein wenig zu ärgern. Ich grinse mein Spiegelbild an, während ich an sie denke. Jedes Mal, wenn ich das tue – also oft – wandern meine Gedanken zu dem Stapel Bücher zurück, der heute gekommen ist. Fünf Exemplare von Das umfassende Handbuch zur Autismus-Spektrum-Störung bei Frauen.

Sobald ich allein im Laden war, habe ich sofort zu lesen begonnen, obwohl mir schon beim Durchsehen des Inhaltsverzeichnisses der Kopf geschwirrt hat. Begriffe, von denen ich noch nie gehört habe, wie etwa »Agnosie«, »Bedarfsvermeidung« und »Alexithymie« beziehungsweise »Gefühlsblindheit« würden mich normalerweise nicht fesseln. Aber ich will mehr über Anna wissen, also bin ich trotzdem interessiert. Es ist kein Buch, das ich innerhalb weniger Tage lesen werde – dafür ist es trotz meines besonderen Interesses am Thema etwas zu trocken, und ich habe ein Geschäft zu führen.

Ich habe nicht erwartet, dass der Dienstag nach dem Valentinstag sehr stressig wird, und das ist er nicht, aber ich habe bereits zwei der Bücher-Blinddates verkauft, die ich erst heute Morgen anstelle der Valentinstagssachen ausgestellt habe. Vielleicht lag Anna gar nicht falsch mit ihrer Idee.

Ich beobachte die Uhr an der Wand über der Theke, was ich seit dem letzten Wochenende viel öfter tue – seit Anna und ich uns geküsst haben. Sie sollte inzwischen auf ihrem täglichen Spaziergang sein, was bedeutet, dass sie und Hemingway in wenigen Minuten am Laden vorbei- und hoffentlich auch hereinkommen.

Aber es ist nicht Anna, die als Nächstes die Tür öffnet. Es ist ein Mann, an den ich mich vage von der Bookends-Eröffnung erinnere. Sein Name will mir aber partout nicht mehr einfallen.

»Wie kann ich Ihnen helfen?« Ich setze mein bestes Lächeln auf.

»Hi, Zoe. Darf ich dich Zoe nennen?« Er fährt sich mit einer Hand durch sein spärliches Haar.

»Natürlich. Das ist schließlich mein Name.«

»Hi, ich bin Tom Granger. Ich habe gerade meinen Kumpel Joe getroffen, der ein Buchdate oder so etwas hier gekauft hat?«

»Bücher-Blinddate. Ja.« Ich nicke, da ich mich an Joe erinnere.

»Das hat mich darauf gebracht …« Er verlagert das Gewicht von einem Fuß auf den anderen. »… auf ein richtiges Date zu gehen, allerdings nicht auf ein Blinddate.«

»Ach ja?« Ich halte eine neutrale Miene aufgesetzt, als mir Erinnerungsfetzen von meiner letzten Begegnung mit diesem Mann in den Sinn kommen. Die Erinnerungen sind nicht allzu angenehm.

»Ja.« Er strahlt mich an. »Was meinst du, Zoe? Du und ich? Auf ein paar Drinks im Lenny’s?«

»Das ist sehr freundlich von dir, Tom.« Ich trete hinter die Ladentheke. »Aber ich bin nicht für Dates zu haben.«

»Oh. Aber du bist eine alleinerziehende Mutter, oder?«

Als würde diese Tatsache automatisch bedeuten, dass ich Dates haben wollte. »Das stimmt, aber … ich bin auch eine Lesbe. Ich gehe nicht mit Männern aus. Weder jetzt noch irgendwann in Zukunft.« Manchmal muss man es einfach aussprechen und Tom Granger sieht aus wie einer, dem eine Zurückweisung ausführlich erklärt werden muss.

»Was? Du?« Er schüttelt den Kopf. »Nein.« Dann schüttelt er den Kopf noch heftiger. »Nein, das glaube ich nicht.«

»Das ist aber sehr unangebracht.« Ich bin noch nicht lange im Einzelhandel, aber ich hoffe doch, dass ich einen kühlen Kopf bewahren kann, denn Tom geht mir langsam auf die Nerven. Andererseits hat Annas Mutter genauso reagiert, als ich es ihr gesagt habe. Vielleicht werden Leute in einer Stadt wie dieser, in der mein Aussehen nicht zu der allgemeinen Vorstellung einer Lesbe passt, überwiegend so reagieren.

Er tippt sich mit einer Fingerspitze an das Kinn. »Bist du eine Lesbe wie bei The L Word? Offen gesagt habe ich noch nie geglaubt, dass die wirklich existieren.«

»Hör mal, Tom, ich werde nicht mit dir ausgehen.« Ich ignoriere seine dumme Bemerkung, denn sie hat keine Antwort verdient.

In diesem Moment geht die Tür auf und diesmal ist es Anna, die dicht gefolgt von Hemingway hereinkommt.

»Oh, hallo, Anna«, sagt Tom, als hätte er sich nicht gerade wie der größte Arsch benommen.

»Tom.« Anna nickt ihm knapp zu.

»Tom wollte gerade gehen«, sage ich, um sicherzugehen, dass er meinen Wink versteht. Ich habe nicht schlecht Lust, zu Anna zu gehen und sie vor seinen Augen zu küssen, aber ich will Anna nicht so benutzen. Außerdem habe ich Tom Grangers unangemessene Bemerkungen nach einem Blick zu ihr und in ihr Gesicht, das immer diesen leichten Hauch Belustigung trägt, schon wieder vergessen.

»Einen schönen Tag noch, meine Damen.« Er schafft ein Grinsen, bevor er sich umdreht und zur Tür hinausgeht.

Sobald er weg ist, rolle ich mit den Augen.

»Was ist los?«, fragt Anna.

»Reden wir später darüber.« Ich eile hinter der Theke hervor und ziehe sie zu mir. »Nachdem du mich richtig begrüßt hast.«

Anna breitet die Arme aus und legt sie um mich. »Hallo«, flüstert sie mir ins Ohr. »Ist es so richtig?« Sie drückt einen Kuss an meinen Hals.

»Es reicht. Vorerst.« Ich küsse sie gleich zurück. »Ich habe dich vermisst.« Hemingway bellt kurz, als wäre er es, der auf meine Worte antwortet. »Was machst du heute?«, frage ich, als wir die Umarmung lösen.

»Nichts Besonderes. Aber ich dachte, ich könnte dein Bild vorbeibringen. Wenn du Zeit hast.«

»Ich habe Zeit.«

»Dann bringe ich es nach Ladenschluss.« Anna lächelt mich an.

»Willst du zum Abendessen bleiben?«

Anna zögert, dann knetet sie ihre Hände. »Das würde ich gern, aber ich will deine Zeit mit deiner Tochter nicht stören.«

Ich nicke verstehend. Ich schätze, ich kann mir vorstellen, dass das komisch wäre. »Wie wäre es, wenn ich zu dir komme, nachdem ich so viel Mamazeit mit Brooklyn hatte, wie sie ertragen kann? Danach nehme ich das Bild selbst mit nach Hause.«

Anna sieht meine Arme an, als könnten sie eins ihrer Bilder nicht tragen.

»Du solltest sehen, wie ich Bücherkisten hier reinschleppe«, sage ich.

»Das würde ich tatsächlich sehr gern sehen.« Anna hat seit Tom Grangers Abgang nicht zu lächeln aufgehört.

»Wenn du es darauf abgesehen hast, meine Muskeln zu sehen, bis zu den kurzen Ärmeln ist es noch eine Weile hin.« Ich trete wieder an sie heran.

»Der Frühling wird schneller da sein als du glaubst.« Anna nimmt meine Hand in ihre.

»Ich kann es kaum erwarten, dass der Schnee schmilzt.« Ein Schatten huscht vor dem Schaufenster vorbei und Anna tritt instinktiv zurück und lässt meine Hand los.

»I-ich schätze, wir sollten auf ein weiteres Date gehen«, sagt Anna.

»Kannst du nicht genug von meiner Anwesenheit bekommen?«, frage ich kokett.

»Zählt es als Date, wenn du heute Abend vorbeikommst?«

»Klar.«

»Wir können nicht den ganzen Tag so im Laden herumstehen. Die Leute werden reden«, sagt sie mit einem Grinsen.

»Deine Mutter würde es sofort herausfinden.«

Anna rollt mit den Augen. »Heute Abend also.«

»Soll ich dir Reste vom Essen mitbringen?«, scherze ich.

Anna schüttelt den Kopf. »Ich komme sehr gut zurecht.«

2

Anna

Mit schwungvollen Schritten gehe ich von Bookends zu Seans Büro. Als ich näherkomme, verschwindet der Schwung allerdings, denn ich weiß, dass er mich unweigerlich nach meinem Date mit Zoe fragen wird.

Jamie hat es wie durch ein Wunder geschafft, am Sonntag den Mund zu halten. Er muss auch ein Wörtchen mit Jaden geredet haben, denn mein Neffe hat Brooklyn kaum erwähnt. Das ganze Essen über habe ich allerdings gespürt, dass meiner Mutter etwas auf der Zunge lag. Ich kann nicht erklären, woher ich es wusste – vielleicht weil ihr Blick manchmal überraschend lange auf mir ruhte oder ihre Lippen zuckten, als ob sie sich einen Kommentar verkneifen muss –, aber ich wusste es. Die Frage wird eher früher als später kommen und da das etwas ist, das ich nicht kontrollieren kann, stresst es mich jetzt schon, bevor überhaupt etwas passiert ist. Also habe ich mir vorgenommen, zur Übung mit Sean über Zoe zu sprechen. Die Tatsache, dass ich nicht mit ihm verwandt bin, sollte es leichter machen, aber ich habe trotzdem meine Zweifel.

Nachdem er Hemingway mit Zuneigung überschüttet hat, schenkt er uns jeweils eine Tasse Kaffee ein.

»Willst du reden?«, fragt er.

»Über …?«

»Komm schon, Anna. Ich bin’s. Du weißt, dass du mit mir reden kannst.«

Der Punkt ist, dass ich es nicht kann. Worte waren nie meine Art, mich auszudrücken. Ich kann mit Geplänkel umgehen und ich kann hin und wieder einen Witz reißen. Aber ich kann auf keinen Fall meine Gefühle vor einem anderen Menschen in Worte fassen, nicht einmal vor einem Freund. Sean sollte das inzwischen wissen.

»Es gibt nichts zu sagen.«

»Du willst mir nicht mal ein winziges bisschen verraten? Ein Detail von deinem Date?« Er schiebt seine Brille zurecht.

»Wie war dein Valentinstag?«, frage ich, um das Thema zu wechseln. »Hat Cathy dir etwas geschenkt?«

»Nichts Materielles.« Er wackelt mit den Augenbrauen.

»Ach, Sean«, stöhne ich.

Er schüttelt den Kopf und kramt in seiner Schreibtischschublade herum. »Für dich«, sagt er.

»Was ist das?«

»Du bist meine beste Freundin, also wollte ich dir etwas zum Valentinstag schenken.«

Ich rolle mit den Augen. »Du hast mir ernsthaft ein Geschenk besorgt?«

»Jede andere würde einfach Danke sagen.« Er sitzt grinsend da.

»Ich bin nicht jede andere.« Ich schüttle völlig ratlos den Kopf.

»Das kannst du laut sagen.« Er sitzt weiterhin da und grinst mich übertrieben an. »Na los. Willst du es nicht aufmachen?«

Ich zerre am Papier. Es erinnert mich an letzten Samstag, als Zoe mir ihr unerwartetes Geschenk gegeben hat. Scheinbar ist dies das Jahr für Geschenke. Ich erkenne die weiße Schachtel mit den knallroten Herzen darauf von der Bookends-Theke am Tag der Eröffnung wieder. Wenigstens hat er mir etwas aus Zoes Laden besorgt. Das heitert mich auf. In der Schachtel ist ein Umschlag. Ich öffne ihn und finde einen Gutschein für Bookends darin.

»Ein Gutschein?« Ich versuche, nicht allzu undankbar zu klingen.

»Ja, also, Zoe hat mich im Stich gelassen und das war meine beste Idee.«

»Was meinst du damit?«

»Sie hat angeboten, mir dabei zu helfen, das perfekte Valentinstagsgeschenk für dich zu finden. Etwas, das dich ärgern würde. Aber letztendlich hat sie aus offensichtlichen Gründen den Schwanz eingezogen. Also habe ich stattdessen den Gutschein genommen.« Er zuckt mit den Schultern. »Nachträglich einen frohen Valentinstag, meine Freundin.«

»Ja. Danke«, murmle ich.

»Ich hätte an etwas Besseres als einen Gutschein denken sollen, ich weiß.« Er sieht mich aus schmalen Augen aufmerksam an.

»Warum siehst du mich so an?«

»Es hat Zoe sehr leidgetan, dass sie mir nicht helfen konnte. Dann hat sie mir erzählt warum.«

»Warum?«

»Weil sie zu beschäftigt damit war, selbst das perfekte Geschenk für dich zu besorgen.«

»Was?«

Sean weitet die Augen. »Oh, verdammt. Hat sie es dir nicht gegeben?«

»Sie … sie hat es mir gegeben. Aber ich wusste nicht, dass sie dir davon erzählt hat.«

»Ich glaube, sie mag dich, Anna.«

»Ich kann gar nicht glauben, dass sie es dir erzählt hat. Was habt ihr noch über mich besprochen?«

»Nichts. Komm schon. Es war nur gut gemeint.«

Zoe scheint das Gegenteil von diskret zu sein. »Oh, ich bin sicher, dass ihr es nur gut gemeint habt, während ihr hinter meinem Rücken über mich getratscht habt.«

»Natürlich haben wir das.« Er neigt den Kopf. »So bist du also zu jemandem, der dir gerade etwas geschenkt hat.«

»Zum Valentinstag, Sean. Du weißt, was ich davon halte.«

»Hast du so reagiert, als Zoe dir ihr Geschenk gegeben hat?«

Ich kann nicht verhindern, dass sich ein kleines Lächeln auf meine Lippen stiehlt. »Natürlich nicht.«

»Liegt es daran, dass sie hundertmal heißer ist als ich?«

Ich zucke mit den Schultern. »Bei dir dauert es eine Weile, bis man auf den Geschmack kommt. Ich bin sicher, Cathy findet dich superheiß«, scherze ich.

»Ich habe nur Spaß gemacht, Anna. Freundschaftlich. Um dir zu zeigen, dass ich dich schätze, weißt du.«

»Du musst mir nichts schenken, um mir das zu zeigen. Ich weiß es schon.«

»Trotzdem.« Er nippt an seinem Kaffee.

»Hast du … Cathy davon erzählt, dass ich auf einem Date mit Zoe war?«

»Sie ist meine Frau.«

»Ich fasse das als Ja auf«, sage ich seufzend. »Ich will einfach nicht, dass die Neuigkeit sich schon in der Stadt verbreitet. Ja, wir mögen uns und wir hatten ein gutes Date, aber das hat gar nichts zu bedeuten. Es könnte noch so viel passieren.«

»Hey, die Leute könnten Schlimmeres über dich sagen als dass du mit Zoe von Bookends ausgehst, glaub mir«, sagt Sean.

»Ich glaube dir.«

»Also war das Date gut?«, versucht er es erneut.

Ich nicke. Wie kann ich auch nicht?

»Was hat sie dir geschenkt?«

»Ach, das hat sie dir nicht erzählt, was?« Ich grinse Sean an.

Er schüttelt den Kopf.

»Ein signiertes Exemplar eines Buches, das mir sehr viel bedeutet«, sage ich und mein Herz erwärmt sich.

»Hey, ich freue mich für dich, Anna.«

»Sie ist wirklich sehr reizend.«

Sean kichert. »Kein Zweifel.« Er sieht mich einige Sekunden lang an. »Hast du irgendetwas Geschäftliches zu besprechen oder plaudern wir heute nur über den Valentinstag?«

3

Zoe

Ich stehe vor Annas leuchtend roter Haustür. Es ist später, als ich geplant habe. Den ganzen Tag lang auf den Beinen zu sein ist anders, als acht Stunden lang an einem Schreibtisch zu sitzen. Außerdem hat Brooklyn die ganze Zeit über von ihrem Skype-Anruf mit Eve geplappert. Das war kein Gespräch, das ich schnell abbrechen konnte. Sie hat schnell Freunde gefunden und kann Donovan Grove vielleicht gut leiden, aber sie ist trotzdem in einem zarten Alter und hat gerade einen riesigen Umbruch hinter sich.

Als Anna die Tür öffnet, steht ihr Haar in alle Richtungen ab und sie sieht recht erschöpft aus. Sie trägt einen Schlafanzug.

»Habe ich dich geweckt?« Ein breites Lächeln schleicht sich auf meine Lippen.

»Es ist nach zweiundzwanzig Uhr.« Sie hält die Tür auf. Ich entdecke einen Anflug niedlichen, halbwachen Griesgrams in ihrer Stimme.

»Entschuldige.« Ich haste hinein, nicht nur weil es draußen eiskalt ist, sondern weil ich es kaum erwarten kann, von der Wärme in Annas Heim umgeben zu sein. »Brooklyn hat mich gebraucht. Ich weiß, es ist spät, aber ich wollte dich sehen.« Ich greife nach ihrer Hand. Sobald wir uns berühren, zieht sie mich dicht an sich.

»Ich bin froh, dass du hier bist.« Anna umarmt mich und drückt sich an mich. Ich bin ziemlich sicher, dass sie keinen BH trägt.

»Ich bin froh, dass du dich für mich hübsch gemacht hast«, scherze ich.

»Du kannst nicht so spät zu jemandem nach Hause kommen und erwarten, dass dieser Jemand einen Frack trägt.«

Ich kichere und streiche ihr mit einer Hand über den Rücken. Definitiv kein BH.

Im Wohnzimmer liegt Hemingway ausgestreckt auf einem Kissen auf dem Boden.

»Er ist um diese Zeit nicht mehr sehr lebendig«, sagt Anna.

»Hatte er einen anstrengenden Tag?«, frage ich.

»Jeder Tag ist eine einzige Party, wenn man mein Hund ist«, sagt Anna. »Kann ich dir etwas bringen?«

Ich schüttle den Kopf. »Setzen wir uns einfach.«

Sie hat das Gemälde vorbereitet, damit ich es nach Hause mitnehmen kann. Es lehnt in Luftpolsterfolie eingepackt an der Wand. Außerdem hat sie mit etwas Seil einen Griff angebracht, damit ich es tragen kann.

»Wie war der Rest deines Tages?« Was ich eigentlich fragen will, ist, ob ich sie küssen kann. Aber ich nehme an, dass sie es mir früh genug mitteilen wird, wenn sie das auch will.

Sie reibt sich die Handflächen an der Schlafanzughose, was mir den Eindruck gibt, dass sie etwas beschäftigt. Oder vielleicht weiß sie nicht, wie sie am besten formulieren soll, was sie sagen will.

»Ich habe mit Sean gesprochen«, sagt sie. »Du hast ihm erzählt, dass du mir etwas zum Valentinstag schenkst?«

Ich schürze die Lippen. »Das ist mir vielleicht herausgerutscht.« Ich versuche, ihr in die Augen zu sehen. »Ich sollte ihm helfen, ein lustiges Geschenk für dich zu finden, aber dann war ich zu begeistert davon, ein aufrichtiges zu finden.« Ich versuche mich an einem Lächeln.

»Ich … ich mag es wirklich nicht, wenn alle über meine Privatangelegenheiten Bescheid wissen.«

»Ich dachte, er wäre dein bester Freund.« Möglicherweise ist Annas Definition eines besten Freundes eine ganz andere als meine.

Anna zuckt mit den Schultern. »Er ist mein Freund, aber deswegen will ich nicht, dass er alles über mich weiß.«

Jetzt wünschte ich, ich hätte um ein Glas Wein gebeten. »Anna … Weiß Sean von deiner Diagnose?«

»Was hat das mit irgendetwas zu tun?«