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Anna und Zoe geben ihrer Beziehung eine neue Chance. Doch dann erscheint eine Ex unerwartet in der Stadt und ihre Anwesenheit droht, die Sicht der Beiden aufeinander und auf ihre Beziehung durcheinanderzubringen. Ist dies ein für alle Mal das Ende für Anna und Zoe oder werden die widrigen Umstände ihnen sogar dabei helfen, ihre Gefühle füreinander zu festigen?
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Seitenzahl: 148
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Inhaltsverzeichnis
Von Harper Bliss außerdem lieferbar
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Über Harper Bliss
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Die Erfahrung von Liebe
Ergreif die Sterne
Summer’s End
Sommergeflüster zu zweit
Kaffee mit einem Schuss Liebe
1
Anna
»Meine Familie ist so autistisch, wie sie nur sein kann«, sagt April, »aber niemand von uns würde irgendetwas daran ändern wollen.«
Es ist meine dritte Sitzung mit ihr und April hat sich mir so geöffnet, dass ich mich frage, ob sie das mit allen Patienten macht – und wenn ja, stellt sich mir die Frage, wie sie das schafft.
Während unserer zweiten Sitzung hat sie mir so beiläufig eröffnet, dass sie selbst Autismus hat, dass ich es fast überhört habe.
»Es ist ein Prozess, Anna«, sagt sie. »Irgendwann werden Sie das auch erreichen.«
Ich bin noch nicht so weit, aber ich habe schon große Fortschritte gemacht, obwohl das erst meine dritte Sitzung mit April ist. Mit ihr über meine Autismus-Spektrums-Störung zu reden, sie mir offen einzugestehen, ohne dieses erdrückende Gewicht der Scham zu spüren, hat mich aus der Angstspirale befreit, in der ich sehr lange gefangen war.
»Wie war es, als Sie sich geoutet haben?«, fragt April.
Ich zucke mit den Schultern. Das ist so lange her, dass ich mich kaum daran erinnere. »Es war in Ordnung.«
»Wie war es für Sie selbst, als Sie gemerkt haben, dass Sie Frauen mögen?«
»Auf komische Art und Weise war es ein kleiner Schock. Tief drin habe ich es wohl schon immer gewusst, aber es hat doch die Frage von jemand anderem gebraucht, ob ich vielleicht lesbisch bin, bis der Groschen gefallen ist.«
»Manchmal sind die offensichtlichsten Dinge am schwersten zu sehen.« Sie verwandelt ihr natürlich schiefes Grinsen wieder in ein Lächeln. »Wer hat Ihnen die Frage gestellt?«
»Eine Freundin aus der Highschool. Natasha.«
»Sind Sie noch mit Natasha befreundet?«
Ich schüttle den Kopf. »Ich hatte viele Freunde in meinem Leben und fast alle von ihnen verloren.«
April nickt. »Es ist interessant, dass Sie das Wort ›verloren‹ benutzen. Hätten Sie sie gern behalten?«
»Ich weiß nicht. Ich bin nicht sehr gut darin, meinen Anteil zu einer Freundschaft beizutragen.«
»Und was für ein Anteil wäre das?«
Darüber muss ich nachdenken. Ich kann es nicht sofort in Worte fassen. April gibt mir die Zeit, die ich brauche, aber das ist eine schwierige Frage für mich.
Als ich nach ein paar Minuten nicht antworte, fragt sie: »Haben Sie das Gefühl, Sie hätten gern mehr Freunde?«
»Nicht wirklich. Aber manchmal habe ich das Gefühl, als würde es von mir erwartet werden.«
»Von wem? Von Ihnen oder von jemand anderem?«
»Von … der Gesellschaft, schätze ich. Kontakt zu anderen soll diese große Sache sein. Zeit mit Freunden zu verbringen und so. Mir reichen die Freitagabende mit Sean und Jamie, aber manchmal fühlt es sich an, als sollte ich noch mehr wollen.«
»Warum?« Etwas, das ich ebenfalls aus unseren drei Sitzungen gelernt habe, ist, dass »Warum« Aprils absolutes Lieblingswort ist.
»Weil es sich so gehört.« Ich stoße wieder an die Grenze meiner verbalen Ausdruckskraft. Es fühlt sich an, als würde der Gedanke in meinem Gehirn darauf warten, von den Worten, die aus meinem Mund kommen, weiter ausgeformt zu werden. Als sie das nicht tun, stockt auch der Gedanke und lässt mich sprachlos zurück.
»Vielleicht für neurotypische Menschen. Und selbst dann …«, sagt April.
»Aber wie hören wir auf, uns mit neurotypischen Menschen zu vergleichen?«
»Warum sollten wir überhaupt anfangen?«, fragt April nüchtern. »Vergleichen Sie sich mit heterosexuellen Menschen, nur weil es so viele von ihnen gibt?«
»Nein. Ich meine, vielleicht. Manchmal schon, schätze ich. Wenn ich ein Hetero-Paar Hand in Hand gehen sehe, kann ich schon eifersüchtig darauf werden, wie einfach sie das tun, ohne sich irgendwelche Sorgen machen zu müssen.«
»Sie glauben nicht, dass Sie und Zoe sich in Donovan Grove an der Hand halten können?«
»Nicht immer. Nicht genauso mühelos wie heterosexuelle Leute es tun würden.«
»Und das erscheint Ihnen nicht fair?«
»Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt, dass es so ist. Aber woran ich nicht gewöhnt bin, sind die Minderwertigkeitsgefühle im Vergleich mit neurotypischen Leuten. Es ist toll, dass Sie und Ihre Familie Ihren Autismus so annehmen, aber ich würde ziemlich sicher etwas daran ändern, wenn ich könnte.«
»Das ist in Ordnung, Anna. Ich war auch an dem Punkt, wo Sie jetzt sind. Wir werden daran arbeiten.«
Bemerkungen wie diese sind das Wichtigste, was April bisher für mich getan hat. Sie bewirkt, dass ich mich gehört fühle, was ich mir bisher nicht erlaubt habe. Cynthia hat es versucht und versucht, aber es war schwierig, diese Hilfe von ihr anzunehmen, weil ich eifersüchtig auf ihr neurotypisches Gehirn und überzeugt davon war, dass sie mich nie verstehen würde. Was April macht, gibt mir das Gefühl, eine unter vielen zu sein. Vor allem gibt sie mir das Gefühl, dass das, was ich durchmache, völlig normal ist, und dieses Gefühl habe ich sehr lange nicht gehabt – vielleicht noch nie.
»Ich glaube«, sage ich, »was mich am meisten ärgert, ist, dass ich hier sitzen und aktiv daran arbeiten muss, mich selbst zu akzeptieren, obwohl Selbstakzeptanz für die meisten Menschen etwas ist, über das sie nicht groß nachdenken müssen.«
»Da bin ich anderer Meinung«, sagt April. »Denn Sie haben den Schlüssel, Anna. Sie wissen noch nicht, wie Sie ihn benutzen müssen, aber haben bereits den Schlüssel dazu, sich selbst zu akzeptieren. So viele Leute, egal ob neurotypisch oder neurodivers, haben das nicht. Sie sind hier diejenige mit dem großen Vorteil.«
April kann meine Worte so wenden, dass ich gezwungen bin, die Sache in einem anderen Licht zu sehen, was nicht leicht für mich ist.
»Ich möchte Sie eins fragen …« Ein Grübchen erscheint in ihrer Wange, also wappne ich mich, denn ich weiß, dass sie mir etwas vor die Nase werfen wird, woran ich noch nicht gedacht habe. »Sie würden es Zoe nicht übelnehmen, dass sie neurotypisch ist, oder?«
»Das nehme ich niemandem übel.«
»Sie nehmen es ihr nicht übel, dass sie keine Therapie braucht, um sich gut mit sich selbst zu fühlen«, sagt April.
»Nein, natürlich nicht.«
»Und tut sie das? Fühlt sie sich gut mit sich?«
»Ich denke schon. Jedenfalls hoffe ich es.« Vielleicht habe ich sie nicht genug nach ihren eigenen Gefühlen gefragt. Ich habe ihr auf jeden Fall genug Gelegenheiten gegeben, mich zu verlassen, aber ich war zu sehr auf mich fixiert, um sie nach ihrem Wohlergehen zu fragen. »Ich sollte daran denken, sie zu fragen. Aber es sieht aus, als hätte sie keine Probleme. Sie wirkt immer so selbstbewusst und gelassen.«
»Fragen Sie sie«, sagt April. »Die Antwort überrascht Sie vielleicht.« Sie lässt den Blick auf mir ruhen. »Was ich sagen will, Anna, ist, dass wir alle Dinge haben, mit denen wir kämpfen und die wir verarbeiten müssen, egal, welcher Neurotyp wir sind. Alle haben ihre eigene Geschichte. Alle leiden.« Eine Sekunde lang bekomme ich das Gefühl, sie könnte wieder zu singen anfangen: diesmal die April Jenkins-Version von Everybody Hurts. Aber sie schweigt und sieht mich nur an.
»Ich frage sie heute Abend.« Ich habe ja keine Wahl. Jetzt, da April mir die Idee in den Kopf gesetzt hat, dass Zoe leiden könnte, obwohl alles dagegenspricht, muss ich mich vergewissern, dass es ihr gut geht.
»Gut, aber denken Sie ja nicht, dass das Ihre einzige Hausaufgabe diese Woche ist.« Ein breites Lächeln tritt auf ihr Gesicht.
»Glauben Sie mir, ich habe mir keine Hoffnungen gemacht.«
»Ich bin froh, dass wir uns verstehen«, sagt sie. »Versuchen Sie, die Worte zu finden, die Sie vorhin nicht hatten, als ich Sie nach Freundschaft gefragt habe. Und sagen Sie mir nächstes Mal, was Sie an Ihrer Freundschaft mit Sean schätzen.«
Ich mache mir eine geistige Notiz, obwohl ich auch gelernt habe, dass die Hausaufgaben meiner Therapeutin nicht dasselbe sind wie Hausaufgaben in der Schule. Vielleicht weil es bei diesen Hausaufgaben um mich geht und alle Antworten bereits tief in mir sind.
2
Zoe
Anna rollt mit den Augen und seufzt auch noch.
»Was?«, frage ich.
»Ich kann nicht glauben, dass diese Frau zwei Oscars gewonnen hat. Sie könnte offensichtlich nicht einmal schauspielern, wenn ihr Leben auf dem Spiel stünde.«
»Diese drei Oscars und die Academy sind da anderer Meinung.«
Sie seufzt wieder. »Die Academy ist idiotisch.« Sie schüttelt den Kopf, als müsste sie ein sehr wichtiges Argument vorbringen. »Ich bin nie derselben Meinung wie sie. Außer wenn sie Meryl Streep einen Oscar geben. Das ist die einzige Auszeichnung, bei der ich ihrer Meinung bin. Meryl sollte alle Oscars bekommen.«
Ich weiß sehr gut, wann Anna ihre Therapeutin sieht – einmal die Woche am Mittwoch –, und lerne, eine andere Energie von ihr zu erwarten, wenn ich sie nach einer Sitzung sehe.
»Klingt, als solltest du ein Mitglied der Academy werden.« Sie sitzt in einem Sessel und ich gleite neben sie, obwohl es keinen Platz für mich gibt. Sie akzeptiert mein Eindringen, indem sie die Arme um meine Taille legt.
»Das sollte ich sein, aber du weißt ja, ich könnte es nicht ertragen.«
»Vielleicht könntest du dafür sorgen, dass ein paar Oscars an Latinas gehen anstatt drei an dieselbe weiße Frau.« Ich nicke zum Fernseher. Ich weiß nicht einmal, wen Anna meint, obwohl ich sicher bin, dass es eine Weiße sein muss.
»Ich könnte viele Latinas aufzählen, die sie sich mehr verdient hätten als …« Sie verstummt. »Nerve ich dich mit meiner Tirade?«
»Gar nicht. Du bist sehr amüsant.«
Auf dem Flur erklingt ein Geräusch und Anna versteift sich.
»Wann kommt Brooklyn nach Hause?«
»Rechtzeitig zum Abendessen, sonst bekommt sie Ärger«, wiederhole ich zum x-ten Mal. Ich lehne mich hinüber und küsse sie auf die Wange. »Das war nicht das Geräusch von Brooklyn, wenn sie nach Hause kommt. Glaub mir, das ist eine viel lautere Angelegenheit.«
»Wahrscheinlich sollte ich gehen, bevor sie kommt.«
»Du kannst bleiben, Anna. Das hier ist kein geheimes Stelldichein.« Ich lächle wieder auf sie herab.
»Ich weiß, aber … vielleicht nächstes Mal, okay?«
»Wie wäre es mit morgen?«
Ich spüre, wie sie sich noch mehr anspannt. Wie dumm von mir. Morgen wäre nicht mal ansatzweise genug Zeit für Anna. »Oder irgendwann nächste Woche? Am Mittwoch nach deiner Sitzung mit April, wenn du ruhiger bist?«, frage ich.
»Kann ich dir später in der Woche Bescheid geben?«, fragt sie.
»Natürlich.« Ich küsse sie wieder auf die Wange. »Meine Tochter ist mir sehr ähnlich, weißt du. Sie beißt nicht.«
»Ich weiß«, sagt Anna. »Sie ist wundervoll, aber ich habe nicht viel Erfahrung mit Kindern.«
»Du hast zwei Neffen.«
»Das ist etwas ganz Anderes als die Tochter der Frau, mit der ich zusammen bin. Jaden und Jeremy sind meine Familie. Brooklyn ist …« Sie hält die Hand hoch. »Ich meine, ja, sie ist deine Tochter und daher automatisch wundervoll, aber na ja, da ist eine Menge Druck, dass sie mich mögen muss. Was, wenn sie das nicht tut? Ich will nicht, dass du je das Gefühl bekommst, dich entscheiden zu müssen.«
Ich freue mich zwar über Annas Offenheit, kann aber auch kaum glauben, was ich höre. »Was redest du denn da? Woher hast du diese Idee, dass ich mich entscheiden müsste?«
»Ich finde, das ist eine berechtigte Sorge«, sagt Anna trocken.
»Hör mal, ich verstehe, dass es dich nervös macht, Zeit mit Brooklyn zu verbringen, weil sie ein Teenager ist und so weiter. Und natürlich bin ich voreingenommen, aber sie ist so ein tolles Mädchen. Da ist nichts, worüber du dir Sorgen machen müsstest.«
»Versetz dich in meine Lage, Zoe. Was, wenn ich eine Tochter hätte, mit der du dich verstehen müsstest?«
»Ich würde mich sehr auf diese Aussicht freuen.«
»Na ja, natürlich würdest du das.« Anna legt den Kopf an meine Brust. »Wann erwartest du sie noch mal?«
»Jede Minute.«
»Dann sollte ich wahrscheinlich gehen.«
Ich kichere. »Geh noch nicht.« Ich streiche mit den Fingern durch ihre Haare. »Ich wünschte, du würdest einfach bleiben und mit uns essen. Was isst du bei dir zu Hause?«
Anna zuckt nur mit den Schultern und sieht zu mir auf. »Ich verspreche, dass ich nächste Woche mit dir und Brooklyn essen werde.«
»Okay.« Ich beuge mich zu ihr und küsse sie diesmal auf die Lippen. Es ist ein verdammt guter Kuss, denn als wir uns trennen, steht Brooklyn wenige Meter vor uns im Wohnzimmer. Anna schiebt mich praktisch von sich – als wäre ein Kuss zwischen uns das Schlimmste, was meine Tochter je gesehen hat.
»Hi, Süße«, sage ich und versuche dabei, sehr gelassen zu klingen.
Anna reibt die Handflächen an ihrer Jeans, als hätte der Kuss sie sehr schmutzig gemacht. »Hey«, sagt sie. Ihre Körpersprache ist sofort wie verwandelt – als wäre sie der Teenager, der gerade beim Knutschen mit der Freundin erwischt wurde. »Ich wollte gerade gehen«, sagt sie.
»Hat aber nicht so ausgesehen.« Brooklyn lächelt sie an. »Bleibst du nicht zum Essen?« Sie lässt sich auf das Sofa fallen und greift sofort nach der Fernbedienung. »Was schaut ihr? Ach, Stacy Weston ist schrecklich in dem Film.«
Ich muss kichern. Ich versuche, Annas Blick aufzufangen, aber sie fixiert eine Stelle an der gegenüberliegenden Wand.
»Wie wäre es, wenn du den Tisch deckst, mija?«, sage ich zu Brooklyn. Ich gehe zu Anna hinüber, während meine Tochter einen tiefen Seufzer ausstößt. Wenn es um Hausarbeiten geht, ist sie nicht so wundervoll wie ich Anna gerade weißmachen wollte. »Für zwei.« Brooklyn stemmt sich vom Sofa hoch, als würde sie einen Sack Zement auf ihren zerbrechlichen Teenagerschultern tragen.
»Ich muss Hemingway füttern«, sagt Anna. »Tschüss, Brooklyn. Bis bald.«
»Bis dann«, ruft Brooklyn, ohne uns anzusehen.
Ich begleite Anna zur Tür, aber sie verabschiedet sich schnell.
Als ich wieder hineingehe, entschuldige ich mich fast bei Brooklyn dafür, was sie gesehen hat, obwohl es gar nichts gibt, wofür ich mich entschuldigen müsste. Ich habe nur meine Partnerin geküsst.
»Ist es okay, wenn ich morgen Abend bei Jaden esse?«, fragt Brooklyn. »Sein Dad will Risiko mit uns spielen.«
Wenn sie nicht mehr tun als Brettspiele zu spielen, kann Brooklyn bei ihrem Freund essen, so oft sie will. »Klar.«
»Ich soll dir ausrichten, dass Janet gefragt hat, ob du mitkommen willst. Aber ich habe gesagt, dass du wahrscheinlich ein Date hast.« Inzwischen hat sie den Tisch gedeckt und setzt sich.
»Was heißt das denn?« Scheinbar verbringe ich meine Tage damit, über verschlüsselte Botschaften von meiner Tochter und der Frau, mit der ich ausgehe, zu rätseln. »Willst du nicht, dass ich mitkomme?«
»Ich will einfach nicht, dass es eine große Sache wird, Mom. Wenn du Zeit mit Janet verbringen willst, kannst du ja mit ihr was trinken gehen.« Darin steckt keine verborgene Botschaft.
»Vielleicht werde ich das«, sage ich und serviere das Essen.
3
Anna
Ich öffne die Tür zu Bookends und lasse Hemingway zuerst hinein. Als ich höre, wie Zoe ihn säuselnd begrüßt, folge ich ihm.
»Entschuldige, dass ich gestern Abend nicht geblieben bin«, sage ich. »Ich habe heute ein paar Deadlines und wollte nicht in die Reizüberflutung abrutschen.« Inzwischen fühle ich mich etwas dumm damit, aber so ist es nun mal.
»Das ist absolut in Ordnung.« Zoe gibt mir keinen Begrüßungskuss, was sehr untypisch für sie ist.
Erst da merke ich, dass wir nicht allein im Laden sind, obwohl das normalerweise nur mich davon abhalten würde, Zoe zu küssen, nicht umgekehrt.
»Wer ist denn der hübsche Junge?« Eine große, blonde Frau tritt zu uns und tätschelt Hemingway mit ausgestrecktem Arm, als wollte sie unbedingt wie eine Hundeliebhaberin wirken, hätte aber eigentlich Angst vor ihnen. Ich habe mich so daran gewöhnt, Hemingway in den Laden mitzubringen, dass ich manchmal vergesse, dass nicht jeder gut mit Hunden zurechtkommt.
»Das ist Hemingway«, sage ich, während ich ihn ein wenig zu mir ziehe.
»Sie müssen Anna sein.« Die Frau sieht mir in die Augen und streckt die Hand aus.
»Ähm. Ja.«
»Das ist Eve. Meine Ex-Frau«, sagt Zoe, während Eve meine Hand fast in ihrer zerquetscht.
»Oh«, ist alles, was ich herausbringe. Eve muss ein verdammtes Model sein oder so.
»Sie ist gerade aufgetaucht«, sagt Zoe und ihre Stimme trieft vor Ärger. »Ohne die geringste Vorwarnung.«
»Was kann ich sagen?«, sagt Eve. »Ich lebe spontan.« Sie hat dieses gesunde Strahlen an sich, von dem ich ehrlich geglaubt habe, dass es nur im Fernsehen existiert. Aber irgendwie hat Eve es sich tatsächlich angeeignet. Shanghai muss ihr gut bekommen.
»Erzähl das deiner Tochter«, sagt Zoe. So habe ich sie noch nie gesehen – habe nie diese giftige Seite kennengelernt.
»Für meine Tochter bin ich ja gekommen«, sagt Eve.
»Sie ist in der Schule«, sagt Zoe. »Wie alle Kinder in ihrem Alter um diese Tageszeit.«
»Ich dachte, es wäre am besten, wenn du und ich zuerst reden«, sagt Eve.
»Ich glaube, ich gehe«, sage ich. Das ist kein Gespräch – oder Drama –, an dem ich teilnehmen will.
»Warte«, sagt Zoe. »Kann ich unter vier Augen mit dir reden?« Sie begleitet mich aus dem Laden, ohne Eve eines weiteren Blicks zu würdigen.
»Sie ist gerade erst aufgekreuzt. Einfach so. Als wäre das nichts. Als würde sie noch in New York leben und Brooklyn jedes zweite Wochenende sehen.« Ihre Worte kommen schnell. »Das ist so verdammt typisch.«
»Hey.« Ich lege die Hände auf ihre Arme. »Es wird schon in Ordnung sein.«
Zoe atmet tief durch und wir beobachten die lange Wolke, die sich bildet, als sie ausatmet.
»Willst du, dass ich bleibe?«, frage ich.
»Ich will dir keinen ganzen Nachmittag voller Zankerei mit Eve antun. Hast du heute nicht ein paar Deadlines?«
»Schon, aber ich setze mir meine Deadlines immer viel früher als nötig. Eigentlich habe ich Zeit.« Ich reibe ihre Schulter. »Ich bin da, wenn du mich brauchst. Wenn du nicht willst, dass ich bleibe, kannst du mich jederzeit anrufen.« Ich lehne mich dichter zu ihr. »Ich kann den Schalter umlegen, weißt du. Ich kann die Person sein, die du gerade brauchst.«