Ein Kuss wie kein zweiter - Harper Bliss - E-Book

Ein Kuss wie kein zweiter E-Book

Harper Bliss

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Beschreibung

Was passiert, wenn die perfekte Frau unerreichbar ist? Ash Cooper hat ihr Leben gerade erst halbwegs wieder in den Griff bekommen und steckt als frisch Geschiedene all ihre Energie in ihren anspruchsvollen Job. Doch dann begegnet sie Gloria auf der Geburtstagsfeier ihrer Mutter und spürt sofort die prickelnde Verbindung zwischen ihnen. Gloria ist schon lange verwitwet, Mutter von zwei erwachsenen Töchtern, Krankenschwester mit Leib und Seele – und eine gute Freundin von Ashs Mutter. Damit ist eigentlich klar: Ein bisschen heimlicher Spaß wäre okay, eine Beziehung zwischen Ash und Gloria kommt jedoch niemals infrage, zu groß ist die Gefahr, dass ihre Familien und Freunde diese neue Liebe nicht akzeptieren. Aber dann ist da dieser Kuss, der beiden einfach nicht mehr aus dem Kopf geht …

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Seitenzahl: 373

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhaltsverzeichnis

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Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Kapitel 26

Kapitel 27

Kapitel 28

Kapitel 29

Kapitel 30

Kapitel 31

Kapitel 32

Kapitel 33

Kapitel 34

Kapitel 35

Kapitel 36

Kapitel 37

Kapitel 38

Kapitel 39

Kapitel 40

Kapitel 41

Kapitel 42

Kapitel 43

Kapitel 44

Kapitel 45

Kapitel 46

Kapitel 47

Kapitel 48

Ebenfalls im Ylva Verlag erschienen

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Kapitel 1

Ash bezahlte rasch den Fahrer und sprang aus dem Taxi. Sie war nur eine Viertelstunde zu spät – nach ihren eigenen Maßstäben vollkommen akzeptabel. Aber ihre eigenen Maßstäbe spielten heute Abend keine Rolle. Hinter den beschlagenen Fenstern des angemieteten Veranstaltungsraums auf der anderen Straßenseite ertönte lautes Gelächter. Offenbar war das Lokal bereits gut besucht, was sie nicht verwunderte. Außer ihr selbst reiste wohl niemand an einem Freitagabend aus London an – die meisten Gäste dieser Feier waren bereits im Ruhestand.

Sie atmete tief durch und ging hinein.

Zum Glück fing Adrian sie praktisch direkt hinter der Eingangstür ab. »Lange nicht gesehen«, begrüßte er sie. »Du hast es geschafft.«

»Hast du das ernsthaft bezweifelt?« Ash umarmte ihren Bruder.

»Vielleicht hast du ja darauf spekuliert, enterbt zu werden.« Adrian hielt sie auf Armeslänge von sich weg und musterte sie eingehend. »Du siehst aus, als würdest du zu viel arbeiten.«

»Das stimmt und ist nichts Neues«, erwiderte Ash. Wie dir meine Ex-Frau gern bestätigen wird.

»Und wofür tust du das alles?« Adrian grinste sie herausfordernd an.

Ash ging nicht auf seine Frage ein. »Ich lasse mich mal besser bei Mum sehen, bevor sie mich tatsächlich verstößt, weil ich an diesem besonderen Geburtstag zu spät komme.«

»Du kannst sie nicht verfehlen. Sie ist die Dame mit der Diven-Aura.« Adrian zwinkerte ihr zu.

Auf dem Weg zu ihrer Mutter musste Ash sich einen Weg durch eine Schar von Verwandten bahnen, die sie schon lange nicht mehr gesehen hatte. Onkel Bernard umarmte sie, als wäre sie seine eigene, lang verschollene Tochter. Tante Mabel fragte sie nach einer neuen Partnerin, wobei sie die weibliche Form des Worts so seltsam betonte, als wäre sie nicht Gast auf Ashs und Charlottes Hochzeit gewesen. Immerhin machte Tante Joan ihr ein Kompliment für ihr Aussehen. Ash beschloss, heute Abend nur die positiven Dinge in Erinnerung zu behalten.

»Darling.« Ihre Mutter breitete die Arme in einer dramatischen Geste aus, als Ash sich ihr näherte. »Da bist du ja.«

»Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, Mum.« Ash umarmte ihre Mutter, die sie so fest hielt, als wollte sie sie nie wieder loslassen.

»Wir haben uns ewig nicht gesehen.«

»Ich war doch erst letzten Monat in der Stadt.«

»Das ist viel zu lange her.« Endlich ließ ihre Mutter sie wieder los. »Jetzt, wo ich offiziell in Rente bin, musst du mehr Zeit mit mir verbringen. Was soll ich denn sonst mit mir anstellen?«

»Genau dafür habe ich dir das hier mitgebracht.« Ash griff in ihre Jackentasche und holte einen Umschlag heraus.

Ihre Mutter lächelte breit und riss ihn enthusiastisch auf. »Tauschen Sie diesen Gutschein gegen einen Abend mit Ihrer einzigen Tochter ein«, las sie laut vor. »Oh, Darling, darauf freue ich mich jetzt schon.« Sie küsste Ash auf die Wange. »Das ist nur für mich, oder? Dein Vater ist nicht eingeladen?«

»Nur wir beide, Mum.« Ash hatte sich das Hirn nach einem passenden Geschenk für die Kombination aus Geburtstags- und Ruhestandsfeier zermartert, bis sie zu dem Schluss gekommen war, dass sie ihrer Mutter am besten etwas von ihrer Zeit schenkte. »Keine Männer erlaubt.«

»Wir gehen doch nicht in eine dieser speziellen Bars, oder?«, fragte ihre Mutter grinsend.

»Wir werden sehen«, neckte Ash sie. »Apropos Männer, wo ist Dad?«

»Wahrscheinlich an der Bar.« Ihrer Mutter gelang es nur halb, ein Augenrollen zu unterdrücken. Wenigstens hatte sie keinen Kommentar zu Ashs spätem Auftauchen abgegeben. Wahrscheinlich war sie zu sehr damit beschäftigt gewesen, in der Aufmerksamkeit ihrer Gäste zu schwelgen.

»Ich schaue mal, ob ich ihn finde. Lass uns nachher noch ein bisschen reden.« Sie zwinkerte ihrer Mutter noch einmal zu und bahnte sich einen Weg durch das Getümmel auf der Suche nach ihrem Vater, wobei sie auf dem Weg noch ein Glas lauwarmen Prosecco abstaubte. Ihr Vater stand sicherlich irgendwo, wo es Bier gab, Prosecco war zu mädchenhaft für ihn.

»Ashley.« Plötzlich wurde sie von Tante Daisy, der einzigen Schwester ihres Vaters, am Arm gepackt. »Komm her.«

Ash umarmte ihre Patentante pflichtbewusst. Innerlich seufzte sie. Es war eine lange Woche gewesen und das hier drohte ein sehr langer Abend zu werden. Nicht, dass Ash nicht gern Zeit mit ihrer Familie verbrachte, aber die komplette Verwandtschaft versammelt in einem Raum, war ein bisschen viel. Das letzte Mal waren all diese Menschen bei ihrer und Charlottes Hochzeit zusammengekommen. Sie hatten die Feier damals extra auf Mitte Juli gelegt, doch die gesamte Veranstaltung hatte durch anhaltenden Regen drinnen stattfinden müssen. Ein deutlicheres Omen konnte es wohl kaum geben.

»Wie geht’s dir?«, erkundigte sich Tante Daisy voller Mitgefühl – oder war es Mitleid?

»Gut. Und dir?« Tante Daisy war inzwischen weit über siebzig und ein kleiner Monolog über ihre zahlreichen Zipperlein würde sie für eine Weile von Ashs gescheiterter Ehe ablenken.

Ash leerte ihren Prosecco, während sie ihrer Patentante zuhörte, die, anstatt über ihre Gesundheit zu lamentieren, von ihren Enkeln schwärmte. Ash war sich nicht sicher, was schlimmer war.

Sie erhaschte einen Blick auf ihren Vater, der sich mit dem Ellbogen auf der Theke abstützte. Ash schaffte es, sich mit dem Versprechen auf eine spätere Fortsetzung aus dem Gespräch zu befreien und konnte nun endlich ihren Vater begrüßen.

»Ein Königreich für ein Glas davon.« Ash deutete auf das Bier ihres Vaters.

»Hallo, Schatz.« Bei ihrem Vater klang das, als hätten sie sich erst vor ein paar Stunden das letzte Mal gesehen. »Kommt sofort.« Er gab dem Barkeeper ein Zeichen und legte Ash dann einen Arm um die Schultern, um sie sanft zu drücken. »Wie geht es dir?«

»Gut.« Gut, gut, gut. So oft hatte Ash dieses Wort schon ausgesprochen, seit sie und Charlotte sich getrennt hatten. Als ob sie es nur oft genug wiederholen musste, damit ihr Umfeld ihr endlich glaubte.

Während sie auf ihr Bier wartete, hatte sie das Gefühl, die Blicke aller Anwesenden auf sich zu spüren, weil sie sich fragten, warum Ash nicht in Begleitung ihrer Frau gekommen war. Oder was bei diesem Paar so furchtbar schiefgelaufen war, dessen Hochzeit sie erst vor ein paar Jahren besucht hatten.

»Hier, bitte.« Ihr Vater reichte ihr das Bier und Ash nahm ein paar kräftige Schlucke davon. Sie hatte vorhin im Zug eine Tüte Chips in sich hineingestopft, um sich den Alkohol nicht auf leeren Magen einzuverleiben. Denn der würde heute für sie reichlich fließen. Zum ersten Mal seit ihrer Scheidung stand sie ihrer kompletten Familie gegenüber und das würde Ash nur mit ausreichend alkoholischem Nachschub überleben.

»Wie läuft’s bei der Arbeit?«

»Wie immer«, erwiderte sie. Es war, als ob die Ankunft auf dieser Feier sie in ein Paralleluniversum katapultiert hätte. Obwohl Murraywood gar nicht weit von London entfernt war, fühlte es sich für Ash immer ein bisschen wie eine Reise in eine andere Zeit und eine ganz andere Welt an.

Ihr Vater brummte nur leise, genau so, wie sie es von ihm erwartet hatte. Tiefgründige Gespräche gab es zwischen ihnen nur selten und lang anhaltendes Schweigen war ihnen nicht unangenehm. Genau das konnten sie in der Gesellschaft des jeweils anderen besonders gut. Wenn sie mal eine Pause vom Leben brauchte, war Ash nirgendwo lieber als mit einem kalten Bier in der Hand zusammen mit ihrem Vater in einem Pub. Er erwartete keine Erklärungen von ihr, wollte nicht bis ins kleinste Detail über ihre tiefsten Gefühle Bescheid wissen. Einfach nur da zu sein, war immer genug.

Aber natürlich waren sie heute Abend nicht im Horse and Groom, dem Pub, in dem ihr Vater große Teile seines Erwachsenenlebens verbracht hatte. Sie waren auf der Party zum fünfundsechzigsten Geburtstag ihrer Mutter im Pavilion, der ersten Wahl, wenn man in Murraywood eine Eventlocation mieten wollte. Viel Ruhe würde Ash hier heute Abend nicht finden, denn es wimmelte nur so von Verwandten und Freunden ihrer Eltern. Die einzigen jüngeren Leute waren Ash, ihr Bruder Adrian und seine Frau, mit der er auf wundersame Weise seit fast fünfzehn Jahren zusammen war. Ein weiterer Fall, in dem ihr jüngerer Bruder sie in Sachen Lebensziele übertrumpfte. Er und Lizzie hatten auch ihre heterosexuelle Pflicht getan und zwei entzückende Enkelkinder in die Welt gesetzt, die Ashs Eltern nach Strich und Faden verwöhnen konnten.

Als sie und Charlotte geheiratet hatten, hatte Ash tatsächlich geglaubt, etwas nach den Maßstäben der Welt um sie herum richtig zu machen. Bis zur Scheidung, natürlich.

»Ashley Cooper!«, ertönte plötzlich eine Stimme hinter ihr. »Dass ich das noch mal erleben darf.« Eine kalte Hand legte sich auf ihren Nacken.

O Gott. Manche Leute konnten ihre Finger einfach nicht bei sich behalten.

»Sieh dich nur an.«

»Gloria Young.« Ein Lächeln breitete sich auf Ashs Gesicht aus. Gloria hatte sie schon immer gemocht.

»Ist das wirklich deine Tochter, Alan?« Gloria stieß Ashs Vater mit dem Ellbogen an. »Hat sie es heute Abend wirklich nach Murraywood geschafft? Wenn man Mary glauben darf, kommt ihre Tochter so gut wie nie zu Besuch.«

Ash hätte ihren Vater am liebsten für sein eindrucksvolles Augenverdrehen umarmt. Den Hang ihrer Mutter zu Übertreibungen kannte er nach so vielen Ehejahren nur zu gut.

»Glaub ja kein Wort, das meine Frau von sich gibt«, murmelte er.

»Wie lange haben wir uns nicht mehr gesehen, Gloria?« Ash konnte sich an das letzte Mal nicht erinnern. »Du siehst super aus.«

»Das muss Jahre her sein«, entgegnete Gloria und ignorierte das Kompliment, um stattdessen kurz Ashs Arm zu drücken. Sie musste wohl von der Scheidung gehört haben.

In diesem Moment klopfte jemand nachdrücklich mit einem Besteckteil gegen ein Glas.

»Zeit für die Rede deiner Mutter«, sagte Ashs Vater.

Für den Augenblick fasste Mary sich jedoch kurz – sie würde sicher später eine weitere, viel längere Ansprache halten – und forderte die Anwesenden nur auf, die ihnen zugewiesenen Plätze einzunehmen.

»Lass uns später weiterreden«, meinte Gloria.

Ash sah ihr nach, als sie sich auf die Suche nach dem Tischkärtchen mit ihrem Namen machte.

»Zeit für etwas Stärkeres als ein Bier, Schatz.« Ihr Vater stellte sein leeres Glas auf den Tresen und sah ziemlich unglücklich aus, dass er seinen Platz an der Bar verlassen musste.

Kapitel 2

Gloria hatte gehofft, bei dieser Feier nicht wieder am Single-Tisch zu landen. Doch als sie endlich den ihr zugewiesenen Platz fand, offenbarte sich ihr die schreckliche Wahrheit in Form von Karen Lloyd. In den zehn Jahren seit Georges Tod hatte sie viel zu oft mit Karen an einem Tisch gesessen. Sie wusste alles über das Leben der Frau, das an sich gar nicht mal so langweilig war. Allerdings hatte Gloria Karens Geschichten inzwischen so oft gehört, dass sie sie auswendig kannte.

Wie durch ein Wunder war noch keiner von Marys und Alans Geschwistern verwitwet und dadurch am Single-Tisch gelandet, obwohl sie alle mindestens ein Jahrzehnt älter waren als Gloria. Und mindestens zwei Jahrzehnte älter als George, als dieser seinen anhaltenden Kampf gegen den Krebs verloren hatte. Doch Gloria hatte schon vor langer Zeit aufgehört, anderen Menschen Vorwürfe zu machen, weil sie einfach weiterlebten. Wenn man damit anfing, einer Person das vorzuhalten, hatte man am Ende selbst nicht mehr viel vom Leben.

»So schnell sieht man sich wieder«, hörte sie auf einmal Ashs Stimme.

»Willkommen am Exil-Tisch für Witwen und Geschiedene.« Gloria war froh über Ashs Gesellschaft. Endlich jemand außer Karen, mit dem sie sich unterhalten konnte.

»Ich bin keins von beidem, aber hallo«, mischte Karen sich ein, während sie Ash von oben bis unten musterte.

Sie stach mit ihrer platinblonden Frisur im Kontrast zu ihrer stark gebräunten Haut unter den anderen Gästen deutlich hervor. Ihre Haare waren an den Seiten ihres Kopfs so glatt abrasiert, dass man ein Muttermal über ihrem Ohr erkennen konnte.

»Du siehst das ganz falsch«, sagte Adrian. Ashs Bruder und seine Frau Lizzie stießen gerade zu ihnen. »Das ist gar nicht der Tisch für Singles, sondern der für alle unter sechzig.«

»Dann habe ich es ja gerade noch mal so geschafft«, erwiderte Karen.

»Ach Adrian, du bist wirklich ein Herzchen.« Gloria nahm ihren Platz ein und Ash setzte sich, mit einem Lächeln, neben sie.

Gloria arbeitete mit Lizzie zusammen und kannte sie deswegen ganz gut, also würde dieses Dinner wohl gar nicht so schlecht werden wie erwartet. Tatsächlich saß sie lieber an diesem Tisch – trotz Karen –, als an einem der anderen, wo zweifellos gesundheitliche Beschwerden das Hauptgesprächsthema sein würden. Davon bekam Gloria im Alltag schon genug.

Eine Kellnerin machte mit geöffneten Weiß- und Rotweinflaschen die Runde. Ganz automatisch hielt Gloria eine Hand über ihr Glas und bemerkte aus dem Augenwinkel Ashs neugierigen Blick. Wusste sie es nicht? Vielleicht war Mary doch keine so große Klatschtante.

»Wie läuft das Geldgeschäft?«, lenkte Gloria ihre Tischnachbarin ab, bevor diese eine unangenehme Frage stellen konnte. Bei gesellschaftlichen Anlässen keinen Alkohol zu trinken, stieß oft auf Unverständnis, vor allem bei Leuten aus Marys und Alans Generation.

Ash zuckte nur mit den Schultern.

»Bist du normalerweise froh, wenn der Freitagabend da ist, oder juckt es dich schon wieder in den Fingern, wenn der Montagmorgen vor der Tür steht?« Als Bezirkspflegekraft hatte Gloria viel Übung in Gesprächsführung. Einige ihrer Patienten konnten sich nur mit ihr oder ihren Kollegen unterhalten, weswegen sie immer dafür sorgte, dass sie bei einem richtigen Gespräch ordentlich auf ihre Kosten kamen.

»Das kommt drauf an«, entgegnete Ash.

»Das ist ziemlich vage, selbst für dich«, warf Adrian ein.

»Ich liebe meinen Job, aber mir wurde durchaus schon vorgeworfen, dass ich mich zu sehr engagiere.«

Gloria versuchte, den Blick zu deuten, den Ash mit ihrem Bruder wechselte. Von wem wurde sie wohl angefeindet? Von ihrer Familie? Oder … O ja, natürlich. Ihre Ex-Frau. Gloria hatte noch nie eine Frau getroffen, die sich von ihrer Ehefrau hatte scheiden lassen, immerhin war die gleichgeschlechtliche Ehe erst seit 2014 legal. Aber warum sollte es zwischen zwei Frauen oder zwei Männern automatisch besser laufen?

»Wie ist denn das Leben in London?«, fragte sie.

Ash nippte an ihrem Weißwein. »Es ist London. Die großartigste Stadt der Welt. Gar nicht so weit weg von hier. Mit dem Zug braucht man gerade mal eine halbe Stunde.«

War das ein Hauch von Trotz in ihrem Tonfall? Wirkte Gloria zu neugierig? Wann hatte Mary ihr noch mal von Ashs Scheidung erzählt? So lange war das noch nicht her. Vielleicht trauerte Ash immer noch um ihre Ehe. Mit Trauer kannte Gloria sich aus. Mit dem Schmerz in der Magengrube, der nie nachließ, der auch über einen längeren Zeitraum nicht verschwand, sondern in den ersten Jahren bloß schlimmer wurde. Zumindest war das ihre Erfahrung. Sie unterdrückte ihren Impuls, Ash die Schulter zu tätscheln, und beschloss stattdessen, ihr entgegenzukommen. »Ich fahre ab und zu zum Shoppen nach London oder einfach nur, um ein bisschen Großstadtluft zu schnuppern«, meinte sie. »Erinner mich daran, dich später nach ein paar Tipps zu fragen.«

Ash griff nach der Flasche, die vor ihr stand. »Möchtest du Wasser?«

Gloria nickte und ließ sich von Ash ein Glas einschenken.

»Viel Glück, dass du den heutigen Abend ohne einen Tropfen Alkohol überstehst.«

»Das ist kein Problem für mich.« Gloria schenkte Ash das Lächeln, das sie sich für diese Art von Kommentar antrainiert hatte.

»Ich habe es dieses Jahr mal mit einem alkoholfreien Januar versucht.« Ash nahm wieder einen Schluck von ihrem Wein, als wolle sie damit etwas beweisen. »Eine ganze Woche habe ich durchgehalten.«

»Jeder, wie er oder sie mag.« Eine weitere gut eingeübte Phrase, obwohl Gloria solche Plattitüden hasste. Sie standen einem echten Gespräch im Weg, aber manchmal blieb einem nichts anderes übrig.

»Tut mir leid«, sagte Ash. »Ich wollte nicht unsensibel sein. Alkoholkonsum ist praktisch eine Voraussetzung für meinen Job. Es gibt kein Klischee über Banker, das wir nicht erfüllen.«

»Kann schon sein, aber ich wette, du bist ganz anders als deine männlichen Kollegen.«

Ashs Gesichtsausdruck hellte sich ein wenig auf. »Bei uns im Büro ist Testosteron definitiv im Übermaß vorhanden.« Sie schüttelte den Kopf. »Niemand würde mir glauben, was die Kerle so alles von sich geben – und einige der Frauen natürlich auch. Chancengleichheit, Dinge, die man nicht mehr sagen sollte, die ganze Palette.«

»Und du?« Gloria sah, wie Ash aufblühte, wenn sie über ihre Arbeit sprach. Das war einer der Gründe, warum Gloria so gut für ihren Job geeignet war – sie wusste, wie man bestimmte Gespräche sinnvoll in Gang brachte.

»Ich lasse mir nicht die Butter vom Brot nehmen. Und natürlich kann ich den Jungs heutzutage einfach mal ein #metoo vor den Latz knallen, wenn sie zu weit gehen.« Sie lachte leise.

Aus den Augenwinkeln sah Gloria, wie Karen die Stirn runzelte.

»Ash hat schon immer unter zu viel Testosteron gelitten«, meinte Adrian.

»Ich hatte halt immer mehr davon als du«, erwiderte Ash.

»Ich habe mir eine Frau geangelt und zwei Kinder gezeugt. Was kann ein Mann denn mehr erreichen?«

»Ich habe versucht, ihn zu einem Sitzpinkler zu erziehen«, mischte Lizzie sich ein. »Aber es hat nicht geklappt. Dieser verflixte Cooper-Sturkopf.«

»Man muss einem Mann doch etwas Würde lassen«, sagte Gloria.

»Du lieber Himmel«, ächzte Karen. »Und wir sind noch nicht mal beim ersten Gang.«

Sie lachten alle.

»Warum bist du nicht verheiratet, Karen?«, fragte Ash.

»Warum sollte ich?«

»Hat dich nie jemand in Versuchung geführt?«

»Ich war schon immer allein sehr zufrieden.«

Gloria bewunderte sie für ihren selbstsicheren Tonfall. »Ich habe meinen Mann sehr geliebt, aber ich bin jetzt schon ziemlich lange Single, und das hat auch seine Vorteile.« Natürlich würde sie alles für einen weiteren Tag mit George eintauschen. Doch sie hatte ihre Kinder und nachdem sie sich aus dem Trümmerfeld ihrer Trauer befreit hatte, hatte tatsächlich ein neues Leben auf sie gewartet. Ein Job, den sie liebte. Freunde, die sie begleiteten, seit sie denken konnte. Den geduldigen Halt ihrer Familie und der Menschen, die sie in ihrer Trauer monatelang ausgeschlossen hatte.

»Was zum Beispiel?«, fragte Lizzie.

»Warum willst du das so dringend wissen?« Adrian legte einen Arm um seine Frau.

»Ich bin nur neugierig, Sweetie.« Sie warf ihm einen Luftkuss zu.

Gott, wie sehr erinnerten die beiden Gloria an sie selbst und George in diesem Alter, frei von Krankheit und Sorgen.

»Jetzt, wo meine Mädchen das Nest verlassen haben, kann ich tun und lassen, was ich will. Ich muss mich nicht mehr nach der Meinung anderer richten, wie ich meine Zeit verbringen will.«

»Wenn du Kinder hast, bist du nie wirklich frei«, erwiderte Ash tonlos.

»Kann schon sein, aber sie werden immer da sein, also …« Glorias Gedanken schweiften zu Sally, ihrer ältesten Tochter, die gerade ihr letztes Studienjahr in York absolvierte. Würde sie nach ihrem Abschluss wieder nach Hause ziehen? Gloria hatte keine Ahnung. Ihre jüngste Tochter Janey hatte gerade angefangen zu studieren und Gloria fragte sich, was sie wohl heute Abend so trieb. Manchmal zog sie es jedoch vor, darüber nicht allzu genau nachzudenken.

»Meine Ex-Frau wird immer da sein«, fuhr Ash fort. »Egal, was in meinem Leben als Nächstes passiert, Charlotte wird immer die sein, die ich mal geheiratet habe. Eine Person, der ich in Anwesenheit meiner Familie und meiner Freunde geschworen habe, für den Rest meines Lebens mit ihr zusammen zu sein.« Dieses Mal schüttelte sie energischer den Kopf. »Das werde ich nie wieder tun. Nie wieder. Wie dumm diese ganze Sache doch ist.« Sie schaute zum Tisch ihrer Eltern, Tanten und Onkel. »Wie können die alle noch verheiratet sein? Genau wie alle unsere Cousins und Cousinen? Was ist nur mit dieser Familie los?«

»Das Glück ist mit den Dummen«, meinte Karen.

»Darüber sollte man sich aber eigentlich nicht beklagen«, sagte Gloria. »Ich finde es wunderbar.«

»Versuch mal, die einzige Geschiedene hier zu sein«, entgegnete Ash. »Zuerst habe ich sie alle zu meiner großen, schicken Lesbenhochzeit eingeladen. Dann war plötzlich alles umsonst. Wir haben es nicht mal fünf verdammte Jahre durchgehalten.«

»Hast du heute schon was gegessen, Ash?«, wollte Adrian wissen.

»Eine Tüte Chips im Zug.«

»Mehr nicht?« Lizzie klang entsetzt.

»Warum hast du denn nichts gegessen?« Gloria konnte nicht glauben, was sie da hörte.

Wie aufs Stichwort wurde die Vorspeise aufgetragen.

»Ich haue jetzt richtig rein.« Ash griff nach ihrem Besteck. »Und bevor sich jemand aufregt: Das nennt man Intervallfasten und es ist keine Essstörung.« Sie hob eine Gabel voll Räucherlachs an den Mund. »Ja, ich hätte heute in Anbetracht des geplanten Alkoholkonsums mehr essen sollen, aber mir ist einfach die Zeit davongelaufen. Hätte ich mir vor der Fahrt noch was geholt, hätte ich den Zug verpasst.« Sie steckte sich den Lachs in den Mund und kaute.

Gloria hatte Ash seit Jahren nicht mehr gesehen, aber sie kannte Adrian und sie schon lange. Schon als kleines Mädchen war Ash so gewesen, temperamentvoll und stur bis zum Gehtnichtmehr.

»Intervallfasten.« Karen sprach das Wort aus, als würde es sich dabei um etwas überaus Schmutziges handeln. »Was erfinden die wohl als Nächstes, um Frauen zu quälen?«

Ash reagierte nicht darauf, sondern schaufelte sich nur weiter Lachs in den Mund. Gloria würde vermutlich dasselbe tun, wenn sie den ganzen Tag nichts gegessen hätte.

»Ash macht das schon seit Jahren, schon lange bevor es in Mode gekommen ist«, informierte Adrian die Runde und erntete dafür einen vernichtenden Blick von seiner Schwester.

»Ich würde euch ja gern die Vorzüge des Fastens darlegen, aber ich bin gerade zu sehr damit beschäftigt, meins zu brechen«, sagte Ash. Ihr Teller war fast leer, während Gloria noch nicht mal angefangen hatte.

»Ich trinke keinen Alkohol«, meinte Gloria, »und Ash isst nicht vor einer bestimmten Tageszeit. Jeder von uns hat seine eigenen Gewohnheiten.« Sie warf Ash einen Seitenblick zu, während sie sich ihrem eigenen Essen widmete.

»Von Adrians Macken will ich gar nicht erst anfangen.« Ash grinste. »Dann sind wir den ganzen Abend hier. Oh, Moment, wir sind ja sowieso den ganzen Abend hier.« Sie zwinkerte Gloria zu, womit diese überhaupt nicht gerechnet hatte.

»Der Lachs ist gut«, sagte Lizzie, wahrscheinlich um Ash davon abzuhalten, Adrian ans Messer zu liefern.

Gloria nickte, auch wenn sie bisher kaum davon gekostet hatte. Ashs Zwinkern war nicht mehr als ein Zwinkern – nur eine Bestätigung dessen, was Gloria kurz zuvor gesagt hatte und was in gewisser Weise als Verteidigung Ash gegenüber gedeutet werden konnte. Doch aus einem Grund, den sie nicht erklären konnte, fühlte es sich für Gloria nach mehr an.

Kapitel 3

»Tut mir leid wegen vorhin.« Ash rutschte ein Stückchen vom Tisch weg und lehnte sich ein wenig näher zu Gloria. »Wenn ich hungrig bin, kommt mein Selbstmitleid durch.« Sie schenkte ihr ein breites Lächeln.

»Verständlich.« Gloria lächelte zurück.

»Mit vollem Bauch kann ich mit allem umgehen.« Ash tätschelte ihren Bauch. »Sogar mit dem hier …« Sie machte eine ausladende Geste mit dem Arm. Bald würde sie die Runde bei ihren Verwandten machen und mit jeder Tante und jedem Onkel, die sie nur ein- oder zweimal im Jahr sah, ein Gespräch führen müssen. Ihnen allen den gleichen Abriss über ihr Leben geben. Die Arbeit ist stressig. Nein, ich habe niemand Neues kennengelernt. Ja, ja, ja, mir geht’s gut. Für den Moment würde sie einfach noch ein bisschen länger auf ihrem Stuhl sitzen bleiben.

»Sieh dir Mary an«, meinte Gloria. »Sie ist hin und weg.«

Ash schaute zu ihrer Mutter rüber. Gloria hatte recht, Mary strahlte übers ganze Gesicht. »Sie hat jetzt offiziell ein Leben voller Freizeit vor sich. Würdest du da nicht auch strahlen?«

»Ich würde die Wände hochgehen, wenn ich keinen Job hätte«, erwiderte Gloria. »Ich wüsste gar nicht, was ich den ganzen Tag über tun sollte.«

»Mum wird Dad auf die Nerven gehen, nehme ich an.« Ash drehte ihren Stuhl so, dass sie Gloria bequemer anschauen konnte. »Wie lange dauert es noch bis zu deiner Abschiedsfeier?«

»Oh, Jahrzehnte.« Gloria legte einen Arm über die Stuhllehne.

»Das war mein sehr ungeschickter, aber subtiler Versuch, dein Alter herauszufinden«, sagte Ash. »Aber klar doch, Jahrzehnte. Sehe ich. Du siehst keinen Tag älter als vierzig aus.« Sie schaute ihrer Tischnachbarin fest in die Augen.

»Du auch nicht, Ashley.« Gloria sah sie aus zusammengekniffenen Augen an.

»Ich bin gerade zweiundvierzig geworden, also vielen Dank.«

»O Gott. Das kann überhaupt nicht sein, Ash.« Gloria hielt eine Hand auf Brusthöhe. »Weißt du noch, wie ich auf dich und Adrian aufgepasst habe, als ihr so groß wart?« Sie streckte ihre Hand auf Höhe ihrer Taille aus.

»Ehrlich gesagt, nein.«

»Hm.« Gloria schlug die Beine übereinander. »Das muss am ständigen Fasten liegen. Bist du sicher, dass das gut für dein Gedächtnis ist?«

Ash genoss das Geplänkel zwischen ihnen. »Ich wette, Adrian war ein echter Satansbraten.«

Gloria schüttelte den Kopf. »Nein, der hat sich immer gut benommen. Aber du … Deine Wutanfälle waren legendär.«

»Jetzt nimmst du mich auf den Arm. Mein Vater erzählt mir immer, was für ein braves Kind ich war.«

»Vielleicht ist Alan ein bisschen voreingenommen.«

Ash grinste. »Ich glaube, du denkst dir das alles nur aus. Du hast nie auf uns aufgepasst. Ich glaube, dein Gedächtnis lässt nach und du verwechselst uns mit anderen Kindern.«

»Frag deine Mutter«, war Glorias einziger Kommentar.

»Das werde ich.« Ash konnte sich wirklich nicht daran erinnern. Sie hatten so viele Babysitter gehabt, dass die irgendwann alle zu einer einzigen Autoritätsperson verschmolzen waren, mit der Ash zugegebenermaßen wahrscheinlich wirklich ein Problem gehabt hatte. »Ausgezeichnete Ablenkungstechnik übrigens. Ich weiß immer noch nicht, wie alt du bist, aber ich kriege es vielleicht auch so raus.« Ash rechnete einen Moment lang nach. Sie meinte sich daran zu erinnern, dass Gloria mindestens zehn Jahre jünger war als ihre Mutter, vielleicht auch mehr – oder war es weniger?

»Ich bin vierundfünfzig«, erwiderte Gloria. »Das ist wirklich kein Geheimnis. Keine Ahnung, warum sich Frauen ständig gezwungen fühlen, ihr Alter zu verheimlichen. Ich werde sehr gern älter.«

»Keine Midlife-Crisis für dich in Sicht?« Ash schob die Unterlippe nach vorn und nickte anerkennend.

»Ich mache eine Hormonersatztherapie. Vielleicht hilft das ja.« Gloria tätschelte ihr den Oberarm. »Ein neues Pflaster alle paar Wochen hält mich auf Trab.«

Ash bewunderte, wie locker und selbstverständlich Gloria über ihre Menopause sprach. Sie erinnerte sich noch gut an das Drama, das ihre Mutter in den Wechseljahren durchgemacht hatte, obwohl Ash die meiste Zeit über nicht dabei gewesen war. Sie war damals zu sehr damit beschäftigt gewesen, sich ihre Karriere aufzubauen und sich in Charlotte zu verlieben.

Da Ash nicht sofort eine Antwort einfiel, entstand eine Gesprächspause. Adrian hatte vorhin den Tisch verlassen, um sich mit dem DJ zu unterhalten, und Lizzie hatte die Gelegenheit genutzt, um sich ein wenig zu ihren Eltern zu setzen. Ash hatte keine Ahnung, wo Karen war, aber am Tisch saßen nur noch Gloria und sie selbst.

»Wo wir jetzt so offen miteinander sprechen …« Gloria lehnte sich ein wenig mehr zu ihr. »Darf ich nach deiner Scheidung fragen? Ich höre da eine gewisse Verbitterung bei diesem Thema. Es ging wohl nicht sehr freundschaftlich auseinander?«

Ash stutzte. Diese Frage hatte sie nicht erwartet. »Nicht wirklich, nein.« Sie sah Gloria einen Moment lang in die Augen, dann wandte sie den Blick ab. Warum schämte sie sich immer noch so für ihre Scheidung? Vielleicht, weil sie sich selbst die Schuld daran gab.

»Was ist passiert?«

Ash stieß einen tiefen Seufzer aus. »Ich schätze … wir haben uns auseinandergelebt. Die Liebe ist verblasst und uns hat nicht genug verbunden, um sie zu ersetzen. Obwohl, wenn man Charlotte fragt, würde sie wohl sagen, dass ich nie da war, wenn sie mich brauchte, weil ich meine Zeit lieber mit Arbeit als mit meiner Frau verbracht habe. Was bis zu einem gewissen Grad auch stimmte, besonders gegen Ende.« Ash griff nach ihrem Weinglas. Sie brauchte dringend einen Schluck Alkohol. »Meine Zusammenfassung: Es hat einfach nicht funktioniert. Wir haben nicht so gut zusammengepasst, wie wir dachten.«

»So etwas ist nie leicht in Worte zu fassen. Ich wette, es ist viel komplizierter als das.«

Glorias Stimme klang so sanft und beruhigend, dass Ash sie unbedingt wieder anschauen wollte.

Die Hintergrundmusik, die das Dinner untermalt hatte, wurde durch ein quietschendes Mikrofon unterbrochen.

»O Gott, bitte sag mir, dass Adrian keine Rede halten will«, flehte Ash. »Ich schwöre, niemand in dieser Familie erzählt mir irgendwas.«

Weil du nie da bist, Ash, hörte sie Charlottes Stimme in ihrem Kopf. Weil es dich nicht interessiert.

Doch Adrian reichte das Mikrofon an seine Mutter weiter, die sich bei allen für ihr Kommen bedankte und die Tanzfläche eröffnete.

Ash schob ihren Stuhl ein wenig näher an den Tisch heran, um keinen der älteren Gäste, die tanzen wollten, zu behindern. Dadurch saß sie plötzlich sehr nahe bei Gloria.

»Du schuldest mir noch ein paar Tipps!«, rief Gloria ihr über die Musik hinweg ins Ohr. »Für Ausflüge nach London.«

»Gib mir deine Nummer«, gab Ash zurück. »Ich schicke dir alle Infos.«

Kapitel 4

Gloria sah zu, wie Ash mit ihrem Bruder tanzte. Beide nahmen das Tanzen nicht ernst und zappelten albern herum. Wie bei Geschwistern üblich, versuchte einer dümmer dabei auszusehen als der andere. Das war bei ihren Mädchen genauso gewesen. Und bei ihrer eigenen Schwester und ihrem Bruder ebenso. Immer wollten sie einander übertrumpfen. Das war eine unendliche Geschichte und niemand, der Geschwister hatte, konnte sich dem entziehen.

»Es ist schön, sie so zu sehen«, sagte Gloria zu Alan, der neben ihr ein Bier genoss. Im Gegensatz zu ihr selbst war Alan Cooper eher der schweigsame Typ, aber es gab einen einfachen Weg, mit ihm ins Gespräch zu kommen: über seine Kinder reden. »Sie amüsieren sich.«

Alan nickte. »Ich mache mir solche Sorgen um Ash.« Seine Aussprache war nicht mehr ganz so sicher. Offensichtlich hatte er schon das ein oder andere Bier zu viel getrunken.

Der Abend näherte sich dem Zeitpunkt, an dem die meisten Leute im Raum den Alkohl merkten und überdreht wurden. Gloria hatte sich an dieses Verhalten gewöhnt, es störte sie nicht mehr. Und wenn doch, ging sie einfach.

»Ich frage mich, ob sie jemals auf den Füßen landen wird.«

»Wie meinst du das, Alan?«, fragte Gloria. »Auf den Füßen landen?«

Sieh mich mal an, dachte sie. Ihre Freunde würden das sicher über sie sagen, auch wenn sie nach Georges Tod Jahre gebraucht hatte, um eine gewisse innere Balance wiederzufinden. »Man muss nicht unbedingt eine Beziehung führen, um glücklich zu sein. Manche Menschen ziehen es vor, allein zu bleiben.«

»Nun, ja, das sehe ich ja ein.« Alan starrte in sein Bier. »Aber eine Scheidung durchmachen zu müssen … Ich wünschte nur, sie hätte das nicht erlebt. Scheidungen sind immer schmutzig.« Er schnaufte leise. »Charlotte ist so ein liebes Mädchen. Ich verstehe einfach nicht, warum sie sich nicht wieder zusammenraufen konnten.«

»Wir können nicht alle so viel Glück haben wie du und Mary«, scherzte Gloria.

»Ich dachte, Mary und ich wären mit gutem Beispiel vorangegangen.« Er nahm noch einen Schluck von seinem Bier. Durchaus klar, woher Ash die Angewohnheit hatte, so gefühlsduselig zu werden, wenn sie betrunken war. »Offensichtlich nicht gut genug.«

»Kopf hoch, Alan. Schau doch nur.« Gloria machte eine Geste in Richtung Tanzfläche. »Es geht ihr gut. Wir könnten permanent versuchen, unsere Kinder vor Liebeskummer zu bewahren, würden es aber doch nie schaffen. Keiner wird davon verschont.«

»Aber sie ist schon über vierzig.« Sein Blick ruhte auf seinen Kindern.

Ash und Adrian hampelten immer noch auf der Tanzfläche herum und versuchten scheinbar, noch mehr Leute in ihren Spaß miteinzubeziehen, aber alle schienen zu zögern, sich ihnen anzuschließen.

»Und? Ich bin über fünfzig und meine Mutter hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben.« Sie stieß Alan leicht mit dem Ellenbogen an.

Wenigstens konnte sie ihm ein Lachen entlocken. »Man sollte die Hoffnung auch nie aufgeben.«

Ash trug Röhrenjeans und ein eng anliegendes, geblümtes Oberteil. Sie setzte hauptsächlich auf ausladende Bewegungen, ihr Bruder dagegen besaß ein viel natürlicheres Rhythmusgefühl. Aber das schien Ash nicht im Geringsten zu stören. Sie tanzte, als wäre sie allein auf der Welt. Bis sie bemerkte, dass Gloria sie beobachtete. Sie winkte ihr zu und formte mit den Lippen: »Komm her.«

Gloria konnte es nicht hören, aber Ashs Gesten waren eindeutig.

»Geh tanzen, Gloria«, sagte Alan. »Geh und hab Spaß.«

»Ich denke ernsthaft darüber nach.« Glorias Beine waren schon ganz steif vom vielen Sitzen. Sie schlenderte auf die Tanzfläche und gesellte sich zu Ash und Adrian.

»Mein Gott«, sagte Adrian, als das Lied zu Ende war. »Ich bin Vater von zwei Kindern, ich pack so was nicht mehr. Ich gebe auf, Ash. Du hast gewonnen.« Er ließ sich auf einen Stuhl am Rande der Tanzfläche sinken.

»Dann sind nur noch wir beide übrig, Gloria«, meinte Ash.

Gloria konnte es dem DJ, einem Cousin von Ash, nicht verübeln, dass er eine andere Strategie einschlug, um die Tanzfläche zu füllen. Dennoch war sie im ersten Moment überfordert, als sie das Intro von Eric Claptons Wonderful Tonight erkannte.

»Was meinst du?« Ash breitete die Arme aus. »Willst du mit mir tanzen?«

»Es wäre mir ein Vergnügen.« Gloria trat näher an sie heran, wobei ihr auffiel, dass Ash nur ein bisschen kleiner war als sie selbst. »Aber ich führe.«

»Ach ja?« Ash legte die Hände auf ihre Schultern und Gloria umfasste ihre Taille leicht. Sie begannen, sich sanft zum langsamen Takt des Liedes zu wiegen.

Gloria konnte diesem Millenial-Geschmuse nichts abgewinnen. Wenn sie führte, dann richtig. »Folg mir einfach«, flüsterte sie Ash ins Ohr.

»Ja, Boss.« Ash schenkte ihr ein Grinsen. »Du bestimmst, wo’s langgeht.«

Ash war ein wenig unsicher auf den Beinen, aber sie schaffte es gut, sich Glorias Bewegungen anzupassen, die es aus beruflichen Gründen gewohnt war, viel größere Körper zu manövrieren – wenn auch nicht auf einer Tanzfläche.

Als sie sich umsah, bemerkte Gloria, dass die Strategie des DJs aufging. Sie waren nicht das einzige Pärchen auf der Tanzfläche – allerdings die einzigen Frauen, die miteinander tanzten.

»Ich weiß, dass ich eine beschissene Tänzerin bin«, rief Ash ihr über die Musik hinweg zu. »Ich komme in vielerlei Hinsicht nach meinem Vater.«

»Du machst das sehr gut.« Gloria drückte Ash ein wenig fester an sich und spürte ihre Hüftknochen an ihrem Bein. Kein unangenehmes Gefühl, wie sie erstaunt feststellte.

»Ich hoffe, du musst heute Abend nicht noch zurück nach London.«

»Gott, nein. Ich schlafe bei Mum und Dad«, sagte Ash. »Vielleicht bleibe ich sogar übers Wochenende. Zu Hause wartet nicht viel auf mich.«

»Du hast doch bestimmt ein ausgefülltes Sozialleben.« Ihre Gesichter waren sich so nah, dass Gloria den Ausdruck auf Ashs nicht richtig erkennen konnte. »Oder zumindest mal ein Date.«

»Ich habe die Nase gestrichen voll von Dates«, sagte Ash. »Hattest du … danach mal jemanden?«

Die Frage brachte Gloria aus dem Konzept und sie ließ sich einen Moment lang Zeit mit ihrer Antwort. »Ich habe es versucht, aber es hat nie richtig geklappt.«

»Wieso nicht?« Ash schmiegte sich ein wenig mehr in ihre Umarmung.

»Keine Ahnung. Ich glaube …« Glorias Schritte wurden langsamer. »Keiner ist an das herangekommen, was ich haben wollte. Vielleicht habe ich einen zweiten George erwartet, was eine neue Beziehung unmöglich gemacht hat, weil es ihn natürlich nur einmal gab.« Gloria hatte viel darüber nachgedacht und das war die einzig logische Schlussfolgerung. Sie war mit ein paar anständigen Männern ausgegangen. Richard zum Beispiel hatte wirklich gut ausgesehen – viel attraktiver als George, wenn man so etwas denn objektiv beurteilen wollte –, aber da war einfach kein Funke übergesprungen. An keinem Mann hatte sie auf dieser Ebene genug Interesse gehabt, um ihn in ihr Leben zu lassen.

»Ich dachte mir schon, dass es an so was liegt«, sagte Ash. »Eine Frau wie du … da stehen die Männer doch sicher Schlange.«

Gloria konnte es nicht sehen, aber sie hörte das Lächeln in Ashs Stimme. Eine Schweißperle rann ihr den Rücken hinunter. Gloria neigte kaum zum Erröten, doch bei Ashs Kommentar war es schon eine knappe Kiste.

»Das könnte ich über dich auch sagen«, drehte sie den Spieß herum. So gern Gloria auch plauderte, so ungern sprach sie über Dinge, die sie persönlich betrafen. »Dir liegen doch sicher alle Frauen des Landes zu Füßen.«

Ashs Körper stemmte sich gegen ihre Hände, als sie lachend herausplatzte: »Natürlich, jede Einzelne von ihnen.«

Gloria lachte mit ihr. Sie versuchte, sich Charlotte vorzustellen, hatte aber kein Bild von ihr vor Augen. Auf der Hochzeit war sie nicht gewesen, auch wenn sie gerade nicht mehr wusste, warum. Mary hatte ihr sicher Fotos gezeigt – sie war der Typ Mensch, der gern Leute einlud, um ihnen ihre Urlaubsfotos zu zeigen –, aber Gloria konnte sich beim besten Willen nicht daran erinnern.

Das Lied endete und sie lösten sich voneinander.

»Danke für den Tanz.« Ash machte einen Knicks. »Das war mit Abstand der beste des Abends.« Sie zwinkerte Gloria erneut zu.

Wie schon beim ersten Mal stutzte Gloria. Sie sah Ash hinterher, wie sie zu Marys Tisch hinüberschlenderte. Offensichtlich war ihre Tanzlust nun befriedigt. Hinsetzen klang gar nicht so schlecht, doch in diesem Moment klopfte ihr jemand auf die Schulter.

»Hey, Gloria«, begrüßte sie Jim, Marys jüngster Bruder. »Wollen wir denen mal zeigen, wie man es richtig macht?«

»Gern.« Gloria schenkte ihm ein Lächeln. Aus dem Augenwinkel fing sie Ashs Blick auf.

Jim führte und wirbelte mit ihr über die Tanzfläche. Sie tauschten ein paar Nettigkeiten aus und Gloria versuchte, ihm ihre volle Aufmerksamkeit zu schenken wie zuvor bei Ash, was ihr jedoch zunehmend schwerfiel.

Das Gefühl, von einem Mann über die Tanzfläche geführt zu werden, war nett. Es weckte sogar einige Erinnerungen an schönere Zeiten. George hatte unglaublich gern getanzt. Auf jeder Party tummelte er sich vom ersten bis zum letzten Song auf der Tanzfläche. Und Gloria hatte es geliebt, mit ihm zu tanzen, auch in ihrem eigenen Wohnzimmer. Oft sogar ohne Musik. George hatte sie in die Arme genommen, an sich gezogen. Und sie wiegten sich zu einem Rhythmus, den nur sie beide hörten. Kein Wunder, dass Gloria sich nie wieder in einen anderen Mann verliebt hatte. Sie konnte sich nicht vorstellen, diesen lautlosen Takt mit jemand anderem als George zu spüren.

Als sie sich umdrehte, blieb Glorias Blick erneut an Ash hängen. Sie schaute immer noch zu ihnen rüber. Oder vielleicht beobachtete sie auch nur das Treiben auf der Tanzfläche. Nein, ihr Blick war fest auf Gloria gerichtet.

Bei der nächsten Runde warf Ash ihr ein Lächeln zu und räumte damit auch den letzten Zweifel aus. Und Gloria bewegte ihre Hüften ein wenig schwungvoller als nötig, warum auch immer. Sie hatte in diesem Augenblick einfach Lust darauf.

Kapitel 5

Lewis wirkte so gar nicht wie ein Hedgefonds-Manager. Er trug zwar Anzüge, aber keine in typisch marineblauer oder schwarzer Banker-Optik, die sich überall unauffällig einfügte. Ihr Chef bevorzugte das, was Ash »Talkshow-Moderatoren-Anzüge« nannte, mit auffälligen Blumenmustern aus glänzenden Stoffen in knalligen Farben.

»Du siehst immer so frisch aus, wenn du ein Wochenende auf dem Land verbracht hast, Darling«, sagte Lewis, nachdem er Ash ein Luftküsschen verpasst hatte.

»Murraywood ist ja wohl kaum plattes Land. Man braucht grade mal eine halbe Stunde mit dem Zug.«

»Stell dir nur vor, was es für deinen Teint tun würde, richtig aufs Land zu fahren.« Lewis drückte auf den Startknopf des Kaffeeautomaten. Genau wie sie war Lewis nicht vom Konzept Mittagessen überzeugt. Den ganzen Tag nichts zu essen, hielt ihn wach, und tatsächlich hatte Ash diese Angewohnheit von ihm übernommen. »Bitte sehr, Darling.« Er reichte Ash die kleine Espressotasse.

Ash kippte den Kaffee auf ex runter. Das war schon ihr dritter heute. An manchen Tagen packte sie schon mal vier davon, meistens waren jedoch drei von diesen winzigen, aber furchtbar starken Shots ihr Limit. »Du redest ständig davon, dir ein Haus auf dem Land zu kaufen. Wie wär’s, wenn du deinen Worten mal Taten folgen lässt?« Lewis war nicht nur Ashs Chef, sondern inzwischen auch ihr bester Freund.

»Ich muss das mal bei meinem Trophäen-Ehemann anbringen.« Lewis’ Mann Jonathan war alles andere als ein Trophäen-Ehemann. Er leitete ein Unternehmen, das japanischen Sake und Whisky nach Großbritannien importierte und war einen Großteil seiner Zeit auf Geschäftsreisen in Asien unterwegs.

Wenn die beiden sich tatsächlich ein Haus auf dem Land kauften, wären sie sowieso nie dort. Aber Ash konnte es gern für sie nutzen. Obwohl, wenn sie Lust nach einem Hauch von Landluft verspürte, konnte sie auch einfach zu ihren Eltern fahren.

Ashs Telefon vibrierte in ihrer Gesäßtasche. Sie fischte es heraus und warf einen Blick auf die eingegangene Nachricht.

Ich warte immer noch auf die Tipps für London.

Ein Lächeln breitete sich auf ihrem Gesicht aus. Übers Wochenende war ihr das Gespräch mit Gloria ganz entfallen. Am Samstag hatte Ash, wie der Rest ihrer Familie, mit einem fiesen Kater zu kämpfen gehabt. Sie war zu Hause geblieben, hatte sich mit ihrem Vater das Chelsea-Spiel angesehen und den Chicken Pie ihrer Mutter gegessen – beides hervorragende Mittel gegen Kater und Scheidungsblues. Am Sonntag ging es ihr dann zum Glück wieder besser und sie hatte den Tag mit ihren Neffen verbracht.

»Was ist das denn für ein Lächeln? Hat Charlotte mit eingezogenem Schwanz das Land verlassen?«, fragte Lewis.

Ash warf ihm einen kurzen Blick zu. »Welches Lächeln?«

»Ich bin nur ungern der Überbringer schlechter Nachrichten, Darling«, erwiderte Lewis, »aber seit dem ganzen Scheidungsdebakel bist du echt schwer zum Lachen zu bringen. Da bin ich schon froh über den kleinsten Anflug eines Lächelns auf deinem hübschen Gesicht.«

»Oh, bitte.« Sie wollte Lewis einen passenden Kommentar zurückschießen, aber ihr Hirn war zu sehr damit beschäftigt, eine Antwort auf Glorias Nachricht zu formulieren. »Ich bin über die Scheidung hinweg«, log sie. Ash war nach der Trennung von Charlotte bei Lewis und Jonathan in ihrem großzügigen Stadthaus in Kensington untergekommen.

Als sie aufblickte, sah sie gerade noch Lewis’ übertriebenes Augenrollen.

»Hat jemand Neues die Bühne betreten?«, fragte er. »Du weißt, dass du mir solche wichtigen Informationen nicht vorenthalten darfst.«

Seit Ash eine neue Wohnung gefunden hatte und aus Lewis’ Haus ausgezogen war, hatte er schon dreimal versucht, sie zu verkuppeln – mit Frauen, die er nur flüchtig kannte und bei der einen hatte er sogar nur vermutet, dass sie lesbisch oder bi war. Aus irgendeinem Grund hegte Lewis reges Interesse an Ashs Liebesleben; vielleicht weil er seit Jahrzehnten mit Jonathan zusammen war. Aber viel Stoff hatte sich ihm nicht geboten. Ash war einfach lustlos in dieser Hinsicht. Warum sollte sie es überhaupt versuchen? Um sich dann wieder scheiden zu lassen?

»Du erfährst als Erster, wenn es was zu berichten gibt.«

»Du willst mir also nicht verraten, wer dir gerade eine Nachricht geschickt hat?« So schnell gab Lewis nicht auf.

»Nur eine Freundin meiner Mutter, die ein paar Tipps für ihren nächsten London-Besuch braucht. Da ist nichts. Tut mir leid, dass dieser Montag sich so enttäuschend für dich entwickelt.«

Lewis schnitt eine Grimasse. »Ist ja schön und gut, wenn man keine Beziehung will. Das verstehe ich vollkommen, aber du willst doch nicht, dass sich da unten Spinnweben bilden. Am Ende wird dein Aquarium zur Wüste, wenn du verstehst, was ich meine.«

»Das nicht zu verstehen, ist vollkommen unmöglich, Darling.« Ash schüttelte den Kopf. »Und wir haben dieses Gespräch schon ein Dutzend Mal geführt. Eine längere Abstinenz wird mich wohl kaum umbringen, so schwer das auch für dich zu glauben ist.« Sie tippte mit den Fingern aufs Display ihres Handys. »Wenn du mich dann jetzt entschuldigen würdest? Ich muss wieder an die Arbeit, um dir mehr Geld zu erwirtschaften.«

»Du bist die perfekte Angestellte, Ash«, rief Lewis ihr honigsüß nach.

Es war ein Insiderwitz zwischen ihnen, weil Ash ihn mal darauf hingewiesen hatte, dass Lewis sie nie würde feuern können, so viel, wie sie über sein Privatleben wusste.

Zurück an ihrem Schreibtisch antwortete Ash:

Es ist erst Montag. Bist du aber ungeduldig.

Im Zug zurück nach London waren ihre Gedanken mehr als einmal zu dem Tanz mit Gloria zurückgewandert. Diese hatte später noch mit Onkel Jim die Tanzfläche unsicher gemacht, doch Ash hätte schwören können, dass Gloria weniger begeistert bei der Sache gewesen war. Allerdings war Ash auch reichlich betrunken gewesen und ihre Erinnerungen an den Abend daher etwas verschwommen.

Glorias Antwort kam schnell.

Tut mir leid. Ich habe am Mittwoch frei und habe überlegt, einen Ausflug zu machen. Ich wollte dich nicht drängen. xo