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Was passiert, wenn die perfekte Ablenkung zur wahren Liebe wird? Fernsehmoderatorin Zoya leidet unter den Folgen einer schmerzhaften Trennung. Als sie der umwerfenden Französin Camille begegnet, die in Australien Urlaub macht, fühlen sich die beiden Frauen sofort zueinander hingezogen. Ein kurzer Urlaubsflirt, bevor Camille zurück nach Paris fliegt, könnte genau das Richtige sein, um Zoya von ihrem Liebeskummer abzulenken. Aber was passiert, wenn Zoya und Camille tiefere Gefühle füreinander entwickeln? Hat ihre Liebe eine Chance, auch, wenn mehrere Kontinente zwischen ihnen liegen?
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Seitenzahl: 322
Veröffentlichungsjahr: 2022
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Inhaltsverzeichnis
Weitere Bücher von Harper Bliss
Widmung
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Kapitel 27
Kapitel 28
Kapitel 29
Kapitel 30
Epilog
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Über Harper Bliss
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Widmung
Für all die herrlich kultivierten französischen Schauspielerinnen (und eine ganz besonders), die mich in all den Jahren unterhalten und zum Charakter von Camille inspiriert haben.
Kapitel 1
»Du bist heute ganz schön früh dran«, sagt Josephine, bevor ich überhaupt die Gelegenheit habe, etwas zu bestellen.
»Ein Walk of Shame?«, mischt Micky sich ein.
»Himmel, Ladys. Ich brauche zuerst einen Kaffee. Wir können danach reden.«
Micky sieht auf ihre Uhr. »Hab dich wirklich noch nie so früh hier gesehen.«
Josephine stupst mit dem Ellenbogen gegen ihren Oberarm. »Einen großen Kaffee für Zoya, bitte. Schwarz.«
»Kommt sofort«, sagt Micky und widmet sich der Kaffeemaschine.
»Wie geht’s dir heute, Jo?«, frage ich.
»Sehr gut, danke.«
»Es kommt wohl nicht in Frage, dass ich Caitlin zu dieser unchristlichen Stunde anrufe und sie bitte, mir Gesellschaft zu leisten?«
»Du kannst es gerne versuchen, aber als ich mich auf den Weg gemacht habe, war sie noch nicht wach.« Jo zieht skeptisch die Augenbrauen hoch.
Ich halte meine Kreditkarte vor das Lesegerät, um meinen Kaffee zu bezahlen. »Dann lass ich es.« Mit einem schnellen Blick auf mein Handy überprüfe ich, ob ich in den letzten Minuten Nachrichten verpasst habe. Der Bildschirm ist schwarz. »Myrtle ist krank und offenbar gibt es ein kleines Problem in meinem Airbnb die Straße runter. Der neue Gast kam gestern erst spät an und beschwert sich, dass der Rauchmelder im Sekundentakt piept. Ich habe versprochen, heute Morgen die Batterien auszuwechseln.«
»Bitte schön.« Micky reicht mir meinen Kaffee.
»Wenn ich in Darlinghurst leben würde, hätte ich gestern Nacht noch vorbeischauen können.«
»Zu schade, dass du niemanden im Viertel kennst.« Micky grinst.
»Sehr lustig. Der Gast kam nach Mitternacht an. Da scheuche ich euch doch nicht auf, nur weil meine Hausverwalterin krank ist.«
»Na, Gott sei Dank«, antwortet Micky.
Rebecca hat sich immer um solche Dinge gekümmert, möchte ich sagen, schlucke die Worte jedoch herunter, weil ich nicht über meine Ex sprechen will. Es ist zu früh am Morgen für diese Art von Kummer.
»Irgendwann werde ich deine Nachbarin.« Ich nippe an meinem Kaffee. »Muss nur noch ein paar Dinge regeln.«
Das plötzliche Ende einer sechzehnjährigen Beziehung ist schon erschütternd genug. Dazu kommen noch allerhand praktische Angelegenheiten, um die es sich zu kümmern gilt: das Aufteilen aller Habseligkeiten, sich darüber einig werden, wer welches Souvenir von der Reise nach Tasmanien mitnimmt … Von mir aus kann Rebecca alles haben, solange ich ihr nur nie wieder begegnen muss. Meine Anwältin ist da allerdings anderer Meinung.
»Ein Haus in meiner Straße steht zum Verkauf«, sagt Micky.
Sogleich werde ich hellhörig. »Wirklich?«
»Ja, ich kann dir die Nummer der Immobilienagentur geben. Solltest du dir mal ansehen.«
»Vielleicht werde ich das.« Mein Handy vibriert. »Es ist der Gast.« Widerwillig öffne ich die Nachricht. »Ich muss los.« Nachdem ich meinen Kaffee geleert habe, winke ich Micky und Josephine zum Abschied. Dann mache ich mich auf den Weg zu meiner eigenen Wohnung, die ich seit Monaten nicht mehr betreten habe.
~ ~ ~
Die Wohnung liegt über einem Friseursalon, der noch geschlossen hat. Vor acht Uhr morgens will sich niemand die Haare schneiden lassen. Ich nehme die Treppe in den ersten Stock und klopfe sachte an die Tür, während ich nervös mein Gewicht von einem Fuß auf den anderen verlagere. Ich wollte nie ein verdammtes Airbnb besitzen. Noch etwas, was ich Rebecca übelnehme. So wie unzählige andere Dinge.
Die Tür öffnet sich und eine Frau steht vor mir. Sie hat attraktive, markante Wangenknochen, doch was mir besonders auffällt, sind ihre Augen. Nicht unbedingt ihre Farbe, sondern die Emotionen und der Ausdruck, die darin glänzen. Ich hoffe, es ist keine Wut. Ich halte es für das Beste, sofort zu einer Entschuldigung anzusetzen.
»Es tut mir furchtbar leid.« Ich biete ihr mein breitestes Fernsehlächeln an und strecke die Hand aus. »Hi, ich bin Zoya, Ihre heutige Rauchmelderbatteriebeauftragte.«
Für den Bruchteil einer Sekunde beäugt die Frau meine Hand. Dann greift sie danach und schüttelt sie in einer schnellen, bestimmten Geste.
»Camille.« Sie macht einen Schritt zur Seite und lässt mich eintreten.
Ich sehe mich um und zucke zusammen, als ein schrilles Piepsen durch den Raum hallt.
»So geht das schon die ganze Nacht«, sagt Camille in starkem französischem Akzent. Sie hat die Hände in die Hüften gestemmt. »Nicht gerade förderlich für einen guten Schlaf.«
»Kann ich mir vorstellen. Ich kümmere mich darum.« Ich sehe zum Rauchmelder hinauf. Ein rotes Licht blinkt. Ich habe die Decke nicht so hoch in Erinnerung. Gibt es in diesem Haus vielleicht irgendwo eine Leiter? Die ganze Situation lässt mich furchtbar unfähig fühlen. Rebecca war immer die Geschickte und Organisierte von uns beiden. Ein Talent, das es ihr ermöglicht hat, ein Jahr lang ihre Affäre neben unserem gemeinsamen Alltag laufen zu lassen. Und ich war die Dumme, die nicht mal Verdacht geschöpft hat.
Immer wenn ich glaube, die Sache allmählich hinter mir zu lassen, geschehen Dinge wie diese, die mich wieder daran erinnern. Diese Wohnung war von Anfang an Rebeccas Projekt gewesen. Warum ich diejenige bin, die sich letzten Endes darum kümmern muss, ist mir schleierhaft.
In der Küche suche ich nach einem Stuhl. Ich streife meine Schuhe ab und stelle mich balancierend auf die Sitzfläche, während Camille jede meiner Bewegungen beobachtet. Auch als ich die Arme ausstrecke, erreiche ich die Decke nicht.
Ich klettere wieder vom Stuhl. »Sieht aus, als bräuchten wir etwas Höheres.«
Sie mustert mich mit einem Blick, den ich nicht deuten kann. »Ich versuche es mal. Ich bin größer als Sie.«
»Danke.« Warum bewahren wir keine Ersatzbatterien in dieser Wohnung auf? Ich muss mit Myrtle sprechen. Oder dieses verdammte Apartment einfach verkaufen. Dann müsste ich nicht barfuß vor dieser Frau stehen, die vermutlich ziemlich sauer auf mich ist. Auch wenn sie das sehr gut versteckt.
Ich sehe ihr dabei zu, wie sie auf den Stuhl klettert. Sie strahlt dabei eine gewisse Eleganz aus, so als täte sie in ihrer Freizeit nichts anderes. Auf Zehenspitzen stehend, streift sie mit den Fingern gerade so das Gehäuse des Rauchmelders.
»Vorsicht.« Ich halte den Stuhl fest.
Sie hat bereits die äußere Verschalung vom Gerät geschraubt. »Geben Sie mir die Batterien.«
Ich versuche die Packung zu öffnen, doch wie das immer ist mit solchen Dingen, habe ich Schwierigkeiten, eine Ecke zu finden, an der ich ansetzen kann, und muss letztlich mit aller Kraft daran reißen. Schließlich schaffe ich es, zwei Batterien herauszudrücken. Unsere Finger berühren sich, als ich ihr die Batterien hinhalte.
Sie lässt die alten in meine Hand fallen, während sie immer noch auf Zehenspitzen balanciert, die neuen Batterien einsetzt und das Gehäuse wieder anbringt.
Ich reiche ihr die Hand, um ihr beim Abstieg zu helfen, und sie nimmt sie. Immerhin etwas, wobei ich assistieren kann.
»Das war doch gar nicht so schwer«, sagt sie.
Ich schüttle den Kopf. »Ich schäme mich. Wirklich. Ich erstatte Ihnen die Kosten für die Nacht. Diejenige, die sich normalerweise um solche Dinge kümmert, ist zurzeit unpässlich und, wie Sie sicher bemerkt haben, bin ich kein sehr guter Ersatz.«
Sie winkt ab. »Nur ein Tipp: Legen Sie doch vielleicht einen Satz Batterien in die Küchenschublade. Mit den nötigen Mitteln hätte ich das letzte Nacht auch allein geschafft.«
»Ich kann mich gar nicht oft genug entschuldigen. Sie müssen völlig erschöpft sein. Darf ich Sie auf einen Kaffee einladen? Ihnen ein bisschen die Gegend zeigen?« Meine Ohrläppchen beginnen zu glühen. Ich kenne mich im Viertel nicht einmal besonders gut aus. Das Beste wäre, sie ins Pink Bean zu bringen und zu hoffen, dass Kristin dort wäre, um ihr die Geheimtipps von Darlinghurst zu verraten.
Camille denkt über mein Angebot nach. »Okay«, sagt sie. »Geben Sie mir fünf Minuten.« Sie verschwindet im Badezimmer.
Ich stelle den Stuhl zurück und lege die Packung Batterien auf die Küchentheke.
Wenn ich bei der Besichtigung des Hauses, von dem Micky gesprochen hat, mit dieser Maklerin rede, kann ich sie darum bitten, sich die Wohnung einmal anzusehen. Oder ich ziehe einfach gleich hier ein. Ich sehe mich um. Nein, das könnte ich nicht. Etwas von Rebecca steckt in jedem Gegenstand hier. Die türkisfarbene Akzentwand im Wohnbereich. Rechts von mir das Foto der Straße im Outback von Queensland. Das hatte in unserem Haus gehangen, bis sie umdekoriert und es hierher verfrachtet hat.
»Ich wäre bereit für diesen Kaffee.« Camille tritt aus dem Bad und lächelt.
Kapitel 2
Das Pink Bean ist zu stark besucht, als dass Micky oder Josephine mich mit neugierigen Fragen löchern könnten. Für den Moment müssen sie sich mit vorwitzigen Blicken begnügen, die ich jedoch ignoriere. Ich bestelle uns Kaffee und ein paar Croissants, ehe Camille und ich Platz nehmen.
»Wie lange bleibst du in Sydney?«
Camille schmunzelt. »Ich habe deine Ferienwohnung gemietet. Du solltest wissen, wann ich abreise.«
Ich schüttle den Kopf. »Meine Ahnungslosigkeit hat eine lange Geschichte.«
»Also kann ich so lange bleiben, wie ich möchte. Du würdest es nicht einmal bemerken.«
»Wahrscheinlich nicht.« Ich schiebe ihr den Teller mit den Croissants zu.
»Danke. Ich bin am Verhungern.« Sie nimmt eins und reißt eine der Spitzen ab. Bevor sie sie in den Mund steckt, sagt sie: »Die Croissants in Sydney sind überraschend gut.«
»Ich schätze, du bist die Expertin.« Ich betrachte sie, während sie kaut. Sie wirkt so gelassen. So unbeirrt von dem, was passiert ist. »Bist du beruflich oder zum Vergnügen hier?«
»Definitiv Vergnügen. Ich kam letzte Nacht mit dem Flieger aus Brisbane. Ich habe die letzten zwei Monate in eurem wunderschönen Land verbracht. Sydney ist mein letzter Stopp, bevor es für mich zurück nach Frankreich geht.«
»Ach, deshalb bist du so tiefenentspannt.«
»Vielleicht. Mir bleibt nur noch diese Woche zum Entspannen.« Auf ihren Wangen bilden sich Grübchen, wenn sie lächelt.
»Woher genau in Frankreich kommst du?«
»Paris.« Sie spricht es französisch aus. »Geboren und aufgewachsen. Aber sosehr ich es dort liebe, so dringend muss man manchmal raus.«
»Wenn man sich das leisten kann, dann ja, schätze ich.« Ich wünschte, ich hätte aus Sydney flüchten können, als Rebecca mir sagte, sie würde mich verlassen.
»Ich bin davon überzeugt, dass man immer kann, wenn man es wirklich möchte.« Sie zupft ein weiteres Stück vom Croissant ab. »Bist du Sydney leid?« Sie durchbohrt mich mit ihrem Blick.
»Nicht so sehr Sydney, aber gewisse Menschen, die hier leben.«
Sie schürzt nachdenklich die Lippen und nickt. »Ich glaube, ich verstehe, was du meinst. Aber lass mich raten: Deine Kinder und dein Job halten dich davon ab, dich für eine Weile abzusetzen. Und dein Airbnb natürlich«, ergänzt sie schmunzelnd.
Ich lache über den Seitenhieb. »Keine Kinder, aber mein Job nimmt mich sehr ein.«
»Wem geht es heutzutage nicht so?«, sagt sie.
Es ist erfrischend, mit einer interessanten Frau zu sprechen, die auf den ersten Blick vielleicht perfekt in die Zielgruppe meiner TV-Show passt, aber keine Ahnung hat, wer ich bin. »Was machst du beruflich?«
»Ich arbeite für CNRS, das Centre National de la Recherche Scientifique. Ich berate die französische Regierung in wissenschaftlichen Angelegenheiten.«
»Das klingt wichtig.«
»Ich trage viel Verantwortung. Natürlich werden meine Empfehlungen meistens ignoriert, aber ich nehme meine Aufgabe sehr ernst.« Auf ihren Lippen formt sich ein Lächeln. »Aber eines meiner großen Mantras für diese Reise war, so wenig wie möglich über meine Arbeit zu sprechen. Auch wenn man dem nicht ganz ausweichen kann, wenn man alleine reist, neue Leute trifft und lockere Gespräche führt. Normalerweise ist es das erste Thema, das zur Sprache kommt.«
»So ist die Welt, in der wir leben. Wir werden über die Dinge definiert, die wir tun, nicht über das, was wir sind.«
»Sehr wahr.« Sie hebt ihre Hand. »Also bitte entschuldige, dass ich frage, aber was machst du beruflich?«
»Ich bin Fernsehmoderatorin und interviewe Menschen.«
»Wie in einer Talkshow?« Nicht einmal eine coole Französin wie sie kann sich ein Aufhorchen verkneifen, wenn sie herausfindet, dass ihr Gegenüber sein Gesicht regelmäßig in die Kamera hält.
»Ein bisschen tiefgründiger. Meine Show ist keine PR-Plattform für Schauspieler und Schauspielerinnen oder so was. Wir empfangen einen Gast pro Woche, dessen Interview uns in der Produktion mehrere Stunden kostet. Die Recherche dauert Wochen.«
»Dann musst du eine ganze Menge über andere Leute wissen.« Sie lehnt sich in ihrem Stuhl zurück.
»Zu viel manchmal.« Ich lächle Camille an, denn ich mag sie. Sie hat etwas Entwaffnendes an sich.
»Wirst du dann ständig auf offener Straße erkannt?«
»Eigentlich nicht. Hier ist es nicht wie in den USA. Die Leute verhalten sich ziemlich diskret. Und unter der Generation Selfie gibt es nicht allzu viele Zuschauer unserer Show.«
»Sieht aus, als müsste ich Google bemühen.«
»Im Apartment sollte es kostenloses WLAN geben«, sage ich. »Ich hoffe, es funktioniert.«
»Tut es.« Sie lächelt. »Mach dir keine Gedanken mehr wegen des Rauchmelders. Deine Ferienwohnung ist wunderbar. Und ich habe in den letzten Monaten eine ganze Reihe von Unterkünften im ganzen Land getestet. Für meinen letzten Halt wollte ich eine richtig schöne Bleibe und ich wurde nicht enttäuscht.«
»Danke, dass du das sagst.« Ich fange für einen kurzen Moment ihren Blick auf.
»Dann erklär mir doch mal, wie es dazu kommt, dass eine TV-Persönlichkeit heute Morgen mit mir Kaffee trinkt, nachdem sie versucht hat, die Batterien des Rauchmelders zu wechseln. Irgendwie passt das nicht zusammen.«
»Ich bin eine sehr bodenständige Frau, die sich gerne mal die Hände schmutzig macht.« Camille wirkt auf mich, als würde sie Spaß verstehen.
»Genau.« Sie nickt mit ernster Miene. »Das habe ich sofort bemerkt, als du auf den Stuhl geklettert bist. Dieses unerschütterliche Selbstvertrauen.«
Wir lachen beide. »Diejenige, die sich normalerweise um solche Dinge kümmert, kämpft gerade mit einer Lungenentzündung. Die Arme.«
»Guten Morgen, Zoya und Begleitung.« Kristin taucht neben unserem Tisch auf. »Kann ich euch noch was bringen?«
Ich ergreife die Gelegenheit, Camille mit Kristin bekannt zu machen, denn sie weiß sicherlich alles, was es über Darlinghurst zu wissen gibt: wo man etwas trinken gehen kann, wo man gut essen kann und natürlich wo es den besten Kaffee gibt.
Während sie so miteinander plaudern, denke ich darüber nach, Kristin zu fragen, ob sie nicht die Wohnung kaufen möchte. Sie ist die Sorte Mensch, die einfach immer alles im Griff hat. Abgesehen davon wohnen sie und Sheryl nur einen Katzensprung entfernt. Dann driften meine Gedanken zu dem Vermittlungsgespräch mit Rebecca und unseren Rechtsbeiständen heute Nachmittag ab. Wenn ich doch nur jemand anderen dorthin schicken könnte, um das ebenfalls für mich zu erledigen.
Kristin bittet Camille, nach dem morgendlichen Ansturm noch einmal vorbeizuschauen, damit sie ihr ein paar weitere Tipps geben kann, und verabschiedet sich. Wir sehen ihr beide nach, während sie zum Tresen zurückkehrt. Genau in dem Moment taucht Sheryl auf, um ihren Morgenkaffee abzuholen, bevor sie zur Arbeit fährt, und verabschiedet sich von ihr mit einem Kuss auf den Mund.
»Oh«, sagt Camille.
»Falls dir das bisher entgangen ist: Darlinghurst ist sehr queerfreundlich.«
»Ich bin gestern Abend erst spät angekommen.« Camille hat ganz plötzlich etwas von ihrer leichten Art verloren, mit der sie Konversation betreibt. »Ich hatte noch keine rechte Gelegenheit, das zu bemerken.«
Hoffentlich ist sie nicht homophob. Sie könnte die netteste Frau auf dieser Welt sein, und es würde keinen Unterschied machen. Ich habe aus den Mündern hochgebildeter, vermeintlich kultivierter Menschen bereits die abscheulichsten Dinge gehört. Hass verbirgt sich hinter allen möglichen Fassaden.
»Du scheinst die Besitzerin gut zu kennen. Wohnst du hier in der Nähe?« Camille hat offenbar ihre Fassung wiedererlangt.
»Noch nicht, aber ich habe vor, hierherzuziehen. Sheryl, Kristins Partnerin …« Ich nicke in Richtung des Tresens, an dem Sheryl auf ihren Kaffee to go wartet, »… und ich haben eine gemeinsame Freundin, die vor sechs Monaten nach Darlinghurst gezogen ist. Seitdem beneide ich sie um diesen Wohnort. Und es ist sowieso Zeit für einen Tapetenwechsel.«
Ich denke an mein – unser – Haus in Balmain. Wie leer und groß es mir in letzter Zeit vorkommt, wenn ich nach Hause komme.
»Ich kann eine Auszeit von einigen Monaten nur empfehlen. Es wirkt Wunder auf die eigene Perspektive«, sagt Camille. »Es hilft außerdem, dass Australier die wahrscheinlich freundlichsten Menschen sind, denen ich je begegnet bin.«
»Wir geben unser Bestes«, sage ich amüsiert.
»Hast du schon immer in Sydney gelebt?«
»Ich bin in Perth aufgewachsen, da lebt auch noch der größte Teil meiner Familie. Meine Urgroßeltern sind aus Indien hierher migriert.«
»Ich war in Perth«, sagt Camille. »Am Anfang meiner Reise, was mir vorkommt, als wäre es zwei Jahre her, nicht erst zwei Monate.«
Mein Telefon klingelt in meiner Tasche. »Entschuldigung, ist vermutlich die Arbeit.«
Ich schaue auf den Bildschirm und sehe den Namen meiner Anwältin.
»Zoya, können wir den Termin heute von fünfzehn Uhr auf vierzehn Uhr verschieben?« Sie ist eine Frau, die keine Zeit mit Höflichkeiten verschwendet, sondern gleich zur Sache kommt. »Ich frage im Namen des Rechtsbeistands von Miss Firth.«
Ich seufze tief. »Natürlich. Bringen wir es so schnell wie möglich hinter uns.«
»Okay. Bis später.« Sie legt auf.
»Typisch«, murmle ich vor mich hin.
»Alles in Ordnung?«, erkundigt sich Camille.
»Alles Teil der langen Geschichte, die ich vorhin erwähnt habe. Die, in der meine Ex mich auf die Palme bringt.« Ich versuche die negativen Gedanken zu vertreiben, indem ich mich zu einem breiten Lächeln zwinge. Mein Versuch ist nicht wirklich von Erfolg gekrönt, aber die Geschichte meiner Trennung von Rebecca ist nichts, was ich meiner Airbnb-Mieterin aufzwingen möchte. »Ich sollte mich fürs Erste besser verabschieden.« Ich hab mir den Tag freigenommen, um mich mental auf dieses Treffen vorzubereiten. Immerhin habe ich Rebecca seit Monaten nicht mehr gesehen. »Du hast meine Nummer. Melde dich, wenn du irgendetwas brauchst.«
Ich erhebe mich und Camille tut es mir gleich.
»Danke für den Kaffee und die Croissants. Ich weiß die Geste zu schätzen.«
Während wir uns mit einem Händeschütteln verabschieden, sage ich: »Vielleicht sieht man sich noch mal, bevor du abreist. Falls nicht, wünsche ich dir einen wunderschönen Aufenthalt.«
Unsere Hände liegen immer noch ineinander. Ich betrachte noch einmal ihr Gesicht, das so freundlich und entspannt ist, und wende mich zur Tür.
Kapitel 3
»Können wir unter vier Augen reden?«, fragt Rebecca, nachdem das Treffen beendet ist. Die meiste Zeit über war ich geistig abwesend. Rebecca und ich sind zwar nicht rechtskräftig verheiratet, doch wir haben ein gemeinsames Haus und unser gesamter Besitz ist ineinander verstrickt. Aber sie ist diejenige, die mich betrogen und verlassen hat und dann ausgezogen ist. Für meine Anwältin ist das der springende Punkt in der Frage, wer was bekommen soll.
Ich habe allerdings kein Interesse, an materiellen Dingen festzuhalten, die uns verbunden haben. Und sie scheinbar auch nicht. Sie hat schnell zugestimmt, das Haus zu veräußern. Da wir die Vereinbarung nun beide unterschrieben haben, können wir es endlich zum Verkauf anbieten. Ich kann tatsächlich endlich nach vorne schauen.
Als wir die Mietwohnung kauften, riet unsere Steuerberatung dazu, meinen Namen einzutragen, also bleibe ich auf ihr sitzen. Rebecca hat nicht einmal mit der Wimper gezuckt, als das Thema zur Sprache kam. Dabei ist sie diejenige, die die ganze Arbeit reingesteckt hat. Wahrscheinlich fühlt sie sich schuldig.
»Ja, klar«, sage ich.
»Hast du Lust auf einen Kaffee?«
»Hast du überhaupt Zeit dafür? Du hast doch darum gebeten, das Treffen nach vorne zu verschieben.«
»Weil ich Zeit haben wollte, um mit dir zu plaudern. Wir haben schon so lange nicht mehr geredet.«
»Und wessen Schuld ist das?«, spotte ich. Hoffentlich erspart sie mir einen Spruch übers Freundebleiben oder etwas ähnlich Unverschämtes.
»Vielleicht etwas Stärkeres als Kaffee?«
»Von mir aus.«
Wir verabschieden uns von unseren Rechtsbeiständen, die beide einen gewaltigen Scheck dafür kassieren, im Grunde nicht viel getan zu haben. Wenigstens dieser Teil unserer Trennung verläuft sehr freundschaftlich. Der nicht materielle Teil war der brutalste.
Ich folge Rebecca die Straße entlang zu einer Bar, von der ich glaube, dass sie sie bereits im Vorfeld ausgesucht hat, denn sie sieht sich nicht einmal um, während sie einen Platz für uns aussucht.
»Wie geht’s Julie?«, frage ich, meine Stimme triefend vor Sarkasmus.
»Was kann ich dir mitbringen? Chardonnay?« Sie ignoriert meine Frage.
Ich nicke und blicke ihr nach, als sie geht. Es schmerzt immer noch. Fast sechs Monate sind vergangen, doch das ist nun einmal die Frau, von der ich geglaubt habe, sie in- und auswendig zu kennen. Eine Frau, die mir beinahe jeden Tag unseres gemeinsamen Lebens gesagt hat, dass sie mich liebt. Eine Frau, die gelogen hat. Eine Frau, die mein Herz in eine Million Teile zerbrochen hat. Ihre Affäre mit Julie lief bereits seit einem Jahr, als sie endlich den Mut fand, es mir zu sagen und mich zu verlassen. Das, was am meisten daran schmerzte, war die Tatsache, dass sie so getan hat, als sei es meine Schuld gewesen.
Sie kehrt mit zwei Weingläsern zurück, die bis zum Rand gefüllt sind.
»Darauf, dass es jetzt offiziell vorbei ist.« Ich hebe mein Glas.
Rebecca hebt ihres nicht. Sie trinkt einfach. »Danke, dass du bei all dem rechtlichen Kram so kooperativ bist.«
»Nur weil ich eine betrogene Frau bin, muss ich mich noch lange nicht wie eine verhalten.«
Rebecca neigt den Kopf nachdenklich zur Seite. »Können wir eine Unterhaltung ohne diesen Sarkasmus führen?«
»Oh, also bist du dieses Mal die Vernünftige?«
»Bitte, Zoya, ich flehe dich an. Ich will nur reden. Wir haben gerade unseren gesamten Besitz aufgeteilt. Können wir uns für zehn Minuten wie zivilisierte Leute benehmen?«
»Von mir aus.« Ich sehe weg. Die Bar ist zu dieser Uhrzeit leer.
»Ich wollte mich einfach nach dir erkundigen. Hören, wie es dir geht«, sagt Rebecca.
Wenn ich in ihre Augen blicke, ist es fast so, als könnte ich all die guten Zeiten sehen, die wir gemeinsam hatten. Wir waren so lange so glücklich. Bin ich wirklich diejenige, die es versaut hat? Die sie in die Arme einer anderen Frau getrieben hat?
»Vielleicht sollte ich mir eine Auszeit nehmen. Für eine Weile das Land verlassen. Vielleicht durch Indien reisen. Die Verbindung zu meinen Wurzeln entdecken.«
»Ich sorge mich immer noch um dich, auch wenn wir nicht mehr zusammen sind«, sagt Rebecca.
»Wie nett von dir.« Die Worte rutschen mir einfach so heraus. Ich hab keine Ahnung, wie ich meine verbitterte Zunge hüten soll. »Sorgst du dich um mich, wenn du und Julie den Kanal wechselt, weil meine Show läuft? Sorgst du dich um mich, wenn du mit dem Arm um sie geschlungen einschläfst? Jedes Mal, wenn sie meinen alten Platz in deinem Leben ausfüllt?«
»Du bist offensichtlich noch nicht bereit hierfür.«
»Ich denke nicht, dass ich das jemals sein werde.«
»Ich habe mich schon so oft entschuldigt. Ich sehe nicht, wie eine weitere Entschuldigung dir irgendwie helfen könnte, deshalb bin ich allmählich am Ende meines Lateins.« Rebecca trinkt ihren Wein in großen Zügen.
»Was willst du von mir? Warum sind wir überhaupt hier? Siehst du nicht, dass das nur eine Erinnerung daran ist, wie alles war, vor … Du-weißt-schon-wem.«
»Julie ist jetzt meine Partnerin, Zoya«, sagt sie seufzend. »Und du redest immer von den guten alten Zeiten, aber ich glaube, du vergisst dabei, dass es am Ende nicht mehr so toll war.«
»Oh, jetzt fängst du wieder damit an.«
»Nein, du fängst damit an.«
»Das hier war offensichtlich ein Fehler.« Ich schiebe das Weinglas weg.
»Offensichtlich.« Rebecca sieht aus, als hätte sie ebenfalls genug. Es ist eine merkwürdige Vorstellung, dass wir vor nicht einmal allzu langer Zeit gar nicht genug voneinander bekommen konnten. Dass wir glaubten, wir würden für immer zusammen sein. Wie schnell sich die Dinge ändern können.
»Ich will nicht, dass es so zwischen uns läuft.« Ihre Stimme ist nun sanfter. »Du bist mir immer noch wichtig.«
»Vielleicht hättest du daran denken sollen, bevor du eine andere geknallt hast.« Ich stehe auf. »Und für dich ist das alles so einfach. Zu sagen, dass ich dir noch etwas bedeute und bla, bla, bla. Du kannst nach dieser Sache nach Hause zu deiner neuen Freundin gehen, während alles, was mir bleibt, ein leeres Haus ist, in dem mich alles an uns erinnert. Du hast mir alles genommen, und mein Selbstwertgefühl gleich mit.« Ich verfluche mich selbst für den letzten Teil.
»Ich weiß, es ist schwer.« Ihre Stimme bricht.
»Ich war nicht darauf vorbereitet, mich an der Schwelle zu den fünfzig noch einmal als Single wiederzufinden.«
»Ich weiß. Aber du bist Zoya Das. Die Frauen müssen für dich Schlange stehen.«
»Bitte, erspar mir diesen oberflächlichen Scheiß. Das sagst du nur, um dich selbst besser zu fühlen. Um deine Schuld zu mildern, weil du mich ein ganzes Jahr lang betrogen hast. Aber weißt du was? Du wirst immer schuldig sein und egal, wie oft du sagst, dass es dir leidtut, werde ich dir das nicht verzeihen.«
Ich höre Gescharre hinter der Bar. Der Barkeeper sieht in unsere Richtung.
»Ich sollte gehen. Ich lasse es dich wissen, wenn ich ein Angebot für das Haus bekomme.«
Rebecca schweigt. Es erinnert mich an das Schweigen, in das sie sich beim Packen ihrer Sachen gehüllt hat, nachdem sie mir die Wahrheit gebeichtet hat. Der schicksalhafte Tag, an dem mein Leben in sich zusammenstürzte.
~ ~ ~
»Ich wollte sie gleichzeitig küssen und würgen«, sage ich.
»Vielleicht solltest du an einem von Ambers Yogakursen teilnehmen. Sogar Josephine ist mittlerweile begeistert«, sagt Caitlin, als sie mir ein Glas Whisky serviert.
»Oh, klar, ich zusammen mit einem Haufen glücklicher lesbischer Paare. Ich meine, sogar du lebst mittlerweile monogam, verdammt noch mal. Was ist nur aus dieser Welt geworden?«
Caitlin verdreht die Augen. »Oh, arme Zoya Das. Armes, kleines, reiches Mädchen.« Sie wirft mir einen Blick über den Rand ihres Glases zu. »Ich verstehe, dass du aufgebracht bist. Heute war ein anstrengender Tag. Und Rebecca hat dich richtig verarscht. Aber du musst darüber hinwegkommen.«
»Darüber hinwegkommen? Und so tun, als hätte ich mich nicht gerade von der Liebe meines Lebens getrennt? So tun, als würde das nicht jede Minute schmerzen?«
»Ja. Für den Anfang musst du so tun als ob. Such dir wenigstens ein Abenteuer. Mach etwas, was dich gut fühlen lässt. Das dich begehrt fühlen lässt. Das wirkt Wunder für dein Selbstwertgefühl.«
»Ich bin nicht wie du, Caitlin. Nichts für ungut.«
»Gar kein Thema, meine Liebe.«
»Ich war so vieles für sie, und jetzt ist da jemand anderes und das tut weh. Ich fühle mich ersetzbar. So unbedeutend. Und manchmal denke ich sogar, dass sie mir zu Recht an allem die Schuld gibt.«
»Ich bin zurzeit kein großer Fan von Rebecca, weil sie dich so respektlos behandelt hat, aber ich glaube wirklich nicht, dass sie dir die Schuld an allem gibt.«
»Du weißt, was ich meine.«
Caitlin schüttelt den Kopf. »Du kennst meine Meinung dazu.«
»Ja, na ja, und wo warst du, als ich mit alldem deine Hilfe gebraucht hätte? Sicherlich auf deinem Weg durch die Betten der USA.« Ich werfe Caitlin einen verletzten Blick zu. Scheinbar gewinnt meine Verbitterung die Oberhand über mich.
»Wie lange ist es her?«
»Was?«
»Wann wurdest du das letzte Mal flachgelegt, Schwester?« Caitlin setzt einen komischen Akzent auf.
Ich schnaube verächtlich, auch wenn es eine gute Frage ist. Dann zucke ich ahnungslos mit den Schultern.
»Ich verspreche dir, du wirst dich danach so viel besser fühlen, wenn du mal wieder von einer anderen Frau berührt wurdest – und aufhören mich, deine gute Freundin, anzugreifen.«
»O mein Gott.« Jetzt ist es an mir, genervt die Augen zu verdrehen. »Als wäre Sex die Lösung für alles. Ich bin diese Leier so satt.«
»Wie du meinst.« Caitlin stellt ihr Glas ab. »Vielleicht bist du noch nicht bereit. Auch wenn ich dagegen bin, auf den richtigen Zeitpunkt zu warten.«
»Ich wüsste nicht mal, wo ich anfangen soll. Ich kann nicht einfach in eine Bar gehen und jemanden abschleppen.«
»Warum nicht?«, fragt Caitlin herausfordernd. Von ihrem Gesicht kann ich ablesen, dass ihr dieses Gespräch Spaß macht. Oder sie ahnt bereits, wie meine Antwort lauten wird.
»Du weißt, warum.«
»Sag jetzt nicht, weil du Zoya Das bist. Wenn überhaupt ist das ein Bonus.«
Ich schüttle den Kopf. »Du weißt, dass ich nicht der Typ für One-Night-Stands bin.«
»Es ist nie zu spät, deine Einstellung zu solchen Dingen zu ändern.«
»Caitlin, ich respektiere deine Ansichten, aber ich habe meine eigenen Überzeugungen zu Sex und Monogamie. Wir haben dieses Gespräch schon unzählige Male geführt.«
»Du willst also einfach darauf warten, bis du dich wieder verliebst. Wenn du mich fragst, kann das noch eine ganze Weile dauern. Du bist weit davon entfernt, über Rebecca hinwegzukommen.«
»Egal, was sie sagt … Für mich kam es aus heiterem Himmel, verstehst du?«
»Ja.«
»Aber genug von mir.« Ich muss mich auf etwas anderes konzentrieren. »Lass uns über dich reden. Wie läuft’s zwischen dir und Jo?«
»Gut, obwohl sie zu viel arbeitet. Sie hatte dieses Wochenende zwei Auftritte und –«
Mein Handy piept, als ich eine Nachricht erhalte. Ich versuche es zu ignorieren.
Caitlin blickt zu meinem Telefon, dann wieder zu mir. »Jo und mir geht es gut. Ich kann mich wirklich nicht beschweren.«
Mein Handy piept erneut, weil ich die Nachricht noch nicht gelesen habe.
»Sorry. Lass mich kurz einen Blick darauf werfen.« Verärgert über mich selbst öffne ich die Nachricht. Normalerweise bin ich die Erste, die sich über Personen aufregt, die nicht in der Lage sind, eine Unterhaltung zu führen, ohne an ihrem Handy zu kleben.
Hab dich gegoogelt, steht in der Nachricht. Und jetzt würde ich dich wirklich gerne wiedersehen. Camille.
Unwillkürlich muss ich lächeln.
»Was ist?«, fragt Caitlin.
»Die Frau aus der Ferienwohnung. Ich hab sie heute Morgen kennengelernt. Sie sagt, sie würde mich wirklich gerne wiedersehen.«
Begeistert klatscht Caitlin in die Hände. »Na bitte. Gerade als wir darüber reden, ergibt sich die perfekte Gelegenheit. Was für ein glücklicher Zufall.«
»Ich … weiß nicht.« Ich behalte im Hinterkopf, mich nachher einmal selbst zu googeln, nur um herauszufinden, was Camille über mich ausgegraben hat. Vermutlich jedes schlüpfrige Detail über meine Trennung von Rebecca.
»Erzähl mir von ihr«, bittet Caitlin.
»Sie ist Französin, reist seit zwei Monaten durch Australien. Sie arbeitet in einem wissenschaftlichen Job in der Politik. Das ist alles, was ich über sie weiß.«
»Ist sie süß?«
»Süß? Sie ist eine Französin in gewissem Alter. Ich glaube nicht, dass süß das richtige Wort für sie ist.«
»Okay, also findest du sie attraktiv. Gut.« Caitlin grinst. »Schnapp sie dir. Führ sie heute Abend zum Essen aus. Unternimm etwas, um dich ein bisschen abzulenken.«
»Heute Abend? Es ist sechs Uhr und ich bin gerade wirklich nicht in der Verfassung für ein Dinner mit einer Fremden.«
»Du kannst dich hier fertig machen. Ich leihe dir was Zauberhaftes aus meiner Garderobe. Obwohl ich mir darum keine allzu großen Sorgen machen würde, wenn sie seit Wochen aus dem Koffer lebt. Hab … einfach ein wenig Spaß. Wahrscheinlich ist ein Abendessen mit einer mysteriösen französischen Touristin genau das, was du gerade brauchst. Vergiss Rebecca. Zeig ihr den Stinkefinger, sozusagen.«
»Wenn du so weitermachst, überredest du mich tatsächlich noch.«
»Du willst es. Das sehe ich. Sie hat dich um eine Verabredung gebeten. Sag einfach zu.«
Mittlerweile sehe ich Camilles Reaktion auf Kristins und Sheryls Kuss am Morgen in einem anderen Licht. Wahrscheinlich hat sie in diesem Moment über meine Sexualität nachgedacht. Ihre Internetrecherche muss alle Fragen beantwortet haben. »Was soll ich ihr antworten?« Das Telefon wiegt schwer in meiner Hand.
»Ein klares Ja.«
»Wohin soll ich sie ausführen? Es ist Freitagabend. Kann ich noch etwas Gutes reservieren?«
»Wie wäre es damit …«, sagt Caitlin lächelnd. »Du antwortest ihr. Schreib ihr, dass ihr euch um sieben Uhr vor dem Pink Bean trefft. Während du dich herausputzt, kümmere ich mich um alles Weitere.«
Ich hebe mein Glas. »Na danke, meine Liebe. Ich werde außerdem noch einen Drink brauchen.«
Caitlin grinst mich triumphierend an. Was auch immer ihr Plan war, er ist aufgegangen.
Kapitel 4
Caitlin hat uns einen Platz in einem Lokal reserviert, das sowohl eine Bar als auch ein Restaurant ist und auf halbem Weg zwischen ihrem Zuhause und dem Pink Bean liegt. Obwohl es für einen Freitag noch recht früh ist, ist das Lokal bei unserer Ankunft schon voll. Ich frage mich, ob sie für unseren Tisch ein paar Beziehungen hat spielen lassen – oder ob irgendwelche Namen gefallen sind. Ich mache mir jedoch nicht allzu viele Gedanken darum, denn heute Abend sehe ich Camille in einem völlig neuen Licht. Sie ist nicht mehr die Frau, die mein Apartment mietet. Sie ist mein Date.
»Willkommen, Miss Das und Ihre reizende Begleitung«, sagt ein bärtiger Hipster-Kellner. »Ich bin Thomas und bediene Sie heute Abend.«
Wir folgen ihm zu einem Tisch im hinteren Teil des überdachten Innenhofs, der umgeben ist von mit Lichterketten geschmückten Bäumen. Auf unserem Tisch brennt bereits eine Kerze. Hat Caitlin um eine romantische Atmosphäre gebeten, als sie für uns reserviert hat?
Vor lauter Scham bin ich versucht Camille zu erklären, dass dieses ganze Arrangement auf die Kappe einer Freundin geht. Doch ich erinnere mich an Caitlins Worte, als sie mich zur Tür begleitet hat. »Du hast gar nichts zu verlieren«, sagte sie. Sie hat recht. Ich habe bereits die Liebe meines Lebens verloren. Und ich muss aufhören, an sie zu denken.
»Sehr schön.« Camille nimmt Platz, während ein breites Lächeln ihre Lippen umspielt. »Ich bin beeindruckt. Es fühlt sich an, als wäre ich irgendwo auf dem Land mitten in Frankreich.«
»Ich schulde dir noch etwas wegen der schlaflosen Nacht, deshalb …« Unsere Blicke treffen sich für den Bruchteil einer Sekunde.
»Du schuldest mir gar nichts, Zoya.« Sie sagt meinen Namen so sanft und zärtlich, dass ich sie kaum hören kann. Doch ich tue es. Es ist fast, als hätte mich dieser Innenhof an einen völlig anderen Ort gebracht – vielleicht aufs Land mitten in Frankreich. Ein Ort, an dem mein Herz sich nicht mehr zerbrochen anfühlt.
Der Kellner bringt uns die Karte. Obwohl er sich bemüht, die Situation diskret zu behandeln, sehe ich ihm an, dass er meinen Namen und mein Gesicht zuordnen kann. Man bemerkt es in den kleinen Gesten, einem unerwarteten Nicken oder einem Blick, der etwas zu lange verharrt. Solange er mir nicht zuzwinkert, beschwere ich mich nicht.
»Sie haben hier ein paar exzellente Weine«, sagt Camille. »Trinkst du lieber roten oder weißen?«
»Ich trinke, was immer du aussuchst.« Ich werde sicher nicht mit einer Französin über Weine diskutieren, selbst wenn die meisten Sorten auf der Karte aus Australien oder Neuseeland kommen.
»Diesen Pinot gris habe ich gerade erst vor ein paar Wochen probiert. Wenn es nicht so lächerlich wäre, eine Kiste Wein davon nach Frankreich zu schicken, hätte ich ein paar Flaschen gekauft.« Sie blickt mich an. »Wäre der Wein für dich in Ordnung?«
»Natürlich.«
Sie lässt Thomas kommen und bestellt eine Flasche. Als er zurückkehrt, bestellen wir unsere verlockend klingenden Gerichte. Danach kann ich meine Neugier nicht mehr zurückhalten.
»Du hast mich also gegoogelt, ja?«
Sie beißt sich kaum merklich auf die Lippe, als sie mir zunickt. »Sehr interessant.«
»Jetzt weißt du also alles über mich, und ich weiß gar nichts über dich.«
»Willst du damit sagen, du hast mich nicht gegoogelt? Du, als Journalistin?«, kontert sie schmunzelnd. »Du überraschst mich immer wieder.«
»Mit meiner Ignoranz bezüglich gewisser Dinge?« Ich versuche eine entschuldigende Miene aufzusetzen. »Ich hatte einen verrückten Tag und …« Ich halte inne. »Ich kenne nicht mal deinen Nachnamen.«
»Der steht in der Reservierung für das Airbnb.« Sie hebt ihr Weinglas. »Auf meinen Wissensvorsprung.«
Mit dem Rand meines Glases stoße ich an ihres an. »Du musst mir wirklich erzählen, was du herausgefunden hast. Vorher kann ich mich nicht entspannen.«
Sie nimmt einen Schluck. »Hm, der ist wirklich gut.« Sie setzt ihr Glas ab und lehnt sich ein wenig über den Tisch. »Du bist Zoya Das aus der gleichnamigen TV-Show. Du hast zahlreiche Preise gewonnen. Du bist in Wahrheit Journalistin, keine Moderatorin, wie du sagtest. Du bist eine stolze, offen lesbische Frau und hast dich vor kurzem von deiner langjährigen Partnerin getrennt. Und du hast keine Ahnung, wie man die Batterien in Haushaltsgeräten wechselt.« Sie lehnt sich wieder zurück.»Das ist so ziemlich alles.«
»Und alles ist wahr.« Ich beuge mich ebenfalls leicht über den Tisch. »Ein paar Websites hast du also scheinbar ausgelassen.«
»Ich hab ein ganz gutes Gespür dafür, was wahr ist und was nicht.«
»Das ist eine ganz ausgezeichnete Eigenschaft.« Ich trinke von dem Wein, den Camille ausgesucht hat. Er ist leicht und geschmeidig und geht gut runter.
»Manche Dinge ist man gezwungen zu erlernen. Eines davon ist es, der Klatschpresse nicht zu glauben.«
»Fallen prominente Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen in Frankreich oft Verleumdungen zum Opfer?«, frage ich.
»Nur die, die sich in einer gut dokumentierten Scheidung von einem profilierten Mitglied der Politik trennen.«
»Ah.« Ich könnte mich dafür ohrfeigen, nicht über sie recherchiert zu haben. »Ist das der Grund, warum du Abstand von allem gebraucht hast?«
Sie nickt. »Das ist meine Eat-Pray-Love-Reise. Nur dass ich mehr getrunken habe, als zu essen. Ich bete eigentlich nicht und es gab keine romantischen Episoden, auch wenn ich zugeben muss, dass ich mich ein bisschen in euer Land verliebt habe.«
Wegen meines Jobs bin ich ziemlich vertraut mit den Namen profilierter, internationaler Menschen in der Politik, doch ich kenne immer noch nicht Camilles Nachnamen. Ich möchte wirklich wissen, ob dieses Mitglied der Politik ein Mann oder eine Frau ist. Ich bin sicher, wenn es eine Frau wäre, wäre ich darauf aufmerksam geworden.
»Es gibt beispielsweise keinen Grund für unsere Nation, sich wegen ihrer Weine dermaßen aufzublasen.« Sie hebt ihr Weinglas wieder. »Der hier ist besser als viele Produkte aus unseren einheimischen Trauben.« Camille verengt die Augen beim Lächeln.
Ich werde aus dieser Frau einfach nicht schlau. Es wird Zeit für den Interviewmodus. Ich beginne mit leichten, unschuldigen Fragen. Dann vertiefe ich die Komplexität und finde genau das heraus, was ich wirklich wissen will.
»Was den Pray-Teil angeht: Meine Freundin Amber ist die beste Yogalehrerin, die ich je hatte. Falls du einen Crashkurs speziell in dieser Praxis möchtest.«
»Ich reise in ein paar Tagen ab. Ich glaube, ich sollte mich lieber auf die anderen beiden Aspekte meiner Reise konzentrieren.« Das Leuchten der Lichterkette über uns verfängt sich in ihren Augen und lässt sie glänzen.
»Soll man nicht für jeden davon einen anderen Teil der Welt bereisen? Ich bin fest davon überzeugt, die australische Küche wird unterschätzt, aber die meisten Leute kommen nicht in Erwartung kulinarischer Orgasmen hierher.«