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Band 3 der Lost Limits-Reihe Könntest du vertrauen? Nachdem Royal überfallen wurde, erhält Gideon eine verdächtige Nachricht, die die Ereignisse in ein völlig neues und äußerst beunruhigendes Licht rückt. Für Gideon gibt es nur eine Lösung: Um Royal zu schützen, muss er sich zukünftig von ihm fernhalten. Royal hingegen kann die plötzliche Trennung weder verstehen, noch will er sie akzeptieren. Er ist nicht bereit, den einsamen, faszinierenden Mann schon wieder zu verlieren. Doch er unterschätzt die Macht, die Gideons Vergangenheit noch immer über ihn hat und ihn unbarmherzig mit sich in die Tiefe reißt. Ein folgenschwerer Fehler und ein verlockendes Jobangebot bringen Royal schließlich dazu, die Flucht zu ergreifen. Dass die Vergangenheit längst die Kontrolle über sein Leben erlangt hat, dass Royal in großer Gefahr schwebt, dass er selbst der Schlüssel zu allem zu sein scheint, bemerkt Gideon erst, als es bereits zu spät ist. Die Falle ist zugeschnappt, und dieses Mal gibt es kein Entkommen. Für keinen von ihnen.
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Veröffentlichungsjahr: 2023
Triggerwarnung
Widmung
Kapitel 1
Kapitel 2
Kapitel 3
Kapitel 4
Kapitel 5
Kapitel 6
Kapitel 7
Kapitel 8
Kapitel 9
Kapitel 10
Kapitel 11
Kapitel 12
Kapitel 13
Kapitel 14
Kapitel 15
Kapitel 16
Kapitel 17
Kapitel 18
Kapitel 19
Kapitel 20
Kapitel 21
Kapitel 22
Kapitel 23
Kapitel 24
Kapitel 25
Kapitel 26
Danksagung
Impressum
Lost Limits - Desire
Lost Limits - Passion
Lost Limits - Darkness
Lost Limits - Revenge
Lost Limits - Forever
Die Geschichte um Royal und Gideon geht weiter. Es wird dunkler, verzweifelter und schmerzhafter, weshalb ich auch für Lost Limits - Darkness eine Triggerwarnung ausspreche. Sie enthält potentielle Spoiler und solltest Du nicht von einem Trauma oder einer Traumabewältigungsstörung betroffen sein, so empfehle ich Dir, an dieser Stelle weiterzublättern.
Für alle anderen:
Triggerwarnung
Dieses Buch enthält potentiell triggernde Inhalte. Es werden unter anderem sexueller Missbrauch, sexuelle Gewalt, sowie psychische Erniedrigungen thematisiert. Es werden Traumabewältigungsstrategien angedeutet, die im Roman vielleicht funktionieren.
Im wahren Leben ist es immer gut und richtig, sich professionelle Hilfe zu holen.
Für Gideon und Royal. Weil ich mich mit jedem Wort ein bisschen mehr in euch verliebe.
Gideon
Der Raum war weiß und absolut schattenlos, sodass die Übergänge zu den Wänden kaum sichtbar waren. Gideons Hand klammerte sich an die Türklinke. Er wollte nicht hineingehen. Obwohl er die Dunkelheit brauchte, denn nur dort fühlte er sich sicher und lebendig. Doch da lag dieses reglose Etwas, mitten im Nichts, und es weckte seine Neugierde. Er wollte wissen, was es war. Nur einen kurzen Blick darauf werfen und dann gleich wieder rausgehen, den Raum ohne Schatten hinter sich lassen und in eine Dunkelheit zurückkehren, die manche vielleicht fürchteten, die sich für ihn aber wunderbar vertraut anfühlte.
Er machte einen Schritt vorwärts, und noch einen, und noch einen. Langsam näherte er sich dem Häufchen mitten im Zimmer, betrachtete es argwöhnisch.
Er runzelte die Stirn, als seine Augen zwei nackte Füße wahrnahmen, die in einem seltsam verdrehten Winkel dort lagen. Sie gehörten zu einem Körper, der schrecklich leise war. Kein Atemzug erschütterte ihn, kein Lachen, kein Pulsschlag.
Gideon ging, von einer perversen Neugier getrieben, weiter. Die Hose und das T-Shirt der am Boden liegenden Person wiesen Risse und Löcher auf, was ihn jedoch am meisten schockierte, war das Blut, das sich in einer glänzenden Lache um den schweigenden Körper herum gebildet hatte. Wie ein glänzender See aus Rot und Tod.
Gideon neigte seinen Kopf, versuchte noch mehr der leblosen Gestalt in sich aufzunehmen, erblickte Finger, die verkrampft da lagen, als wollten sie sich an etwas festhalten, als suchten sie nach einem letzten Halt, obwohl ihnen schon längst das Leben entglitten war.
Er betrachtete den Bart des Mannes. Dunkel und dicht. Wie schön es wäre, mit seinen Händen hindurchzufahren, während er in diesen wundervollen, tiefsinnigen, grünen Augen versank, die nun von einem grauen Schleier bedeckt waren, als würde ein letzter Vorhang vor ihnen schweben. Reglos starrten sie in die Luft und Gideon keuchte auf. Seine Beine gaben unter ihm nach, einfach so, und es fühlte sich an, als habe ihm jemand das Herz herausgerissen. Hier. Jetzt. An dieser Stelle.
Gideon sackte in sich zusammen, und kroch langsam, auf allen vieren zu Royal. Seine Fingerspitzen tauchten in sein Blut, aber das war ihm egal. Es war der letzte Rest von Leben, das Royal verlassen hatte.
Royal. Royal. Royal.
Das verzweifelte Echo drohte ihn zu ersticken, so laut hallte es in seinem Kopf wider. Er ließ seine Fingerspitzen über Royals Körper gleiten, rüttelte ihn sanft, obwohl er längst wusste, dass sich nichts ändern würde. Royal war tot. Er hatte ihn verlassen.
Tränen liefen ihm über die Wangen, heiß und salzig vermischten sie sich mit Royals Blut.
»Geh nicht«, wisperte Gideon hilflos. Er berührte Royals Bart, so wunderbar weich und perfekt. Das Gegenstück, nach dem er schon immer gesucht hatte, ohne überhaupt davon zu wissen.
»Siehst du, was du angerichtet hast?«, fragte eine körperlose Stimme. Gideon sah sich hastig um, sein zerstörtes Herz drohte ihm aus der Brust zu springen, während er die schattenlosen Wände nach dem Inhaber der Stimme absuchte.
Die Stimme lachte. »Wärst du doch nur ein wenig vorsichtiger gewesen.«
Ein anderes Lachen ertönte. »Er hat noch nie gewusst, wann es klug ist, aufzuhören.«
Die beiden Stimmen lachten weiter, wurden lauter und lauter, während Gideon hilflos auf Royal starrte.
»Du hast ihn getötet, Gideon. Du bist schuld.«
»Ich war es nicht!«, schrie er zurück und das Echo wurde unbarmherzig von den Wänden zu ihm zurückgeworfen.
»Natürlich warst du es. Nur du!« Wieder ein grausames, kaltes Lachen.
»Ich würde so etwas nie tun!«
»Du hast schon so viel getan, Gideon. Du bist zu allem fähig.« Das Lachen wiederholte sich, ehe es langsam leiser wurde und schließlich verklang.
Gideon schluchzte auf, legte sich in Royals Blutlache und betrachtete sein schönes, erstarrtes Gesicht.
Es war seine Schuld.
Gideon schreckte aus dem Sessel hoch. Ihm war schwindelig, und als er seine Fingerspitzen über seine Wangen gleiten ließ, merkte er, dass sie tränennass waren.
Royal bewegte sich leicht im Bett und zog damit Gideons Aufmerksamkeit auf sich. Der Traum wütete noch immer in seiner Erinnerung und er hoffte darauf, dass er bald verschwand und nichts von ihm zurückblieb. Er wollte die schrecklichen Bilder, die Stimmen und die tiefe Traurigkeit aus seinem Körper verbannen.
Royal lag beinahe genauso da wie in seinem Traum. Nur dass er atmete und seine Körperwärme bis zu ihm strahlte.
Gideon schluckte schwer und fuhr sich durch die Haare. Der Albtraum hatte ihn bis ins Mark erschüttert und drei Worte spulten sich wie eine Leuchtreklame in seinem Kopf ab.
Du bist schuld.
Er war schuld. An allem. Warum war er nicht früher darauf gekommen, dass er derjenige war, der den Schlüssel in der Hand hielt? In Form der Nachricht. In Form des verletzten Royals. Und jetzt lag es an ihm, die Sache zu ändern. Mit einem Ruck erhob er sich aus dem Sessel und fuhr mit seinen Handflächen über sein Gesicht, um die Müdigkeit und die Reste des Albtraums zu vertreiben. Das gehässige Lachen in seinem Kopf wollte einfach nicht verstummen. Seine Hände zitterten unkontrolliert, denn der Traum lebte in ihm weiter und erschütterte ihn mit jedem Atemzug.
Gideon ging langsam und leise zu Royal und kniete sich vor sein Bett. Er betrachtete sein Gesicht, das in der Dunkelheit kaum erkennbar war. Der Mond lag heute hinter schnell dahinziehenden Wolken verborgen, sodass er die Konturen und Verletzungen auf Royals Gesicht im Halbdunkel nur erahnen konnte. Sie mussten schmerzhaft sein, die Platzwunde, die Hämatome, die eingerissene Lippe, einfach alles. Gideon hob die Hand und ließ seinen Daumen über Royals Unterlippe gleiten, erinnerte sich daran, wie gut es sich angefühlt hatte, diese eine Grenze zu überschreiten und Royal zu gestatten, ihn zu küssen. Er bereute seine Entscheidung keine Sekunde lang, denn dafür hatte es sich einfach zu gut angefühlt.
Er beugte sich vor und gab Royal einen sanften Kuss auf die Lippen. Er regte sich leicht und verzog das Gesicht, ehe er die Augen aufschlug. Er lächelte, wie nur er es konnte. »Was tust du da?«
»Ich habe nur …«
»Du hast mich geküsst.«
»Ja.« Gideon betrachtete ihn und schob ihm eine Strähne seines wirren Haares aus der Stirn. »Ja«, wiederholte er.
»Kannst du das nochmal machen?«
»Ich denke schon«, flüsterte Gideon zurück, ehe er sich vorbeugte und seine Lippen sanft auf Royals legte. Seine Augen schlossen sich und er spürte einfach nur Royals weicher, süßer Wärme nach. Ihre Zungen berührten sich, umschlangen sich, Royal lockte ihn sachte und Gideon ging darauf ein. Ihr Kuss glitt genauso träge dahin, wie die Wolken am Himmel und Gideon hätte gern den Rest seines Lebens damit verbracht, vor Royal zu knien und ihn zu küssen.
Schließlich aber zog er sich zurück und betrachtete Royal, auf dessen Lippen sich ein kleines Lächeln niederließ.
»Ich wusste es immer, dass du gut küssen kannst.«
»Ich habe nicht sehr viel Übung«, gestand Gideon.
»Das lässt sich auf jeden Fall ändern.«
Gideon lächelte nun auch. Royal war ein ziemlicher Verführer, dafür, dass er neu war in der Männerliebe. »Du solltest jetzt schlafen und dich erholen.«
»Das hört sich nach einer guten Idee an. Aber was, wenn ich dich lieber küsse?«
»Einspruch«, wisperte Gideon.
»Okay. Dann leg dich jetzt neben mich. Warum bist du eigentlich immer noch angezogen?«
»Ich bin auf dem Sessel eingeschlafen.«
»So bequem ist der nicht.«
»Nein.«
»Leg dich hin«, forderte Royal und drehte sich auf den Rücken. Gideon kletterte über ihn hinweg und legte sich neben ihn. Royal schaffte es, den Albtraum nicht mehr so schwer wirken zu lassen. Er wischte ihn hinfort, wie eine Windböe den Staub auf den Straßen, und er wusste nicht mal was davon.
»Schlaf jetzt«, sagte Gideon. Er konnte nicht widerstehen und schob seine Hand erneut in Royals Haar. Dieser schloss die Augen. So blieben sie liegen, bis Royals Atemzüge ganz ruhig und gleichmäßig wurden, und Gideon wusste, dass er eingeschlafen war.
»Ich werde die Schweine finden«, flüsterte er, ehe er sich langsam und vorsichtig aus den Laken schälte, um Royal nicht zu wecken.
Er eilte so leise wie möglich die Treppen hinunter, immer fürchtend, jedes Innehalten könnte ihn umstimmen und daran hindern, seine Entscheidung umzusetzen. In Gedanken war er schon bei dem Anruf, den er tätigen musste, als ihn eine Stimme, seinen Namen rufend, zurückhielt.
»Gideon?«
Er hielt den Türknauf schon in der Hand, es wäre so einfach, ungesehen zu verschwinden, dennoch zögerte er und folgte schließlich dem Lichtschein in die Küche. Er betrat den hellerleuchteten Raum und entdeckte Dakota, die am Bartisch saß und ihm entgegensah. Ihre dunkelbraunen Haare hatte sie zu einem unordentlichen Dutt hochgesteckt, der mit einem Bleistift fixiert war. Sie trug nur ein T-Shirt und eine Boxershort, von der er glaubte, dass Royal sie auch schon mal getragen hatte. Als er näherkam, bemerkte er, dass ihre Wimperntusche unter ihren Augen verschmiert war, ihren Pony hatte sie achtlos zur Seite geschoben und sah damit im großen Ganzen wie eine wirre, kleine Katastrophe aus. Mit Niedlichkeitsbonus.
Jetzt nippte sie an ihrer Kaffeetasse und betrachtete Gideon über den Rand hinweg. »Du siehst scheiße aus«, stellte sie unbarmherzig fest.
»Danke«, erwiderte Gideon matt. Vorher, in Royals Beisein hatte er sich besser gefühlt, aber jetzt fühlte er erst, wie sehr ihn der Albtraum mitgenommen hatte.
»Was muss ich tun, um auch einen Kaffee zu bekommen?«
»Da Angela nicht da ist, verzichten wir auf das auf-den-Knien-Herumgerutsche«, sagte Dakota und grinste. Sie nickte zur Kaffeemaschine hin. »Alles deins, wenn du willst. Tassen sind direkt im Schrank darüber.«
Gideon schenkte sich einen Kaffee ein, obwohl er jetzt im Moment sehr viel für einen doppelten Espresso aus seiner eigenen Hightech-Kaffeemaschine gegeben hätte. Dakota hatte sich wieder über ihren Block gebeugt, auf den sie irgendwelche Striche zeichnete.
»Wird das ein Comic?«, fragte Gideon.
Dakota sah auf und kniff die Augen zusammen. »Du bewegst dich auf verdammt dünnem Eis, Mister«, sagte sie dann. »Ich entwerfe hier Mode, okay?«
Gideon nickte. »Oh. Okay.«
»Gut. Setz dich hin.«
Gideon tat, was sie gesagt hatte, obwohl er doch eigentlich schon auf dem Weg ins Büro sein sollte. Er musste wichtige Dinge erledigen.
Schweigend ließ er den Blick durch die Küche schweifen, während das Kratzen des Kohlestifts auf dem Papier die Stille durchbrach. Der Esstisch war groß, und Gideon vermutete, dass Royal und seine Mitbewohner dort miteinander die Mahlzeiten einnahmen. Sie alle zusammen.
Er hatte auch einen großen Esstisch, aber der war meistens leer, er selbst aß gewöhnlich nicht mal zu Hause, seine Küche war praktisch jungfräulich, wenn man gelegentliche Steaks oder Rühreier außer Acht ließ.
Dakota zeichnete, und Gideon trank, und ganz langsam beruhigte sich der Aufruhr in seinem Innern und machte einer stillen Entschlossenheit Platz.
»Geht’s wieder?«, fragte Dakota irgendwann, ohne ihren Blick zu heben.
Gideon blinzelte, dann starrte er in seine Kaffeetasse. »Ja.«
»Gut. Ich kenn das.«
»Woher wusstest du …?«
»Du hättest dich mal sehen sollen. Wirf das nächste Mal wenigstens einen kurzen Blick in den Spiegel, bevor du dich der Menschheit zeigst.«
Gideon schluckte. Er war immer allein gewesen, wenn er Albträume gehabt hatte, weshalb er noch nie bewusst in den Spiegel gesehen hatte. Er hatte eine Ahnung, was Dakota meinen könnte, aber es beunruhigte ihn, dass sie ihn so leicht durchschaut hatte.
»Du weißt, ich muss das fragen: Willst du darüber sprechen?«
»Warum solltest du mich das fragen müssen?«
Dakota kicherte und sah ihn von der Seite an. »Royal würde das so wollen, weil er nur dein Bestes will.«
»Oh.«
Dakota grinste und machte ein paar weitere Striche, dann legte sie seufzend den Stift auf den Block. »Träumst du oft?« Sie sah ihn jetzt ganz offen an, und das war Gideon etwas unangenehm, weshalb er den Blick senkte und in seine fast leere Tasse starrte.
»Manchmal«, sagte er. »Selten.«
»Erinnerst du dich an den Traum?«
»Nein«, log er.
»Willst du noch einen Kaffee?«
»Ja.«
»Alles klar.« Dakota nahm ihre beiden Tassen und füllte sie auf, dann stellte sie ihm seine hin. Ihre dunklen Augen huschten über sein Gesicht, dann lehnte sie sich an den Bartisch neben ihn. »Wohin wolltest du denn?«
»Ich muss … gehen.«
Dakota trank einen Schluck, Schweigen hüllte sie ein, dann richtete sie ihren Blick geradewegs auf ihn. »Wohin?«
»Weg.«
Dakota betrachtete ihn einen Moment, dann verstand sie und schüttelte entschlossen den Kopf. »Nein.«
Gideon wusste nun, dass es eine schlechte Idee gewesen war, zu Dakota in die Küche zu gehen. Er hätte sich seinen Kaffee auch auf dem Weg ins Büro holen können, aber genau jetzt hatte er die Möglichkeit, etwas Gutes zu tun. Ihm wurde klar, dass er wenigstens mit einer Person sprechen musste, die Royal nahestand. Er würde nicht verhindern können, dass Royal ihn und seine Entscheidung weder guthieß, noch sie billigte. Aber er wollte sicher sein, dass jemand an seiner Seite war und ihn auffangen konnte. Zumindest das war er ihm schuldig.
»Du kannst nicht gehen. Nicht schon wieder. Du bist gerade erst gekommen.«
»Es war ein Fehler.«
»Oh, ich bitte dich. Du hast hier gestanden und man hat dir die Verzweiflung angesehen. Ich persönlich kann nicht nachvollziehen, dass ausgerechnet Royal so sehr an einem gefühlskalten Menschen wie dir hängt, aber es ist nunmal so. Er liebt dich.«
Gideon zuckte zusammen, und es fehlte nicht viel und er hätte den Kaffee über den Tisch gespuckt. Die Nachdrücklichkeit ihrer Worte erschreckte ihn zu Tode. »Auf keinen Fall.«
Dakota kicherte. »Warum habt ihr Kerle eigentlich immer so eine verdammte Angst vor dem L-Wort?«
Gideon erhob sich und stellte seine Tasse in das Spülbecken. »Hör zu, es ist nett, dass du solche Dinge sagst, aber Royal und ich … Wir sind nur Freunde.«
Dakotas Lippen kräuselten sich, und dann gab sie einen kleinen ungläubigen, spöttischen Laut von sich. »Natürlich. Ihr seid richtig gute Freunde. Ein Grund mehr, nicht einfach zu verschwinden, nachdem du gestern erst gekommen bist. Freunde tun so etwas nämlich nicht. Die bleiben.« Dakota betrachtete ihre Zeichnung, nun beugte sie sich vor, riss das Papier vom Block und zerknüllte es.
»Was stimmt nicht damit?«
»Sie war nicht gut. Niemand würde so etwas anziehen. Ich sollte damit aufhören, mir einzubilden, dass ich morgens um fünf kreativ sein kann«, seufzte sie. »Und jetzt erzähl mir, was wirklich los ist. Nichts kann so wichtig sein, dass du Royal einfach wieder allein lässt.«
Gideon lächelte matt. Wie sollte er ihr etwas erklären, das er selbst erst vor einigen Minuten verstanden hatte? »Ich muss einfach einige Dinge klären.«
»Das kannst du auch tun, während du hier bleibst«, insistierte Dakota.
Gideon ging Richtung Tür. Dort drehte er sich nochmal um. »Ich habe mich nie bei dir entschuldigt. Für die Sache mit dem Einbruch.«
»Nein. Hast du nicht.«
»Das tue ich hiermit. Es tut mir wirklich leid. Ich war … ziemlich kopflos zu dieser Zeit.«
Dakota lächelte. »Du wolltest Royal nicht verlieren. Er ist ein toller Mann, da kann man schon mal den Kopf verlieren.«
»Mach es mir nicht zu leicht«, bat er ernst. »Royal würde das nicht gutheißen.« Royal hatte recht. Sich zu entschuldigen fiel von Mal zu Mal leichter, aber das hieß noch lange nicht, dass es sein neues Hobby werden würde.
»Du wirst auf ihn aufpassen, oder?«
Dakota legte den Kopf schief. »Du hast mir Honig ums Maul geschmiert, und jetzt soll ich ausbaden, was du vermasselst.«
»Nein.«
»Gideon, du kannst jetzt nicht gehen. Royal braucht dich. Jetzt noch mehr als sonst. Ihr beide … so überraschend es auch gekommen ist … Royal ist jemand, für den es sich lohnt, zu bleiben. Du kannst nicht mitten in der Nacht verschwinden, und erwarten, dass er Verständnis dafür hat. Er hat wirklich mehr verdient als das.«
Insgeheim gab Gideon ihr Recht. Royal hatte immer mehr verdient. Aber so, wie es aussah, gefährdete irgendjemand Royals Gesundheit, und er schien mehr damit zu tun zu haben, als er geahnt hatte. Er musste das erst klären, musste herausfinden, was die Nachricht zu bedeuten hatte. Sie beschwor ein ungutes Gefühl in ihm herauf, eine innere Unruhe, die er nicht näher benennen konnte, und das machte ihn noch unruhiger. Er würde bis ans Ende der Welt gehen, um Royal vor weiteren Angriffen zu bewahren. Aber für heute reichte es, wenn er ins Büro fuhr und einen Anruf machte.
»Ich habe nächste Woche Geburtstag, Gideon. Bitte komm auch. Ich möchte, dass du dabei bist. Ich will dich tanzen und lachen und mit Royal flirten sehen. Du musst nicht weggehen.« Dakotas Stimme hatte einen eindringlichen Ton angenommen.
Gideon machte einen weiteren Schritt in Richtung Tür. Er spürte, wie sie ein dichtes Netz aus Sehnsucht um ihn herum wob, wie er sich zu ihr hinwandte, weil er all das, was sie sagte und ausstrahlte, wirklich wollte. Sie war wirklich eine Meisterspinne.
»Bitte pass auf ihn auf«, sagte Gideon schnell, bevor er doch noch die Kontrolle verlieren und seinem Begehren nachgeben würde. Er ging durch diese verdammte Haustür und ließ Royal zurück.
Wieder einmal.
Gideon
Tobyn hatte ihn ins Büro gefahren. Auf der Fahrt hatte eine fieberhafte Erregung von Gideon Besitz ergriffen, die sein Herz schneller schlagen ließ, weil er wusste, dass er jetzt handeln musste.
Gideon passierte das verlassene Großraumbüro, den Schreibtisch seiner Sekretärin und betrat sein Büro. Die Tür knallte er achtlos hinter sich zu, warf den Mantel über die Lehne des Besucherstuhls und ging hinter seinen Schreibtisch. Die Vertrautheit des Raumes, die Gerüche, das Gefühl, das er hatte, wenn er sich hier aufhielt, dem Ort, der einem Zuhause sehr nahekam, nahm ihm die innerliche Unruhe ein wenig.
Er musste nicht lange in den Dateien seines Computers suchen, bis er die Nummer fand, die er brauchte, wählte und darauf wartete, dass sein Anruf entgegengenommen wurde. Ungeduldig trommelte er mit den Fingerspitzen auf die Schreibtischplatte. Royals zerschlagenes Gesicht tauchte vor seinem inneren Auge auf, genauso wie die SMS von der unbekannten Nummer. Sein Herz zog sich zusammen. Es war richtig, was er tat. Wenn er sich das nur oft genug vorsagte, würde er es vielleicht auch irgendwann glauben.
»Mr. McDermott.« Das war alles, was Owen Harris sagte. Aber es war genug. Sie beide waren keine Männer, die für viele Worte geschaffen waren.
Gideon beugte sich vor und platzierte die Ellbogen auf der Schreibtischplatte. »Es gibt eine Entwicklung, die Ihre Aufmerksamkeit erfordert.«
»Erzählen Sie mir davon.« Owens Stimme am anderen Ende der Leitung veränderte sich nicht großartig. Er klang, als würde er in diesem Moment seine Essensbestellung entgegennehmen. Dieser Mann mochte locker und entspannt rüberkommen, aber er war immer aufmerksam und hatte seine Augen und Ohren überall. Als früherer Navy Seal war er es gewohnt, eine Situation mit einem Blick zu erfassen. Nichts brachte ihn aus der Ruhe. Er löste die Probleme schnell und effizient, und Gideon hatte gelernt, dass er ihm zu einhundert Prozent vertrauen konnte. Genau deshalb hatte er ihn angerufen. Weil er ein Problem hatte, dass er lieber gestern als morgen gelöst haben wollte.
Er erzählte ihm die Kurzfassung von dem Angriff auf Royal, anschließend erwähnte er die Nachricht, die er erhalten hatte.
»Haben Sie einen Verdacht?«
»Ja.«
»Hat dieser Royal …«
»Royal Wright«, fuhr Gideon dazwischen. »Er heißt Royal Wright.«
»Natürlich. Hat er Feinde?«
Gideon dachte nach. Matt Lambert kam ihm in den Sinn. Aber der war eigentlich ein zahmes Schaf. Trotzdem erwähnte er seinen Namen.
»Kennen Sie die Nummer, von der sie die Nachricht erhalten haben?«
»Nein.«
Owen schwieg einen Moment. Dann fragte er: »Haben Sie Feinde?«
Es fehlte nicht viel und Gideon hätte aufgelacht. Ob er Feinde hatte? Er hatte jede Menge Feinde. Jeder Besitzer eines jeden Unternehmens, das er jemals geschluckt hatte, verspürte einen gewissen Hass auf ihn. Das sagte er Owen.
»Gibt es Personen, die gegen Sie beide vorgehen könnten?«
»Nein.« Es gab zwei Namen, die er mit jedem negativen Vorfall in seinem Leben in Verbindung bringen konnte. Zwei Namen, die wie ein unsichtbares Tattoo auf seine Haut und in seine Seele gebrannt waren. Namen, die er nicht nennen wollte, die ihn verletzten, durch ihre pure Existenz.
»Sie sollten Aidan Ramsay ebenfalls überprüfen«, sagte er schließlich, und es fiel ihm furchtbar schwer, die Worte auszusprechen.
»Wer ist das?«, hakte Owen nach. »In welcher Beziehung stehen Sie zu ihm?«
»Er ist nur ein Freund aus Kindertagen.« Gideon zweifelte keinen Moment lang daran, dass Owen früher oder später hinter die Wahrheit kommen würde. Aber so war es leichter für ihn.
Owen hielt einen Moment inne, dann räusperte er sich. »In Ordnung. Noch jemanden?«
Gideon biss sich auf die Lippe. Ein Name. Es gab noch einen weiteren. Aber … »Nein. Niemanden«, sagte er dann. Es war unnötig, über ihn zu sprechen. Er hatte nichts mit der Sache zu tun. Wäre er in die Geschehnisse verwickelt, wäre Royal nicht nur mit schmerzhaften Schlägen davongekommen. Seine Angriffe fielen weitaus brutaler aus.
»Gut. Dann werden Sie von mir hören.« Das war der Moment, in dem Owen das Telefonat für gewöhnlich beendete, und dann tat er das, worin er gut war: Er erledigte seine Arbeit und Gideon tat das Gleiche. Das hatte schon oft gut geklappt, doch dieses Mal konnte er das nicht zulassen. Gideon erhob sich schnell und stieß seinen Schreibtischstuhl zurück. »Nein!«, sagte er. In dem Moment ging seine Bürotür auf, und Tobyn kam mit einem Becher Kaffee herein, um den Gideon ihn vorhin gebeten hatte.
Er deutete auf seinen Schreibtisch, dann wandte er sich ab. Ungeduldig und atemlos wartete er darauf, wieder allein zu sein, dann fuhr er fort: »Dieses Mal möchte ich über jede neue Erkenntnis informiert werden. Umgehend.«
»Mr. McDermott … Sie wissen, dass ich so nicht arbeite.«
Gideon trat ans Fenster und ließ seine Faust gegen die Scheibe donnern. Er fühlte sich so hilflos. »Ich … Ich muss informiert werden. Und lassen Sie Royal überwachen. Ihm darf nichts passieren.«
»Natürlich.« Harris‘ Stimme klang gepresst.
»Gut. Und ich möchte darüber informiert werden, wo sich Royal aufhält. Jederzeit.«
Harris schnaubte in den Hörer. »Wie stellen Sie sich das vor? Haben Sie den Eindruck, Sie wären mein einziger Klient?«
Gideon feuerte seine Faust erneut gegen die Scheibe. »Es ist mir scheißegal, wie viele Klienten Sie haben. Ich will wissen, wo sich Royal aufhält. Richten Sie von mir aus einen Newsticker ein, oder einen Livestream, entwickeln Sie eine App. Ich will einfach nur wissen, wo er sich befindet, und zwar vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tage die Woche, bis die Situation geklärt ist.«
Der Mann am anderen Ende der Leitung schwieg. Lange. Viel zu lange. So lange, dass Gideons Herz in einen dumpfen, monotonen Rhythmus verfiel. Schließlich seufzte er. »Ich werde sehen, was ich tun kann. Und Sie müssen mir versprechen, nicht eigenmächtig zu handeln. Wir informieren unsere Kunden normalerweise erst, wenn wir sichere Beweise haben.«
»Dieses Mal … Dieses Mal ist es anders. Ich muss es einfach wissen.« Gideon ließ die Stirn gegen das Glas sinken.