Lost Limits - Desire Passion Darkness - T.C. Daniels - E-Book

Lost Limits - Desire Passion Darkness E-Book

T.C. Daniels

0,0
9,49 €

oder
-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Sammelband 1 Als der schwerreiche Unternehmer Gideon McDermott das erste Mal auf den Fotografen Royal trifft, weiß er eines ganz genau: Er muss ihn haben. Kurzentschlossen macht er Royal ein Angebot, das dieser unmöglich ablehnen kann. Aber Royal hat kein Interesse an Männern und lässt Gideon wieder und wieder abblitzen, bis er ihm nicht länger widerstehen kann. Die beiden Männer kommen sich immer näher, definieren ihre Grenzen neu und erfahren Momente voller Leidenschaft und Nähe. Doch Royals Vertrauen in Gideon ist zerbrechlich, und als dessen Vergangenheit ihn einholt, wird Royal zu einer Schachfigur in einem perfiden Spiel aus Macht, Rache und Schmerz. Gideon versucht alles, Royal aus den dunklen Machenschaften seines Feindes herauszuhalten, doch dann verschwindet Royal ... In diesem Sammelband sind die folgenden Teile enthalten: Lost Limits - Desire Lost Limits - Passion Lost Limits - Darkness Es gibt keine Abweichungen im Inhalt zu den bereits erschienen Bänden. Bitte beachte, dass es sich hierbei um eine Dark Romance handelt. Zu Beginn des Buches erhältst du eine Triggerwarnung.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB

Veröffentlichungsjahr: 2023

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Lost Limits

DESIRE PASSION DARKNESS

SAMMELBAND 1

T.C. DANIELS

Inhalt

Lost Limits

Vorwort & Triggerwarnung

Band 1

Lost Limits - Desire

Prolog

Eins

Zwei

Drei

Vier

Fünf

Sechs

Sieben

Acht

Neun

Zehn

Elf

Zwölf

Dreizehn

Vierzehn

Fünfzehn

Sechzehn

Siebzehn

Achtzehn

Neunzehn

Zwanzig

Einundzwanzig

Zweiundzwanzig

Band 2

Lost Limits - Passion

Eins

Zwei

Drei

Vier

Fünf

Sechs

Sieben

Acht

Neun

Zehn

Elf

Zwölf

Dreizehn

Vierzehn

Fünfzehn

Sechzehn

Siebzehn

Achtzehn

Neunzehn

Zwanzig

Einundzwanzig

Zweiundzwanzig

Dreiundzwanzig

Vierundzwanzig

Band 3

Lost Limits - Darkness

Eins

Zwei

Drei

Vier

Fünf

Sechs

Sieben

Acht

Neun

Zehn

Elf

Zwölf

Dreizehn

Vierzehn

Fünfzehn

Sechzehn

Siebzehn

Achtzehn

Neunzehn

Zwanzig

Einundzwanzig

Zweiundzwanzig

Dreiundzwanzig

Vierundzwanzig

Fünfundzwanzig

Sechsundzwanzig

Nachwort

Lost Limits

SAMMELBAND 1

T.C. Daniels

1. Auflage

Copyright © 2023 T.C. Daniels

Covergestaltung: Katie Weber von www.kreationswunder.de

T.C. Daniels

c/o WirFinden.Es

Naß und Hellie GbR

Kirchgasse 19

65817 Eppstein

[email protected]

Mein Newsletter

Alle Rechte vorbehalten.

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors. Personen und Handlungen sind frei erfunden, etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Markennamen sowie Warenzeichen, die in diesem Buch verwendet werden, sind Eigentum der rechtmäßigen Besitzer.

Vorwort & Triggerwarnung

So leidenschaftlich Royal und Gideon sich in meinen Kopf und mein Herz geschlichen haben, so leidenschaftlich ist auch ihre Geschichte. Zwei Männer, von der Vergangenheit beherrscht, versuchen einfach zu überleben. Jeder auf seine Weise.

Ob und wie ihnen das gelingt, wirst Du in der Lost-Limits-Reihe herausfinden. Du hältst hier gerade den ersten Sammelband in der Hand, der die ersten drei Bände der Reihe enthält.

Ich freue mich, dass Du Royal und Gideon kennenlernen willst, nichtsdestotrotz möchte ich Dich nicht ins kalte Wasser werfen. Ich weiß, dass es dort draußen Menschen gibt, die Schlimmes hinter sich haben. So schlimm wie Royal und Gideon.

Und für Dich möchte ich diese Triggerwarnung aussprechen. Sie enthält potentielle Spoiler und solltest Du nicht von einem Trauma oder einer Traumabewältigungsstörung betroffen sein, so empfehle ich Dir, hier weiterzublättern.

Für alle anderen:

Dieses Buch enthält potentiell triggernde Inhalte. Es werden unter anderem sexuelle Gewalt und psychische Erniedrigungen thematisiert. Es werden Traumabewältigungsstrategien angedeutet, die im Roman vielleicht funktionieren. Im wahren Leben ist es jedoch immer gut und richtig, sich professionelle Hilfe zu suchen.

BandEins

Lost Limits - Desire

Nichts, was sich wirklich lohnt,

ist einfach.

Brian Tracy

Prolog

Gideon

Gideon beobachtete den jungen Kellner, der sich mit seinem Glenturret-Whisky auf dem Tablett, durch die Tische schlängelte und auf ihn zukam. Er schenkte ihm ein Augenzwinkern und stellte den Kristall-Tumbler vor ihm auf den Tisch. Seine dunklen Nippel blitzten verführerisch durch das schwarze Fischgräten-Shirt und das Piercing an der linken Brustwarze glitzerte einladend. Er trug eine Lederhose, die nicht viel der Fantasie überließ und jede seiner Konturen vorteilhaft betonte. Seine schmalen Hüften, den runden Po, das üppige Geschlecht. Seine ganze Erscheinung war eine einzige Aufforderung und sein Verhalten gleichzeitig verlockend und unterwürfig. Gideon leckte sich über die Lippen, denn der Mann reizte ihn. Er lehnte sich in den weichen, dunkelroten Sessel zurück, ohne den Mann weiter zu ermuntern.

Der Kellner zog sich daraufhin diskret zurück, nicht ohne ihm noch einen letzten bedauernden Blick zuzuwerfen, dann war Gideon allein mit seinem Edelwhisky, den Dalton, einer seiner wenigen Freunde und gleichzeitig der Besitzer des Darkside Amour, ihm extra aus Schottland importiert hatte, weil er wusste, dass er ihn gern trank.

Guter Mann.

Gideon nippte an seinem Getränk und die zitronige Note vermischte sich mit seinem Hunger nach Sex. Sein Körper stand so sehr unter Spannung, dass er kaum wusste, wohin mit sich. Seine letzte sexuelle Begegnung lag schon viel zu lange zurück und er ihm war klar, dass er sich bald nach einem geeigneten Kandidaten umsehen musste.

Vielleicht würde er später nochmal in den Club zurückkommen und Dalton um Rat fragen. Aber zuerst musste er noch zu einem anderen Termin. Der kurze Abstecher ins Darkside Amour war sein Kompromiss, damit er nicht vollends durchdrehte. Nur für eine Stunde. Nur ein bisschen zusehen. Gideon seufzte.

Er setzte sich jedoch auf, als er bemerkte, dass der Raum auf der anderen Seite des Beobachter-Spiegels von einem Pärchen betreten wurde. Früher oder später war es immer so weit. Das rote Zimmer war bei schwulen Paaren beliebt. Vor allem, weil sich dort drin eine Menge verschiedener Spielsachen und Möglichkeiten befanden. Möglichkeiten, einander Lust zu verschaffen. Möglichkeiten, seinen Partner zu quälen oder ihn zu kontrollieren. Gideon saß sehr oft auf der anderen Seite des Spiegels. Man konnte schon fast sagen, dass es sich um seinen Stammplatz handelte. Hier war er der stumme Augenzeuge, wie andere Menschen sich in ihrer Lust verloren. Diese Menschen zu beobachten, törnte ihn an. Manchmal stieß es ihn ab. Oft frustrierte es ihn, dass er nicht selbst Hand anlegen konnte, dann aber war er wieder froh um die Anonymität seiner Position. Er blieb der Zuschauer auf der anderen Seite des Spiegels. Hier konnte er vergessen, wer er war und welche Dämonen ihn umtrieben.

Gideon war sich nicht sicher, ob er das Paar schon mal an einem anderen Abend beobachtet hatte. Aber er war sich sicher, dass sie einander schon länger kannten. Er erriet es an ihren vertrauten Bewegungen. An der Routine, wie der ältere Mann den jüngeren an das Bettgestell fesselte und ihn mühelos erregte. Der Schwanz des jüngeren Mannes war prall nach oben gereckt und bettelte um Erlösung, die der ältere Mann ihm Minute um Minute versagte.

Gideon rutschte auf seinem Sitz umher. Er spürte, wie eine quälende Erregung von ihm Besitz ergriff. Er brauchte wirklich einen Fick. Hätte er in diesem Moment mehr Zeit, würde er sogar selbst Hand anlegen, es wäre nicht das erste Mal. Aber so würde er sich mit den optischen Reizen begnügen müssen und später mit den Erinnerungen an die beiden in sein Bett gehen.

Der ältere Mann reizte den jüngeren weiter. Er liebkoste seinen gesamten Körper, indem er ihn mit Küssen bedeckte, dabei aber bewusst sein Genital aussparte. Gideon sah, wie der jüngere sich beherrschen musste, um nicht augenblicklich zu kommen. Seine Eichel glitzerte im schummrigen roten Licht des Raumes von den Lusttropfen und Gideon lief das Wasser im Mund zusammen. Er konnte den salzigen Geschmack auf seiner Zunge förmlich schmecken.

Gideon konnte ein Stöhnen nicht zurückhalten, als der ältere Mann den jüngeren schließlich erlöste und mit der Zunge die Tropfen, die sich auf seiner Eichel gebildet hatten, genüsslich und qualvoll langsam ableckte. Gideon schluckte, als wäre er es gewesen. Seine Hose spannte, sein Schwanz zuckte schmerzhaft und er hätte nichts lieber getan, als sich selbst ein klein wenig Erleichterung zu schenken.

Er umklammerte sein Whiskyglas und leerte es in hastigen Schlucken, während er das Schauspiel weiter beobachtete. Der ältere Mann fing an, den jüngeren oral zu befriedigen, und Gideon bewunderte die Hingabe, mit der er dieser Aufgabe nachging. Es war Jahre her, seit Gideon das bei einer anderen Person getan hatte.

Bei Weitem nicht lange genug.

Gideon trank schneller, während der ältere Mann seine Bewegungen beschleunigte und sein Partner sich ekstatisch auf dem Bett wand.

Ja. Er war gut. Er hörte im genau richtigen Moment auf. Gideon sah es an der Spannung, die aus dem Körper des jüngeren Mannes wich, einen winzigen Moment, bevor er explodiert wäre.

Sein Whisky war leer, obwohl Gideon sich wünschte, er hätte noch welchen. Er beugte sich vor, weil er nichts verpassen wollte. Nicht, wie der junge Mann gedehnt wurde, nicht, wie sein Loch vom Gleitgel glitzerte. Nicht, wie der ältere Mann mit seinem dicken Schwanz Zentimeter um Zentimeter in ihn eindrang.

Gideon schluckte und sah dabei zu, wie sein Schwanz den Körper des jungen Mannes vollkommen ausfüllte. Sein Blick schoss zum Gesicht des älteren Mannes. Er sah die Ekstase und die Lust, er sah die Beherrschung und gleichzeitig die Freude darin.

Welche Emotionen waren auf seinem Gesicht zu lesen?, fragte er sich unwillkürlich.

Der ältere Mann beugte sich vor und küsste seinen Partner sanft auf den Mund. Die beiden trieben es in der Missionarsstellung miteinander.

Viel zu intim. Gideon fickte so nicht. Niemals. Noch nie hatte er einen Mann auf diese Weise genommen.

Er betrachtete die Gesichter der beiden Männer, registrierte, wie ihre Blicke ineinander tauchten, wie sie in einer Welt versanken und sich ineinander verloren. Ihre Körper wurden zu einem, ihre Bewegungen gingen in einen gemeinsamen Rhythmus über, sie strahlten eine Schönheit aus, die eine jähe Wut in Gideon heraufbeschwor, die ihn nicht überraschte, denn er war ihr schon oft begegnet.

Mit einer schnellen Bewegung knallte er das Glas zurück auf den Tisch und erhob sich ruckartig. Sein Ständer drückte noch immer schmerzhaft gegen seinen Reißverschluss, aber er ignorierte ihn. Er würde nicht wichsen und diese beiden Männer dabei vor Augen haben.

Wenn er fickte, dann ging es um Sex.

Wenn er fickte, dann gab es keine Liebe und schon gar keine Gefühle.

Eins

Gideon

Die Ausstellung war gut besucht für einen noch unbekannten Künstler. Cherry, die Galeristin, eine Bekannte von ihm, hatte ein furchtbares Geheimnis aus den Bildern gemacht, weshalb Gideon neugierig auf die Ausstellung gewesen war.

Er liebte Kunst und alles was damit zu tun hatte. Andere rauchten teure kubanische Zigarren oder spielten Golf, er kaufte sich schier unbezahlbare Bilder und hängte sie in sein Haus.

Nachdem er ein Glas Champagner entgegengenommen hatte, schlenderte er durch die Ausstellungsräume. Für seinen Besuch im Darkside Amour hatte er die Eröffnungsrede der Ausstellung sausen lassen und jetzt wusste er nicht recht, ob er lachen oder Cherry für ihre weise Voraussicht beglückwünschen sollte. Wenn sie auch nur eines der Ausstellungsstücke beworben hätte, wäre die Galerie heute leer geblieben, dessen war er sich sicher.

Gideon betrachtete unauffällig die Gesichter der anderen Besucher und schmunzelte innerlich über die bemüht ernsthaften Mienen, während sie den Fotografien an der Wand einen Sinn abzuringen versuchten. Er würde zu gern wissen, was sie davon hielten.

Weil er Cherry nicht ausmachen konnte, schlenderte er durch die perfekt ausgeleuchteten Räume. Perlendes Gelächter, leises Gemurmel und das Klacken von Absätzen auf dem Parkett drang an seine Ohren und ergab eine angenehme Geräuschkulisse, die ihm sehr vertraut war. Das langgezogene Vibrieren seines Handys unterbrach den Frieden und er nahm den Anruf entgegen, ohne auf das Display zu achten.

»Hallo Bruderherz«, sagte Sterling auch schon und sein warmherziges Lachen drang an Gideons Ohr. Es war so warmherzig, dass seine Hände augenblicklich zu zittern begannen und das Handy seinen Fingern entglitt und zu Boden fiel.

Gideon bückte sich hastig. Er bemerkte, wie sich ein paar Leute zu ihm umdrehten, und es fühlte sich an, wie ein kleiner Tod. Er griff nach dem Handy, hielt es sich ans Ohr und eilte dann mit letzter Kraft in einen der hinteren Räume, der zum Glück verlassen da lag.

Der Rhythmus seines Herzens glich dem einer alten Dampflok. Schnaufend und wummernd. Nie endend. Gideon hielt seine freie Hand in die Höhe und das sichtbare Zittern war erschreckend. Er hasste es so abgrundtief. Er hasste sich selbst so abgrundtief.

»Du bist heute nicht gerade zum Reden aufgelegt, oder? Feierst du gerade eine fette Party, zu der du mich nicht eingeladen hast?«, fragte Sterling und lachte über seinen eigenen Witz.

Gideon schluckte. »Nein«, sagte er dann. Er hasste sich noch ein bisschen mehr, weil es ihm nicht mal mit sechsunddreißig Jahren gelang, sich gegen seinen Bruder zu behaupten.

»Nein was? Du hast keine Lust zu reden? Keine Party? Gott, Gideon. Dein Mund ist ganz schön lahm geworden.«

»Ich bin auf einer Ausstellung.«

»Verstehe. Hast du meine Mail bekommen? Dass ich wieder nach San Francisco gezogen bin?«

»Ja«, sagte Gideon. Er schloss die Augen, weil er spürte, dass jedes Wort, das Sterling aussprach, ihn seiner Energie beraubte.

»Und bist du mal auf die Idee gekommen, mir zu antworten?«

»Ich habe es wohl vergessen«, antwortete Gideon. Er strich sich mit seiner zitternden Hand über die Stirn, spürte, dass ihm der Schweiß ausgebrochen war, versuchte, den Aufruhr in seinem Innern irgendwie niederzuringen, aber es wollte ihm nicht gelingen.

Natürlich nicht. Das wollte es nie.

»Das fällt mir schwer zu glauben. Du bist doch sonst ein richtiger Kontrollfreak.« Sterling lachte wieder. »Hör zu, lass uns demnächst mal Essen gehen, ja? Und es ist ja wohl klar, dass ich zukünftig an den Vorstandssitzungen teilnehmen werde, oder?«

Nicht auch noch das.

»Natürlich«, sagte Gideon.

»Gut. Wir hören uns. Viel Spaß noch auf der Ausstellung.«

Sterling legte auf und Gideon ließ das Handy sinken. Sein Kiefer hatte sich verkrampft und sein Blick war verschwommen. Sein gesamter Körper schien nicht mehr zu ihm zu gehören, während Sterlings Stimme sich wie ein nicht enden wollendes Echo in seinem Kopf wiederholte.

Er hasste es. Hass. Hass. Hass!

»Hey, geht es Ihnen gut?«, fuhr eine tiefe Stimme in seine Gedanken und ließ Gideon zusammenzucken. Sein Handy fiel ein weiteres Mal zu Boden und er sah ihm wie hypnotisiert hinterher. Er entdeckte Risse auf dem Display. Offenbar hatte es den zweiten Sturz nicht unbeschadet überstanden.

»Oh Mist. Jetzt haben Sie gerade die Spider-App installiert. Warum tun Sie das denn?«, fragte die Stimme und Gideons Blick klärte sich so langsam. Er entdeckte breite Schultern in einem dunklen Smoking, die zu einem Mann gehörten, der sich jetzt gerade nach seinem Handy bückte. Sein Haar war lang, sodass er es mithilfe eines unordentlichen Dutts nach hinten gebunden hatte. Zusammen mit dem eleganten Smoking verlieh ihm das ein wildes, unbändiges Aussehen.

Er hob seinen Kopf und ihre Blicke begegneten sich.

Unwillkürlich hielt Gideon die Luft an. Verdammt. Das war irgendwie angsteinflößend. Menschen, die solche Augen hatten, sollten nicht frei in der Gegend herumlaufen.

Gideon konnte nichts anderes tun, als in die grünen Augen seines Gegenübers zu starren. Bei genauerem Hinsehen erkannte er einen goldenen Ring um die Pupille, der sich nach außen hin in sanfte Strahlen ausbreitete und schließlich in dieses faszinierende Grün überging.

»Das ist gerade unheimlich.«

Er hatte einen Bart. Einen dichten, dunklen Vollbart, der ihn männlich und trotzdem gepflegt aussehen ließ und in Gideon den Wunsch heraufbeschwor, mit den Fingerspitzen darüber zu streichen.

»Können Sie aufhören, mich anzustarren, als wäre ich ein totes Wiesel?«

Gideon blinzelte, dann merkte er, dass der fremde, schöne Mann gerade mit ihm sprach. Wiesel? Welches Wiesel?

»Ihr Handy. Spider-App. Ich wollte witzig sein. Zumindest witziger als die jämmerlichen Bilder hier, die diese Ausstellung nicht verdient haben.«

Gideon sah sich um und fragte sich, wovon der Mann eigentlich sprach. Sein ganzer Körper schmerzte von der Anspannung, die ihn noch immer gefangen hielt. Seine Hände zitterten, wenn auch nicht mehr so stark wie noch vor ein paar Minuten.

Oder waren schon Stunden vergangen seit Sterlings Anruf?

»Okay. Sie haben keine Lust zu reden. Kann ich verstehen. Mir ist die Lust auch vergangen. Ich lass Sie jetzt in Ruhe. Tut mir leid mit Ihrem Handy.«

»Nein!«, sagte Gideon schnell.

Der Mann, der sich bereits von ihm abgewandt hatte, drehte sich nun wieder zu ihm um und musterte ihn neugierig. »Nein?«

»Ich … ich war nur in Gedanken«, sagte Gideon und wäre am liebsten im Boden versunken. Das machte diese verdammte Situation mit ihm! Sterlings Stimme, das Händezittern, der kurze Moment des Kontrollverlusts. Grüne Augen, dichte Bärte. Das war einfach ein bisschen viel für den Augenblick!

Die Augen des Fremden funkelten. »Okay.«

»Sie mögen die Bilder also nicht?« Gideon räusperte sich und zwang seinen Geist dazu, wieder vollends in die Gegenwart zurückzukehren. Das gelang ihm nicht immer. Offengestanden warfen ihn die Kontakte mit Sterling regelmäßig aus der ansonsten geordneten Laufbahn seines Lebens. Immer wieder. Und dann brauchte er mehrere Stunden, bis er sich wieder einkriegte. Aber offenbar hatte der Fremde die Abwärtsspirale mit seinem Gerede über Spider-Apps und tote Wiesel unterbrochen, und Gideon davor bewahrt, in die Tiefen seiner Dunkelheit abzutauchen.

»Nicht wirklich.« In der Stimme des Fremden schwang Unglauben und auch ein wenig Amüsement mit. »Sie etwa?«

Gideon wandte sich zu den Fotografien um, die groß und schnörkellos an den Wänden hingen und von indirektem Licht dezent beleuchtet wurden. Er legte den Kopf schief und versuchte sich eine kluge Antwort einfallen zu lassen. »Ich mag irgendwie das Lichtspiel«, sagte er dann.

Der Mann neben ihm blinzelte, dann öffnete er den Mund, als wollte er etwas sagen. Aber es kam kein Wort dabei heraus, dann schloss er ihn wieder. Das brachte Gideon zum Lachen. »Was?«

»Das ist Ihr Ernst, oder?«

Bevor Gideon antworten konnte, fuhr der fremde Mann aber fort. »Es ist Ihr Ernst. Er hat Jalousien fotografiert.«

Jalousien. Jalousien? Vermutlich hätte Gideon mal einen Blick ins Programmheft werfen müssen.

»Sie waren nicht bei der Eröffnungsrede dabei, zumindest habe ich Sie dort nicht gesehen«, sagte der Fremde.

Er hatte ihn nicht gesehen. Hieß das, er wäre ihm aufgefallen?

»Wenn Sie dabei gewesen wären, hätten Sie mitbekommen, wie großkotzig er davon erzählt hat, wie er das Lichtspiel mit einer simplen Ikea-Lampe erzeugt hat. Ich meine … wir sind hier in San Francisco. Wir haben jede Menge verdammt starkes, absolut geniales, natürliches Licht! Und er erzeugt künstliches Licht mit einer Lampe von Ikea und erzählt es auch noch? Hat er denn gar keine Berufsehre?«

Der Mann schüttelte den Kopf und Gideon musste unwillkürlich über die Empörung des Mannes grinsen. Der betrachtete ihn von der Seite her, dann schnaubte er. »Sie finden das wirklich witzig.«

»Ich bin mir gerade nicht sicher.«

»Das ist nicht witzig«, betonte der Mann.

Hippie, dachte Gideon plötzlich. Er sah ein bisschen aus, wie ein Hippie, der sich verkleidet hatte. Nur dass er verdammt gut roch und auch noch gepflegt aussah. Jetzt fuhr er sich mit sorgfältig manikürten Fingern über seinen gestutzten Bart und schüttelte wieder den Kopf. Der Ärmel seines Smokings rutschte etwas hoch und offenbarte neben ein paar Lederarmbändern auch noch die unteren Ausläufer eines verschnörkelten Tattoos.

Interessant.

Gideon räusperte sich, weil seine Hals in den vergangenen Minuten ziemlich trocken geworden war. Dieser Mann war heiß und Gideon hatte ganz bestimmt nicht damit gerechnet, jemanden wie ihn in einer Galerie zu treffen.

Das war … magisch.

»Haben Sie auch was dazu zu sagen?«, fragte der Mann nach und zog seine dunklen Augenbrauen auffordernd in die Höhe. Seine grünen Augen blitzten und Gideon war sich nicht sicher, ob er darin Humor entdeckte oder Spott. Vielleicht auch beides.

»Nun, immerhin ist er hier. Er hat eine Ausstellung. Irgendwie scheint er es also geschafft zu haben.«

Der Fremde schnaubte wieder. »Sie beurteilen sein Können also danach, dass er seine Bilder in einer Galerie ausstellt? Was ist, wenn er mit der Galeristin geschlafen hat?«

»Hat er nicht«, sagte Cherry schmunzelnd, die hinter ihnen aufgetaucht war. Gideon konnte sich ein Lachen nicht verkneifen, was ihm einen bösen Blick des umwerfenden Fremden einbrachte, der zu Cherry herumgefahren war.

»Tut mir leid. Das war eine Grundsatzdiskussion und Gefälligkeitssex war einfach nur ein schlechtes Beispiel«, sagte der Mann entschuldigend und verzog das Gesicht.

»Schon gut. In einer Grundsatzdiskussion darf ein gutes altes Vorurteil einfach nicht fehlen«, sagte Cherry mit einem Augenzwinkern. Und dann tat sie das, was Gideon schon längst hätte tun sollen und reichte dem Fremden die Hand. Sie stellte sich vor und als der Fremde es ihr gleichtat, rann Gideon ein Schauer den Rücken hinunter.

»Ich bin Royal.«

* * *

Royal hatte einen natürlichen Charme an sich, deshalb hatte Cherry ihm seine Bemerkung schnell verziehen und diskutierte mit ihm nun über die Bilder.

Royal vertrat weiterhin sehr konsequent die Meinung, dass sie besser in einem Hinterzimmer einer Wäscherei in Chinatown aufgehoben wären als in einer Galerie, während Cherry mit ihren Argumenten dagegenhielt.

Das gab Gideon die Gelegenheit, die beiden zu beobachten. Er nippte an seinem Champagner, und betrachtete den Mann. Wenn Haut schimmern könnte, würde sie es vermutlich tun. Er hatte diesen bronzefarbenen Hautton, der wirkte, als hätte die Sonne San Franciscos noch ein paar Glitzerpartikel draufgestreut, bevor er die Galerie betreten hatte. Und von seinem Körper ging dieser Duft aus, dieser verdammt heiße Duft nach Sonne, Wind und Orangen.

Fuck.

Vermutlich halluzinierte er, weil er noch immer halb in diesem Flashback von vorhin feststeckte und noch nicht richtig wieder in der Gegenwart angekommen war. Dieser Mann verwirrte ihn auf eine merkwürdige Weise. Und er erregte ihn. Mehr, als es gut war. So sehr, dass er unauffällig seine Hose zurechtrücken musste, um keinen negativen Eindruck zu vermitteln.

Er sollte Cherry sagen, dass sie diesen Mann als lebendes Objekt an die Wand tackern sollte und ihre Bude wäre tagein, tagaus gerammelt voll.

Gideon leerte den Champagner und nahm sich ein neues Glas von einem Tablett in der Nähe, während er Cherrys und Royals Diskussion lauschte. Roch sie es nicht? Diese Orangen? Stellte sein Lachen nichts mit ihr an? Reagierte nur er so irrational auf Royal?

Das musste an der Parallelwelt liegen, in die er kurzzeitig abgetaucht war. Das war wohl zuviel gewesen für seinen Verstand. Es änderte aber nichts daran, dass er Royal auf eine Art attraktiv fand, wie er schon lange keinen Mann mehr attraktiv gefunden hatte. Auf diese Art, wie man als Kind ein Spielzeug in der Werbung sah und nächtelang davon träumte. Man konnte an nichts anderes mehr denken. Nur diesem Spielzeug würde es gelingen, wieder einen glücklichen Menschen aus ihm zu machen. Nur damit würde er seinen Frieden finden.

Der Fremde lachte und eine Gänsehaut breitete sich auf Gideons Körper aus. Nein. Er war kein Fremder mehr. Er hatte einen Namen bekommen. Einen lächerlichen, dämlichen Namen.

Royal.

Scheiße. Er passte zu ihm.

Keine Ahnung, was mit ihm los war, aber in seinem Kopf hatte ein Karussell begonnen, sich zu drehen. Ein Karussell, das ihm in jeder Runde den Namen des Mannes zuflüsterte.

Royal.

Oh man.

Gideon leerte sein Glas wieder und nickte. Er entfernte sich von Royal und Cherry, weil er unbedingt ein bisschen Abstand von ihm brauchte. Er hatte wirklich, wirklich das Gefühl, demnächst überzuschnappen. Und er konntenicht garantieren, dass er dann nicht irgendetwas Dummes anstellte. Immerhin ging es hier um ein ausgesprochen begehrenswertes Spielzeug und Gideon hatte Blut geleckt.

Aber vorher erinnerte er sich an seine Verpflichtungen und stürzte sich ins gesellschaftliche Leben. Er fühlte sich nach der Attacke von vorhin wieder stark genug und unterhielt sich mit einigen Geschäftspartnern, während er den Blick immer wieder unauffällig durch die Galerie schweifen ließ, auf der Suche nach seinem persönlichen Lieblingsmodel. Ein diskreter Blick auf seine Armbanduhr, ein paar Stunden später, sagte ihm, dass seine gesellschaftlichen Verpflichtungen für den heutigen Abend erfüllt waren.

Was den künstlerischen Aspekt betraf, hatte er zwar eine Enttäuschung erlebt, da musste er Royal einfach recht geben. Nachdem er nämlich von dem Detail mit der Ikea-Lampe erfahren hatte, konnte er einfach überhaupt keine Kunst mehr an den Aufnahmen erkennen. Sie wirkten billig und verlogen.

Ein tiefes Lachen ließ ihn aufsehen und seine Augen begaben sich auf die Suche nach seinem Besitzer. Da stand er. An seinem Arm hing nun eine zierliche Frau, die in Gideons Alter sein musste und damit ein paar Jahre älter als Royal.

Gideon blinzelte und beobachtete die beiden. Wie Royal sich zu ihr beugte, über etwas lachte, was sie sagte, wie er seine Hand auf ihre legte, und die andere über ihren Rücken gleiten ließ und sie auf diese Weise sanft führte. Er war der vollendete Gentleman.

Gideon biss die Zähne zusammen. Er hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit. Vor allen Dingen nicht mit der Enttäuschung, die durch ihn sickerte, wie dreckiges Regenwasser in eine Grube. Verdammt, was war nur los mit ihm? Warum stellte er sich so an?

Das nächste Mal würde er auf sein Display schauen, bevor er den Anruf entgegennahm oder besser gleich Sterlings Nummer sperren lassen. Und am besten sollte er sich einfach vorher einen runterholen, anstatt voller Anspannung zu einer drittklassigen Ausstellung zu fahren. Dann würde ein Mann wie Royal, mit einem merkwürdigen Namen wie Royal, ihn auch nicht so aus dem Konzept bringen.

Royal sah auf und ihre Blicke verhakten sich ineinander. Er machte wieder dieses Ding mit seiner Augenbraue und seine Augen funkelten auf diese zweideutige Weise, bei der Gideon sich nicht sicher war, ob sie ihn gerade liebkosten oder verspotteten, dann gingen die beiden auch schon an ihm vorüber.

Gideon sah ihnen unauffällig hinterher. Er musste zugeben, dass Royals Freundin attraktiv war. Sie war eine der schönsten Frauen im Raum, hatte eine einnehmende Persönlichkeit und schien gern zu lachen, sodass die beiden immer in Grüppchen mit anderen Menschen zusammenstanden. Gideon fluchte leise, dann schnappte er sich sein Handy, das trotz der Spider-App – wie Royal es so treffend ausgedrückt hatte – immer noch funktionierte, und schrieb eine Nachricht an seinen Fahrer. Noch zehn Minuten, dann würde er von hier verschwinden.

Eine kalte Dusche oder ein Porno. Vielleicht reichten heute aber auch einfach nur seine Erinnerungen an dunkelgrüne, spöttisch dreinblickende Augen und sonnengeküsste Haut, um ihn zum Kommen zu bringen.

Zehn Minuten später hatte er sich gerade von Cherry verabschiedet, nachdem sie noch einen kleinen, gemeinen Witz über Ikea-Lampen gerissen hatten, als er die Tür schon fast erreicht hatte, da erregte ein breiter Rücken seine Aufmerksamkeit, der sich in Richtung der Toiletten bewegte und dort drin verschwand.

Und vielleicht war an diesem merkwürdigen, verrückten Abend voller Spider-Apps, Ikea-Lampen, Jalousien-Fotografien und unerledigter Handjobs einfach sein Gehirn überfordert, denn Gideon ging ihm hinterher. Er betrat den Waschraum und erfasste mit einem Blick die Lage. Sie waren allein und er war froh darüber.

Er ließ Royal seine Privatsphäre und wusch sich die Hände, bis dieser am Waschbecken neben ihm auftauchte und ihn durch den Spiegel hindurch betrachtete. Wieder dieser Blick.

Spott oder Sympathie?

Wie machte er das?

»Haben Sie eines dieser Bilder gekauft?«, fragte Royal und trocknete sich die Hände ab.

Gideon schmunzelte. »Warum denken Sie das?«

»Weil Sie Geld haben.«

Gideon lachte. »Es gibt andere Arten, sein Geld zu verteilen. Bessere Arten.«

»Ich bin erleichtert, das zu hören.«

»Cherry hat mir verraten, dass er drei Bilder verkauft hat.«

Royal verdrehte die Augen. »Ich wette zwanzig Mäuse, dass er sie selbst gekauft hat, um andere Leute zum Kaufen zu animieren.«

Aus einem Impuls heraus streckte Gideon Royal seine Hand entgegen. »Ich halte dagegen.«

Royal musterte Gideons Hand einen Moment, dann ergriff er sie und grinste. »Das meinten Sie, als Sie sagten, dass es andere Wege gibt, sein Geld unter die Leute zu bringen?«

Gideon lachte wieder. Unfassbar, wie oft er heute schon gelacht hatte, obwohl der Abend so unschön begonnen hatte. »Vielleicht.« Aus seiner Hosentasche zog er eine Visitenkarte und reichte sie Royal. »Rufen Sie mich an.«

Zwei

Gideon

Er hatte nicht angerufen. Und es wäre eine Lüge, wenn er sagen würde, dass es ihm nichts ausmachte. In Wahrheit war es nämlich so, dass er richtig angepisst war. Er konnte seine Empfindungen kaum kontrollieren, keinen klaren Gedanken fassen. Ständig musste er an grüne Augen denken, die ihn spöttisch musterten. Es war einfach zum Verrücktwerden!

Wenn er es nicht besser wüsste, würde er vermuten, dass er eine kleine, aber feine Obsession entwickelt hatte für einen Mann namens Royal, über den er eigentlich nichts wusste, außer, dass er verdammt gut aussah und dass er sich in seiner Anwesenheit gut gefühlt hatte. Er konnte es drehen und wenden wie er wollte, aber Royal hatte es mit seiner ungezwungenen, lockeren Art geschafft, ihn in einem ziemlich kritischen Moment aus einem nahenden Flashback zu holen, und das war bemerkenswert.

Vielleicht hatte Royal nicht mal bemerkt, in welchem Zustand sich Gideon befunden hatte, aber das war auch egal. Er selbst wusste es und er wollte herausfinden, was es mit diesem Mann auf sich hatte. Er wollte dieses Spielzeug!

Gideon erhob sich von seinem Schreibtisch und trat an die Fensterfront, die zwei Seiten seines Büros einfasste. Unter sich floss der unendliche Strom aus Autos und Straßenbahnen dahin. Kein Geräusch drang bis nach hier oben. Hier war er sicher. Seine kleine gläserne Hülle.

Er vergrub die Hände in den Taschen seiner Anzughose und sah durch den Spalt der Wolkenkratzer vor ihm, durch den er einen Blick auf das Meer und die Golden Gate Bridge erhaschte. Der Nebel des Morgens hatte sich inzwischen verzogen und die Sonne hatte die Überhand gewonnen.

Sein Leben war gut, alles war in Ordnung. Zumindest meistens. Er sollte sich diesen merkwürdigen Mann aus dem Kopf schlagen. Grün funkelnde Augen, unordentliche Haare und spöttisch hochgezogene Augenbrauen waren die Vorstufen von Ärger.

Gideon mochte das Leben, das er führte und die darin fest verankerten Routinen und Gebote. Es war eine spontane, wenn auch dumme Idee gewesen, Royal seine Visitenkarte zu geben. Und offenbar hatte der Mann ohnehin kein Interesse an ihm. War ja auch klar, immerhin hatte er eine Freundin.

Gideon konnte froh sein, dass er nicht angerufen hatte. Daraus hätten sich andere Probleme ergeben und die ganze Sache wäre noch merkwürdiger und komplizierter geworden.

Ja, Royal war ein attraktiver Mann und womöglich hatte Gideon sich an jenem Abend ein bisschen zu ihm hingezogen gefühlt. Aber im Nachhinein konnte er nicht mal mehr mit Sicherheit sagen, ob es wirklich nur an Royal gelegen hatte, oder daran, dass der Anruf ihn so aus der Bahn geworfen und aufgewühlt hatte. Wahrscheinlich hatte sich Royals Wirkung auf ihn einfach nur auf eine eigentümliche Weise potenziert.

Vermutlich würde er ganz anders empfinden, wenn er Royal nochmal auf offener Straße begegnen würde. Vielleicht wäre es dann sogar peinlich und unangenehm. Also war es besser, dass dieser kleine Ausrutscher ohne Folgen blieb.

* * *

Es war kein Ausrutscher gewesen.

Die Erkenntnis traf ihn wie der Schlag mit der Keule, als er die Kunstausstellung langsam durchschritt und ein bekannter Rücken in einiger Entfernung vor ihm auftauchte. Die plötzliche Beklemmung gepaart mit fiebriger Erregung, die er verspürte, als er Royal entdeckte, sagte ihm, dass man sich viel einreden konnte, aber die Wahrheit holte einen doch immer wieder ein.

Fuck.

Gideon leerte seinen Champagner und schnappte sich ein neues Glas vom Tablett eines vorbeigehenden Kellners. Er tat so, als würde er ein Exponat betrachten, aber eigentlich behielt er nur Royal im Auge, der sich gerade mit Eli Adelstein unterhielt, einem bekannten Fotoreporter, der vornehmlich aus den Krisengebieten dieser Welt berichtete. Gideon fragte sich, ob Royal ihm gerade von dem Ikea-Lampen-Gate erzählte. Der Gedanke ließ Gideon grinsen.

Langsam näherte Gideon sich den beiden Männern. Er war Adelstein schon mehrmals begegnet und ja, er würde ihre Bekanntschaft schamlos ausnutzen, um an Royal ranzukommen.

»Eli, dich hier zu sehen, und auch noch in so zivilisierter Kleidung, ist schockierend«, sagte Gideon zur Begrüßung.

Eli wandte sich um, erkannte ihn und lachte auf. Sie begrüßten sich mit Handschlag. Über Elis Schulter hinweg kreuzten sich Royals und sein Blick und der Schauer, der Gideon über den Rücken lief, ließ alle Beteuerungen in Rauch aufgehen.

»Es schockiert mich ebenso. Gut, dass ich nächste Woche schon wieder loskann«, erwiderte Eli lachend.

»Wo geht’s hin?«, fragte Gideon nach und zwang sich, seinen Blick von Royal zu lösen.

»Jemen.«

»Scheiße.«

»Ich kann nicht sagen, dass ich deine Kraftausdrücke vermisst habe, Gideon.«

»Und ich bin immer wieder erstaunt, wie hochgestochen du sprechen kannst, während du monatelang in Krisengebieten unterwegs bist.«

Eli zuckte mit den Schultern und lachte wieder. Eine dunkelhaarige Frau näherte sich ihrem Kreis und schmiegte sich gleich darauf in Royals Arme. Gideon legte den Kopf schräg und versuchte das Bild seiner Erinnerung anzupassen. War Royals Freundin letzte Woche nicht blond gewesen? Und diese Frau hier war sogar um einiges älter als die letzte Woche.

Scheiße, Royal hatte einen ganz schönen Frauenverschleiß, wie es aussah. Und offenbar stand er auf ältere Frauen. Gideon beobachtete, wie Royal seinen Arm um die schmale Taille der Frau schlang, während sie ihren Blick auf Gideon richtete.

»Hi«, sagte sie und lächelte ihm mit klimpernden Augenlidern zu.

»Hi«, antwortete Gideon und gab sich größte Mühe, nicht die Augen zu verdrehen. Er war kein geduldiger Mensch. Und Frauen wie sie, mit ihrem Getue, stellten seine Geduld auf die Probe.

»Kennen wir uns?«

»Nicht das ich wüsste«, gab Gideon zurück.

»Das ist Gideon McDermott. Er ist der CEO von McDermott Investments«, erklärte Royal und ließ dabei eine Augenbraue in die Höhe schnellen. Dieses Mal lag eindeutiger Spott in seinem Blick. Seine Lippen verzogen sich dann aber zu einem angedeuteten Lächeln, woraufhin Gideon schluckte. Er hatte ihm vor einer Woche seine private Visitenkarte gegeben, auf der lediglich sein Name und Handynummer abgedruckt waren. Die restlichen Informationen musste Royal durch eigene Recherche herausgefunden haben.

Das. War. Erregend.

»Oh«, sagte die Brünette und leckte sich über die glänzenden roten Lippen. Jetzt verdrehte Gideon wirklich innerlich die Augen. Er hasste es, wenn Frauen ihn wie ein saftiges Stück Fleisch betrachteten, nur weil sie wussten, wer er war.

»Und das ist Eli Adelstein. Er hat vor drei Jahren den Hasselblad Award gewonnen«, erklärte Gideon.

Die Miene der Frau an Royals Seite blieb ausdruckslos, was sie Gideon noch unsympathischer machte. Jeder Kunstliebhaber sollte diesen bedeutenden Fotoaward kennen.

»Absolut verdient«, sagte Royal und nickte.

Innerlich grinste Gideon. Es beeindruckte ihn, dass Royal offenbar wusste, was der Hasselblad Award war. Anscheinend beschäftigte er sich auch außerhalb irgendwelcher Galerien mit Fotografie.

»Danke, Kollege«, sagte Eli und prostete Royal zu.

Gideon musterte Royal neugierig. Kollege?

Eli fing seinen Blick auf und grinste. »Royal studiert Fotografie am Art College. Sag bloß, das wusstest du nicht.«

Gideon schluckte. Natürlich wusste er es nicht. »Jetzt weiß ich es«, erwiderte er nur und betrachtete Royal mit neu erwachtem Interesse. Das waren ja vollkommen neue und interessante Entwicklungen, mit denen er absolut nicht gerechnet hatte, die ihn aber innerlich jubeln ließen.

»Entschuldigt uns bitte. Wir wollen die Ausstellung noch genießen«, sagte Royal mit samtweicher Stimme. Dann legte er den Arm um die Taille seiner neuen Freundin und zog mit ihr von dannen.

Gideon sah den beiden zähneknirschend und auch verwirrt hinterher, bis Eli ihn anstieß. »Was ist los mit dir? Kennt ihr euch?«

»Wir sind uns vor einer Woche bei Cherry begegnet.«

Eli lachte. »Bei der Ausstellung mit den Jalousien-Bildern? Royal hat mir davon erzählt. Ich werde sie mir auf jeden Fall ansehen, bevor ich abreise.«

Gideon lächelte bei der Erinnerung an Royals Empörung. Die ergab auf einmal viel mehr Sinn. »Solltest du. Bestell Cherry einen Gruß von mir.«

* * *

Royal

Suzanna war mit einer Bekannten auf die Toilette verschwunden, was Royal die Gelegenheit gab, ein paar Minuten durchzuatmen. Normalerweise strengten ihn die Abende nicht besonders an, aber heute fiel es ihm schwer, sich auf die Frau an seiner Seite zu konzentrieren. Und er wusste genau, wer dafür verantwortlich war. Der Mann, der ihm seit einer Woche aus unerklärlichen Gründen nicht mehr aus dem Kopf ging. Der Mann, den er über Stunden im Web gegoogelt hatte. Der Mann, dessen Visitenkarte inzwischen ganz abgenutzt aussah, weil er sie so oft in seinen Händen hin und her gedreht hatte, nur um ihn dann doch nicht anzurufen.

Und dann stand er heute Abend plötzlich vor ihm!

Fuck.

Sein Blick war genauso abschätzig und gleichzeitig interessiert über ihn gekrochen wie in der Woche zuvor. Er kam distanziert und abwartend rüber, aber warum hatte er ihm dann seine Visitenkarte gegeben, mit der Bitte, ihn anzurufen?

Das ergab keinen Sinn.

Und Royal hasste die widersprüchlichen Gefühle, die dieser Mann in ihm hervorrief. Offengestanden hasste Royal, dass dieser Mann überhaupt irgendwelche Gefühle in ihm hervorrief. Das irritierte ihn, weil er sich noch nie damit hatte befassen müssen. Bei Männern hatte er sich noch nie Gedanken darüber gemacht, was ein Blick oder Gesichtsausdruck zu bedeuten hatte, aber dieser Gideon rief das Verlangen nach Analyse in ihm hervor.

Royal seufzte und schritt gedankenverloren durch die Räume der Kunstausstellung, in der einzelne Exponate aufgestellt waren. Das Thema war Upcycling, die Kunstwerke gewagt, kreativ und fantasievoll und trotzdem schafften sie es nicht, seine Konzentration zu fesseln.

Er hörte Schritte hinter sich und drehte sich um in der Erwartung, dass Suzanna sich demnächst wieder in seiner Aufmerksamkeit sonnen würde, wurde aber enttäuscht. Stattdessen kam Gideon McDermott auf ihn zugeschlendert. Eine Hand hatte er in seine Hosentasche geschoben, während er die Ausstellungsstücke zu seinen Seiten betrachtete. Er ließ aber keinen Zweifel daran, dass die Stücke ihn weitaus weniger interessierten als Royal.

Ja. Royal war das Kunstwerk seines Interesses.

»Wo ist Ihre zauberhafte Freundin? Oder sind Sie schon wieder auf der Suche nach der Nächsten?«, fragte Gideon und seine dunklen Augen richteten sich mit scharfem Blick auf ihn.

»Sie kommt gleich wieder«, erwiderte Royal, weil er sich ganz sicher nicht erklären würde.

»Wo ist die Blondine von letzter Woche?«

»Keine Ahnung«, erwiderte Royal. Er wandte sich ab und dem nächsten Kunstobjekt zu. Eine merkwürdige Skulptur aus ineinanderverschmolzenen PET-Flaschen.

»Wow. Ganz schön kaltschnäuzig.«

Royal lächelte. Er sah sich zu Gideon um. »Finden Sie?«

»Ja. Finde ich.«

»Wenn Sie meinen.« Royal ging weiter. Gideons Anwesenheit behagte ihm nicht. Es würde ihm besser gehen, wenn er verschwinden würde. Und irgendwie auch nicht. Vielleicht würde es ihm auch besser gehen, wenn Gideon sagen würde, was er so offensichtlich nicht sagte.

»Sie sind Fotograf.«

»Ich studiere Fotografie«, korrigierte Royal und konnte nicht verhindern, dass sich Stolz in seine Stimme schlich. Wenn ihm vor zehn Jahren jemand gesagt hätte, dass er mal studieren würde, hätte er denjenigen ausgelacht, während er sich seinen Joint baute und dann ein paar Tricks auf seinem Skateboard übte.

Aber jetzt war er wirklich der Kerl mit der Kamera in der Hand und den geilen Bildern auf dem Laptop. Er war der Typ, der Fotoshootings veranstaltete und Bilder bearbeiten konnte. Er war derjenige, der morgens mit Augenringen in die Küche schlurfte – nicht, weil er die Nacht in einem Club verbracht hatte –, sondern weil er in die Bildbearbeitung vertieft gewesen war.

»Deshalb waren Sie so aufgebracht, als Sie die Bilder in Cherrys Galerie gesehen haben.«

»Ich habe darüber nachgedacht und entschieden, nicht mehr aufgebracht zu sein«, erwiderte Royal und zuckte mit den Achseln. Er bemerkte, wie Gideon näher trat.

»Warum nicht?«

»Weil ich Respekt vor seiner Klugheit habe. Ich bin weiterhin der Meinung, dass er technisch nur wenig auf dem Kasten hat, aber kreativ ist er trotzdem und das sollte man würdigen.«

»Haben Sie die ganze Woche darüber nachgedacht?«

»Ich habe darüber nachgedacht, während ich seine Bilder mit echtem Licht in meinem Haus nachgestellt habe«, erwiderte Royal. Wieder konnte er den Stolz nicht aus seiner Stimme verbannen. Die Bilder waren verdammt gut geworden. So gut.

Gideon lachte auf und das Geräusch verursachte einen Schauer, der ihm über den Rücken rann und ihn unwillkürlich einen Schritt zurücktreten ließ. »Sie haben die Bilder nachgestellt? Kann ich sie sehen?«

»Sie sind auf meinem Computer«, erwiderte Royal schnell.

»Haben Sie keine Cloud?«

»Nein.« Das war gelogen.

Gideon sah ihn an und seine Augen bekamen einen betörenden Glanz, dem Royal sich nur schwer entziehen konnte. Verdammt, was machte dieser Mann nur mit ihm? Scheinbar hatte irgendein Kanal in seinem Gehirn noch nicht mitbekommen, dass ihm hier ein Mann gegenüberstand und dass er nicht auf Männer stand.

Noch nie.

Noch nie in seinem Leben hatte er sich mit der Frage nach seiner sexuellen Orientierung auseinandersetzen müssen. Er mochte Frauen. Er liebte ihre weichen, willigen Körper. Er liebte es, sie zu begehren, sie zu liebkosen und sie zu vögeln.

Warum zur Hölle machte dieser Mann ihn dann so unruhig?

»Schade«, war Gideons Antwort. »Vielleicht haben Sie Lust auf ein Essen mit mir. Dann könnten Sie mir die Bilder zeigen.«

Royal schluckte und blinzelte. Wie bitte? War er gerade wirklich von einem Mann um ein Essen gebeten worden?

Gideon betrachtete ihn aufmerksam. Seine braunen Augen hatten noch immer diesen eigenartigen Schimmer. Einen Glanz, den Royal nicht einordnen konnte.

»Sie wollen …«

»Nur ein Essen«, sagte Gideon schnell. »Ich kenne ein gutes Restaurant, das …«

»Ich glaube eher nicht«, unterbrach Royal ihn.

»Warum nicht?« Gideons Stimme hatte einen stählernen Unterton angenommen und der Glanz war aus seinen Augen gewichen.

»Weil ich … ich … also ich glaube, Sie haben etwas falsch verstanden …«

»Ach ja? Habe ich das?«

Royal schluckte wieder, dann nickte er. »Ich denke schon.«

Aus dem Augenwinkel sah er Suzanna auf sie zusteuern. Sie schmiegte sich an ihn und er legte automatisch seinen Arm um sie. Sicheres Terrain. Hier wusste er, was von ihm erwartet wurde. Er streichelte Suzannas Arm und lächelte auf sie hinunter. »Hast du Durst?«, fragte er.

»Eher Hunger«, erwiderte sie und zwinkerte ihm zu.

Royal lachte leise. Er kannte diese Art von Andeutungen und konnte ihnen mit Humor und Gelassenheit begegnen.

»Entschuldige uns bitte«, sagte er zu Gideon. Er ging an ihm vorbei und war froh, dass er ihm entkommen konnte, aber als ihm sein Rasierwasser in die Nase stieg, dachte er, dass die Gelassenheit ihm bei Gideon vollkommen fehlte. Schnell weg aus seiner verwirrenden Reichweite.

Er führte Suzanna an die Bar, bestellte ihr einen Champagner und für sich eine Cola, so wie immer, weil er im Dienst keinen Alkohol trank. Er unterhielt sich mit ihr, war charmant, witzig und flirtete. Gideon sah er nicht mehr und das war auch gut so. So konnte der ihn nicht noch mehr durcheinanderbringen.

Bevor Suzanna und er die Ausstellung verließen, entschuldigte er sich noch kurz auf die Toilette. Als er den Toilettenraum kurz darauf wieder verließ, lehnte Gideon auf der anderen Seite an der Wand und sah ihm entspannt entgegen.

Royal räusperte sich und schickte sich an, wortlos an Gideon vorbeizugehen, doch der hielt ihn auf, indem er sich ihm in den Weg stellte.

Sie waren beinahe gleich groß. Gideon war nur wenige Zentimeter größer als er. Das schafften nicht viele Männer, denn Royal war ziemlich hochgewachsen. Er schluckte und sah in Gideons dunkle Augen. »Ja?«

»Hast du es dir nochmal überlegt wegen des Abendessens?«, fragte Gideon nach. Offenbar waren sie in der Zwischenzeit unbemerkt beim Du angekommen.

»Ich wusste nicht, dass ich nochmal darüber nachdenken sollte.«

»Ich würde mich freuen, wenn du deine Meinung diesbezüglich ändern würdest.«

»Warum?«, hakte Royal nach, obwohl er wusste, dass er nicht so viel quatschen, sondern einfach verschwinden sollte.

»Aus verschiedenen Gründen«, lautete Gideons kryptische Antwort, die ihn auflachen ließ.

»Und die wären?«

»Um einander besser kennenzulernen? Damit du mir die Bilder zeigen kannst?«

Es war verführerisch. Sehr verführerisch. Und verwirrend. So verwirrend, dass er am liebsten schreiend davongelaufen wäre, zurück in ein bombensicheres gideonfreies Versteck. Er trat einen Schritt vor und es erfüllte ihn mit tiefster Zufriedenheit, dass Gideon, die Selbstsicherheit in Person, einen kleinen, einen klitzekleinen Schritt, zurücktrat.

»Ich glaube, Sie haben da etwas falsch verstanden. Ich … nein. Ich habe kein Interesse. Nicht dieses Interesse, okay?« Royal schluckte und betrachtete Gideon, wartete auf seine Reaktion, die eine Weile auf sich warten ließ.

Dann trat er wieder diesen klitzekleinen Schritt vor, über den Royal sich gerade eben noch gefreut hatte. So schnell, dass Royal nicht reagieren konnte und im nächsten Moment mit dem Rücken an die Wand gedrückt wurde. Wie war das passiert?

»Sicher nicht?«, hakte Gideon nach.

Royal spürte, wie seine Hände sich unter sein Sakko stahlen und seine Finger sich mit den Gürtelschlaufen seiner Anzughose verbanden. Sein Unterleib wurde gegen Gideons gepresst und er spürte sehr deutlich Gideons Erektion.

Royals Mund wurde vollkommen trocken und er konnte nichts gegen seine eigene körperliche Reaktion tun. Das …

Fuck!

Gideons Mundwinkel hoben sich langsam an und er legte den Kopf schief. »Ich denke, da kann man nicht viel falsch verstehen, oder?«

»Es ist nicht …«

»Nicht so, wie ich denke? Wie ist es denn dann?«

Royal hob seine Hände, legte sie an Gideons breite Schultern und schob ihn entschieden von sich. Er machte zwei Schritte zur Seite und starrte ihn an. »Ich habe Nein gesagt. Ich werde nicht mit Ihnen Essen gehen. Ich gehe nicht mit Männern aus. Es tut mir leid, so jemand bin ich nicht.«

Damit machte er kehrt und ging mit klopfendem Herzen zu Suzanna zurück, die ihn mit einem einladenden Lächeln betrachtete. Ihre Blicke und Erwartungen waren okay, weil sie dem entsprachen, was er kannte. Nichts an ihr verwirrte ihn. Das war bei Gideon ganz anders.

Drei

Royal

»Roy! Wir haben verschlafen!«

Royals Kopf ruckte hoch und ein stechender Schmerz in seinem Nacken erinnerte ihn augenblicklich daran, dass er irgendwann in der Nacht aufgestanden war, um weiter an seinen Bildern zu arbeiten. Offenbar hatte ihn der Schlaf dann doch nochmal übermannt und er war über seiner Tastatur eingeschlafen. Er bewegte die Maus ein Stück und warf einen Blick auf die Uhr im Bildschirmfenster.

»Fuck«, murmelte er müde. Er sah zum Bett hinüber und erblickte dort seine Eroberung der letzten Nacht, an deren Namen er sich beim besten Willen nicht mehr erinnern konnte. Verdammt. Veronica? Vanessa?

Sie richtete sich auf und fuhr sich durch ihre honigblonden Haare. Sie lächelte. »Natalie«, sagte sie dann, als hätte sie seine Gedanken gelesen.

Royal räusperte sich. »Tut mir leid.«

»Schon gut. Es war spät gestern und wir … wir hatten anderes zu tun …«

»Ja.«

Royal fragte sich, warum er Natalie mit nach Hause genommen hatte. Normalerweise tat er das nicht, weil er genau diese peinlichen Situationen vermeiden wollte. Diese unangenehmen Morgen-danach-Situationen, in denen man verzweifelt nach dem Namen des One-Night-Stands kramte, sich zu erinnern versuchte, warum zur Hölle man den Menschen überhaupt mit nach Hause geschleppt hatte und händeringend nach einer Ausrede suchte, wie man ihn möglichst schnell wieder loswurde, ohne wie ein völliger Arsch dazustehen.

»Sei mir nicht böse, aber ich muss los«, murmelte Natalie und schlüpfte auch schon in ihre enganliegenden Jeans, die ihn gestern Abend unheimlich angetörnt hatten. Ihr Hintern sah fantastisch darin aus und sie tanzte wie eine Göttin.

Und jetzt benahm sie sich auch noch wie der perfekte One-Night-Stand, sodass er große Lust bekam, sie nach ihrer Nummer zu fragen und damit gegen seine allererste Regel zu verstoßen: Triff keinen One-Night-Stand zweimal.

»Schon okay«, murmelte Royal und sah diskret zur Seite.

»Hast du schon gearbeitet?«, fragte sie, während sie ihre grandiosen Brüste mit ihrem BH verdeckte.

»Ich konnte nicht schlafen und hab ein bisschen rumexperimentiert.«

»Aha.« Natalie lächelte, klang dabei aber nicht wirklich interessiert.

»Willst du noch einen Kaffee?«, fragte Royal und hoffte gleichzeitig, dass sie sein Angebot ablehnte.

»Klar. Warum nicht?«

Verdammt.

Royal warf einen letzten Blick auf die Uhr, dann stopfte er seine Unterlagen für die Uni in den Rucksack, während er gleichzeitig saubere Klamotten aus seiner Kommode fischte und ins Bad eilte. Er duschte in Sekundenschnelle, putzte sich die Zähne, während er sich gleichzeitig die Haare kämmte, und band sie dann nass zusammen.

Natalie saß auf dem Bett und scrollte durch ihr Handy, als er zurückkam. Er schnappte sich seinen Rucksack, die Sonnenbrille und gemeinsam gingen sie die Treppen hinunter.

»Roy hat ein Mädchen dabei«, petzte Avery, das süßeste, schrecklichste fünfjährige Mädchen der Welt und spitzte die Lippen für den Guten-Morgen-Kuss.

Royal tat ihr den Gefallen, gab ihr den Kuss und wuschelte dann durch ihre süßen, dunkelbraunen Locken, die einfach anbetungswürdig waren. Avery kicherte und Royal grinste. Angela, Averys Mutter, die an der Anrichte stand, drehte sich um und sah zwischen ihm und Natalie hin und her. Dann lächelte sie kurz und drehte sich wieder um. »Wollt ihr Kaffee?«, fragte sie und es klang wie »Was will die hier?«.

»Kaffee wäre toll«, sagte Royal und trat neben Angela. Er wusste, dass seine WG-Mitbewohnerin nicht unbedingt ein Fan seiner ständig wechselnden Liebschaften war. Meistens sagte sie nichts dazu. Aber heute waren sie sowieso spät dran, was ihre schlechte Laune erklärte.

»Habt ihr vielleicht einen To-Go-Becher?«, ließ Natalie vernehmen. »Ich muss ohnehin los.«

»Wirst du meine neue Mami?«, fragte Avery hinter Royals Rücken. Er fuhr herum und starrte Avery an. Aus Angelas Richtung ertönte ein ersticktes Geräusch. Sie räusperte sich und nickte zu einem der Schränke hin. »Roy, hol bitte kurz einen der Einwegbecher, ja?«

Royal musterte Avery, als würden ihr demnächst zwei Köpfe wachsen, was gar nicht so abwegig war, denn das Mädchen erstaunte ihn einfach jeden Tag. Aber sie grinste ihn nur breit an und schob sich einen Löffel Frühstücksflocken in den Mund.

Royal holte einen Becher und füllte ihn mit Kaffee. Nur schwarz, wie Natalie sagte. Sie bedankte sich knapp, sah zwischen Royal und Avery hin und her, dann verabschiedete sie sich und war im nächsten Moment verschwunden.

»Sag mir, dass ich eben geträumt hab«, zischte er in Angelas Richtung, die genau den Moment auswählte, um in lautes Gelächter auszubrechen. Sie hielt sich den Bauch, während sie sich zu ihrer Tochter schleppte, die ebenfalls loskicherte. Sie gaben sich einen High-Five, während Royal nur fassungslos zwischen ihnen hin und her starrte. Dann nickte er. »Wie lange habt ihr dafür geübt?«

»Eine Weile«, sagte Angela und betupfte vorsichtig ihre Augen, um ihr Make-Up nicht zu verschmieren. »Und sie war absolut genial, oder?«

»Du bist eine Ausgeburt des Teufels, kleine Avery«, flüsterte Royal, schlich sich zu dem Mädchen und begann sie zu kitzeln. Und weil er gerade in der Nähe war, machte er bei Angela weiter. »Das werdet ihr noch bereuen.«

Angela zeigte mit dem Finger auf ihn und entzog sich seinem Griff. »Komm schon! Es war witzig. Und du warst froh, dass sie weg ist. Das habe ich dir angesehen.«

»Und was, wenn sie eine Frau gewesen wäre, mit der ich mir mehr hätte vorstellen können?«

»Dann müsste sie sowieso mit Avery klarkommen«, erwiderte Angela und zuckte mit den Schultern.

Royal ging zurück zur Kaffeemaschine und schenkte sich Kaffee in seinen Thermobecher. »Wir sind Mitbewohner. Ich bin kein Dad.«

»Das vergesse ich manchmal fast«, erwiderte Angela achselzuckend. »Übrigens: Hast du Zeit, Avery in die Vorschule zu bringen?«

Royal legte den Kopf schief und schenkte ihr einen ungläubigen Blick. »Ernsthaft? Das ist echt unverfroren.«

Avery kicherte über ihrer Müslischüssel, während Angela die Augen verdrehte. »Es war ein Witz, okay?«

»Kein sehr guter.«

»In ein paar Wochen lachen wir darüber?«, schlug Angela vorsichtig vor und es klang wie eine Frage.

Royal seufzte, dann nickte er. »Natürlich bringe ich sie.«

Avery jubelte und Royal zwinkerte ihr zu, während er einen French-Toast mit Zimt in die Mikrowelle legte. Angela beobachtete ihn kopfschüttelnd dabei und hielt ihm dann einen Apfel entgegen. »Das hier kann auch lecker sein. Er hat Vitamine. Weißt du, was das ist? Oder ist dein Hirn schon von Glutamat zerfressen?«

Avery kicherte wieder und Royal grinste. »Meinem Gehirn geht es wunderbar. Aber so ein kleiner Zuckerschock am Morgen ist einfach das Beste am ganzen Tag. Vor allem nach der Zirkusnummer von eben.«

Angela verdrehte die Augen. »Wenn du meinst.«

»Tu ich. Und nun zu dir, Tony Hawkini, ist deine Maschine bereit?«, erkundigte er sich mit hochgezogenen Augenbrauen. »Vollgetankt und doppelt bereift?«

Avery kicherte wieder. »Mommy sagt, du darfst mir den Bunny Hop nicht mehr zeigen.«

Royal fuhr zu Angela herum. »Komm schon!«

»Wenn du ihr solche Sachen zeigst, ist der Roller in Kürze Schrott und ich kann es mir nicht leisten, ihr ständig einen Neuen zu kaufen. Das Teil ist nicht für Stunts gemacht! Außerdem kann ich nicht ständig von der Arbeit weg, um mit ihr ins Krankenhaus zu fahren, weil sie wieder genäht werden muss.«

Royal zog eine Grimasse, dann machte er ein trauriges Gesicht und sah zu Avery hinüber. »Wir müssen tun, was Mommy sagt. Keine Bunny Hops. Wirklich traurig«, sagte er leise.

Angela gab ihm einen Klaps auf die Schulter und hängte sich ihre Handtasche um. »Keine Witze auf Kosten meines Kindes. Und vergiss den Helm nicht.«

»Du brichst mir so langsam echt das Herz, Angi. Ich habe ihr diesen Helm gekauft!«, erinnerte Royal sie entrüstet.

»Ich wollte nur noch einen klugen Ratschlag dalassen. Man hat mir gesagt, Mütter machen das so«, erwiderte Angela augenzwinkernd. Sie gab Royal einen Kuss auf die Wange, anschließend verabschiedete sie sich von Avery und wuschelte ihr ebenfalls durch die Haare. Dann war sie weg.

Royal wartete, bis die Tür hinter ihr ins Schloss gefallen war, dann betrachtete er Avery prüfend. »Du hast ihr aber nichts vom Nofoot erzählt, oder?«, fragte er. Er spielte dabei auf den Trick an, den er mit Avery ebenfalls schon seit einiger Zeit übte und der wesentlich schwieriger als der Bunny Hop war, den sie inzwischen schon im Schlaf beherrschte.

Avery grinste breit und schüttelte den Kopf so fest, dass ihre Locken wild hin und her flogen. Royal seufzte erleichtert auf. Kurz überkam ihn das schlechte Gewissen bei dem Gedanken daran, dass sich das Mädchen vielleicht ein paar zu viele Geheimnisse merken musste, aber dann wischte er ihn zur Seite. Ein kleines Geheimnis hatte noch niemandem geschadet. »Gut. Verdammt, Kleine. Ich hab fast einen Herzinfarkt bekommen! Los, geh Zähne putzen, in zehn Minuten müssen wir los.«

Royal wartete, bis Avery im Badezimmer verschwunden war. Durch den Türspalt linste er hinein und überprüfte, ob sie wirklich Zähne putzte, dann ging er in den ersten Stock.

Er wollte ja nicht angeben, aber er bewohnte so ziemlich die coolste WG in ganz San Francisco. Neben Angela, die mit Avery hier wohnte, lebten auch noch Dakota und Levi bei ihnen. Sie hatten sich mehr oder weniger über verschiedene Studentenpartys und andere Veranstaltungen kennengelernt, die für Studenten vorgesehen waren. Dakota studierte Modedesign, Levi Medizin.

Angela arbeitete in dem Cafê gegenüber der Uni, in dem viele Studenten des Art-College ihre Kaffeesucht befriedigten. Irgendwie war es geschehen, dass sie sich gefunden hatten und jetzt schon seit über zwei Jahren zusammenlebten, und Royal gefiel das Leben in der WG-Familie ziemlich gut.

Er klopfte an Dakotas Zimmertür und wartete, bis er ihr übliches leises Stöhnen hörte. Grinsend trat er ein und schlich an ihr Bett. Vorsichtig strich er ihr die Strähnen ihres wilden Ponys aus dem Gesicht. »Aufwachen Schönheit«, wisperte er.

»Kannst du mich nicht schlafen lassen?«

»Zufällig mag ich dich und will nicht, dass du deinen Kurs verpasst«, gab er zurück.

Dakota öffnete ein Auge. Sie hatte sich gestern nicht abgeschminkt und die Spuren ihres Make-ups verteilten sich großzügig um ihre Augen und über einen Teil ihrer Wangen. »Danke für den Weckdienst. Ist der Kaffee für mich?«

»Dein Kaffee steht in der Küche«, erwiderte Royal lachend und hielt seinen Becher schnell außerhalb ihrer Reichweite, als sie ihn aus seiner Hand schnappen wollte.

Dakota stöhnte unwillig auf.

»Stehst du auf?«

»Ja. Werde ich.«

»Gut. Avery und ich verschwinden in drei Minuten.«

»Gib ihr einen Kuss von mir.«

»Okay. Bis später.« Royal verschwand wieder nach unten und half Avery beim Anziehen, ehe er bepackt mit Prinzessin-Lillifee-Rucksack und pinkfarbenem Scooter, seinem Skateboard und dem Becher Kaffee das Haus verließ.

Avery trat von einem Fuß auf den anderen und schoss wie eine Rakete auf ihrem Scooter los, als er endlich ihren Helm befestigt hatte. Er bestieg sein Skateboard und fuhr hinter ihr her. Nach einem kurzen Zwischenstopp im Skatepark und ein paar Bunnie Hops und Nofoots erreichten sie unversehrt die Vorschule, wo Royal Avery ablieferte, ehe er sich auf den Weg in die Uni machte.

Wenn er es nicht verkackte, dann würde er in wenigen Monaten seinen Abschluss machen, was er noch immer nicht richtig glauben konnte. Auch wenn ihn die Aussicht erschreckte, dass er dann ein richtiger Fotograf war und sich auf dem hart umkämpften Markt behaupten musste.

»Gute Nachrichten warten auf Sie, meine Herrschaften«, sagte Mr. Lancaster, als er kurz darauf den Raum betrat. Royal sah auf, die Ansprache war ominös und er war gespannt, was der Dozent zu verkünden hatte.

»Wir bekommen endlich ein Aktshooting?«, riet Damon.

Royal und seine Kommilitonen stöhnten auf. Es war allgemein bekannt, dass Damon sich sehr für Aktfotografie interessierte.

»Wir haben ein interessantes Angebot von einem unserer Förderer erhalten. Ein langjähriger, großzügiger Gönner unserer Universität ist auf der Suche nach einem talentierten Fotografen oder einer talentierten Fotografin, der oder die ein exzellentes Portfolio seiner Firma erstellt. Er hätte gern das volle Programm. Ein umfangreiches Paket an kreativen Darstellungen der Firma wie auch von der Geschäftsleitung selbst. Na, wie klingt das für euch?«

»Kommt jetzt drauf an, wer der Gönner ist«, warf Trisha ein und kaute auf ihrem Kaugummi herum. »Ich meine …«

»Was sagt ihr zu Gideon Mc Dermott von McDermott Investments? Würde euch dieser Gönner zusagen?«, fragte Mr. Lancaster mit einem triumphierenden Blick in die Runde.

Royal verschluckte sich an seinem Kaffee, an dem er gerade genippt hatte. Welch ein Zufall, dass ausgerechnet McDermott Investments einen Auftrag an das Institut vergab, in dem er studierte.

Was zur Hölle hatte das zu bedeuten? Er hatte es gerade erst geschafft, die letzte unselige Begegnung mit diesem Mann einigermaßen aus seinem Gedächtnis zu streichen und jetzt tauchte er schon wieder in seinem Leben auf. Das konnte doch kein Zufall sein.

»Geht es Ihnen gut, Mr. Wright?«

Royal nickte hastig. Mr. Lancaster lächelte erfreut. »Ich weiß, das ist eine verdammt große Sache. Und zu Ihnen Miss Cunningham: Wir fragen nicht, wer der Auftraggeber ist. Wir sind froh, dass es überhaupt einen Auftraggeber gibt«, wiederholte Mr. Lancaster sein Lieblingsmotto, das ein kollektives Aufstöhnen der gesamten Klasse zur Folge hatte.

»Ihr habt also kein Interesse?«

Protestierendes Gemurmel setzte ein und Mr. Lancaster grinste. Dann griff er nach einem Stapel Papieren auf seinem Tisch. »Ich habe mir erlaubt, daraus einen Arbeitsauftrag zu erstellen.«

Mr. Lancaster liebte es, ihnen Arbeitsaufträge zu erteilen.

»Jeder von Ihnen wird fünf Bilder schießen. Fünf. Nicht mehr, nicht weniger. Fünf Bilder, die zeigen, was Sie können. Sie können sie bearbeiten, herausputzen, zuschneiden, von mir aus können Sie sogar ein Autogramm von Trump draufsetzen, wenn Sie denken, dass Sie damit eher eine Chance haben, den Zuschlag vom Auftraggeber zu erhalten. Ich will fünf Bilder von Ihnen haben. Nachdem ich Ihre Präsentationsmappe gesichtet habe, wird sie an Mr. McDermott weitergeleitet. Er wird sich dann für den- oder diejenige entscheiden, welche das Portfolio erstellen wird. Unter voller Bezahlung natürlich.«

Mr. Lancaster sah feixend in die Klasse, durch die ein Raunen ging. McDermott Investments war ein florierendes Finanzunternehmen. Die würden mit Sicherheit gut zahlen.

»Schön, dass ich Ihre Aufmerksamkeit jetzt doch habe. Sie haben bis Ende der Woche Zeit, die Aufnahmen fertigzustellen. Spätestens am Freitag möchte ich die Bilder auch an Mr. McDermott weiterleiten.«

Wieder ging ein Raunen durch die Klasse. Royals Gedanken schweiften ab, zurück zu jenem Abend, an dem er Gideon McDermott gegenübergestanden hatte, seine Erektion an seinem Bauch.

Auch wenn die Situation komisch für ihn gewesen war, dachte er immer wieder daran zurück. Fragte sich, was Gideon wirklich von ihm gewollt hatte. Und was es zu bedeuten hatte, dass Royal sich so gefühlt hatte, wie er es eben getan hatte.

Schockiert.

Und angetörnt.

Dieses Fotoshooting war eine ganz schlechte Idee!

Vier

Gideon

»Mr. McDermott? In zehn Minuten beginnt die Vorstandssitzung«, sagte Mrs. Alvarez mit ihrem starken mexikanischen Akzent zu ihm. Sie brachte ihm seinen Espresso, weil sie wusste, dass er den vor langen Sitzungen gern trank, damit er sich anschließend gut auf die ermüdenden Gespräche mit Aktionären und Teilhabern konzentrieren konnte.

»Danke«, gab Gideon zurück und richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die Zahlenkolonnen auf seinem Bildschirm.

»Dann komme ich ja gerade noch rechtzeitig. Wie kommt es eigentlich, dass ich nie eine persönliche Einladung für diese Sitzungen erhalte? Ich, als Mitglied des Vorstands, sollte die doch bekommen, oder?«, fragte Sterling und lachte leise, als er Gideons Büro betrat. Das Geräusch drang Gideon durch Mark und Bein und katapultierte ihn innerhalb nur einer Sekunde zurück in eine Vergangenheit voller Angst und Schrecken.

Sein Blick schoss hoch und legte sich auf seinen Bruder. Der grinste ihn an und schlenderte an Mrs. Alvarez vorbei in sein Büro, als würde er den ganzen Tag nichts anderes tun. Seine Sekretärin sah noch kurz zwischen ihnen hin und her, dann verließ sie den Raum und das Zuschlagen der Tür fühlte sich an, als hätte jemand den Riegel vor sein Gefängnis geschoben.

Die Eiszeit hielt in Gideons Innerem Einzug. Klirrend und unvorhersehbar. Mit wachsamen Blick erhob er sich von seinem Schreibtischstuhl und beobachtete, wie Sterling eine Runde durch sein Büro drehte, als hätte er es noch nie zuvor gesehen.

Er war Gideons Halbbruder und mit seinen sechsundvierzig Jahren zehn Jahre älter als Gideon. Im Gegensatz zu ihm war er groß und eher hager, aber das hieß nicht, dass er nicht kräftig war. Er hatte eine Kraft in sich, die Gideon bis an sein Lebensende nicht vergessen und niemals unterschätzen würde.

Seine Augen waren ebenso braun wie Gideons und seine Haare dunkel, auch wenn sie schon etwas an Dichte verloren hatten. Aber alles in allem war er ein gutaussehender Mann, der gern gut gekleidet war und sich in seinem Körper wohlfühlte. Und er hörte sich gern reden. Schon immer.

»Ich staune immer wieder, wie stilvoll dein Büro aussieht. Das hätte ich dir nicht zugetraut. Du warst immer so unbeholfen.« Sterling lachte leise.

»Was willst du?«, fragte Gideon zähneknirschend. Er spürte die Anspannung in seinem gesamten Körper. Sie fühlte sich an wie ein Seil, das um ihn geschlungen wurde und sich jetzt langsam zuzog.

»Was ich gesagt habe. An der Vorstandssitzung teilnehmen. Wie es mein Job ist.«

»Und seit wann nimmst du den besonders ernst?«