Machtspiele - Martina Gabriele Lorenz - E-Book

Machtspiele E-Book

Martina Gabriele Lorenz

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Beschreibung

"Arthur war zu schwach, Henry. Jetzt bist du verantwortlich, dass das, was ich erkämpft habe, nicht umsonst war. Du musst Söhne, viele Söhne haben. Sorg dafür, dass die Tudors mächtig sind. Lange. Du brauchst Söhne." Die Worte seines sterbenden Vaters liegen als bleischweres Vermächtnis auf dem Leben Henrys VIII. von England. Seine anfangs glückliche Ehe mit Katharina von Aragón wird davon mehr und mehr überschattet, und eine Familie, die nur darauf wartet, am Königshof aufzusteigen, ergreift ihre Chance: die Boleyns.

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Romanreihe und Autorin
Impressum
Widmung
Hauptteil
1. Die rot-weiße Rose
2. König Arthur?
3. Hochzeit
4. Zukunftspläne
5. In Ludlow
6. Schweiß
7. Abschied
8. Alles anders
9. Ungewissheit
10. Neue Strategien
11. Enttäuschung
12. Lang lebe der König
13. Der Beginn der Freiheit
14. H & K
15. Winterkinder
16. Krieg
17. Mea culpa
18. Französische Beziehungen
19. Ein Zeichen der Hoffnung
20. Bessie
21. Goldtuch
22. Versuchungen
23. Verkalkuliert
24. Liebe, Pflicht, Lohn
25. Wolseys Spiel
26. Aufstieg
27. Rückzug
28. Erkenntnisse
29. Eine Gartengesellschaft
30. Ein Versprechen
GLOSSAR
Familien- und Personenübersicht Band 1–3
Könige der Rosenkriege bis Henry VII.
Päpste während der Tudor-Herrschaft bis 1547
Nachwort

Martina Lorenz

DIE TUDOR-DYNASTIE

TEIL I

MACHTSPIELE

Roman

Romanreihe und Autorin

Es gibt Dinge, die waren, Dinge, die vielleicht waren, und Dinge, die hätten sein können. Diese Idee ist die Grundlage des mehrteiligen historischen Familienromans über die Tudors. Hinter den geschichtlichen Tatsachen stehen Menschen mit ganz unterschiedlichen Beweggründen: Ehrgeiz, Pflichtgefühl, Liebe, Angst, Rache. Einige halten die Macht in der Hand, einige fallen ihr zum Opfer. Manchmal sind es dieselben.

Die Romanreihe im Überblick

Band I: Machtspiele (1486 – 1526)

ISBN Printausgabe 978-3-945886-08-3

Band II: Sie ist mein Tod (1526 – 1537)

ISBN Printausgabe 978-3-945886-09-0

Band III: Kein anderer Wille (1537 – 1547)

ISBN Printausgabe 978-3-945886-10-6

Martina Lorenz wurde 1963 geboren, studierte Linguistik, Anglistik und Germanistik und war Lehrerin für Fremdsprachen. Ihre Hobbys sind Schreiben, Malen, Geschichte und Königshäuser. Sie lebt mit ihrer Familie in der Nähe von Schwäbisch Gmünd.

»In den Tudors vereint sich eine bewegte Familiengeschichte mit spannenden historischen Ereignissen, die England grundlegend und nachhaltig veränderten. Ich hatte meine erste Begegnung mit den Tudors in meinem Englischbuch der 8. Klasse, und seither haben sie mich nicht mehr losgelassen.« M.L.

Über dieses Buch

»Arthur war zu schwach, Henry … jetzt bist du verantwortlich, dass das, was ich erkämpft habe … nicht umsonst war … Du musst Söhne … viele Söhne haben. Sorg dafür, dass die Tudors mächtig sind, lange … du brauchst Söhne …«

Die Worte seines sterbenden Vaters liegen als bleischweres Vermächtnis auf dem Leben Henrys VIII. von England. Seine anfangs glückliche Ehe mit Katharina von Aragón wird davon mehr und mehr überschattet, und eine Familie, die nur darauf wartet, am Königshof aufzusteigen, ergreift ihre Chance: die Boleyns.

Band I des mehrteiligen Romanzyklus erzählt die Geschichte der Tudors und ihrer Weggefährten von 1486 bis 1526.

Impressum

Inhalt © 2020 by Martina Lorenz Cover © 2020 by Martina Lorenz /canva.com

Verlag: Sprache & Text

Martina Lorenz

Ludwig-Bölkow-Str. 19 73568 [email protected]

Erstveröffentlichung Printausgabe 2020

e-book-Veröffentlichung 2024 (epubli)

Das Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung des Autors und des Verlages unzulässig. Dies gilt insbesondere für elektronische oder sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.

Widmung

Für

die drei wichtigsten Menschen

in meinem Leben

Martin

Maxim & Sebastian

Hauptteil

1. Die rot-weiße Rose

Elizabeth von York saß in einer Fensternische des Palasts in Greenwich über eine Stickerei gebeugt. In ihren Händen hielt sie weißen Batist und ließ zärtlich die Nadel über den Stoff gleiten, auf dem bereits deutlich die Umrisse einer Rose zu erkennen waren. Ihre Finger waren etwas geschwollen – bei dem warmen Wetter in dieser letzten Augustwoche und ihrer weit fortgeschrittenen Schwangerschaft kein Wunder. In zwei Monaten würde ihr erstes Kind auf die Welt kommen. Nach ihrer Heirat mit Henry VII. im Januar 1486 hatte sie prompt empfangen und somit die erste Hürde als taugliche Königin genommen. Bei aller Freude und allem Stolz darüber sah sie ihrer bevorstehenden Niederkunft doch auch mit ein wenig Angst entgegen. Bald würde sie von ihrem Hofstaat isoliert werden und sich nur mit ein paar ausgesuchten Dienerinnen und Hebammen in der Abtei von Winchester in eine abgeschlossene Kammer zurückziehen, zu der kein männliches Wesen, auch nicht ihr Ehemann, Zugang hatte, und die sie erst nach der Geburt des Kronprinzen wieder verlassen durfte. Falls sie die Geburt überleben sollte. Ihr war bewusst, auch wenn sie nicht darüber sprach, dass in England zu Ausgang des Mittelalters nicht einmal eine Königsgemahlin davor sicher war, im Kindbett zu sterben. In einer plötzlichen Regung faltete sie die Hände und begann ein leises Stoßgebet:

»Bitte, Heilige Jungfrau Maria, lass mich, wenn du dieses Schicksal für mich vorgesehen hast, wenigstens so lange am Leben, dass ich unseren Sohn noch sehen kann.«

Und wenn es eine Tochter würde?

Daran wollte sie zunächst nicht denken, schließlich hatten ihr alle versichert, dass sie bestimmt einen Sohn gebären würde. Das ganze englische Volk betete für sie, denn sie war sehr beliebt. Ihre Gedanken schweiften ab, und sie lächelte vor sich hin, als sie an die lieben Menschen in ihrem Volk dachte.

Und wenn doch nicht? Die schwarzen Gedanken drängten sich wieder auf, aber sie würde das Kind genauso lieben, wenn es ein Mädchen wäre, und darauf hoffen, dass Gott ihr dann mit der nächsten Schwangerschaft den Thronerben schenkte. Erst dann hätte sie alle Kriterien für eine würdige Königin erfüllt, erst dann wären die jahrhundertelang zerstrittenen Häuser York und Lancaster, die weiße und die rote Rose, endgültig vereint. Henry Tudor, ihr Ehemann, hatte den vorherigen regierenden König Richard III. im vergangenen Jahr in der Schlacht bei Bosworth besiegt und sich zum neuen englischen König Henry VII. krönen lassen. Sein Thronanspruch stand jedoch auf wackligen Füßen, denn nachdem Richard III. in der Schlacht gefallen war und keine eigenen Erben hinterlassen hatte, wäre die Krone eigentlich an sie, seine Nichte, gefallen. Ihre beiden erbberechtigten Brüder, Edward und Richard, waren im Tower unter mysteriösen Umständen ums Leben gekommen, und es war nicht auszuschließen, dass ihr Onkel Richard dabei seine Hand im Spiel gehabt hatte.

Elizabeths Augen verdunkelten sich, als sie an die Geschehnisse vor drei Jahren dachte. Nach dem plötzlichen Tod des Vaters, König Edwards IV., war ihre Mutter mit ihr und ihren Geschwistern in die Westminster Abtei geflüchtet. Ihr zwölfjähriger Bruder Edward sollte die Krone erben, und bis zu seiner Volljährigkeit wurde Vaters Bruder Richard zum Vormund, auch für den neunjährigen Richard, eingesetzt. Nach Streitigkeiten zwischen ihrer Mutter und ihrem Onkel hatten sich die beiden Jungen unter Anweisung ihres Onkels in den Tower begeben und waren seither nicht mehr lebend gesehen worden. Keiner wusste, ob sie an einer Krankheit gestorben oder umgebracht worden waren. Ihr Onkel Richard war der regierende König geworden, der auch Elizabeth und ihre Schwestern an den Hof holte. Ihr war es dort gut gegangen. Ihr Onkel und seine Frau Anne hatten sie gut versorgt. So gut, dass böse Zungen behaupteten, Richard, wohl wissend, dass Elizabeth nun die eigentliche Thronerbin war, habe sich an sie herangemacht und mit dem Gedanken gespielt, sie zu heiraten. Ob er das getan haben sollte, weil er von seiner Frau keine Kinder mehr erwarten konnte, oder einfach nur, um seinem Rivalen Henry Tudor die Braut wegzunehmen, darüber gab es unterschiedliche Meinungen. Elizabeth selbst hatte die Freundlichkeit ihres Onkels jedenfalls nie als zudringlich empfunden; sie hatte eher den Eindruck gehabt, er wolle sich nach den üblen Verdächtigungen im Zusammenhang mit ihren beiden Brüdern wahrlich nichts mehr zuschulden kommen lassen und lege deshalb ein besonderes Augenmerk darauf, dass es seinen Nichten gut ging. Henry, Elizabeths Ehemann, war nicht ganz unverantwortlich für den nun so schlechten Ruf seines Vorgängers, und er hatte die Mehrheit des Volkes auf seiner Seite.

Elizabeth fuhr sich mit der Hand über die Stirn, als wolle sie die unangenehmen Erinnerungen wegstreichen. Letztendlich war die Sache gut ausgegangen. Henry Tudor, ein hoch aufgeschossenes, wildes walisisches Raubein, hatte aus seinem Exil in der Bretagne mehr und mehr Mitstreiter, darunter viele unzufriedene Überläufer aus Richards Gefolge, um sich geschart, war schließlich gegen England gezogen und hatte Richard III. in der Schlacht besiegt und sein Versprechen wahr gemacht, Elizabeth zu heiraten. Es war das Ergebnis eines von ihren beiden Müttern ausgeklügelten Plans, um die Rosenkriege endgültig zu beenden und England unter dem Symbol der weißen und roten Rose zu einigen.

Dieses Symbol, eine rote Rose mit weißer Mitte, war unterdessen auf dem Batisthemdchen, das Elizabeth bestickte, beinahe fertig geworden. Die Dämmerung hatte eingesetzt, und Elizabeth musste die Augen zusammenkneifen, um die letzten Stiche ordentlich hinzubekommen. Dann legte sie die Arbeit zur Seite und streichelte sich kurz über ihren gewölbten Leib. »Für dich, mein Sohn«, flüsterte sie. »Du wirst der erste König sein, der beide Geschlechter in sich vereint. Du wirst das Blut und die Stärke von beiden in dir tragen.« Stolz und ein heißes Glücksgefühl überkamen sie, als sie die kleinen Tritte unter ihrem Rippenbogen spürte. »Mein Sohn, mein Liebling«, flüsterte sie erneut, und eine Locke, die sich unter der Haube gelöst hatte, fiel ihr in das schöne, zarte Gesicht, als sie sich stützte, um aufzustehen. Alles würde gut gehen. Schließlich war sie mit zwanzig Jahren in einem guten Gebäralter. Sie würde einen gesunden Kronprinzen zur Welt bringen und ihrem Mann danach noch viele weitere Kinder schenken. Nach der Geburt des Kronprinzen würde Henry sie sicherlich auch zur Königin krönen, und sie wollte ihrem Volk eine gütige und liebevolle Herrscherin sein. Im Gegensatz zu ihrer Mutter hatte sie nicht vor, sich in politische Angelegenheiten einzumischen oder sie mitzubestimmen, obwohl es ihr vielleicht eher zugestanden hätte.

Vater hat Mutter wegen ihrer Schönheit geheiratet, dachte sie bei sich. Heimlich und zum Entsetzen seiner Berater … eine wilde Romanze und eine Liebesheirat, die Vater fast den Thron gekostet hätte. Und Mutter war klug genug, ihre Position auszunutzen. Aber ob die beiden wohl jemals auf die Idee gekommen sind, dass ich auch Gefühle habe? Vaters Aufmerksamkeit galt mir doch nur, weil ich die Älteste war und somit ein politischer Trumpf.

Elizabeth mochte sich nicht weiter mit den Demütigungen befassen, die sie damals empfunden hatte, als ihr bewusst wurde, dass sie nicht die Gemahlin des französischen Dauphins werden sollte. Sie war einfach ausgeschaltet worden, nicht mehr interessant genug. Eine Zeitlang konnte sie ihre französischen Bücher nicht mehr anschauen, ohne dass ihr die Tränen der Enttäuschung in die Augen stiegen. »Madame la Dauphine« hatte ausgedient und stand dem Heiratsmarkt wieder zur Verfügung.

Und Henry? Hatte er sie denn um ihrer selbst willen geheiratet? Er hatte sie ja nicht einmal gekannt. Sie war eine Dreingabe zu der Krone, die er sich unbedingt erobern wollte, und sie passte gut in die politischen Pläne ihrer ehrgeizigen Mütter. Henry hätte sie wahrscheinlich auch genommen, wenn sie hässlich, verwachsen und alt gewesen wäre, solange es ihm den Thron gesichert hätte. Hatte er sie überhaupt jemals einfach nur als Frau wahrgenommen? Plötzlich huschte ein Lächeln über ihr Gesicht. Ja, er hatte sie als Frau sehr wohl wahrgenommen, und er war mit ihr und ihrem Aussehen mehr als zufrieden. Sie nahm ihren kleinen runden Spiegel und betrachtete ihr Gesicht. Das Kerzenlicht zeichnete ihre Züge weicher, als sie es ohnehin schon waren. Sie war natürlich dicker geworden in den letzten Wochen, auch im Gesicht. Aber sie war schön. Sie war wirklich schön. In einer plötzlichen Eingebung streifte sie sich die Haube vom Kopf und löste ihre blonden Haare, die ihr lang und glänzend bis zu den Hüften herabfielen. Was wäre wohl geschehen, wenn Henry ihr so zum ersten Mal begegnet wäre? Ohne sie zu kennen …

Ihre Gedanken gingen auf die Reise. Sie sah sich badend, nackt, in einem Fluss. Sie war nicht mehr Elizabeth von York, die Tochter des englischen Königs. Sie war ein einfaches Mädchen. Wenn Henry auf seinem Pferd vorbeigekommen wäre und sie so erblickt hätte? Hätte er dann wie ihr Vater bei ihrer Mutter alle politischen Überlegungen außer Acht gelassen, nur weil er sie begehrte? Konnte in ihren Kreisen eine Frau für einen Mann überhaupt so wichtig sein, dass alles andere dafür in den Hintergrund trat? Außer bei ihren Eltern war ihr nichts dergleichen bekannt, und dort hatte ihre Mutter bestimmt gehörig dazu beigetragen, dass Edward nicht anders konnte. Aber sie war nicht wie ihre Mutter. Elizabeth hatte nicht gelernt zu fordern, sondern zu geben. Sie war bereit, das zu geben, was ihre Aufgaben als Königin ihr abverlangten. Und Henry war nicht unzufrieden mit ihr, das wusste sie. Für ihn war es eine Erholung, in ihren Armen zurücksinken zu können und Kraft zu sammeln. Er hatte so viele Fronten, die ihn Energie kosteten. Wenn er auch vom Papst als englischer König anerkannt war, und allen, die sich dem widersetzten, der Kirchenbann drohte, so gab es dennoch genügend Gegner, die in Henry den Usurpator sahen, der sich die Krone angemaßt hatte. Immer wieder tauchte ein neuer junger blonder Mann auf, dessen Anhänger ihn als einen der totgeglaubten Prinzen aus dem Tower und rechtmäßigen Erben des Throns ausgaben und versuchten, Henry die Macht zu entreißen. Bis jetzt hatte er alle Aufstände niederschlagen können. Aber er befand sich ständig in Hab-Acht-Stellung, während er sich gleichzeitig bemühte, das Chaos im Land zu ordnen und sich durch Entmachtung des alten Adels zum Alleinherrscher zu machen. Ideen, die nicht allein von ihm stammten, sondern hinter denen größtenteils seine Mutter Margaret Beaufort steckte, die er ständig im Schlepptau hatte. Man musste sie verstehen. Sie lebte nur für ihn, und für ihn wollte sie alles erreichen. Er war ihr einziger Sohn, geboren nach dem Tod ihres Ehemannes Edmund Tudor, dem Earl von Richmond. Margaret Beaufort war bei Henrys Geburt dreizehn Jahre alt gewesen und musste Höllenqualen gelitten haben. Obwohl sie danach noch zweimal verheiratet war, bekam sie keine weiteren Kinder mehr. Man munkelte, sie sei bei Henrys Geburt so zerrissen worden, dass sie einfach nicht mehr empfangen konnte. Der Gedanke daran flößte Elizabeth Angst ein. Was, wenn sie nun auch …?

Prinz Arthur kam am 20. September 1486 in Winchester zur Welt. Er war kein kräftiges Kind, aber er war der Thronerbe, und er lebte. Elizabeth lag erschöpft in dem großen Bett, ihre Haare klebten nass und strähnig an ihren Wangen und ihrem Hals. Ihre Kammerfrauen waren eifrig bemüht, die blutigen Laken und Schüsseln wegzuschaffen. Der kleine Prinz war bereits gewickelt, und die Kinderfrau wartete darauf, ihn seinem Vater, König Henry VII., zu präsentieren. Als die Tür sich jedoch endlich öffnete, trat nicht wie erwartet Henry ins Zimmer, sondern Lady Margaret, seine Mutter. Elizabeths Augen füllten sich mit Tränen der Enttäuschung, als sie sah, wie ihre Schwiegermutter das Neugeborene prüfend musterte. Dann nahm Margaret Beaufort den Jungen in ihre Arme und trat mit ihm an das Bett ihrer Schwiegertochter.

»Leg Holz nach«, wies sie eine Dienerin an. »Die Königin und der Prinz sollen es warm haben.« Margaret legte das Kind in Elizabeths Arme und lächelte mit ihren dünnen, faltigen Lippen. »Wir wollen dem Herrn und der Heiligen Jungfrau Maria danken, dass sie uns den Thronfolger beschert haben. Die Geburt ist gut verlaufen, und du wirst noch viele Kinder haben können. Sei dankbar dafür. Und auch dafür, dass du nicht, wie ich damals bei Henry, dein Kind ständig verstecken und in Sicherheit bringen musst. Er wird keine Feinde haben, denn sein Vater hat es vollbracht, England zu einigen, und das Volk wird jubeln, wenn ihm die Geburt Arthurs verkündet wird.«

Elizabeth betrachtete das winzige Bündel in ihrer Armbeuge. Der Junge schlief, und seine zarten Augenlider flatterten. Bläuliche Schatten lagen auf dem hellen Gesicht, so dass es fast durchsichtig wirkte.

»Wo ist Henry?«, fragte Elizabeth. Warum müsst Ihr, seine Mutter, Euch auch in dieser Situation vordrängen? Diese zweite Frage wagte sie jedoch nicht auszusprechen. Es war am Hof allgemein bekannt, dass Margaret Beaufort die eigentliche Herrscherin war. Henry war ihr ergeben und sehr zugetan, obwohl er von ihr sein ganzes Leben lang nie wirkliche Liebe bekommen hatte. Im Grunde genommen ging es ihm nicht anders als mir, auch er war für seine Mutter nur ein Mittel, um ihren Machtwillen durchzusetzen, ein politisches Spielzeug, dachte Elizabeth und streichelte sanft die Wange ihres Babys. Zweifelsohne hatte Margaret sich immer sehr für Henry eingesetzt, hatte keine Strapazen und Gefahren gescheut, hatte für ihn gekämpft. Doch hätte sie all das auch getan, wenn er keine Aussichten auf die englische Krone gehabt hätte? Nur aus Liebe, weil er ihr Kind war? Noch dazu ihr einziges? Elizabeth konnte es sich nicht vorstellen. Ihre Schwiegermutter war pragmatisch, berechnend, tat nie etwas einfach nur so. Gefühle hatten vor der Pflicht zurückzutreten, und Investitionen mussten sich lohnen.

Auch du wirst dies zu spüren bekommen, mein Liebling, sprach sie im Stillen zu Arthur, und ein wehes Gefühl lief ihr durch den Körper. Er war so klein, so hilflos. Und sie war nicht in der Lage, ihn zu beschützen. Kaum auf der Welt, war er schon ein fester Bestandteil der Machtpläne seiner Großmutter und seines Vaters, der sich immer noch nicht blicken ließ.

»Seine Majestät, der König!«, schallte es plötzlich von draußen, und nur Sekunden später ging die Tür auf. Alle Hofdamen und Dienerinnen sanken in einem tiefen Knicks zu Boden und neigten den Kopf, so dass ihre Stirn fast den Holzboden berührte.

Henry VII. stürmte in das Wöchnerinnenzimmer, ungestüm und etwas polternd wie immer, und sank neben Elizabeths Bett auf die Knie. »Meine Schöne, wie glücklich bin ich über unseren gesunden Sohn«, rief er und nahm das Kind, das Elizabeth ihm stolz und mit Freudentränen in den Augen entgegenreckte, auf den Arm. Etwas unbeholfen wiegte er den Jungen hin und her. »Arthur, Erbe des neuen Königreiches, unter deinem Namen wird England zur Einheit werden. Du wirst fortsetzen und vollenden, was ich begonnen habe. Dein Name ist das Symbol für die neue Zeit. Nicht wahr«, wandte er sich an seine Mutter, die er jetzt endlich zu bemerken schien, »wir haben den Namen gut gewählt, und Gott ist auf unserer Seite, da er uns so schnell einen gesunden Erben geschickt hat. Arthur wird die letzten Zweifler zum Schweigen bringen. Er wird meine Stärke und Elizabeths Güte in sich vereinigen und beide Tugenden zum Besten einsetzen.«

2. König Arthur?

Anfang November 1501 befand sich Prinz Henry, den alle nur Harry nannten, mit seinem Vater auf dem Weg nach Dogmersfield, um dort die Braut seines Bruders in Empfang zu nehmen. Eigentlich hätte Katharina schon vor Wochen in Southampton anlegen sollen, doch ein heftiger Herbststurm hatte ihr Schiff vom Kurs abgetrieben, und so war sie mit ihrem Gefolge schließlich einhundertfünfzig Meilen weiter westlich in Plymouth gelandet. Der Sturm hatte sich mittlerweile zwar gelegt, aber dennoch war es ein ungemütlicher Ritt auf den vom Regen aufgeweichten schlammigen Wegen, den Harry und der König von ihrer Residenz in Easthampstead nach Hampshire hinter sich bringen mussten, um die Infantin von Spanien gebührend willkommen zu heißen und sie in ihre neue Heimat zu geleiten.

Harry konnte mit seiner Rolle nichts anfangen. Er war fein herausgeputzt worden, aber nun waren seine Kleidung und die seines Vaters durchnässt von Tausenden und Abertausenden feinen Nebeltröpfchen, und seine vornehmen Schuhe hatten bei dem Ritt hässliche Schlammspritzer abbekommen. Eigentlich hätte Arthur an seiner Stelle sein sollen, der zukünftige Bräutigam. Aber das kalte und feuchte Wetter der letzten Tage hatte ihn – wie so oft – wieder einmal krank werden lassen, und so hatte er auf halber Strecke schlappgemacht. Er lag hustend und fiebernd in Easthampstead im Bett, und die Diener mussten Sorge tragen, dass das Feuer in seiner Kammer nicht ausging – ein fast luxuriöser Zustand, hatten Harry und seine Geschwister doch schon oft unter der Sparsamkeit des Königs (böse Zungen sprachen sogar von Geiz) leiden müssen, die auch im eigenen Palast und vor der eigenen Familie nicht Halt machte und ein flackerndes, wärmendes Feuer im Kamin oder neue, nicht von Motten zerfressene Kleidung zu einem seltenen Ereignis werden ließ.

Harry konnte Arthur nicht verstehen. Er selbst war so gut wie nie krank, er fror nie, auch jetzt nicht, wo das miserable Herbstwetter sogar dem König zu schaffen machte, wie man an der rot angelaufenen Nase und den violett schimmernden Lippen Henrys VII. sehen konnte. Harrys große, volle Wangen leuchteten mit seinem roten Haar um die Wette, und trotz der klamm gewordenen Kleidung fühlte er sich körperlich nicht unwohl. Der Ritt machte ihm dennoch keinen Spaß, und von Katharina hatte er keine Vorstellung. Er wusste nur, dass sie viel älter war als er, sogar älter als Arthur, und er war der Meinung, sie müsse als Arthurs Verlobte ähnlich blass, schwach und langweilig sein wie dieser. Zudem war sie Spanierin und kam aus einem fernen, mächtigen Land jenseits des Meeres, das noch bis vor wenigen Jahren von wilden Arabern, den Mauren, beherrscht worden war. Katharinas Eltern, Isabella von Kastilien und Fernando von Aragón, hatten es geschafft, den letzten Maurenkönig aus Granada zu vertreiben. Harry war damals ein halbes Jahr alt gewesen, Katharina sechs. Und nun hatten sich die Katholischen Könige, wie Isabella und Fernando genannt wurden, entschlossen, ihre jüngste Tochter mit dem ältesten Sohn des englischen Königs zu vermählen: ein wichtiges Zeichen dafür, dass das Haus Tudor als rechtmäßige Herrscherfamilie anerkannt wurde.

»Kann sie denn Englisch sprechen, Vater?«, wandte Harry sich an den König und schaute an dessen hochgewachsener Gestalt empor. Harry selbst schien seinem Vater, was die Statur anbelangte, nachzuschlagen. Mit seinen zehn Jahren war er bereits so groß wie der fünfzehnjährige Arthur und viel kräftiger.

»Nun«, antwortete der König und hüstelte, »sie spricht es nicht perfekt, wie der spanische Gesandte mir sagte, doch sie beherrscht fließend Latein und Französisch, und so wird es mit Sicherheit einen Weg der Verständigung geben.« Sein Atem ließ eine weiße Wolke in der kalten Herbstluft zurück. Er fuhr fort: »Katharina ist eine sehr gebildete junge Dame. In Spanien hatte sie die besten Lehrer, wurde mir berichtet. Neben Religion und Philosophie bekam sie auch Unterricht in Zeichnen, Musik und Tanz, und sie beherrscht auch die Kunst des Handarbeitens.«

»Kann sie auch reiten?«, wollte Harry wissen.

»Ich bin mir sicher, dass sie eine gute Reiterin ist. Zumindest, wenn sie ihrer Mutter nachschlägt, die selbst mit dem Pferd in den Krieg gezogen ist.«

»Dann passt sie nicht zu Arthur«, platzte Harry heraus, »denn der kann nicht gut reiten, und tanzen kann er auch nicht …« Erschrocken hielt er inne und schaute vorsichtig zu seinem Vater hinauf. Er spürte, dass er eine Ungehörigkeit begangen hatte, denn ihm stand es nicht zu, seinen älteren Bruder und zukünftigen König zu kritisieren.

Doch Henry VII. ging auf Harrys Worte nicht ein. Entweder hatte er sie nicht gehört, oder er hatte sie schlichtweg nicht hören wollen. Stattdessen wies er mit seiner rechten Hand in die Ferne, wo sich im diesigen Grau des Horizonts schemenhaft einige Gebäude abzeichneten. »Dort liegt Dogmersfield, Harry. Wir sind bald da.«

Eine Stunde später erreichten sie den Bischofspalast, in dem Katharina von Aragón vorübergehend Quartier bezogen hatte. Es dämmerte schon, aber dennoch tummelten sich im Hof eine Menge Menschen mit seltsam anmutenden bunten Gewändern. Sie gehörten zum Gefolge der Infantin, und ihre Kleidung taugte offensichtlich nicht für das englische Klima, denn man sah ihnen an, dass sie froren. Auch die beiden Wachen vor dem Eingangstor hatten ihre Schultern zusammengezogen und bemühten sich vergeblich, die Kälte, die langsam von unten an ihnen hochkroch, zu ignorieren. Aber sie waren wachsam. Als König Henry und sein Sohn näher kamen, kreuzten sie ihre Hellebarden.

Henry VII. ließ sich davon nicht beeindrucken.

»Macht Platz für den König von England«, rief er und schob die verdutzten spanischen Wachmänner einfach beiseite.

Harry blieb erschrocken stehen und sah, wie sein Vater den Kopf einzog und im Innern des Hauses verschwand. Harry schlüpfte hinterher, noch bevor die Wachen ihn daran hindern konnten. Sein Vater stand in einem dunklen Gang und diskutierte mit einer Frau.

»Es tut mir leid, aber die Infanta hat sich bereits zur Ruhe begeben. Es ist nicht möglich, dass sie heute noch jemanden empfängt«, sagte sie gerade in gebrochenem Englisch mit rollendem R.

»Das kann ich mir kaum vorstellen. Ich bin der König«, entgegnete Henry VII. schroff, schob sie beiseite, stieß die Tür auf, vor die sich die spanische Dame gestellt hatte, und verschwand im Innern, unberührt von dem Aufschrei der Spanierin, die vergeblich versuchte, ihn an seinem Mantel zurückzuhalten. Lautes, erschrecktes Kreischen ertönte, gefolgt von erregten Worten in einer fremd und hart klingenden Sprache, die Harry nicht verstand. Der entstandene Tumult pflanzte sich außerhalb des Zimmers fort, über den Gang bis hinaus auf den Hof. Die beiden überrumpelten Wachen, hin- und hergerissen zwischen ihrem Pflichtgefühl, ihre Herrin zu beschützen, und dem strikten Verbot, das Gemach Katharinas von Aragón zu betreten, wirkten fast komisch in ihren verzweifelten Versuchen, die Lage zu retten. Auf ihr Schreien hin strömten Männer aus allen Ecken und Winkeln des Palasts herbei, teilweise bewaffnet und heftig gestikulierend, aber alle mit demselben Problem: das Zimmer der Infantin war für männliche Wesen tabu.

Endlich kam Rodrigo Gonzalez de Puebla, der spanische Botschafter, ein kleines verwachsenes Männchen, mit so festen Schritten, wie der glatte Steinboden und sein steifes linkes Bein es zuließen, auf das Zimmer zu und stieß die angelehnte Tür mit einer energischen Bewegung auf.

»Euer Majestät«, sprach er und deutete eine Verbeugung vor dem englischen König an, der mitten in einem Haufen verschreckter spanischer Hofdamen stand. Henry VII. war so groß, dass er mit dem Kopf beinahe gegen die niedrige Zimmerdecke stieß. Er wirkte wie ein Fremdkörper in diesem Sammelsurium aus Kleidern, Bändern, Kämmen, Parfümflaschen und Dutzenden anderer typisch weiblicher Utensilien. Von der Infantin war nichts zu sehen, und de Puebla atmete auf. »Euer Majestät mögen mir verzeihen, aber es ist bei uns in Spanien nicht Sitte, dass die Braut sich vor der Hochzeit einem Mann ihrer zukünftigen Familie zeigt«, begann er vorsichtig, um dann fortzufahren: »Ihre Königliche Hoheit hat nicht damit gerechnet, von Euch, Sir, hier aufgesucht zu werden. Sie bereitet sich auf die Reise nach London vor und hat erwartet, dort empfangen zu werden.«

Henry Tudor sah de Puebla so zornig an, dass Harry, der unbeachtet von allen Umherstehenden das Ganze von draußen beobachtete, dachte, sein Vater würde den spanischen Gesandten im nächsten Moment am Kragen packen und hinauswerfen. Aber der König brüllte nur: »Was gehen mich Eure spanischen Sitten an? Ihr seid in England! Ich bin der König von England! Eure Infantin ist die zukünftige Königin von England! Also hat sie sich an englische Sitten zu gewöhnen, und das am besten gleich!« Er trat einen Schritt auf den wie angewurzelt dastehenden Botschafter zu, schnappte ihn jetzt doch an seinem Wams und fauchte: »Und ihr Hofstaat wird sich auch daran gewöhnen, dass in ENGLAND«, seine Stimme wurde lauter, »das Wort des ENGLISCHEN KÖNIGS GESETZ IST!« Er bekam einen rasselnden Hustenanfall, an dessen Ende er sich zu Harrys Erleichterung zumindest noch so weit beherrschte, den hochgeröchelten Schleim nicht auf den Boden zu spucken. In das betretene Schweigen fragte er nun ruhiger: »Also, wo ist sie, Eure Herrin? Ich habe den Wunsch, meine zukünftige Schwiegertochter zu sehen.«

Der spanische Botschafter verfiel vor Verzweiflung in seine Muttersprache: »Por favor, Alteza, no es posible ... sería una ofensa …«[Fußnote 1] Instinktiv stellte de Puebla sich mit ausgebreiteten Armen vor einen dichten bordeauxroten Vorhang, der den Eingang zu einem weiteren Gemach verschloss: dem Schlafzimmer von Katharina von Aragón.

Die Infantin selbst erlöste ihn. Sie hatte, obwohl des Englischen nicht sehr mächtig, die hitzige Auseinandersetzung in ihrem Vorzimmer mitbekommen und erkannt, dass sich der englische König erst zufriedengeben würde, wenn er einen Blick auf sie geworfen hatte. Und so teilte sich der bordeauxrote Vorhang plötzlich, und eine kleine, jedoch nicht schmächtige Gestalt trat heraus. Ihr Gesicht war von einem schwarzen Spitzenschleier verhüllt, und bronzefarbenes Haar bedeckte fast den ganzen Rücken. »Está bien, Don Rodrigo. Gracias«[Fußnote 2], wandte sich Katharina mit sanfter Stimme an den Gesandten, der genau wie alle anwesenden Hofdamen in die Knie gesunken war. Sie ging zwei Schritte auf Henry VII. zu, der immer noch und als Einziger hoch aufgerichtet in der Zimmermitte stand. Erst jetzt, als Katharina ihren Kopf vor ihm neigte, deutete er eine Verbeugung an.

»Willkommen in England, Prinzessin Katharina«, sagte er.

Katharina von Aragón reichte ihm ihre kleine Hand zum Gruß. »Euer Majestät«, erwiderte sie.

»Es freut mich«, fuhr Henry VII. fort, »dass Ihr offensichtlich schneller begreift als Euer Hofstaat und bereit seid, die Gesetze Eurer neuen Heimat anzunehmen.«

»Es war der Wunsch meiner geliebten Eltern, dass ich hierher komme. Und ich habe ihnen versprochen, meine Pflicht zu erfüllen«, erwiderte sie in ihrem harten Englisch, welches einen eigentümlichen Kontrast zu ihrer weichen, volltönenden Stimme bildete. »Ich fürchte, ich beherrsche Eure geschätzte Sprache noch zu wenig, um mich gut darin auszudrücken. Verzeiht mir. Ich werde mir große Mühe geben, sie schnell zu lernen.«

Henry VII. brachte ein schmales Lächeln zustande. »Ich bin erfreut, das zu hören, Prinzessin. Allerdings würdet Ihr mir eine noch größere Freude bereiten, wenn Ihr dieses Ding da«, er deutete auf ihren Schleier, »abnehmen könntet. Ihr seht eher aus wie eine Witwe als wie eine Braut.«

Den letzten Satz schien Katharina nicht verstanden zu haben. Ihre erste Hofdame und mütterliche Freundin Doña Elvira begriff hingegen sofort und eilte mit einem unterdrückten Aufschrei zwischen die beiden. »Quiere que descorra su velo!«[Fußnote 3], rief sie Katharina zu und wandte sich dann mit einem Knicks an König Henry: »Verzeihung, Euer Majestät, aber die Braut darf sich den Männern ihrer zukünftigen Familie erst am Tag der Hochzeit zeigen. Por favor, bitte, respektiert diese alte spanische Sitte.«

»Ich werde weder diese noch irgendeine andere spanische Sitte respektieren!«, schnauzte Henry VII. sie an. »Durch diese Heirat verbinden sich zwei Königshäuser, die das Christentum vertreten. Verschleierte Frauen nach Art der Mauren sind da fehl am Platz. Außerdem möchte ich gern sehen, worauf wir uns einlassen. Nehmt den Schleier ab!«, befahl er Katharina.

Doña Elvira warf sich ihm vor die Füße. »No, Su Majestad, por favor, no!«[Fußnote 4]

Und auch Rodrigo Gonzalez de Puebla versuchte noch einmal, vermittelnd einzutreten. »Euer Majestät, die Prinzessin hat eine lange und beschwerliche Reise hinter sich. Der Sturm, der uns von der Küste abgetrieben hat und uns zwang, hier zu landen, war für sie sehr anstrengend. Hinzu kommt der Abschied von ihrer Heimat … Habt die Güte und lasst ihr ein wenig Zeit. Ihr habt soeben aus ihrem eigenen Mund gehört, dass sie bereit ist, England als neue Heimat zu akzeptieren und ihre Aufgabe gut zu erfüllen.«

»Nun, dann kann sie jetzt sofort damit anfangen, die erste Regel in ihrer neuen Heimat zu lernen. Und die heißt: Es gibt keinen höheren Willen als den des Königs. Sagt ihr das«, befahl Henry de Puebla.

Der Botschafter zuckte die Schultern und richtete einige leise spanische Worte an die Infantin. Doña Elvira und die anderen Frauen, die zugegen waren, starrten ängstlich auf ihre Herrin, einige rangen die Hände und murmelten wie in einem Gebet vor sich hin.

Katharina von Aragón hob die Hände und fasste sich an ihren Schleier.

Doña Elvira brach in Schluchzen aus: »Traerá mala suerte, traerá mala suerte … Es wird Unglück bringen …«

Katharina stand unverschleiert vor ihrem zukünftigen Schwiegervater. Mit hoch erhobenem Haupt sah sie ihm fest in die Augen. »Seid Ihr zufrieden mit mir, Euer Majestät?«, fragte sie.

Henry betrachtete das junge Mädchen. Mit ihren grauen Augen und dem goldbraunen Haar, das ihr offen über die Schultern fiel und ihr rundes Gesicht etwas schmaler erscheinen ließ, war sie keine atemberaubende Schönheit, aber, gütiger Himmel, der Stolz, der von diesem Mädchen ausging, war unglaublich. Wenn man ihr, so wie es ihre Untergebenen glauben machten, tatsächlich soeben ihre Würde genommen hatte, verstand sie es zumindest hervorragend, sich diese Demütigung nicht anmerken zu lassen. Ihre Gelassenheit schien eher das Gegenteil zu bewirken, denn Henry räusperte sich verlegen und wich schließlich ihrem Blick aus. »Es ist gut«, murmelte er. »Ich bin zufrieden.« Dann wandte er sich ab und verließ den Raum.

Harry eilte ihm hinterher, noch ganz benommen von all dem, was er soeben erlebt hatte, vor allem aber von Katharinas Erscheinung.

Der November zeigte sich von seiner hässlichsten Seite; das Wetter war furchtbar. Ein kalter Wind rüttelte an den letzten Blättern der Parkbäume, und ein feiner, aber nicht enden wollender Regen tauchte die ohnehin schon trostlose Landschaft in einen trüben Schleier. In wenigen Tagen sollte Arthurs Hochzeit mit Katharina stattfinden, und der ganze Hof hoffte, dass der Dauerregen bis dahin ein paar trockenen und wärmeren Tagen Platz machen würde.

Margaret Beaufort befand sich mit ihrem Sohn in dessen Arbeitszimmer, in dem trotz der Kälte der Kamin wieder einmal kalt war. Sie sprachen über Katharina, die sich nun seit etwas über einer Woche am Hof befand und auf ihre Rolle als Frau an der Seite des Thronfolgers vorbereitet wurde. Die Königin Elizabeth von York und Henrys Mutter teilten sich diese Aufgabe, die nicht nur wegen der sprachlichen Verständigung problematischer war, als Margaret Beaufort es sich gedacht hatte.

»Mit ihrem Stolz und ihrem Selbstbewusstsein steckt sie Arthur mit Leichtigkeit in die Tasche. Ich habe nicht den Eindruck, dass sie die nötige Sanftmut mitbringt, die man sich für die Gemahlin des Prinzen von Wales vorstellt. Immerhin wird er König von England, und er braucht eine Frau an seiner Seite, die ihn unterstützt. Keine, die ihn aussticht oder womöglich glaubt, den Ton angeben zu müssen.«

Henry VII. sah seine Mutter an und dachte: Wie leicht man doch die eigenen Untugenden in einem anderen Menschen erkennt. Man könnte meinen, Mutter ist eifersüchtig auf dieses beeindruckende junge Mädchen. Hat sie etwa Bedenken, in Katharina, der Infantin von Spanien, eine Konkurrentin zu bekommen, die ihr ihren Einfluss streitig machen könnte? Eines steht jedenfalls fest: so ein leichtes Spiel wie mit meiner Elizabeth wird sie mit Katharina nicht haben.

Laut sagte er: »Arthur wird es guttun, wenn ihm ein bisschen Feuer unter dem Hintern gemacht wird. Und Katharina wird bei allem spanischen Stolz und bei all ihrem Temperament nicht vergessen, was ihre Aufgabe als Ehefrau und zukünftige Königin von England ist. Sie wird Arthur ein wenig Leben einhauchen, hoffentlich, und er wird durch seine zurückhaltende Art ihr Temperament in angenehme Bahnen lenken. Arthur schadet es nicht, wenn er ein wenig aufgerüttelt wird. Er erscheint mir manchmal fast etwas zu zaghaft für seine große Verpflichtung. Aber wie dem auch sei, Mutter«, er lachte, »Katharina sichert uns das Bündnis mit Spanien. Und allein die Vorstellung, dadurch Ludwig von Frankreich ein paar schlaflose Nächte zu bereiten, ist es wert, es mit ihr als Schwiegertochter aufzunehmen, mag sie noch so schwierig zu lenken sein.«

Margaret Beaufort betrachtete ihren Sohn mit ihren schwarzen Knopfaugen. Sie fühlte sich müde. Würde der Kampf denn nie aufhören? Würde sie sich jemals zurücklehnen können in dem ruhigen Gefühl, die Krone für die Tudors für die nächsten Generationen gesichert zu haben? Fast ihr ganzes Leben hatte sie dafür gekämpft, dass Henry auf den Thron kam, und sie hatte es geschafft. Durch ihren geschickten Schachzug war Henry, wenn er auch nicht aus direkter königlicher Linie stammte, nun doch der anerkannte König von England geworden. Wie aber würde es weitergehen, wenn Arthur seinen Vater ablöste? Sie traute ihm nicht zu, dass er das, was sein Vater bis dahin mühsam aufgebaut hatte, zu halten, geschweige denn fortzuführen vermochte.

»Woran denkt Ihr, Mutter?« Henry winkte einen Diener herbei, der ihre beiden Weinbecher wieder füllte.

Margaret Beaufort wartete, bis er sich entfernt hatte, dann beugte sie sich zu Henry hinüber, der an dem großen blanken Holztisch saß und gerade den Wein zum Munde führte. »Ich denke an Arthur.« Sie machte eine Pause, ehe sie fortfuhr: »Er ist schwach. Er hat weder die körperliche Kraft noch den Ehrgeiz … noch die Kühnheit, die er als König braucht. Das Nest ist noch nicht warm genug, als dass er sich nur hineinsetzen könnte. Unsere Dynastie steht noch am Anfang. Du bist dabei, das Land zu sanieren und Ordnung zu schaffen, aber Arthur könnte, wenn er sich nicht bald ändert, alle deine Errungenschaften wieder gefährden.«

Henry fuhr sich mit der linken Hand über sein Kinn und schüttelte den Kopf. »Arthur ist noch jung, er muss sich erst entwickeln. Bis er auf den Thron kommt, wird England stabil sein, dafür sorge ich. Mit Eurer Hilfe, Mutter«, sagte er und streckte seine Hand nach ihr aus.

Diese Geste tat ihr wohl, aber gleichzeitig machte sie sie wütend. Wütend auf ihren erstgeborenen Enkel, der ihr Werk und das seines Vaters gefährdete. Sie begann auf und ab zu schreiten. »Henry, selbst wenn es dir mit Gottes und meiner Hilfe tatsächlich gelingen sollte, die Macht der Tudors zu stabilisieren, was kommt dann nach deinem Tod? Das Volk möchte und braucht einen König, dem es zujubeln kann, als Ausgleich für die harten und strengen Jahre, die es unter dir erleben musste – zu seinem letztendlichen Wohl, selbstverständlich«, fügte sie hinzu, weil sie sah, dass er Einspruch erheben wollte. »Aber das Volk jubelt nur dem König zu, dem es vertraut und den es bewundert. Einem König, mit dem es sich sicher und gut vertreten fühlt. Ein König muss entweder Kriege führen oder Feste feiern. Für beides scheint Arthur nicht geschaffen. Wenn Harry nicht der Zweitgeborene wäre …«

»Mutter!« Henry sprang auf und schlug mit der Hand auf den Tisch, so dass der Wein aus den Bechern und das Wachs der brennenden Kerzen auf die Tischplatte spritzten. »Mutter! Versündigt Euch nicht! Harry ist mein zweiter Sohn, und er wird nicht zuletzt mit Eurer Hilfe ein vorzüglicher Priester und Kardinal werden. Beschwört nicht ein Unglück herauf, indem Ihr mit dem Gedanken spielt, er könnte König werden. Denn das würde bedeuten, dass Arthur … stirbt!« Bei den letzten Worten überschlug sich seine Stimme und endete in einem erstickten Krächzen, dem ein Hustenanfall folgte.

Als er sich beruhigt hatte, war Lady Margaret bereits gegangen. Henry ließ sich schwer atmend auf seinen Stuhl zurückfallen. Seine Mutter hatte recht: Arthur war nicht das Idealbild eines zukünftigen Königs. Er war still, zurückhaltend, schüchtern. Weder das Reiten noch die Musik konnten ihn wirklich begeistern. Während der kleine Harry jede Gelegenheit nutzte, seine Kräfte mit wem oder was auch immer zu messen, schien Arthur jegliche Art von Auseinandersetzung zu meiden, auch wenn es nur Sport oder Spiel war. Er war ein eher schlechter Tänzer und scheute sich vor der Öffentlichkeit. Außerdem war er seit dem ersten Tag seines Lebens schwächlich und litt ständig an irgendwelchen Krankheiten und Fiebern. Ob es daran lag, dass er zu früh auf die Welt gekommen war?

Seit Stunden lag Margaret Beaufort wach in ihrem großen Himmelbett in Coldharbour. Die Vorhänge aus weißem Damast hatte sie nur halb zugezogen, und das diesige Licht, das durch das Fenster gegenüber drang, zeigte ihr, dass der Morgen nicht mehr weit war. Das Gespräch mit ihrem Sohn am Vorabend hatte ihr keinen ruhigen Schlaf beschert. Immer wieder hatte sie Arthurs erste Begegnung mit Katharina vor Augen, sah deutlich, wie unscheinbar und schmächtig sich der künftige Thronerbe neben diesem beeindruckenden stolzen Mädchen ausmachte. Katharina hatte das Zeug zur Herrscherin, Margaret fühlte das. Aber sie passte nicht zu Arthur. Nein, das war falsch ausgedrückt. Arthur passte nicht als König. Margaret liebte den Jungen, aber sie konnte sich des Gedankens nicht länger erwehren, dass Arthur als König von England die ganze Sache schneller wieder zunichtemachen würde, als sie, seine Großmutter, gebraucht hatte, sie aufzubauen. Margaret stöhnte. Warum hatte Gott nicht Harry als Erstgeborenen geschickt? Warum bestrafte er nun ihre ganzen Mühen, ja, verspottete ihren Einsatz sogar, indem sie täglich den kraftstrotzenden, lebenslustigen, mutigen Harry vor Augen hatte. Konnte Gott es tatsächlich wollen, dass er ein Kirchenmann wurde und sein Potenzial verpuffte? Konnte Gott es wollen, dass durch Arthurs Schwäche das Land, das nun endlich in ordentliche Bahnen gebracht worden war, wieder orientierungslos wurde und womöglich im Chaos oder als Beute einer anderen Macht endete?

Margaret Beaufort stand auf und setzte sich auf ihren Lieblingsstuhl am Fenster. Sie strich mit ihrer dünnen Hand gedankenverloren über die grobe Schnitzerei der Lehne. Gott konnte nicht zulassen, dass das Schicksal Englands durch eine Laune der Natur auf dem Spiel stand. Sie faltete die Hände. »Herr im Himmel«, betete sie, »hilf mir und England. Lass mich Dein Werkzeug sein, gib mir ein Zeichen, wie Englands Zukunft aussehen soll.« Sie erhob ihre Augen zu dem Kruzifix, das in ihrer Gebetsnische hing. Gott hat seinen eigenen Sohn geopfert, um die Welt zu retten, dachte sie. Vielleicht ist dies das Zeichen.

3. Hochzeit

In der königlichen Küche herrschte seit Tagen Hochbetrieb. Hunderte von Küchenjungen und Mägden waren eifrig dabei, allerlei Sorten von Geflügel zu rupfen, Kaninchen auszunehmen, Bratspieße zu drehen, an denen riesige Stücke von Ochsen und Hammeln hingen, die Teigmäntel von Pasteten zu vergolden und Wildbret zuzubereiten, immer unter den scharfen Augen der besten Köche des Landes, die alles daran setzten, sich gegenseitig zu übertreffen. Extra an den Hof gerufene Zuckerbäcker mühten sich mit turmhohen Torten ab, die reine Kunstwerke darstellten. Auf Seen aus Zucker schwammen Schwäne aus Marzipan, aus kandierten Früchten wurden die Wappen des Brautpaares zu Mosaiken zusammengesetzt und Konfekt mit exotischen Gewürzen und gefärbtem Zucker zubereitet. Diener hievten Berge von Brot auf goldene Platten, und Dutzende Schalen mit duftendem Rosenwasser mussten auf den langen Tischreihen verteilt werden, damit die Gäste sich vor und nach dem Mahl, das in England immer noch hauptsächlich mit den Fingern genossen wurde, die Hände säubern konnten.

»Diesmal hat sich der alte Geizkragen wahrlich nicht lumpen lassen«, bemerkte Fanny Oyben, ein Küchenmädchen, während sie einem Fasan die letzten Federn ausrupfte und sie fein säuberlich auf einen Haufen zu den anderen legte. Der Koch wollte sie für die Dekoration des fertig gebratenen Vogels verwenden.

»Es blieb ihm nichts anderes übrig, als in die Vollen zu gehen«, antwortete Kitty Hemson, die neben ihr saß und sich mit einem Pfau in derselben Weise abplagte. »Ganz Europa schaut auf England. Spanien, Frankreich und der Kaiser haben ihre Botschafter geschickt, die ihnen haarklein vom königlichen Hochzeitsbankett berichten werden. Nicht auszudenken, man könnte auf die Idee kommen, der englische König könne sich kein prunkvolles Fest für die Hochzeit des Jahres leisten.«

»Und dennoch sieht der König aus, als würde man ihm jedes einzelne Goldstück, das er dafür verwenden muss, aus dem eigenen Leibe reißen. Wahrscheinlich wäre es ihm am liebsten, er könnte die Reste am nächsten Tag wieder auf den Tisch bringen, anstatt wieder alles von neuem aufzufahren, und das zehn Tage lang!« Fanny legte den Fasan zu seinen Leidensgenossen auf die lange Küchenbank, in deren Rinne sich das Blut sammelte, das den toten Vögeln aus dem Hals tropfte. »Wenigstens kommen wir und das Volk dann auch endlich einmal auf unsere Kosten. Hoffentlich sind die Gäste nach wenigen Gängen schon so satt, dass für uns genügend übrig bleibt.«

Katharina von Aragón saß am Vorabend des 14. November 1501 in ihrer Kammer im Lambeth Palast in einem großen Holzzuber und badete in warmem, duftendem Rosenwasser. Auch die Haare ließ sie sich von ihren Mädchen waschen, sehr zum Entsetzen von Doña Elvira, die befürchtete, die Infanta könne sich bei solch einer Prozedur in den klammen Mauern des Lambeth Palasts den Tod holen, noch ehe sie überhaupt in ihr Brautkleid geschlüpft war.

Katharina hatte sich nicht davon abbringen lassen, obwohl Doña Elvira gestichelt hatte, diese Barbaren von Engländern würden es mit der Hygiene nicht sehr genau nehmen und wahrscheinlich gar nicht bemerken, ob sie frisch gewaschen war. Katharina hatte gelacht und danach ernsthaft gesagt: »Mag sein, dass es mein Ehemann nicht bemerkt, aber ich weiß es, und es ist mir wichtig. Schließlich wird er mir schon bald sehr nahekommen«, fügte sie hinzu und senkte verführerisch Stimme und Augenlider dabei.

Die Mädchen kicherten, aber Doña Elvira rang die Hände und murmelte: »Gebe Gott, dass der Junge überhaupt weiß, was er in der Hochzeitsnacht zu tun hat, und Ihr ihm nicht auch noch zeigen müsst …« Sie schlug die Hand vor den Mund, als sei sie schockiert über ihre eigenen Gedanken, aber Katharina protestierte lachend:

»Doña Elvira! Was denkt Ihr von Eurem zukünftigen Herrn! Arthur mag zwar schüchtern sein, aber er ist nicht dumm. Und ich bin mir sicher, dass er gut auf seine Aufgaben …«, sie sah in ihr Badewasser, aus dem zwischen den Rosenblättern ihre kleinen, festen Brüste herausragten, »… als Ehemann vorbereitet wurde.«

Doña Elvira fuhr herum, heftiger, als sie es beabsichtigt hatte. »Und von wem wurde er vorbereitet?«, fragte sie erregt. »Etwa von seinem Vater, diesem grobklotzigen Weiberhelden, der jede Frau, die ihm begegnet, fast schon mit den Augen auszieht und ihr am liebsten zwischen die Beine greifen würde? Oder von einem dieser Höflinge, die in ihrem ganzen Leben noch keine Seife an ihrem Körper hatten, aber sich Ambra- und Zibetkugeln umhängen, damit man ihren eigenen Gestank nicht so bemerkt?«

»Doña Elvira!«, rief Katharina energisch. »Jetzt ist es aber genug! Ihr wollt mir doch wohl nicht die Hochzeit verderben?«

Doña Elvira hatte mittlerweile selbst gemerkt, dass sie zu weit gegangen war. »Verzeiht, Hoheit«, sagte sie und schluchzte auf. »Ach, dieses schreckliche Land! Es macht mich ganz krank! Keine Sonne! Keine Blumen! Kein Stil! Wenn ich an die Alhambra zurückdenke … Marmorböden! Badehäuser! Und hier? Binsen auf Holzbrettern, und die Prinzessin muss in einem Waschzuber baden! Und das nennt man nun königlich! Es ist …« Sie unterdrückte ihren letzten Satz und beließ es bei einer resignierenden Handbewegung.

Katharina war in der Zwischenzeit aus dem Holzzuber gestiegen, und zwei der Mädchen legten ihr das Nachthemd um. Dann begannen sie, ihr mit Sandelholzkämmen das Haar zu entwirren und zu kämmen. Katharina nahm einen kleinen Spiegel zur Hand, den sie aus Spanien mitgebracht hatte, und betrachtete kritisch ihr Gesicht. Es war rund, ähnlich wie das ihrer Mutter und ihrer älteren Schwester Johanna. Zu rund für ihren Geschmack. »Wie findet Ihr mich, Doña Elvira?«, wandte sie sich wieder an die ältere Frau, die ihr einziger Mutterersatz war. »Bin ich schön? Meint Ihr, ich werde Arthur gefallen?«

»Ihr seid zauberhaft, Hoheit«, antwortete Doña Elvira aus vollem Herzen und fragte, die Intimität des Augenblicks nutzend: »Und der Prinz, gefällt er Euch denn?«

Katharina zögerte, bevor sie sagte: »Ich finde ihn hübsch. Doch.« Mehr fiel ihr dazu nicht ein, denn allzu viel hatte sie von Arthur bisher nicht mitbekommen, und das Wenige hatte sie nicht sehr begeistert. Arthur hatte ein nettes Aussehen, aber er wirkte immer ein bisschen kraft- und lustlos. Wie ein kleiner Junge, dem man alles sagen und zeigen musste. Hoffentlich nicht alles, dachte sie, als ihr die morgige Nacht wieder einfiel.

Nach einer Ewigkeit, wie es schien, waren Katharinas Haare endlich trocken, und sie konnte sich zu Bett begeben. Der Waschzuber wurde kübelweise entleert und wieder in die Küche geschafft, wo man ihn hergeholt hatte. Eine Magd streute frische Binsen auf den nassen Boden und legte noch einmal Holz im Kamin nach, bevor Katharinas letzte Nacht als Jungfrau anbrach.

Der Tag der Hochzeit begann vielversprechend. Es regnete nicht, und nachdem sich der Morgennebel verzogen hatte, zeigte sich die Sonne fast verschwenderisch am blauen Herbsthimmel. Schon früh am Morgen drängten sich die Massen auf Londons Straßen, um die Hochzeitsprozession zu verfolgen, die sich in einem prachtvollen Zug von Lambeth entlang der Themse bis zur St. Paul’s Kathedrale bewegte.

Prinz Harry war dazu auserkoren worden, an der Spitze des Zuges zu reiten, der die Braut ihrem zukünftigen Gemahl zuführte. Katharina saß auf einem riesigen Schimmel. Sie trug ein Hochzeitskleid aus schwerem weißen Satin, das an den weiten Ärmeln und am Hals mit Goldbrokat verziert war, der im Sonnenlicht immer wieder aufblitzte und sie von weitem wie von einem hellen Strahlenkranz umgeben aussehen ließ. Unter der hohen Haube mit dem weißen Schleier schimmerte ihr goldbraunes Haar. Sie winkte in die Menge, die ihr heute noch begeisterter zujubelte als bei ihrem Einzug nach London. Die Leute scheinen mich wirklich zu mögen, dachte sie, während sie sich dem Eingang von St. Paul‘s näherten. Der ausgelegte Teppich war schon deutlich zu erkennen: ein großer roter Fleck inmitten eines Gewimmels von Farben und Bewegungen. In Katharinas Ohren brauste es von dem Lärm und dem Jubel der Menschen, und das Herz klopfte ihr bis zum Hals. Sicher und aufrecht saß sie auf dem riesigen Pferd, und sie wusste, dass sie schön war. Sie lächelte. Alles wird gut werden, dachte sie bei sich.

Sie hatten ihr Ziel erreicht. Anmutig ließ sie sich aus dem Sattel gleiten und nahm Harrys Arm. Man sah ihm an, wie stolz er war, dass sein Vater ihn als Brautführer ausgewählt hatte. Ein Zeichen für ihn, dass er nicht ganz unwichtig war. An seiner Seite schritt sie in die Kirche und tauschte das Licht und den Jubel der Straße gegen die gedämpfte Feierlichkeit der Kathedrale. Am Altar, vor einem riesigen, mit rotem Tuch bedeckten Podest, wartete Arthur. Gleich würde sie neben ihm niederknien und vor dem Erzbischof von Canterbury, Henry Deane, und William Warham, dem Bischof von London, das Ehegelübde ablegen.

Nach der Trauungszeremonie folgte das Bankett in der riesigen Westminster Hall. Musikanten und Gaukler von überall her unterhielten die Gäste, während diese sich an den nicht enden wollenden Gängen der aufwendig zubereiteten Speisen gütlich taten. Auf einem Podium unter einem Baldachin stand der Tisch für die Ehrengäste. Das Brautpaar saß in der Mitte, rechts und links davon hatten der König und die Königin Platz genommen, beide in samtenen Roben, die mit Hermelin verziert waren.

Margaret Beaufort, die Mutter des Königs, saß neben ihrem Sohn und ließ ihre schwarzen Knopfaugen unruhig hin und her wandern. Verlief alles nach Plan? Waren die Gäste beeindruckt? Ehrgeizig wie sie war, konnte sie auch jetzt, da der wichtigste Schritt für die Anerkennung der neuen Dynastie durch das Bündnis mit Spanien endgültig vollzogen war, sich nicht zufrieden zurücklehnen. Von ihren Beratern wusste sie, dass man in Europa immer noch über die »rückständigen Barbaren von der Insel« lächelte, und mit diesem Bankett wollte sie der Welt zeigen, dass die höfischen Sitten in England es durchaus mit denen in Italien oder Frankreich aufnehmen konnten. Auf ihre Anregung hin hatte man über alle Tische weiße Leinentücher gebreitet und bunte Herbstblumen darauf gestreut, sogar Servietten lagen für die Gäste bereit. Schon vor einigen Tagen hatte sie in ihrem eigenen Haus ein Bankett für die spanischen Höflinge und Hofdamen gegeben, darauf bedacht, eine Verbindung zwischen den beiden Kulturen zu schaffen, indem sie jedem spanischen Höfling eine englische Hofdame, jeder spanischen Hofdame einen englischen Höfling zur Seite gesetzt hatte und sie reichlich mit Delikatessen aus beiden Ländern hatte bewirten lassen. Und so wie das erste Bankett, der Probelauf, schien auch dieses Fest bis jetzt gelungen.

»Wann beginnt der Tanz, Großmutter?«, fragte Harry, der neben Margaret Beaufort saß und langsam zappelig wurde. Die Musik machte ihm Spaß, und er konnte es kaum erwarten, dass die langen Tafeln nach draußen getragen wurden, um Platz für Zerstreuung, Tanz und Spiel zu schaffen.

Margaret Beaufort legte ihm ihre schmale weiße Hand auf den Arm. »Es dauert nicht mehr lange. Hab Geduld.« Sie beugte sich näher zu ihm und sagte: »Du hast deine Sache heute sehr gut gemacht, Harry. Ich bin stolz auf dich.«

Harry freute sich über das Lob. Seine Wangen glänzten. Es war heiß im Saal. Er schaute verstohlen zu Katharina hinüber. Wie schön sie war. Er würde sie nachher um einen Tanz bitten. Bei dem Gedanken daran wurde ihm noch heißer.

Auch die anderen Gäste schwitzten unter ihren Ladungen von Samt, Brokat und Edelsteinen.

Katharina hatte das Bedürfnis nach frischer Luft. Sie hatte sich noch nicht an die stickigen, dunklen Räume der englischen Schlösser gewöhnt. Sie vermisste das Licht und die Luftigkeit der spanischen Paläste, und jetzt im Moment vermisste sie am meisten einen Fächer, mit dem sie sich ein wenig hätte abkühlen können. Sie schaute zu ihrem Mann. Arthur hatte sich in seinem Stuhl zur Seite gelehnt; seine Haltung war alles andere als königlich.

»Was ist mit dir?«, fragte sie ihn leise. »Geht es dir nicht gut?«

Arthur wandte ihr sein Gesicht zu. Seine Lider waren halb geschlossen, und er war bleich. »Es ist nichts«, antwortete er. »Ein bisschen müde …«

»Es ist sehr heiß hier drin, nicht wahr?«, fragte sie und bemühte sich, die ungewohnten englischen Worte gut zu artikulieren.

»Es geht«, sagte er einsilbig.

Katharina gab es auf und probierte ein Stück von dem frisch aufgetragenen Dessert: kleine, runde Kekse, die nach Anis und Honig schmeckten. Sie ließ ihre Augen durch den Saal schweifen. Die meisten Gäste hatten mittlerweile rote Gesichter und schwatzten fröhlich miteinander oder klatschten zu den Darbietungen der bunt gekleideten Artisten. Katharinas Blicke trafen die von Prinz Harry, und sie lächelte ihm zu.

Endlich ließ der König die Tafel aufheben. Edelknaben kamen herein und trugen die großen Holzplatten mitsamt dem schmutzigen Geschirr und den Essensresten hinaus, und die Musikanten begannen, zum Tanz aufzuspielen. Der König hatte extra spanische Künstler an den Hof bringen lassen, zu Ehren Katharinas, wie er versicherte. Katharina konnte sich des Gefühls nicht erwehren, dass es dem König weniger um ihre Person ging als darum, ihren Eltern Honig um den Bart zu schmieren und ihnen ein weiteres Mal zu beweisen, dass das Haus Tudor dem spanischen Königshaus ebenbürtig war.

Alle spanischen, französischen und englischen Musikanten zusammen vermochten es dennoch nicht, dem temperamentlosen Arthur ein wenig Feuer zu entlocken. Zwar tanzte er pflichtgemäß mit seiner Ehefrau, aber er benahm sich dabei so linkisch, dass Katharina alle Mühe hatte, seine Talentlosigkeit mit ihrer Eleganz und Anmut zu überspielen. Sie war insgeheim froh, als die Runde ausgestanden war und sie sich mit Arthur wieder an ihren Platz begeben konnte. Dann lieber gar nicht tanzen!

Arthur sank sichtlich erschöpft auf seinen Sessel und machte ein unglückliches Gesicht. Seine Mutter neigte sich zu ihm und sah ihn mit mildem, aber unverkennbarem Ernst an. Wenn sie sich Sorgen machte, dann zeigte sie es nicht. Sie wirkte auf Katharina ohnehin immer undurchschaubar und wie eine Statue aus Alabaster: aufrecht, makellos, kostbar und zeitlos schön.

Die Musiker begannen, eine Pavane zu spielen.

Ein Blick auf Arthur zeigte Margaret Beaufort, dass man es weder ihm noch den Hochzeitsgästen zumuten konnte, mit Katharina diesen Tanz aufzuführen. Sie flüsterte mit dem König, und dieser verkündete laut:

»Wir freuen uns, dass die Prinzessin von Wales mit dem Herzog von York uns diesen Tanz zeigen wird!«

Katharina war verunsichert, aber auf ein freundliches Nicken ihrer Schwiegermutter hin schritt sie in die Mitte des Saales, wo Prinz Harry schon auf sie wartete, überglücklich, dass sein heimlicher Wunsch so schnell in Erfüllung gegangen war.

Der Tanz begann mit der üblichen Réverence. Harry streckte sein rechtes Bein nach vorn und verneigte sich vor Katharina, ohne den Kopf zu senken. Katharina beugte ihre Knie und deutete einen Knicks an, bevor sie Harrys dargebotene Hand nahm. Sie harmonierten wunderbar miteinander und verliehen der an für sich einfachen Schrittfolge des Tanzes einen ganz eigenen Zauber. Simple links, simple rechts, double links, simple rechts, simple links, double rechts. Katharina schien an Harrys Hand zu schweben, sie fühlte sich leicht wie eine Feder. Nach der Pavane folgte eine Gaillarde, und auch hier verzückten Katharina und Harry die Gäste durch die Eleganz, mit der sie ihre Sprünge ausführten.

Als Harry die Prinzessin danach mit einer tiefen Verbeugung wieder an ihren Platz zurückführte, klatschte der ganze Saal vor Begeisterung. Und Margaret Beaufort war sich nun absolut sicher, dass die Entscheidung, die sie vor ein paar Tagen in ihrem Gebetswinkel getroffen hatte, die richtige war.

Prinz Harry lag in seinem Bett und träumte mit offenen Augen. Er dachte an Katharina, seine Schwägerin. Sie gefiel ihm. Sie hatten zusammen getanzt, und es hatte ihnen beiden großen Spaß gemacht, sich in der Verzwicktheit der Schritte gegenseitig zu übertreffen. Wie geschickt und anmutig sie war. Ihm fiel die Linie ihres Halses ein, der samtene Schimmer ihrer Haut und ihr guter Duft. Sie roch ganz anders als die Frauen, denen er bisher begegnet war. Lieblicher, blumiger; als sei sie soeben aus einem blühenden Garten gekommen und der Duft Tausender exotischer Blüten hafte noch an ihrer Haut und ihren Kleidern.

Arthur hatte nur einmal mit ihr getanzt, und auch das herzlich schlecht. Er, Harry, hatte viel besser zu ihr gepasst, und er glaubte, dass es ihr mit ihm auch besser gefallen hatte. Immerzu hatte sie ihn angelächelt. Beim Tanzen ihre Hand zu halten, war eines der köstlichsten Gefühle, die er je erlebt hatte. Wie eine Sommerblume, leicht und zart, hatte sie sich angefühlt. Arthur hatte die meiste Zeit zwischen seinen Eltern gesessen, krumm, bleich, in sich zusammengesunken, gar nicht wie ein König. Ach, wenn doch er, Harry, an seiner Stelle sein könnte. Dann hätte er ihren Vermählungskuss bekommen. Bei dem Gedanken durchrieselte es ihn. Eine wohlig-kribbelnde Welle fuhr durch seinen Körper und breitete sich in seinem Schoß und seinen Schenkeln aus.

Arthur und Katharina lagen nebeneinander in dem großen geschnitzten Ehebett und wagten einander nicht anzusehen. Wie es der Brauch vorschrieb, waren sie um Mitternacht unter einer Schar von Zeugen, darunter Katharinas Vertraute Doña Elvira sowie ausgesuchte Edelmänner aus dem Haushalt des Königs, zu Bett gebracht und unter den Segenssprüchen des Erzbischofs zugedeckt und mit Weihwasser gegen böse Geister besprengt worden. Zuvor hatten die Kammermädchen unter Anleitung der Hofdamen und Hebammen die Laken mit allerlei Kräutern und Wurzeln bestrichen, die Fruchtbarkeit und langes Leben garantieren sollten. Nun waren die weißen Vorhänge vorgezogen; sie waren allein.

Katharina brach das Schweigen. »Hat dir der Tag gefallen?«, fragte sie schüchtern und wandte den Kopf, so dass sie sein Profil sehen konnte. Er sieht seinem Vater ähnlich, dachte sie.

»Ja, aber ich bin froh, dass wir jetzt allein sind«, antwortete Arthur. Dann, als habe sie ihm das Stichwort gegeben, begann er plötzlich, an ihr zu hantieren. Ungeschickt tastete er zunächst nach ihren Schenkeln, zog die Hand wieder zurück, setzte sich halb auf und begann, ihre Brüste zu streicheln, ohne sie dabei anzusehen, als würde er sich für sein Tun schämen. Er legte sich auf sie und rieb seinen Unterleib an ihr, auf und ab, wie bei einer Leibesübung.

Katharina legte ihre Arme um seinen Nacken und versuchte, ihn zu küssen, doch er wich ihrem Mund aus und küsste sie auf den Hals, wanderte weiter nach unten, versuchte, sich zu erregen, keuchte, schnaufte, schob ihr Nachthemd nach oben und griff erneut nach ihren Brüsten. Katharina sah, dass er die Augen geschlossen hatte und ihm Schweißperlen auf der Stirn standen. Sie öffnete ihre Beine, um es ihm einfacher zu machen, wollte seine Hand nehmen, um ihm den Weg zu zeigen, doch er ignorierte ihre Berührung, zu konzentriert, um mit seinen pumpenden Bewegungen sein Ziel zu finden und seine Pflicht zu erfüllen. Katharina war zwar eine Jungfrau und noch nie zuvor auf solche Weise mit einem Mann zusammen gewesen, aber sie hatte genug Verstand, um zu erkennen, dass Arthur mit dem, was sie da an ihrem Schoß spürte, niemals in sie würde eindringen können. Sie schob ihre Hand vorsichtig dazwischen, fühlte seine Männlichkeit. Sie merkte, wie sie unter ihrer Hand zu wachsen begann – und wieder schrumpfte, weich wurde.

Erschöpft ließ Arthur von ihr ab und rollte sich auf seine Seite des Bettes.

Sanft legte Katharina eine Hand auf seine Schulter, die unter der Decke hervorragte. »Es war ein anstrengender Tag«, sagte sie, als müsse sie ein weinendes Kind trösten. »Das nächste Mal …«

»Das nächste Mal!«, fuhr Arthur sie an. »Was nützt das nächste Mal, wenn ich beim wichtigsten Mal versagt habe! Mein Vater hält ohnehin nichts von mir, alle lachen über meine Schwäche, und nun schaffe ich nicht einmal das, was jeder normale Mann, sogar der dümmste Bauer, ohne Probleme hinkriegt! Der ganze Hof wird sich morgen über mich totlachen! Arthur, der Schwächling, auch im Bett eine Niete!«

»Sprich doch nicht so hässlich von dir selbst, Arthur! Woher willst du wissen, ob es nicht allen Männern ab und zu so geht?«

»Die anderen sind komplett uninteressant! Ganz England schaut heute Nacht auf mich, und morgen früh wird jeder wissen, dass der Prinz von Wales ein Schlappschwanz ist!«

Arthur hatte schnell und heftig gesprochen, und Katharina hatte nur mit Mühe seinen Worten folgen können, aber sie wusste intuitiv, was er gesagt hatte, spürte seine Verzweiflung, und sie hatte Mitleid mit diesem unglücklichen Jungen. »Niemand muss davon erfahren«, sagte sie leise.

Arthur wandte sich um, und das erste Mal sah er ihr wirklich in die Augen. »Was meinst du damit, niemand muss davon erfahren. Glaubst du denn, dass man die Geschehnisse in der Hochzeitsnacht des Thronerben geheimhalten kann?« Er lachte hart und verächtlich auf.

Katharina blieb ruhig. »Es war niemand dabei, außer dir und mir. Und normalerweise geht man davon aus, dass es in der Hochzeitsnacht auch …«, sie wusste nicht, wie sie sich ausdrücken sollte, ohne ihn noch mehr zu demütigen, »hm … dazu kommt. Lass die Leute doch in dem Glauben, dass es passiert ist. Niemand außer dir und mir muss wissen, wie es wirklich war.«

»Du meinst, wir sollen so tun, als sei alles … nach Plan verlaufen?«

Katharina zuckte die Schultern. »Warum nicht? Keiner kann nachprüfen, was geschehen ist. Und was nicht ist, kann ja noch werden.«

Arthur legte sich zurück auf den Rücken und starrte an die Decke, aber er sah nicht mehr so deprimiert aus. Nach einer Weile nahm er Katharinas Hand. »Ich kann mich wirklich auf dich verlassen, dass du so tust, als ob?«