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Mit nur wenigen Stunden Vorsprung vor Kra'rarr kommen Matt, Aruula und Mi-Ruut am Südpol an. Von hier aus hofft Matthew Kontakt zum Ringplaneten zu gelangen, um dort mit der Regierung der herrschenden Rasse reden zu können.
Durch das Mintans verschaffen sie sich Zugang zum Turm - doch hier herrscht Chaos. Irgendetwas ist auf Terminus geschehen, was die Friedenswahrer in helle Aufregung versetzt. Nur einer von ihnen ist auf Aquus geblieben; die Transfers sind ausgesetzt. Und dann trifft Kra'rarr ein...
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Seitenzahl: 153
Veröffentlichungsjahr: 2015
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Impressum
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Was bisher geschah …
Der letzte Friedenswahrer
Leserseite
Cartoon
Zeittafel
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Lektorat: Michael Schönenbröcher
Titelbild: Néstor Taylor/Bassols
Autor: Manfred Weinland
E-Book-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-2482-2
www.bastei-entertainment.de
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Am 8. Februar 2012 trifft der Komet „Christopher-Floyd“ – in Wahrheit eine Arche Außerirdischer – die Erde. Ihre Achse verschiebt sich und ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die Menschheit ist degeneriert. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, dessen Staffel durch ein Zeitphänomen ins Jahr 2516 versetzt wird. Nach dem Absturz retten ihn Barbaren, die ihn „Maddrax“ nennen. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula erkundet er diese für ihn fremde Erde. Bis sie durch ein Wurmloch, das sich im Forschungszentrum CERN auftut, auf einen von zwanzig Monden um einen Ringplaneten versetzt werden.
Sie finden sich auf dem Mond Terminus in der Stadt Toxx wieder, wo ein Psi-Feld alle Sprachen übersetzt – und sie gleichzeitig ihr früheres Leben vergessen lässt! Die Wurmloch-Anzüge schützen vor dieser Strahlung; das erfahren die beiden, als sie Kra’rarr treffen, die Xaanas Anzug besitzt. Das Wolfsmädchen überlässt Aruula einen neugeborenen Schnurrer.
Immer wieder werden Bewohner von den „Friedenswahrern“, die in einem Turm im Zentrum der Millionenstadt residieren, abgeholt und „resettet“. Matt will mehr erfahren und ahnt nicht, dass sie von dem Religionsgründer „Hochwürden“ ausspioniert werden. Als er erfährt, dass die Tauchergilde die Menschen töten will, hilft er ihnen, indem er mit einem „Zeitgift“ Aruula und sich selbst extrem beschleunigt. Er unterhält sich mit ihr über den Wudanglauben.
Bei einem unterirdischen Fluss geraten Matt und Aruula in einen Kerker, wo das mächtige Volk der Saven eingesperrt wurde. Sie selbst können entkommen, doch die Saven installieren unbemerkt ein Quantenbewusstsein in Aruula, das beim Kontakt mit den Friedenswahrern in Aktion treten soll.
Als sie mit Hilfe des Zeitgifts endlich in den Turm gelangen – wo sie alle Erinnerungen an die Erde verlieren – springt der „Schläfer“ in Aruula auf einen Friedenswahrer über und öffnet den Kerker der allmächtigen Rasse. Danach schickt er Matt und Aruula angeblich zurück zur Erde – doch sie landen auf dem Wassermond Aquus und machen sich mit dem Probanden Mi-Ruut zum Südpol auf, wo es eine Station der Friedenswahrer geben soll. Überraschenderweise treffen sie unterwegs auf Hydree, eine Rasse, die es früher auf dem Mars gab und deren Nachkommen, die Hydriten, heute auf der Erde leben. Es handelt sich um einen Stamm, der – wie die Mars-Hydree – das All durchreiste und hier eine Heimat fand. Matt und Aruula beherrschen deren Sprache und die Fischwesen geben ihnen ihre Erinnerungen wieder, die von den Friedenswahrern nur blockiert wurden. Mit dem Hinweis auf eine Insel, wo sie neuen Proviant aufnehmen können, reist die Gruppe weiter. Dort aber, auf Assala, werden sie von einer magnetischen Anlage festgehalten, bevor sie sich befreien und mit einer Ladung Mintan, das sie von einer Gruppe Polatai „geerbt“ haben, weiterreisen.
Der letzte Friedenswahrer
von Manfred Weinland
Die Wirklichkeit verbog sich und brüllte dazu wie zerreißendes Metametall. Der himmelhohe Turm der Stadt Toxx war das letzte Bollwerk in einer gespenstischen Schlacht, die mit dem Ausbruch der Saven begonnen hatte. Aber seit ein Waretayl Stationsleiter Razvan ausgeschaltet hatte, war der Turm führungslos, und die verbliebenen Friedenswahrer wussten, was das für Toxx – und damit ganz Terminus – bedeutete: den Anfang vom Ende.
Was konnte die Saven noch aufhalten? Mit der Stadt würden sie sich nicht zufriedengeben. Vielleicht nicht einmal mit dem Mond. Sobald sie ihn erobert hatten, würden sie ihre Hände nach dem lohnenderen Ziel ihres Rachefeldzugs ausstrecken: nach dem Ringplaneten – der Heimat ihrer Herren.
Zwei Tage hatten die Friedenswahrer gebraucht, um den beschädigten Kontrollraum zumindest so weit instand zu setzen, dass der Transferstrahl wieder funktionierte. Zeit, die die Saven genutzt hatten, um immer weiter vorzudringen und dabei die Wirklichkeit nach ihrem Belieben umzuformen. Bald würden sie in den Turm einfallen; dann durfte kein Initiator mehr hier sein. Und auch die Technik durfte dem Feind nicht in die Hände fallen.
Einer der Wissenschaftler aus dem Stab des getöteten Razvan leitete die Evakuierung. Alles ging zügig vonstatten. Als sein letzter Artgenosse zur Heimatwelt transferiert worden war, aktivierte er die Selbstzerstörungssequenz, die den vollständigen Triumph der Saven verhindern sollte.
Anschließend wollte er selbst in die Transferkammer eilen, um sich rechtzeitig abzusetzen. In diesem Moment jedoch drangen Saven in den Kontrollraum ein. Unter dem Einfluss ihrer Quanten, die sie „Waretayls“ nannten, veränderte sich die Umgebung, floss ineinander und formte sich neu. Mit diesen kleinsten physikalischen Einheiten, die ihren Zustand wechseln und mal als Teilchen, mal als Welle auftreten konnten, waren die Saven in der Lage, praktisch jede Materie nach Belieben umzuformen. Artfremde Wesen, die ihre physischen Körper nicht lediglich als Gestalt gewordene Mathematik verstanden, würden dies niemals zur Gänze begreifen.
Das Letzte, was der Friedenswahrer tun konnte, bevor gleich mehrere Waretayls ihn umhüllten, war es, den Countdown der Vernichtung zugunsten einer sofortigen Zündung abzubrechen. So blieb ihm wenigstens die Genugtuung, dass sein eigener Tod nicht ungesühnt bleiben würde.
Und noch während die Quanten seinen Zellverbund aufbrachen, um ihn zu verheeren, wurde der Turm von heftigen Explosionen erschüttert, die ihn zum Einsturz brachten und auch das Schicksal der darin wütenden Saven besiegelte – ebenso wie das ganzer Straßenzüge, auf die die Trümmer herabregneten.
Es war ein schwarzer Tag für die selbst ernannten Wahrer des Friedens – und doch nur der erste in einer ganzen Folge von Tagen, die ihre Herrschaft in diesem System erschüttern sollten …
Selbst im Schlaf sah diese Frau wie eine Kriegerin aus. Matthew Drax überlegte, wie lange er Aruula schon kannte, und kam auf fünfzehn, nein sechzehn Jahre.1) Damals hatte ihn ein absonderliches Schicksal in eine bizarre Welt verschlagen, von der er zunächst nicht hatte glauben können, dass es immer noch die Erde sein sollte. Aber genau so war es gewesen: Er war auf einer postapokalyptischen Erde gestrandet, die ein halbes Jahrtausend von der entfernt lag, auf der er geboren und aufgewachsen war.
Und damit war er auch schon beim eklatanten Unterschied zu seiner jetzigen Situation: Damals hatte er sich nur wie auf einem fremden Planeten gefühlt, hier und heute befand er sich tatsächlich auf einem. Genau gesagt auf einem Mond namens Aquus.
Aquus umlief einen Ringplaneten, der sich, wenn das Wetter es zuließ, nächtens in trauter Eintracht mit seinen anderen Monden am Firmament zeigte. Dabei hatte er den Aspekt der Fremde nicht einmal so stark empfunden wie bei der Ankunft auf Terminus, der ersten Station ihrer Reise. Was daran lag, dass ihnen von den Friedenswahrern durch eine künstlich herbeigeführte Amnesie jede Erinnerung an das Leben auf der Erde genommen worden war. Diese Friedenswahrer, bei denen sämtliche Machtfäden zusammenliefen, hatten sich bislang erfolgreich jedem Versuch entzogen, mit ihnen in Kontakt oder in Verhandlungen zu treten.
Nur einer glücklichen Fügung hatten Matt und Aruula es zu verdanken, dass sie mittlerweile wieder im Vollbesitz ihrer Erinnerungen waren. Nein, korrigierte er sich. Keine abstrakte Fügung, sondern ganz handfest die Hydree. Dieser Meeresrasse, deren Nachfahren als Hydriten auf der Erde lebten, hatten Aruula und er die Wiederherstellung ihres Gedächtnisses zu verdanken, das die Friedenswahrer blockiert, aber glücklicherweise nicht gelöscht hatten. Ohne sie würden wir immer noch genauso herumirren wie all die anderen Opfer, die den Friedenswahrern ins Netz gegangen sind, dachte Matt schaudernd.
Jeder Ankömmling auf Terminus musste offenbar eine Reihe von Prüfungen absolvieren, die darüber entschieden, ob er weitergeschickt wurde oder nicht. Die Stadt Toxx war voll mit gescheiterten Probanden – wobei jene, die es gar nicht erst weiter geschafft hatten, sich noch glücklicher schätzen konnten als alle, die erst auf einer der nächsten Stationen gescheitert waren. Denn sie kamen als Resets nach Toxx zurück; damit sie nichts ausplaudern konnten, wurden ihre Persönlichkeit und ihr komplettes Gedächtnis gelöscht.
Matt und Aruula hatten sich dagegen den Prüfungen von Anfang an entzogen und es auf unkonventionelle Weise und von den Friedenswahrern unbemerkt nach Aquus geschafft. Zumindest hofften sie das.
Nach wie vor lautete eines ihrer Hauptziele – neben der Rückkehr zu Erde –, Xaana zu finden. Mit der Suche nach der Freundin, die Monate vor ihnen durch das Wurmloch gegangen war, hatte diese Odyssee begonnen, und sie würden alles Menschenmögliche daran setzen, sie aufzuspüren. Ihre Spur hatte nach Aquus geführt, und hier vom Nord- zum Südpol. Diese Route nahmen auch Matt und Aruula jetzt. Der Wind stand günstig und das Boot glitt über die ruhige See nach Süden.
Für Romantiker hätte diese Nacht einiges bereitgehalten, um sich der Verklärung ihrer Gefühle hinzugeben. Aber von solcher Gefühlsduselei war Matt momentan weit entfernt. Zwar nahm er den grünlichen Schleier wahr, mit dem der Horizont den nahen Morgen ankündigte, und natürlich war er empfänglich für die Magie dessen, was das nächtliche Firmament an Lichtern und Konstellationen zu bieten hatte, aber die zurückliegenden Ereignisse hatten dann doch eher den Pragmatiker hervorgekehrt. Ohne eine solche Einstellung hätte er es schon auf der von einem Kometeneinschlag verheerten Erde schwer gehabt – und erst recht hier.
Unbekannten Kreaturen hatte es dort wie hier gegeben. Doch während es auf der Erde Mutationen gewesen waren, von den Daa’muren mittels ihrer CF-Strahlung über fünfhundert Jahre lang erschaffen, handelte es sich hier in diesem Ringplaneten-System um die Vertreter außerirdischer Spezies aus dem ganzen Universum, die auf einen Menschen noch fremdartiger wirken mussten als die Züchtungen der echsenhaften Gestaltwandler.
Matt seufzte leise in sich hinein, als ihm bewusst wurde, wie lange er schon nicht mehr an die Daa’muren gedacht hatte, die in ihrer Raumarche einst den Weg zur Erde gefunden hatten, nachdem ihre Heimatwelt zerstört worden war. Die Mentalität der Daa’muren hatte eine friedliche Verständigung mit der Menschheit bis zuletzt verhindert, und Matt fragte sich, ob es bei den Friedenswahrern nicht ebenso sein würde.
Um dies letztlich beurteilen zu können, fehlte es ihm jedoch an Hintergrundinformation über diese ominösen „Herren“. Doch solange es auch nur einen Funken Hoffnung gab, würden weder er noch Aruula aufgeben.
Matt atmete tief ein und verdrängte seine Erinnerungen an die Erde. Manchmal überkam ihn ein so brennendes Gefühl von Heimweh, dass es ihn einfach überrollte. Dann fluteten Bilder, angefangen bei seiner Kindheit bis hin zu dem Tag, als er in seinen Kampfjet gestiegen und in einer postapokalyptischen Zukunft gelandet war, sein Bewusstsein.
Er schrak zusammen, als er im schwachen Licht der Deckslampe aus dem Augenwinkel eine schattenhafte Bewegung wahrnahm. Instinktiv spannte er seinen Körper an. Aber es war nur der Schnurrer, der auf lautlosen Katzenpfoten einen nächtlichen Spaziergang über das Deck unternahm.
Automatisch schweifte Matts Blick zu Mi-Ruut, dem vierten und letzten Mitglied ihrer Zweckgemeinschaft. Sie schliefen schon seit Tagen an Deck – seit der letzte Sturm die Kabine mit Meerwasser geflutet hatte und der muffige Geruch einfach nicht mehr weichen wollte.
Der hagere Dreen hatte sich in eine Decke gewickelt und so zusammengerollt, als wollte er pränatale Geborgenheit heraufbeschwören. Selbst im Schlaf nahm er seine brillenartige Vorrichtung nicht ab, mit der er die extreme Kurzsichtigkeit seines einzigen Auges ausglich.
Allzeit bereit, dachte Matt. Er mochte den quirligen, technisch außerordentlich versierten Burschen, während Aruula da zurückhaltender war. Sie konnte ihn nicht riechen; was aber nicht daran lag, dass Mi-Ruut es an Körperhygiene mangeln ließ oder tatsächlich einen strengen Eigenduft absonderten, sondern sich wahrscheinlich am ehesten mit „schlechtem Karma“ umschreiben ließ. Matthew hatte seine Gefährtin selten so nachtragend erlebt, aber Fakt war, dass sie es dem Dreen nicht verzeihen wollte, dass er ihren Schnurrer am liebsten auf den Speiseplan gesetzt hätte. Sie hatte keinen Zweifel daran gelassen, wer als Nächstes, sollte dem Tierchen etwas zustoßen, auf ihrem Speiseplan landen würde.
Freundewerden die beiden wohl nicht mehr, dachte Matthew Drax. Was bedauerlich, aber wohl nicht zu ändern war.
„Wachwechsel“, sagte Aruula und richtete sich mit einer schnellen, fließenden Bewegung auf, die nahe legte, dass sie schon für längere Zeit wach dagelegen hatte.
Er warf einen weiteren Blick zu Mi-Ruuts Schlafplatz. Der Dreen hatte offenbar nichts von Aruulas Wachantritt bemerkt. Gut so, denn sie alle mussten sich von den Strapazen der zurückliegenden Tage erholen. Keiner von ihnen wusste, was genau sie am Südpol erwartete. Die Nachtwache hatten sie im Wechsel übernommen: Mi-Ruut die erste, Matt die zweite, und Aruula trat in diesem Moment die abschließende dritte an.
„Komm schon her, ich decke dich zu“, sagte sie leise. „Das Plätzchen wird dir gefallen, es ist vorgewärmt.“
Er schüttelte den Kopf. „Tu das nicht“, bat er.
„Was soll ich nicht tun?“
„Mein Bild von dir als taffe Kriegerin zerstören.“
Sie musterte ihn mit zusammengezogenen Brauen. „Das war ein Scherz, oder?“
Er nickte grinsend.
„Ich würde mich ja lieber nackt neben dich kuscheln, um dich richtig zu wärmen“, sagte sie dann nur halb im Spaß. „Aber dafür mangelt es uns momentan an Privatsphäre. Vor allem, weil du dann deine Finger nicht bei dir behalten könntest.“ Sie lachte kehlig und nahm neben der Ruderpinne Platz. „Und jetzt still. Wenn Mi-Ruut während meiner Wache aufwacht und mich nervt, entleibe ich mich selbst mit meinem Säbel!“
Kopfschüttelnd breitete Matthew die Decke, die er zuvor als Rückenstütze benutzt hatte, über sich aus. „Weck mich zwei Stunden nach Sonnenaufgang“, sagte er. „Und wenn du Langeweile hast, kannst du ja schon mal versuchen, ob wir schon nahe genug bei unserem Ziel sind, um die Gedanken der Bewohner wahrzunehmen.“
Aruula war eine Lauscherin. In der Welt, aus der Matthew Drax ursprünglich kam, hätte man sie eine „Telepathin“ genannt. Allerdings konnte sie ihre Fähigkeit auf die meisten hiesigen Fremdrassen nicht anwenden, wohl weil deren Gehirne einfach nicht kompatibel genug waren.
Matt legte sich hin, schloss die Augen und rief sich ins Gedächtnis, wann er und Aruula sich zuletzt leidenschaftlich geliebt hatten. Zwischen den Dünen der Insel Assala war das gewesen, und die Erinnerung daran half ihm, sich dem Sog der Müdigkeit hinzugeben und mit einem Lächeln binnen weniger Atemzüge einzuschlafen.
Es brummte an seinem Ohr, und samtweiches Fell rieb über sein Gesicht.
„Ah, du lässt wecken“, murmelte Matthew Drax und schob den braun bepelzten Vierbeiner – eine Mischung aus Fuchs und Katze – sanft von sich weg.
Aruula bückte sich und bot dem spitzohrigen Tierchen die Armbeuge an, in die es sich prompt kuschelte, sodass die Kriegerin es hochheben konnte. Die Zutraulichkeit des Schnurrers machte mitunter vergessen, dass er nicht nur possierlich, sondern auch wehrhaft war und über ziemlich scharfe Zähne verfügte. Mi-Ruut konnte ein Lied davon singen – im übertragenen Sinn zumindest, denn wie bei jedem Dreen waren seine Stimmbänder verkümmert und er verständigte sich überwiegend über Gesten und Gebärden.
Umso erstaunlicher fand Matt es nach wie vor, wie sprachbegabt der einäugige Humanoide mit der blassgrauen Haut und den vierfingrigen Händen war. Mi-Ruut verstand auch ohne Translatorfolie mittlerweile jedes Wort, das Matt und Aruula miteinander wechselten. Wenn er doch einmal versuchte, seine Gedanken in Worte zu fassen, gelang ihm das nur radebrechend.
„Ist er nicht klug?“, schwärmte Aruula, die manchmal den Eindruck erweckte, als wollte sie mit dem Schnurrer nachholen, was ihr in ihrer Kindheit versagt geblieben war. In der Gemeinschaft der Dreizehn Inseln waren die Tugenden einer Kämpferin, der Umgang mit dem Langschwert, Messer und Bogen und diverse Nahkampftechniken wichtiger gewesen als ein Übermaß an Kuscheleinheiten. Was allerdings auch verständlich war, denn das Leben auf der postapokalyptischen Erde war hart und entbehrungsreich gewesen. Nur wer sich zu behaupten wusste, hatte eine Chance, die Schwelle zum Erwachsenensein zu erreichen. Die durchschnittliche Lebenserwartung der Menschen entsprach ungefähr jener der Bronze- oder Eisenzeit. „Christopher-Floyd“ hatte die Uhren nicht nur in dieser Hinsicht zurückgedreht.
Unweit von ihnen erklang das vertraute Geräusch, mit dem Mi-Ruut seinen Kommentar zum Schnurrer abzugeben pflegte: Er legte je eine seiner Fingerkuppen auf beide Seiten seiner Knubbelnase und gab enervierende Töne von sich.
„Er tut es schon wieder“, fauchte Aruula.
„Da solltest du drüberstehen“, versuchte Matt zu vermitteln. „Es ist doch schon viel besser geworden in den letzten Tagen. Eines Tages werden sie bestimmt die besten Freunde.“
Als Aruula nur schnaubte und sich dem Schnurrer widmete, ließ Matt sie stehen und ging über das schwankende Deck auf Mi-Ruut zu, der die Ruderpinne hielt. „Zeigst du mir deinen Kompass?“, bat er.
Der Dreen bot das gewohnte Bild: Er war in einen grüngrauen Einteiler gekleidet und trug eine Fliegermütze, dazu das taucherbrillenartige Gestell. Als Matt bei ihm anlangte, hielt der Humanoide ihm bereits seine rechte Handinnenfläche entgegen, auf der die Friedenswahrer ihm – wie allen anderen Probanden auch – eine Art Kompass eintätowiert hatten: ein schwarzer Pfeil vor einer blauen Raute. Hielt Mi-Ruut das Tattoo nach Süden, trat es deutlich hervor, wandte er sich einer anderen Richtung zu, verblasste es fast bis zur Unsichtbarkeit.
Matt fasste den Dreen am Handgelenk und richtete mit ihm gemeinsam das Tattoo aus, bis seine Konturen am schärfsten hervortraten.
„Okay, der Kurs stimmt noch. Ich übernehme.“ Er ließ Mi-Ruut los, der sich erhob, und klemmte sich selbst hinter das Steuer. Dann sah er zu Aruula hinüber. „Ach ja – hast du in der Nacht irgendwas erlauschen können?“
Sie schüttelte den Kopf. „Wir sind offenbar noch nicht nahe genug am Pol. Aber ich werde es stündlich weiter versuchen.“
Matt ging davon aus, dass sie vor allem auf die Gedankenechos der Polatai stoßen würde, wenn es so weit war. Diese Spezies, die sich selbst „Hartflossler“ nannte, dominierte den Mond, obwohl sie hier nicht heimisch war. Irgendwann hatten die Friedenswahrer – oder Initiatoren – sie hier „installiert“, um die Hydree zu bekämpfen und klein zu halten, während sie selbst sich rarmachten. Auf Terminus hatten sie einzig in einem himmelhohen Turm gewohnt, über den man zu den anderen Monden gelangen konnte. Auch der Südpol und der Hafen, in dem die Mintan-Übergabe erfolgen sollte, wurden von den Polatai im Namen ihrer geheimnisvollen Herren kontrolliert.
Bei dem Gedanken an das wertvolle Metall glitt Matts Blick kurz zu der Tür, die in die Kajüte und weiter in den Frachtraum führte. Das Mintan war, wenn alles gut ging, di „Eintrittskarte“ für den Südpol. Die Initiatoren brauchten das Zeug für einen noch unbekannten Zweck und ließen sich von Geschäftsleuten unter den Polatai damit beliefern.
Ob ihre kleine Gruppe als Lieferanten durchgehen würde, musste sich allerdings erst zeigen. Vieles von dem, was sie sich vorstellten, basierte auf vagen Informationen und Hoffnungen. Wirkliche Garantien, dass sich ihre Pläne so umsetzen ließen, gab es nicht.
Aber wann hatten wir jemals Garantien?
Matthew schüttelte die Zweifel ab und blickte voraus, doch selbst seine von den Agarthern verbesserten Augen konnten nicht mehr ausmachen als eine schier unendliche Wasserwüste.