1,99 €
In Novis Prime droht der Konflikt zwischen den Aufständischen der menschlichen Siedler und den Sicherheitstruppen Colonel Kormaks zu eskalieren. Als Tom, Xij und Xaana potenziellen Mitstreitern zeigen, was die Initiatoren mit den entführten Menschen machen, heizt sich die Stimmung immer mehr auf. Das bekommt auch Kormak mit - und erfährt, dass Xij Hamlet inzwischen einen Plan ersonnen hat, der das "Gehirn-Problem" auf einen Schlag lösen und den Mentalschirm stabilisieren könnte. Um zu verhindern, dass die Initiatoren davon erfahren, greift er auf eine Waffe zurück, die er seit der Ankunft auf Novis geheim gehalten hat...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 155
Veröffentlichungsjahr: 2018
Cover
Impressum
Was bisher geschah …
Hinter dem Mentalschirm
Leserseite
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Lektorat: Michael Schönenbröcher
Titelbild: Sergey Nivens/Kjpargeter/shutterstock
Autor: Sascha Vennemann
eBook-Produktion: César Satz & Grafik GmbH, Köln
ISBN 978-3-7325-7098-0
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Am 8. Februar 2012 trifft der Komet „Christopher-Floyd“ – in Wahrheit eine Arche Außerirdischer – die Erde. Ein Leichentuch aus Staub legt sich für Jahrhunderte um den Planeten. Nach der Eiszeit bevölkern Mutationen die Länder und die Menschheit ist degeneriert. In dieses Szenario verschlägt es den Piloten Matthew Drax, „Maddrax“ genannt, dessen Staffel ins Jahr 2516 versetzt wird. Zusammen mit der telepathisch begabten Kriegerin Aruula erkundet er diese ihm fremde Erde. Bis sie durch ein Wurmloch in ein Ringplanetensystem versetzt werden, während der Mond auf die Erde zu stürzen droht.
Auf dem Ringplaneten herrschen die Initiatoren, die verschiedene Spezies durch das Wurmloch entführen, um sie Kompatibilitäts-Tests zu unterziehen. So geraten auch Matthew, Aruula und Matts Tochter Xaana in das fremde Sonnensystem, stoßen jedoch durch die Einmischung der Kontras auf das dunkle Geheimnis der Systemherren: Man will einen Teil der Menschheit auf den Mond Novis umsiedeln, um deren Gehirne für eine Art Superrechner zu nutzen! Doch die Gefährten werden ihrer Erinnerungen beraubt; so helfen sie in gutem Glauben den Initiatoren.
Matt und der Initiator Hordelab reisen zur Erde, um hochstehende Zivilisationen zur Evakuierung zu finden. Begleitet von Xij, der Mutter Xaanas, und deren Mann Tom Ericson besuchen sie auch die Kolonie Colonel Kormaks, erkennen aber dessen Machtgier und verweigern ihm die Hilfe.
In Agartha wurde nach den Plänen der Initiatoren eine Transportplattform gebaut, mit der Hordelab das Wurmloch an jeden Ort der Erde versetzen kann. Die Evakuierung beginnt. Dann jedoch zerstören fanatische Rev’rends die Plattform. Dabei gerät das Wurmloch außer Kontrolle; Hordelab wird ohne Erinnerung von den anderen getrennt. Die durchqueren das Wurmloch mit einem Gleiter und erfahren auf Novis, dass die Offerte der Initiatoren eine Falle ist. Sie suchen Hilfe bei den Kontras und bauen gleichzeitig den Widerstand gegen Colonel Kormak auf, dem die Flucht nach Novis gelungen ist.
Matts erfährt die Geschichte der Initiatoren: Einst kristallisierte ihr Planet Kasyn und zwang sie, auf einen der Monde umzuziehen. Um sich vor der Kristallstrahlung zu schützen, entwarfen sie einen mit lebenden Gehirnen betriebenen Mentalschild. Und es gibt eine Möglichkeit, die Erde zu retten! Dazu muss Matt Kontakt mit den Pancinowa auf Cancriss aufnehmen. Zusammen mit der Kontra Scyprana wagen er und Aruula die Reise durch das Wurmloch … und stranden in einer Hohlwelt, in die alle Besucher umgeleitet werden. Auf der Suche nach einem Ausweg finden sie heraus, dass die künstliche Sonne der Sphäre ein Wurmloch beherbergt, dringen in die Station ein und verhelfen den Völkern zur Flucht. Dafür macht Aruula ein Zugeständnis: bei den Pancinowa zu bleiben, damit die ihre Telepathie erforschen können.
Doch etwas auf Cancriss nimmt Einfluss auf die beiden Menschen: Sie fallen in eine Art Koma, in dem sie eine „perfekte Welt“ erleben. Erst nach etlichen Versuchen gelingt den beiden, sich daraus zu lösen, und endlich kann Matt seine Bitte vortragen – der entsprochen wird. Zusammen mit Scyprana und drei Pancinowa macht er sich auf die Rückreise zur Erde …
Hinter dem Mentalschirm
von Sascha Vennemann
Prolog
Novis Prime – Heute
Mit einem aggressiven Fauchen schlug die Strahlensalve in die Wand über Xij ein. Das gipsartige Material, mit dem sie verputzt war, färbte sich schwarz.
Ein Geruch von verbranntem Ton stieg Xij in die Nase. Sie duckte sich hinter den hölzernen Handkarren, den sie als Deckung gegen den Angriffstrupp des Colonels nutzte, wartete eine Feuerpause ab und suchte nach einer neuen Möglichkeit, sich in Position zu bringen.
Gegenüber gab es eine Nebengasse; von dort aus konnte sie die Soldaten ins Visier nehmen. Xij spurtete los, ließ sich im richtigen Moment fallen und schlitterte gerade noch rechtzeitig in Sicherheit. Dort, wo sie gerade entlanggerannt war, schwelte nun der Boden.
Xij warf sich herum und legte sich auf den Bauch und prüfte die Ladung des Betäubungsgewehrs.
Noch drei Schüsse … Und die nur, wenn sie die niedrigste Strahlenintensität einstellte, die ihre Gegner bestenfalls für Minuten lähmte. Aber Minuten war alles, was sie brauchte, um diesem Trupp von Kormaks Söldnern zu entkommen, der ihr seit zwei Straßenzügen am Hintern klebte und sie ausschalten wollte.
Xij atmete tief ein, presste ihre schweißnasse Wange gegen die sandige Wand, hinter der sie ihren Körper verbarg, und zielte auf die zwei Männer, die gerade dabei waren, sich ihrer Position zu nähern.
Die betäubenden Strahlen zischten aus der Mündung des armlangen Gewehrs und trafen auf Brusthöhe die uniformierten Männer. Diese hatten gerade noch Zeit, überrascht ihre Augen aufzureißen, bevor sie wie vom Blitz getroffen in den Sand sanken. Sekundenlang zuckten ihre Körper noch leicht, dann regten sie sich nicht mehr.
Xij stieß den angehaltenen Atem aus und stemmte sich hoch auf die Knie. Das würde ihr eine kleine Verschnaufpause verschaffen, aber in Sicherheit war sie deswegen noch nicht.
Verflucht, die ganze Stadt war Aufruhr! Während sie sich mit dem Handrücken den Schweiß von der Stirn wischte, lauschte sie dem Kampflärm, der durch die schmalen Gassen zwischen den spärlich besiedelten Häusern hier im ersten Stadtring zwischen erster und zweiter Ringstraße von Novis Prime an ihre Ohren drang.
„Der Mistkerl macht wirklich ernst!“, murmelte sie verdrossen. Nicht, dass sie es nicht hätten kommen sehen. Colonel Aran Kormak, der Statthalter der Initiatoren in dieser Stadt, die den geflüchteten Menschen ein neues Zuhause bieten sollte, gebärdete sich wie ein allmächtiger Alleinherrscher, für den keine Regeln galten. Insbesondere seit ihm bewusst war, dass der Widerstand, der sich in der Stadt gegen ihn und seine Sicherheitsleute formierte, immer mehr an Zulauf gewann. Woran Xij im Übrigen alles andere als unschuldig war.
Seit der Gefangennahme von Xaana und ihr, als sie gegen die willkürliche Gewalt von Kormaks Truppen lautstark protestiert hatten1), war aus Xij unfreiwillig so etwas wie eine Galionsfigur der Bewegung geworden.
Vielleicht wären aus uns auch die ersten Märtyrer des Widerstands geworden, wenn Tom und One uns nicht mit Hilfe eines Kontras und dessen Sprungfeldgenerators aus unserer Zelle befreit hätten, dachte sie zynisch.
Das war Monate her. Seitdem war viel passiert, und es hatte sich mit Novis Prime nicht zum Besseren gewendet, so viel stand fest. Sonst würde sie jetzt nicht hier im Sand hocken und überlegen, wo sie am Dringendsten gebraucht wurde.
Xij sah auf ihr linkes Handgelenk, an dem sich ein Armband befand, das aus winzigen Kügelchen bestand und einen Teil des Körpers der Schwarmintelligenz One umfasste. Mit diesem ungewöhnlichen Schmuckstück konnte sie zumindest in eine Richtung mit dem telepathisch begabten Wesen kommunizieren, hörte aber die Antworten nicht, weil sie selbst kein Telepath war. Trotzdem war das Armband praktisch – so wusste One immer, wo sie war und wie es ihr ging.
Allerdings konnte er auch nicht überall gleichzeitig sein. Seit Kormaks Angriff auf die Stadt hatte One sowieso ganz andere Aufgaben.
Ich muss weiter! Die anderen warten sicher schon auf mich …
Xij stand auf, drehte sich um – und blickte in die Mündung einer Strahlenwaffe, die genau auf ihren Hals gerichtet war.
Gehalten wurde sie von einer dunkelhäutigen Frau, die Xij um fast eine Kopflänge überragte. Die Uniform wies sie als Mitglied von Kormaks Sicherheitstrupp aus. Sie hatte raspelkurze, blond gefärbte Haare, und Xij sah, wie ihre Lippen bebten und sich ihr Brustkorb in schnellem Tempo hob und senkte.
Weil sie bis gerade eben die Luft angehalten hat, damit ich sie nicht atmen höre, erkannte Xij und hob langsam die Hände. Das Betäubungsgewehr baumelte an seinem Trageriemen neben ihrer linken Hüfte.
„Xij Hamlet!“, murmelte die Frau. Ein leichtes Grinsen erschien auf ihrem Gesicht. „Es wird Vasraa sicher freuen, dich wieder zu sehen. Also lass die Waffe fallen und komm mit!“
Zähneknirschend streifte Xij den Halteriemen von ihrer Schulter. Das Gewehr schlug mit einem dumpfen Laut in den Staub zu ihren Füßen. „In welche Richtung?“, fragte sie lustlos.
Die Soldatin reckte das Kinn vor. „Immer der Nase nach. Und am Ende der Gasse nach rechts –“
Die Frau brach jäh ab, als ein Blitz von hinten sie in die rechte Schulter traf. „Was zur Hölle …?“ Sie musste hilflos dabei zusehen, wie ihr das Gewehr aus den kraftlos gewordenen Händen glitt.
Xij reagierte augenblicklich, bückte sich und griff nach ihrer eigenen Waffe. Sie zielte gar nicht erst, sondern jagte der Soldatin die Betäubungssalve in den Bauch.
Keuchend klappte die Frau zusammen und gab nur noch ein leises Wimmern von sich.
Xij beugte sich zu ihr hinab und sah ihr ins schmerzverzerrte Gesicht. „Es wird Vasraa gar nicht freuen, dass du dich hast übertölpeln lassen!“, flötete sie und zwinkerte ihr zum Abschied schelmisch zu.
Dann stand sie auf und sah zum Flachdach des Hauses im hinteren Teil der Gasse, auf dem Xaana hockte und die Mündung ihres Betäubungsgewehrs noch immer auf die reglose Söldnerin richtete. „Vielen Dank!“, rief Xij ihr zu. „Gute Arbeit!“
Xaana schnaufte vernehmlich. „Als ob ich nicht genug zu tun hätte! Die Stadt geht zum Teufel, und ich muss mich auch noch um meine Mutter kümmern!“
Xij hatte sich die Strahlenwaffe der Gelähmten geschnappt und das leere Betäubungsgewehr fortgeworfen. Im Laufschritt eilte sie die Gasse hinab. Xaana hielt auf den Dächern links neben ihr Schritt. „Ich hab’ mehr als zehn Jahre auf dich aufgepasst!“, rief sie ihrer Tochter zu. „Das erste Jahr habe ich dich sogar getragen! Da kann ich ja wohl erwarten, dass ich dafür ein bisschen was zurückbekomme!“
„So viel zu bedingungsloser Mutterliebe!“, antwortete Xaana. „Na gut, wenn es sein muss, trage ich dich. Aber nur im Notfall!“
„Den hast du ja gerade noch verhindert“, meinte Xij. Sie gelangte an eine weitere Straßenecke, an der die Gasse eine breitere Querstraße kreuzte.
Aus dem Zentrum von Novis Prime drangen Schreie zu ihnen herüber. Auf den Wegen in Richtung des Gebäudes, in dem Kormak seine Einsatzzentrale eingerichtet hatte, flohen die Menschen in die Randbezirke der Stadt. Sie trugen nur das mit sich, was sie am Leib hatten, und sahen sich immer wieder unsicher um.
Xijs Blick schweifte nach rechts. Irgendwo in der Ferne schien ein Gebäude zu brennen. Schwarzer Rauch zog über die Stadt in den matten morgendlichen Dämmerhimmel. Der dunkle Donner einer Explosion hallte durch die Gassen. Die Fliehenden duckten sich unwillkürlich und stießen leise Verwünschungen aus.
Mitten auf der Querstraße prügelte sich ein Trio von Sicherheitsleuten mit einer Handvoll Aufständischer. Xij erkannte sie, war ihnen einmal im Hort des Widerstands begegnet, als die Retrologin Ruth einen Vortrag über Kormak und seine Machenschaften hielt. Viele Siedler kannten den Hintergrund des Colonels nicht – sie wussten nicht, dass er auch schon auf der Erde alles andere als ein Wohltäter gewesen war2).
Die Widerständler rangen die Männer des Colonels nieder und nahmen ihnen die Waffen ab. Danach rannten sie davon – dorthin, wo sie weiteren Kampflärm vernahmen.
„Wo ist dein Vater?“, fragte Xij. Sie meinte Tom Ericson damit, nicht Xaanas Erzeuger Matthew Drax, und sie wusste, dass Xaana das auch genauso verstehen würde.
„Koordiniert die Gegenwehr in Sektor drei“, antwortete ihre Tochter, die über ihr auf einem der Dächer stand und nach weiteren Mitgliedern des Widerstands Ausschau hielt. Sie hatte sich ein Fernglas an die Augen gesetzt und beobachtete die nähere Umgebung.
Xij deutete in Richtung des Qualms. „Also dort, wo es brennt“, stellte sie fest und machte sich augenblicklich Sorgen um ihren Mann. Tom Ericson konnte zwar gut auf sich selbst aufpassen, aber wenn es um ihre Familie oder ihre Freunde ging, konnte Xij gar nicht anders. Sie waren alles, was sie in dieser neuen Welt, fernab der Erde, hatte.
„Kormaks Leute sind überall!“, rief Xaana, nachdem sie mit ihrer Bestandsaufnahme fertig war. „Unsere aber auch.“ Sie schüttelte verwirrt den Kopf. „Was soll das? Es sieht Kormak nicht ähnlich, einfach wahllos und ohne Grund die Bevölkerung anzugreifen …“
Xij hätte beinahe laut aufgelacht. „Sag das noch mal“, meinte sie. „Kormak – und vor allem Vasraa – haben in den letzten Monaten nichts anderes getan. Neu ist nur, dass sie es so massiv und in alle Himmelrichtungen tun. Und auch das hat einen Grund …“
Xij hatte es in dem Moment erkannt, als sie neue Schreie vor sich hörte. Das waren keine Laute der Angst mehr. Das waren aus tiefster Kehle kommende Bekundungen des absoluten Terrors.
„Ach du Scheiße!“ Xaanas Fluch war kaum mehr als ein Hauch, aber Xij verstand ihn trotzdem – und stimmte ihrer Tochter von ganzem Herzen zu.
Aus der Verlängerung ihrer Gasse tasteten sich riesige behaarte Beine hervor. Die baumstammdicken Gliedmaßen fanden Halt an den Häuserwänden und hievten einen ovalen, tiefschwarzen Körper von der Größe einer Abrissbirne auf die Straße.
Mit einem leichten Zittern sortierte die Riesenspinne ihre Beine und richtete sich zu ihrer vollen Größe auf.
Eine Siragippe! Xij kannte die mutierten Spinnen von der Erde. Wenn sie in Rudeln jagten, waren sie mordsgefährlich – und auch als Einzeltier ob ihrer schieren Größe absolut respekteinflößend.
Die zahlreichen Augen des Tiers glänzten und seine bepelzten Mandibeln bewegten sich in der freudigen Erwartung seiner Beute, die es witterte.
Eine weitere Riesenspinne kam aus der Gasse gestelzt. Sie war kleiner als die erste – also nicht so hoch wie ein Pferd, sondern eher von der Größe einer dänischen Dogge. Nur Sekunden später krabbelte ein ähnlich großes Tier über eines der Dächer der gegenüberliegenden Straßenseite auf den Weg hinab.
Die Tiere orientierten sich kurz. Dann folgten sie einer Gruppe von Flüchtenden, die sich durch beherzte Sprünge durch Fenster und offene Türen in unbewohnte Gebäude in Sicherheit zu bringen versuchten.
Nur dass die Rettung keine war: Die kleineren Spinnen kletterten einfach hinterher. Erstickte Todesschreie gellten.
Xij stand wie gelähmt und sah dabei zu, wie die mutierten Spinnen den Menschen nachsetzten. Erst als sie fast außer Sicht waren, riss sie das Strahlengewehr hervor und legte auf das Riesenvieh an. Die Salve traf den Hinterleib des Tieres, das sich augenblicklich umwandte und Xij fixierte. Abwehrend hob es das vordere Beinpaar. Dann krabbelte es los.
„Ziel auf die Augen!“, brüllte Xaana vom Dach aus und schoss auf den Kopf der Siragippe. Xij versuchte einen direkten Treffer anzubringen, aber die Spinne war zu schnell. Der Schuss krachte in eine Gebäudefassade und ließ den Verputz in Splittern davonfliegen.
Sekunden später spürte sie die Vibrationen unter sich. Das festgetretene Erdreich der Querstraße wölbte sich leicht, als etwas unterirdisch auf die angreifende Siragippe zuraste.
Xij ließ das Gewehr sinken und schloss die Augen.
One, dachte sie nur. Gott sei Dank! Jetzt haben wir eine Chance!
Teil I – Eine neue Hoffnung
Einige Wochen zuvor
Xaana sah sich in der wenig wohnlichen Höhle um, die derzeit ihr Zuhause war. Nur wenig Tageslicht drang vom schmalen Eingang herein, der hinter einem gewundenen Gang lag. Die Luft hier drin war zum Schneiden dick, denn sie stand in diesem Erdloch wie in einem Talkessel im Hochsommer.
Das Feuer, das Eileen als Wärmequelle und Kochstelle entfacht hatte, seit Matt, Aruula und die Kontras zu ihrer Expedition aufgebrochen waren, tat ein Übriges, um die verbrauchte Luft noch weiter mit Ruß und Ascheflocken anzureichern.
Zwei Tage war es her, dass sie aufgebrochen waren, um mehr über die Hintergründe des Ringplaneten zu erfahren – und warum es für sie alle überlebenswichtig war, dass die menschlichen Siedler Freiwillige aus ihrer Mitte fanden, die sich opferten, um mit ihren Gehirnen einen sogenannten Mentalschild aufrecht zu erhalten. Sie waren mit einem Sprungfeldgenerator zu Miki Takeos Gleiter aufgebrochen. Das weltraumtaugliche Gefährt hatten Matt und Aruula von ihrem letzten Besuch auf der Erde mitgebracht und vor den Initiatoren versteckt.
Xaana seufzte und stand auf. Lustlos warf sie den Gerulknochen, an dem sie zum Frühstück genagt hatte, ins Feuer. Tom und Eileen waren gestern auf die Jagd gegangen und hatten zwei der kaninchenartigen Kleinsäuger erbeutet, ausgenommen und über dem Feuer gebraten.
Xaana ging zum Eingang der Höhle. Als sich ihre Augen an das hellere Licht gewöhnt hatten, sah sie ihre Mutter auf einem steinernen Absatz in der Nähe des Eingangs hocken. Xij blickte hinunter auf die bewaldete Ebene, wobei sie nicht den Eindruck erweckte, als würde irgendetwas Besonderes ihre Aufmerksamkeit fesseln. Vielmehr schien sie tief in Gedanken versunken zu sein und zuckte ein wenig zusammen, als Xaana sich räusperte und neben sie setzte.
„Wartest du auf Dad?“, fragte Xaana. Tom war vor einer halben Stunde aufgebrochen, um Wasser zu holen. Man musste nur einen kurzen Abstieg bis zu einem kleinen Rinnsal nehmen, das zwischen den Bäumen hindurchfloss. Die Qualität des Wassers war einwandfrei; einer der Vorteile auf einem terraformten Mond, der den Ansprüchen der Menschen genau entsprach und der keine Jahrhunderte alten Umweltbelastungen auf dem Buckel hatte.
„Nein, eigentlich nicht“, antwortete Xij und nickte in Richtung Höhle. „Da drin fällt mir die Decke auf den Kopf. Ich denke, wir sollten bald aufbrechen, zurück nach Novis Prime. Inzwischen wird einigermaßen Gras über die Sache gewachsen sein.“
Die Sache war der Ausbruch aus der Gefangenschaft bei Colonel Aran Kormak gewesen.
„Sie werden nach uns suchen“, gab Xaana zu bedenken. „Und in der Höhle finden sie uns garantiert nicht. Außerdem scheint es Eileen hier zu gefallen.“
Die Barbarin von den Dreizehn Inseln schien in der Wildnis von Novis immer mehr aufzublühen. Was nicht nur daran lag, dass sie hier in der Natur leben und jagen konnte, sondern vor allem, weil sich weit und breit keine größere Ansiedlung befand.
Eileen hatte – so wie Aruula und die anderen Frauen von den Dreizehn Inseln auch – eine telepathische Begabung, die sie Lauschsinn nannte. Ihr Problem war, dass sie diesen Lauschsinn nach einem Unfall beim Sprung durch das Wurmloch hierher nach Novis nicht mehr unter Kontrolle hatte. Seitdem konnte sie die Gedanken anderer intelligenter Wesen nicht mehr abblocken und hörte sie permanent in ihrem Kopf.
Ein Zustand, der sie an den Rand des Wahnsinns getrieben hatte. Nur eine gerade noch rechtzeitig erfolgte Geistesverschmelzung mit Aruula hatte sie davor bewahrt, vollends den Verstand zu verlieren.3)
Aber Aruula war nicht mehr da. Eileen war zwar vorerst stabil, aber immer noch weit davon entfernt, gesund zu sein. Sie würden sie nicht dazu überreden können, mit ihnen zurück nach Novis Prime zu kommen.
„Ich werde hierbleiben“, erklang Eileens Stimme hinter ihnen. Xij und Xaana wandten sich um und sahen die Barbarin im Höhleneingang stehen. Sie lächelte zerknirscht und tippte sich an die Schläfe. „Verzeihung, ich wollte nicht … Aber manchmal dringt einfach noch etwas durch, ohne dass ich es verhindern kann.“
Xaana winkte ab. „Schon gut. Wir sind froh, dass es dir besser geht. Es ist nur …“