Michaela löst eine Verschwörung - Marie Louise Fischer - E-Book

Michaela löst eine Verschwörung E-Book

Marie Louise Fischer

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Beschreibung

"Es ist eine Gemeinheit", erklärt Michaela, "jeder macht in Biologie, was er will. Zugegeben, Frau Hartmann ist nicht streng genug. Aber ist das ein Fehler? Sie will nicht stur mit uns pauken, sondern den Unterricht interessant machen. Und wie haben wir es ihr gedankt? So kann es nicht weitergehen." Michaelas Gerechtigkeitssinn meldet sich zu Wort. Alleine erreicht sie aber nichts, sie muss sich vielmehr um Unterstützung unter ihren Klassenkameradinnen bemühen. Damit hilft sie nicht nur der etwas überforderten Frau Hartmann, sondern sie findet letztlich auch die Anerkennung ihrer Klasse. Denn ein wenig begreifen alle, dass nicht Lidschatten und Wimpernschatten eine tolle junge Frau ausmachen, sondern dass es wichtiger ist, das Herz am rechten Fleck zu haben und sich für andere einzusetzen.-

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Marie Louise Fischer

Michaela löst eine Verschwörung

SAGA Egmont

Michaela löst eine Verschwörung

Michaela löst eine Verschwörung (Band 4)

Copyright © 2017 by Erbengemeinschaft Fischer-Kernmayr, (www.marielouisefischer.de)represented by AVA international GmbH, Germany (www.ava-international.de)

Originally published 1974 by F. Schneider, Germany

Genehmigte eBook Ausgabe für Lindhardt og Ringhof Forlag A/S

All rights reserved

ISBN: 9788711719602

1. Ebook-Auflage, 2017

Format: EPUB 3.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt og Ringhof und Autors nicht gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com und Lindhardt og Ringhof www.lrforlag.dk– a part of Egmont www.egmont.com

Ein schlechter Anfang

Es gibt Tage, die wie verhext sind. Michaela war jetzt schon viele Monate in München im Internat. Sie hatte es mit Hilfe von Fräulein Esser, ihrer Erzieherin, und der anderen Mädchen aus ihrer Gruppe im Josef-Stift längst gelernt, pünktlich zu sein und ihre Sachen in Ordnung zu halten. Aber an diesem Montag morgen lief alles schief.

Dabei hatte es so verheißungsvoll begonnen.

Das helle Licht des frühen Sommertages weckte Michaela. Sie hatte das lange Wochenende in Törwang bei ihren Eltern und ihren kleinen Zwillingsbrüdern verbracht und mußte sich erst wieder besinnen, wo sie war.

So ein Montagmorgen nach dem Heimfahrtswochenende war meistens scheußlich. Immer wieder kam man sich vor wie ein verstoßenes Waisenkind. Auch heute gab es Michaela einen Stich, als sie erkannte, daß sie nicht in ihrem gemütlichen Zimmer zu Hause lag, sondern in einem Schlafsaal voller schnarchender Mädchen. Aber das schöne Wetter war doch ein Trost.

Michaela sprang auf und lief barfuß zu einem der hohen, halb geöffneten Fenster. Der Himmel war sehr blau, wenn auch leicht verhüllt vom Dunst der Großstadt und nicht so klar wie über ihrem heimatlichen Dorf in den Bergen. Aber das wäre auch entschieden zuviel verlangt gewesen.

Immerhin versprach es heiß zu werden, vielleicht würde es sogar hitzefrei geben, und sie würde mit ihren Freundinnen noch vor dem Essen ins Prinzregentenbad hinüberlaufen und schwimmen können. Das waren feine Aussichten!

Obwohl Fräulein Esser noch nicht zum Wecken erschienen war, hatte Michaela keine Lust, sich noch einmal ins Bett zu legen. Sie ging in den Waschraum hinüber, den sie um diese Stunde ausnahmsweise einmal ganz für sich allein hatte. Sie putzte sich die Zähne, brauste heiß und kalt, trocknete sich ab, schlüpfte in ihr Höschen und zog ein frisches, rot-weiß kariertes Sommerkleid über. Sie bürstete und kämmte sich ihr kinnlanges, kastanienbraunes Haar ungewöhnlich sorgfältig und musterte sich dabei mit gekrauster Stirn im Spiegel Dann säuberte sie das Waschbecken, das sie mit Ruth Sommer, der Dicken, gemeinsam benutzte, und hing ihre Handtücher ordentlich auf.

Da es im Klassenzimmer trotz der sommerlichen Wärme draußen meist frühmorgens noch kühl war, schlenderte sie in den Schrankraum und holte sich ihre weiße Strickjacke, die sie über ihr kurzärmeliges Kleid zog. Sie kam sich dabei sehr erwachsen und verantwortungsbewußt vor. An den nackten Füßen trug sie hölzerne Sandalen. Ihre Beine waren braungebrannt.

Die Schulmappe hatte sie noch am Abend zuvor gepackt, und als Fräulein Esser erschien, war sie fix und fertig für die Schule.

„Guten Morgen, Michaela!“ grüßte die Erzieherin freundlich. „Du bist heute aber schon früh auf den Beinen.“ Sie trug einen hellen, gestreiften Rock und ein Twinset.

„Guten Morgen, Fräulein Esser! Ich konnte nicht mehr schlafen.“

„Na, immer besser zu früh als zu spät.“ Die Erzieherin nickte ihr zu und ging weiter in den Schlafsaal, um die anderen zu wecken.

Einen Augenblick wußte Michaela nicht, was sie mit sich beginnen sollte. Dann entdeckte sie ein „Asterix“-Heft auf dem Regal mit den Schultaschen. „Edeltraud Möhr“ stand mit Kugelschreiber darauf geschrieben, „Gruppe 6a“. Also gehörte es der rothaarigen kleinen Pieps. Die würde es ihr bestimmt gern leihen.

Michaela nahm das Comics-Heft und zog sich damit ins Wohnzimmer zurück. Sie setzte sich auf die Fensterbank und vertiefte sich in eine der spannenden und lustigen Abenteuer, die der schlaue Asterix, der starke Obelix und das Hündchen Idefix in der Römerzeit erlebten. Dabei lachte sie, ohne es selber zu merken, immer wieder laut auf. Die Zeit verging wie nichts.

Als die Tür aufgerissen wurde, schrak Michaela auf.

„Ach, hier bist du also!“ rief Barbara Neuberger, genannt Babsi.

„Was dagegen?“

„Mensch, puste dich bloß nicht auf! Ich habe dich im ganzen Stockwerk gesucht. Die anderen sind längst zum Frühstück runter.“

„Schon?“ rief Michaela.

Aber sie bekam keine Antwort.

Babsi war davongesaust.

Michaela besann sich nicht lange, klappte das bunte Heft zu, riß die Schulmappe vom Sofa und rannte ihr nach in das Erdgeschoß hinunter, wo der Eßsaal lag.

Sie wurde mit Hallo begrüßt. Die anderen waren schon mitten beim Frühstück. Aber Fräulein Esser schenkte sich ausnahmsweise eine tadelnde Bemerkung. Michaela klemmte sich auf ihren Platz und begann mit gutem Appetit zu essen; das frühe Aufstehen hatte sie besonders hungrig gemacht.

Die Mädchen waren alle sehr munter an diesem Morgen, noch begeistert von den Erlebnissen, die sie am Wochenende gehabt hatten. Besonders Yvonne Helm, genannt die Puppe, ein winziges, zartes Mädchen mit schönem, seidig schwarzem Haar, spielte sich sehr auf. Sie war angeblich zusammen mit ihrer Mutter, einer Schauspielerin, bei einem Filmproduzenten eingeladen gewesen, dessen fabelhafte Villa, selbstverständlich mit Swimmingpool, sie mit allen Einzelheiten beschrieb.

„Und stellt euch vor“, rief sie triumphierend, „er hat gesagt, daß er mir eine Rolle geben wird!“

„Als was denn?“ fragte Babsi und pustete sich ihren silberblonden Pony aus der Stirn. „Als Gartenzwerg?“

Alle lachten.

„Ich weiß nicht, warum ich mich überhaupt noch mit euch unterhalte“, erklärte Yvonne hochnäsig, „ihr Kunstbanausen!“

Die anderen lachten noch mehr.

Aber Michaela sollte die gute Laune bald vergehen.

„Wo hast du denn deinen Turnbeutel?“ fragte Babsi, als sie vom Frühstückstisch aufstanden.

Michaela schlug der Schreck auf den Magen; ihr wurde geradezu übel. „Vergessen!“

„Dann saus aber los!“

Michaela rannte. In der zweiten Stunde war Turnen. Der Weg zur Turnhalle und das Umziehen dauerten ein paar Minuten, so daß in der kleinen Pause keine Zeit blieb, das vergessene Turnzeug zu holen. Fräulein Stein aber, die Turnlehrerin, war sehr streng.

Während sie die Treppen hinaufraste, kam ihr von oben Lolo Herterich entgegen. Lolo wohnte in München und kehrte immer erst am Montagmorgen nach dem Frühstück ins Stift zurück. Sie hatte oben ihren Koffer ausgepackt.

„Mensch, beeil dich!“ rief sie Michaela zu.

„Was denn sonst!“ Michaela raste weiter.

Erst nachträglich fiel ihr ein, daß sie besser daran getan hätte, Lolo oder vorher schon Babsi ihre Schulmappe mitzugeben, die ihr dauernd gegen die Beine schlug. Ohne sie wäre sie schneller weitergekommen. Aber dazu war es jetzt zu spät. Und sie irgendwo im Treppenhaus hinlegen, das mochte sie auch nicht.

Oben angekommen, riß sie den Schrank auf, holte den Turnbeutel, den sie ordentlich auf einen Haken gehängt hatte, heraus, nahm sich nicht die Zeit, die Tür zuzumachen, sondern stürmte sogleich wieder hinunter.

Sie war noch auf den letzten Stufen, als ein Klingelzeichen den Beginn des Unterrichts ankündigte. Alle Türen waren geschlossen. Aber Michaela hoffte auf ihr Glück. Die Lehrer waren ja auch nicht immer ganz pünktlich.

Erst als sie die Tür zum Klassenzimmer aufriß, fiel ihr ein, daß sie heute eine neue Biologielehrerin bekommen sollten. Fast im gleichen Augenblick sah sie sie auch schon: eine junge, etwas mollige Frau, die im Gegensatz zu ihrem Namen – sie hieß Hartmann – sehr weich und freundlich wirkte. Sie hatte blondiertes Haar und benutzte silbernen Lidschatten und einen hellroten Lippenstift.

„Oh, entschuldigen Sie, bitte!“ Michaela war so in Schwung, daß sie erst wenige Meter vor dem Lebrertisch stoppen konnte.

„Du kommst reichlich spät!“ Frau Hartmann bemühte sich, ein strenges Gesicht zu machen.

„Ich … das kommt, weil …“, stammelte Michaela.

„Es hat ’ne Verkehrsstockung gegeben“, kam ihr Rolly, eine von den Externen, zu Hilfe.

Die Mädchen lachten, denn sie wußten alle, daß Michaela im Haus wohnte.

Aber Frau Hartmann wußte es nicht. In der Klasse waren die Internen, die sogenannten Stiftlerinnen, in der Minderzahl. Sie waren zu acht. Für die fünfundzwanzig anderen war das Josef-Stift ein ganz normales Realgymnasium, das sie mittags wieder verließen, um nach Hause zu gehen. Rolly, ein lang aufgeschossenes mageres Mädchen mit vorstehenden Wangenknochen und schräg sitzenden Augen, führte unter ihnen das große Wort.

„Eine Verkehrsstockung?“ wiederholte Frau Hartmann ahnungslos. „Davon habe ich aber nichts gemerkt.“ Sie begriff nicht, warum das Gelächter noch lauter wurde.

„Doch“, erklärte Rolly mit ernstem Gesicht, „am Prinzregentenplatz. Die Straßenbahn ist steckengeblieben.“

„Mit solchen Behinderungen“, sagte Frau Hartmann, durch das Gepruste irritiert, „muß man immer rechnen. Es ist besser, du fährst das nächstemal fünf Minuten eher los … Wie heißt du eigentlich?“

„Michaela … Michaela Körner.“

Die Klasse johlte so laut, daß man kaum sein eigenes Wort verstehen konnte.

„Am besten nimmst du dein Mofa, Micky!“ schrie Rolly, wodurch sie das Gelächter noch mehr anheizte.

„Ich weiß gar nicht, was ihr so witzig findet“, gestand Frau Hartmann hilflos.

Michaela drückte sich rasch auf ihren Stuhl in der ersten Reihe. Die Stiftlerinnen saßen fast alle vorn, während die Externen die hintern Plätze vorzogen. Sie kämpfte mit sich, ob sie den Mund halten oder Frau Hartmann eine Erklärung abgeben sollte. Am liebsten hätten sie sich totgestellt, aber ihr Wunsch, die junge Lehrerin vor dem Spott der Kameradinnen zu retten, war stärker.

Sie hob die Hand und sagte, ohne aufgefordert zu sein: „Das Ganze ist ein Irrtum. Ich komme gar nicht von draußen. Ich gehöre zum Internat.“

Gerechterweise hätte die Lehrerin nun auf Rolly losgehen müssen. Aber die starrte sie grinsend aus ihren schrägen Augen so unverschämt an, daß sie es vorzog, sich an Michaela zu wenden. „Und da kommst du trotzdem zu spät?“

„Ich hatte mein Turnzeug vergessen. Tut mir leid, ich sagte es ja schon.“ Michaela fühlte sich schlecht behandelt und schnappte ein.

„Frau Hartmann“, meldete sich Ellen, die Klassensprecherin, zu Wort und markierte ein Gähnen, „könnten wir nicht endlich anfangen? Oder wollen Sie sich noch länger mit diesen Albernheiten aufhalten?“

Die Lehrerin war jetzt völlig aus dem Konzept gebracht. „Natürlich … ich meine, natürlich nicht …“ Sie begann nervös in ihrem Buch zu blättern.

Die Mädchen der 6a stellten fest: keine Eintragung ins Klassenbuch für Michaela, keine Strafarbeit, nicht einmal ein Anpfiff für Rolly und keine Zurechtweisung für Ellen.

Frau Hartmann hatte die Achtung der Klasse schon verloren, noch bevor der eigentliche Unterricht begann.

Frechheit siegt

Es gab an diesem Tag dann doch nicht hitzefrei. Aber Michaela, Pieps und Babsi packten gleich nach dem Mittagessen ihr Schwimmzeug zusammen und liefen zum Prinzregentenbad hinüber. Die anderen aus der Gruppe zogen es vor, im Garten zu bleiben.

Das große Bad, auf dessen zugefrorenem Becken sie im Winter Schlittschuh liefen, war um diese Zeit fast überfüllt. Angestellte aus den umliegenden Büros, Läden und Redaktionen nutzten die Mittagspause zu einer Erholung im Grünen. Es war ein Glück, daß die meisten auf den Holzplanken lagen und sich von der Sonne braten ließen, um ihre Bräune zu erhalten. Im Wasser war immer noch Platz.

Die drei Mädchen übten Kopfsprung, schwammen, spritzten sich an und spielten Wasserball. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie erschöpft, aber abgekühlt wieder an Land kletterten. Sie streckten sich im Schatten einer Ulme aus und schmökerten. Zwischendurch blickten sie immer wieder über die grünen Rasenflächen zum Wasser oder blinzelten zur Sonne hinauf. Sie fühlten sich alle drei rundherum wohl.

Michaela entdeckte Rolly zuerst. Sie wurde von Elsa und Gerda begleitet, zwei ihrer Bewunderinnen, und sah, mager, wie sie war, und noch gänzlich ohne Busen, ziemlich lächerlich in ihrem geblümten Bikini aus. Durch die Reihen der Sonnenanbeter schlendernd, sahen sie sich suchend um.

„Ich glaube, Rolly kommt zu uns“, sagte Michaela.

Babsi stöhnte. „Das hat uns gerade noch gefehlt!“

„Benehmt euch“, mahnte Pieps, „sie kann ja nichts dafür, daß sie eine Nervensäge ist.“

„Elsa und Gerda sind noch schlimmer“, meinte Babsi, „die beten ihr alles nach.“

„Kotz, kotz!“ Michaela rollte sich auf den Bauch.

„Da seid ihr ja!“ rief Rolly von weitem. Sie kam, ihr Badetuch schwenkend, von ihren Trabantinnen gefolgt, auf sie zu.

Ohne eine Aufforderung abzuwarten, setzte sie sich zu ihnen.

„Das ist ’ne Affenhitze, was?“ eröffnete sie die Unterhaltung.

„Du sagst es.“ Michaela blickte nicht von ihrem Buch auf.

„Wart ihr schon im Wasser?“ fragte Babsi.

„Nein!“

„Worauf wartet ihr?“

Aber dieser Versuch, Rolly und ihren Anhang loszuwerden, fruchtete nicht.

„Später“, wehrte Elsa ab.

Rolly ging jetzt geradewegs auf ihr Ziel los. „Was haltet ihr von der ,Weichen‘?“ fragte sie.

Alle wußten sofort, daß mit diesem Spitznamen nur Frau Hartmann gemeint sein konnte.

„Ganz nett“, behauptete Michaela.

Rolly schrie auf. „Dich hat’s ja wohl!“

Michaela beharrte auf ihrer Meinung. „Jedenfalls habe ich schon viel schlimmere Typen erlebt.“

„Sehr richtig“, unterstützte Babsi die Freundin, „sie hat die besten Absichten.“

„Die läßt doch alles mit sich machen!“ rief Elsa.

„Und wie sie uns gefragt hat, wofür wir uns am meisten interessieren und so“, sagte Gerda, „das war doch zum Piepen.“

„Die will sich an uns ranschmeißen!“ behauptete Rolly.

„Na, und was ist dabei, wenn sie sich um ein gutes Verhältnis zu uns bemüht?“ fragte Michaela.

„Und wenn sie uns den Lehrstoff schmackhaft machen will?“ fügte Babsi hinzu.

„Daß ich nicht lache!“ schrie Rolly und hielt sich mit beiden Händen den nicht vorhandenen Bauch. „Die ist doch einfach eine Qualle! Ja, Qualle, das wäre der richtige Name für die! Lehrstoff interessant machen, wenn ich so was schon höre! Und was kommt dabei heraus? Daß man sein eigenes Wort nicht verstehen kann!“

„Das liegt aber nicht an der Weichen“, stellte Michaela richtig, „sondern daran, daß ihr so herumschreit.“

„Ha! Soll das etwa unsere Schuld sein, wenn sie sich nicht durchsetzen kann?“

„Das ist ’ne Schlange, die sich in den Schwanz beißt.“ Michaela klappte ihr Buch zu und setzte sich auf. „Wir wissen ja alle, daß sie schwach ist. Wir müßten ja ein Brett vor dem Kopf haben, um das nicht zu merken.“

„Na also!“ schrie Rolly.

„Aber deshalb brauchen wir es ihr doch nicht noch schwerer machen. Wir könnten sie unterstützen.“

Rolly legte die hohle Hand an die Ohrmuschel. „Unterstützen? Eine Lehrkraft? Ich höre wohl nicht recht! Mickymaus, seit wann bist du unter die Streber gegangen?“

„Quatsch mit Himbeersoße!“ sagte Michaela verächtlich.

„Die ist doch ’ne erwachsene Person“, rief Gerda, „die soll selber sehn, wie sie zurechtkommt.“

„Das heißt auf hochdeutsch“, stellte Babsi fest, „daß wir jetzt nur noch aus dem Buch lernen können, solange wir die Weiche haben. Denn bei eurem Krach können wir in der Stunde ja unmöglich etwas verstehen.“

„Also doch Streber“, behauptete Rolly.

„Ihr seid wohl zu eurer Unterhaltung in der Schule?“ fragte Pieps mit ihrem hellen Stimmchen und kicherte.

„Natürlich nicht“, entgegnete Rolly, „aber wir denken nicht dran, uns alles gefallen zu lassen.“

„Da sieh mal einer an!“ Michaelas dunkle Augen funkelten. „Ausgerechnet bei der Weichen fällt euch das ein! Beim Müller, bei der Stadler, dem Massmann und all den anderen seid ihr nämlich ganz schön auf Vordermann.“

„Ist ja nicht wahr!“ protestierte Elsa.

„Ja doch“, erklärte Babsi, „Michaela hat ganz recht.“ „Stimmt ja gar nicht!“ Rolly fuhr sich mit der Hand durch ihren aschblonden Schopf. „Mit denen motze ich auch ganz schön.“

„Hin und wieder“, schränkte Michaela ein, „und wenn sie dich dann zusammenstauchen, hältst du ganz schön die Klappe, selbst wenn du im Recht bist. Erinnerst du dich, als der Müller behauptet hat, du hättest abgeschrieben …?“

Rolly ließ sie nicht ausreden. „Das sind doch olle Kamellen. Schön, wenn du Wert drauf legst: Der hat mich fertiggemacht.“

„Der hat dich immer noch auf dem Kieker“, erinnerte Pieps.

„Na schön, und was hat das mit der Weichen zu tun? Die habe ich nun mal in mein Visier gekriegt, und der werde ich eine Nuß zu knacken geben.“

„Von mir aus.“ Michaela stand auf.

„Was hast du vor?“ fragte Babsi erwartungsvoll Rolly.

„Das wollte ich gerade mit euch besprechen. Irgendeinen saftigen Streich. Woran sie was zu knabbern hat.“

„Pfui, wie kindisch!“ Auch Pieps sprang auf die Beine und schlug zusammen mit Michaela die Decke zusammen. „Du entwickelst dich in bedauerlicher Weise zurück. Nächstens wirst du noch beim Fläschchen landen.“

„Habt ihr denn keinen Sinn für Humor?“ schrie Rolly.

Babsi schwang sich auf die Füße. „O doch! Nur ist unser Humor nicht so primitiv wie deiner … ein bißchen differenzierter, weißt du …“

Rolly stemmte die Fäuste in die Hüften. „Was bildet ihr euch eigentlich ein? Wieso benehmt ihr euch so hochnäsig? Ihr seid doch nichts als blöde Stiftlerinnen …“

Michaela klopfte ihr auf die Schulter. „Ganz recht, Stiftlerinnen – das sind wir. Bloß das Prädikat blöde ist nicht ganz zutreffend.“

„Duckmäuserinnen seid ihr … Streberinnen! Miese Speichelleckerinnen!“

„Komm“, sagte Babsi mit Würde. „Hier wird die Luft zu schlecht.“