Michaels Rückkehr - Sherryl Woods - E-Book

Michaels Rückkehr E-Book

SHERRYL WOODS

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Beschreibung

Arbeit und Privatleben trennt die hübsche Physiotherapeutin Kelly Andrews grundsätzlich - bis sie sich bereit erklärt, Exoffizier Michael Devaney zu behandeln. Denn wenn sie sein verletztes Bein berührt, scheint die Welt den Atem anzuhalten. Als warte sie nur darauf, dass Michael und sie sich endlich zu ihren zärtlichen Gefühlen bekennen …

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Seitenzahl: 196

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IMPRESSUM

Michaels Rückkehr erscheint in der HarperCollins Germany GmbH

Redaktion und Verlag: Postfach 301161, 20304 Hamburg Telefon: +49(0) 40/6 36 64 20-0 Fax: +49(0) 711/72 52-399 E-Mail: [email protected]
Geschäftsführung:Thomas BeckmannRedaktionsleitung:Claudia Wuttke (v. i. S. d. P.)Produktion:Jennifer GalkaGrafik:Deborah Kuschel (Art Director), Birgit Tonn, Marina Grothues (Foto)

© by Sherryl Woods Originaltitel: „Michael’s Discovery“ erschienen bei: Harlequin Enterprises Ltd., Toronto Published by arrangement with HARLEQUIN ENTERPRISES II B.V./S.àr.l.

© Deutsche Erstausgabe in der Reihe BIANCABand 1402 - 2004 by CORA Verlag GmbH, Hamburg Übersetzung: Jutta Nickel

Umschlagsmotive: Kontrec /iStock

Veröffentlicht im ePub Format in 03/2017 – die elektronische Ausgabe stimmt mit der Printversion überein.

E-Book-Produktion: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 9783733776848

Alle Rechte, einschließlich das des vollständigen oder auszugsweisen Nachdrucks in jeglicher Form, sind vorbehalten. CORA-Romane dürfen nicht verliehen oder zum gewerbsmäßigen Umtausch verwendet werden. Sämtliche Personen dieser Ausgabe sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind rein zufällig.

Weitere Roman-Reihen im CORA Verlag:BACCARA, BIANCA, JULIA, ROMANA, HISTORICAL, MYSTERY, TIFFANY

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PROLOG

Ein unerträglicher Schmerz vernebelte seine Sinne. Trotzdem nahm Michael Devaney die Aufregung im Krankenzimmer der Klinik von San Diego deutlich wahr. Gerade eben hatten die Ärzte ihre verheerende Prognose für seine Zukunft als Kampfschwimmer bei der US Navy abgegeben. Sogar Schwester Judy, deren unbefangenes Geplauder nur selten versiegte, schüttelte jetzt scheinbar konzentriert die Kopfkissen auf und vermied dabei sorgfältig seinen Blick. Offenbar wartete jeder auf einen wüsten Zornesausbruch, auf wilde Schreie der Verzweiflung. Doch den Gefallen tat Michael ihnen nicht. Jedenfalls noch nicht.

„Okay“, stieß er mit zusammengebissenen Zähnen hervor, als der Schmerz erneut brennend heiß durch sein Bein zuckte, „jetzt weiß ich, was ich schlimmstenfalls zu befürchten habe. Und auf was darf ich im besten Fall hoffen?“

Die Ärzte – weit und breit die besten Orthopäden, wenn er den Worten seines Chefs trauen durfte – wechselten einen vielsagenden Blick. Michael wusste, was er zu bedeuten hatte. Solche Blicke tauschten Ärzte immer, wenn nichts mehr zu retten war. Und wie oft hatten sie sich derart bedeutungsvoll angesehen, seit ein Heckenschütze eine Kugel durch sein Knie gejagt und seine Hüfte mit einer weiteren Kugel zerfetzt hatte? Offenbar war es den Orthopäden immer noch nicht gelungen, seine zertrümmerten Knochen wieder zusammenzuflicken. Er hatte jedoch auch Glück gehabt. Die Kopfverletzung, die ihn ins Koma befördert hatte, schien vergleichsweise unkompliziert.

Er wusste nicht genau, wie lange er bewusstlos gewesen war. Man hatte geglaubt, dass er getötet worden sei, als er den Unterschlupf der Terroristen hatte ausheben wollen. Wenn sein Team nicht mit letzter Kraft eine extrem gefährliche Rettungsaktion unternommen hätte, dann wäre er tatsächlich vor die Hunde gegangen. Er sollte wirklich dankbar sein, dass er überhaupt noch am Leben war. Aber wie um alles in der Welt sollte er weiterleben, wenn seine Karriere vor dem Ende stand? Krampfhaft bemühte er sich, die Fassung zu bewahren, aber innerlich packte ihn die Verzweiflung.

„Verdammt noch mal, spucken Sie’s endlich aus!“, verlangte er von den Ärzten, die ihn mit ausdrucksloser Miene anstarrten.

„Mehr dürfen Sie auf keinen Fall hoffen“, erklärte der ältere der beiden Orthopäden. „Und schlimmstenfalls verlieren Sie Ihr Bein.“

Michael hätte am liebsten laut geschrien. Aber viele Jahre lang hatte er trainiert, sich eisern zu beherrschen, und deshalb blieb er auch jetzt stumm. Nur seine Kiefer waren wie zu Stein erstarrt und verrieten seine abgrundtiefe Angst.

Er war Kampfschwimmer bei der US-Navy gewesen. Mit Leib und Seele war er stets dabei gewesen. Die Arbeit hatte sein ganzes Leben bestimmt. Die gefährlichen Einsätze, der Adrenalinkick, das harte körperliche Training, das eng zusammengeschweißte Team – die Navy machte ihn zu einem Helden. Und was war er ohne die Navy? Nichts als ein ganz gewöhnlicher Mann.

Vor vielen Jahren, nachdem er von seinen Eltern im Stich gelassen und von seinen Brüdern getrennt worden war, hatte Michael sich geschworen, niemals ein Durchschnittsmann zu werden. Ganz normale Kinder interessierten ihn nicht. Durchschnittsmänner gab es im Dutzend billiger. Vom ersten Tag im Kindergarten bis zur Aufnahme in die Navy hatte er sich durch überragende Leistungen ausgezeichnet. Und jetzt erklärten ihm die Ärzte, dass er niemals wieder würde überragend sein können. Jedenfalls nicht körperlich. Vielleicht würde er nicht mal mehr auf eigenen Beinen stehen können … Jedenfalls für eine sehr lange Zeit nicht mehr. Auf keinen Fall durfte er zulassen, dass ihm das Bein amputiert wurde.

Das alles ging ihm durch den Kopf, als er erst den einen, dann den anderen Arzt ansah. „Also sehen Sie zu, dass es nicht so weit kommt. Haben wir uns verstanden? Ich kann verdammt ungemütlich werden, wenn man mich wütend macht. Und nichts würde mich wütender machen als eine Beinamputation.“

Schwester Judy kicherte unbeherrscht, riss sich aber gleich wieder zusammen. Sie wirkte vollkommen übermüdet. Schließlich hatte sie sich zwei Tage lang ununterbrochen um ihn gekümmert, wenn man von den kurzen Stunden absah, die er im OP gelegen hatte. „Wie wär’s mit einem schmerzstillenden Medikament?“, fragte sie. „Sie verweigern die Spritze schon den ganzen Vormittag. Bald wird es langweilig. Denken Sie mal darüber nach, dass Sie den Heilungsprozess auf lange Sicht beschleunigen, wenn Sie sich nicht dauernd mit diesen wahnsinnigen Schmerzen plagen müssen.“

„Ich wollte bei Verstand sein, wenn die Prognose bekannt gegeben wird“, erinnerte er sie. „Jetzt will ich wach bleiben, um wirklich sicherzugehen, dass die beiden da sich nicht an meinem Bein zu schaffen machen.“

Plötzlich herrschte Unruhe an der Tür. Nach einem flüchtigen Gemurmel drängten sich zwei große, dunkelhaarige Männer ins Krankenzimmer. Sie scherten sich nicht im Geringsten darum, dass die Ärzte allen Besuchern den Zutritt strikt verboten hatten.

„Warum wehrst du dich gegen die Spritze, Michael? Jetzt sind wir doch da. Und solange wir auf dich aufpassen, wird niemand es wagen, dein Bein anzurühren“, erklärte der ältere der beiden. Er zog sich einen Stuhl ans Bett, setzte sich und warf den Ärzten einen warnenden Blick zu. Ein Blick, der eine ganze Kompanie von bestens ausgebildeten Marineoffizieren eingeschüchtert hätte.

Ein unscharfes Bild entstand in Michaels Erinnerung. Er kniff die Augen zusammen und schaute genauer hin. Plötzlich schoss ihm ein Name durch den Kopf, an den er schon seit vielen Jahren nicht mehr gedacht hatte. „Ryan?“

„Ja, ich bin’s“, bestätigte sein ältester Bruder und drückte ihm die Hand. „Sean ist auch hier.“

Es ärgerte Michael ganz gewaltig, dass er plötzlich eine Flut von Tränen mit aller Macht zurückdrängen musste. Früher war er seinen beiden Brüdern wie ein Schatten überallhin gefolgt. Helden waren die beiden für ihn gewesen. Jedenfalls bis zu dem Augenblick, an dem sie ihn im Stich gelassen hatten. Damals war er fünf Jahre alt gewesen. Er war zwar in verschiedenen Pflegefamilien untergekommen, aber trotzdem hatte ihm die Trennung von seinen Brüdern urplötzlich den Boden unter den Füßen weggerissen. Außerdem waren seine Eltern mit den Zwillingen verschwunden, und das war einfach zu viel für ihn gewesen. Er hatte die Gedanken an alle Devaneys aus seinem Kopf verbannt. An einen dunklen Ort tief in seinem Innern, wo ihm die Erinnerungen keinen Schmerz mehr zufügen konnten.

Und jetzt, nach all den Jahren, waren zumindest seine älteren Brüder zurückgekehrt. Ohne jede Vorwarnung waren sie wie aus dem Nichts aufgetaucht. Genauso plötzlich, wie sie damals verschwunden waren. Und zu allem Überfluss auch noch im ungünstigsten Augenblick, den sie sich nur hatten aussuchen können.

„Wie habt ihr mich gefunden?“ Vor Rührung klang seine Stimme ganz belegt. „Wo kommt ihr her?“

„Das werden wir alles später besprechen. Jetzt brauchst du erst mal Schlaf“, besänftigte ihn Ryan.

Michael musterte ihn aufmerksam und ließ seinen Blick dann zu Sean schweifen. Ich hätte sie überall wieder erkannt, dachte er. Ganz gleich, auf welchem Fleckchen Erde sie mir über den Weg gelaufen wären. Es war, als würde er in einen Spiegel schauen: schwarzes Haar – selbst wenn sein eigenes militärisch kurz geschnitten war – und die gleichen blauen Augen. Ob es ihnen in den Kram passte oder nicht, sie alle hatten das verwegene Aussehen von Connor Devaney geerbt.

Ihr Vater war ein attraktiver Herzensbrecher gewesen, der aus Irland in die USA ausgewandert war. Von Zeit zu Zeit erinnerte Michael sich an ihn, aber die Erinnerung war nie frei von Bitterkeit. Hoffentlich würde Connor Devaney eines Tages in der Hölle schmoren, weil er zusammen mit seiner Frau und den beiden jüngsten Söhnen die drei älteren Brüder von einem Tag auf den anderen verlassen hatte.

„Lieutenant, wie sieht es jetzt mit dem Schmerzmittel aus?“, fragte Schwester Judy sanft.

Michael wollte protestieren. Es gab noch so viele Fragen, die er seinen Brüdern stellen wollte. Aber ein Blick zu Ryan und Sean hin überzeugte ihn davon, dass sie von nun an immer an seiner Seite bleiben würden. Sie hatten es sich auf den Stühlen bequem gemacht. Kein Chirurg würde es wagen, sein verwundetes Bein anzurühren, solange sie in der Nähe waren.

„In Ordnung“, willigte er schließlich ein.

Michael spürte den Einstich. Langsam wich der Schmerz. Seine Lider flatterten und fielen dann zu. Zum ersten Mal seit seiner Heimkehr nach Kalifornien fühlte er sich so sicher und geborgen, dass er sich in einen tiefen, ungestörten Schlaf fallen lassen konnte.

1. KAPITEL

Sechs Wochen später. Boston

Michael lenkte seinen Rollstuhl über den Flur und stellte die Bremse fest. Sein Blick fiel auf das bequeme Sofa. Er überlegte, ob sich die Anstrengung lohnen würde, sich selbst aus dem Rollstuhl zu hieven, um sich für einen gemütlichen Fernsehnachmittag aufs Sofa zu setzen.

„Brauchst du Hilfe?“, fragte Ryan ruhig und sachlich.

„Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie es euch gelingen konnte, mich zu diesem Umzug nach Boston zu überreden“, murmelte Michael, schüttelte den Kopf und begann, sich mühsam vom Rollstuhl aufs Sofa zu heben. Täglich hatte Ryans Frau Maggie ihn in der Klinik in San Diego angerufen und ihn gebeten, an die Ostküste überzusiedeln. Sie hatte seine verrückten Ausreden ebenso ignoriert wie seine bissigen Kommentare, bis er ihren sanften Drohungen nichts mehr hatte entgegensetzen können. „Warum ist deine Frau nicht zum Flughafen gekommen, um mich abzuholen?“, fragte er Ryan.

„Sie meinte, dass du vielleicht ein bisschen Zeit brauchst, um dich an deine neue Umgebung zu gewöhnen“, erklärte Ryan. „Sie hat dir doch eine lange Liste mit den Namen von Krankengymnasten geschickt, oder? Sie sagt, ihr hättet schon am Telefon darüber gesprochen, aber du hättest dich noch nicht entschieden, von wem du behandelt werden willst.“

Michael runzelte unwillig die Stirn. Das war, gelinde gesagt, stark untertrieben. „Ich habe ihr doch klipp und klar gesagt, dass ich jede Therapie strikt ablehne.“

„Willst du den Rest deines Lebens wirklich im Rollstuhl verbringen?“, hakte Ryan nach.

„Die Ärzte haben mich nun mal in den Rollstuhl verbannt“, erwiderte Michael verbittert. Der zersplitterte Hüftknochen hatte zwei weitere Operationen notwendig gemacht, aber dennoch konnten die Ärzte immer noch nicht mit Sicherheit sagen, ob die Verletzung vollkommen ausheilen würde. Sein zerschossenes Knie war durch ein künstliches Gelenk ersetzt worden. Manchmal fühlte er sich wie ein menschliches Ersatzteillager.

Selbst wenn er vollkommen genesen war, würde er niemals wieder in seinem Beruf arbeiten können. In dem Beruf, den er über alles liebte. Seine Karriere als Navy Seal war eindeutig vorüber. Man hatte ihm eine Stelle als Bürohengst im Pentagon angeboten, aber er hatte dankend abgelehnt. Schon der Gedanke jagte ihm einen Schauder des Entsetzens über den Rücken. Verstaubte Aktenberge hin- und herzuschieben, das war nicht sein Leben. Er war jetzt dreißig Jahre alt. Arbeitslos und ohne jede Hoffnung auf Besserung. Und er musste lernen, mit seiner neuen Lebenssituation klarzukommen.

Ryan schaute ihn unverwandt an. „Stimmt das wirklich? Du gibst den Ärzten die Schuld? Mir ist zu Ohren gekommen, dass …“

„Mir scheint, dass dir verdammt viel zu Ohren gekommen ist“, unterbrach Michael ihn schroff. „Ist dir schon mal in den Sinn gekommen, dass es mir ganz ausgezeichnet ging, bevor du mit Sean und den Frauen in mein Leben geplatzt bist? Ich kann eure Einmischung nicht gebrauchen. Und wenn ich mich entscheide, hier in Boston zu bleiben, dann ganz bestimmt nicht deshalb, damit ihr eurem Leben einen neuen Sinn geben könnt. Ich habe keine Lust, zu eurem Lieblingsprojekt aufzusteigen.“ Er hob den Kopf und erwiderte Ryans Blick. „Haben wir uns verstanden?“

„Kein Lieblingsprojekt“, wiederholte Ryan pflichtbewusst.

Aufmerksam studierte Michael den Gesichtsausdruck seines Bruders. Das kommt ihm aber schnell über die Lippen, dachte er misstrauisch. In diesem Moment klingelte es an der Tür. „Hast du jemanden eingeladen?“, fragte er seinen Bruder.

Ryan wirkte schuldbewusst. „Es könnte Maggie sein.“

„Ich dachte, sie wollte mir ein bisschen Zeit lassen.“

„Maggie hat ihre eigenen Vorstellungen in Bezug darauf, wie viel Zeit ein Mann braucht“, meinte Ryan schulterzuckend.

„Na wunderbar. Wirklich wunderbar.“ Gereizt schaute Michael seinen leeren Rollstuhl an. Es war unmöglich, sich in den Rollstuhl zurückzusetzen und aus dem Zimmer zu flüchten, bevor Ryan die Tür geöffnet hatte. So neugierig er auch war, die Frau seines ältesten Bruders endlich kennenzulernen, so wenig war er heute auf ein Treffen vorbereitet. Nur leider konnte er nichts dagegen unternehmen.

Bevor er sich rühren konnte, platzte Maggie in die Wohnung. Ihre Wangen waren gerötet, die Augen blitzten und ihre rotbraunen Locken ließen sie wie eine antike Göttin auf einem Gemälde wirken. Kein Wunder, dass sein Bruder sich in Maggie verliebt hatte. Michael war selbst drauf und dran, sein Herz an sie zu verlieren. Allerdings nur, bis er auf dem Arm der Frau ein Baby mit ebenfalls lockigen Haaren erblickte.

Caitlyn schaute ihn an, hob eine Hand und berührte ungelenk seine Wange. „Meinst du, dass du fünf Minuten auf sie aufpassen kannst?“, fragte Maggie und legte ihm das Kind völlig selbstverständlich in den Arm. „Ich habe noch ein paar Lebensmittel im Wagen. Wahrscheinlich habe ich wieder viel zu viel gekauft. Ryan muss mir helfen, sie in deine Wohnung zu schleppen.“

„Natürlich. Miss Caitlyn und ich werden uns schon amüsieren.“ Es war das erste Mal seit Monaten, dass ein menschliches Wesen ihn nicht voller Mitleid anschaute. Seine Nichte schien einfach nur neugierig zu sein. Mit Neugier konnte er ohne Probleme umgehen, besonders wenn die betreffende Person noch so klein war, dass sie ihm keine bohrenden Fragen stellen konnte.

„Also, meine Kleine, was sollen wir denn jetzt spielen?“, fragte er das Baby, das vollkommen glücklich schien, sich bei ihm in die Arme kuscheln zu dürfen. „Zu Hause hast du wahrscheinlich ein oder zwei Puppen. Vielleicht auch einen Teddybären.“

Caitlyn schien aufmerksam zuzuhören.

„Aber vielleicht gehörst du auch zu den emanzipierten Mädchen, die eines Tages mit Autos und Lastwagen spielen werden“, fuhr Michael fort. „Deine Mom gehört bestimmt zu den Frauen, die darauf achten, dass du dir dein Spielzeug selbst aussuchst, wenn du alt genug bist.“

Offensichtlich hatte er genau das Falsche gesagt. Plötzlich schaute Caitlyn sich unsicher in der Wohnung um. Tränen schossen ihr in die Augen, und ein paar Sekunden später begann sie lauthals zu brüllen. Das Geschrei war herzzerreißend. Michael fühlte sich vollkommen hilflos. Ungeschickt tätschelte er ihr den Rücken. „Hey, ist ja schon gut. Deine Mom ist nur kurz nach draußen gegangen. Deine Mom und dein Daddy sind gleich wieder da.“

Maggie und Ryan kamen just in dem Augenblick zurück, als Michael beinahe vollends verzweifelte. Mit einem Grinsen auf den Lippen stellte Maggie die Einkaufstüten ab und nahm ihr weinendes Kind auf den Arm.

So schnell wie die Tränen gekommen waren, so schnell versiegten sie auch wieder. Michael musste lachen. „Du bist ein launisches kleines Ding, nicht wahr?“, meinte er, griff nach ihr und nahm sie wieder an sich. „Eines Tages wirst du groß sein und den Männern reihenweise das Herz brechen.“

„Ihr erstes Date wird sie frühestens mit dreißig haben“, erklärte Ryan mit fester Stimme. „Eines schönen Tages werde ich dich dann anrufen, weil ich deine Hilfe brauche, um die jungen Kerle wegzuscheuchen.“

Michael schaute in das Engelsgesicht, das an seiner Brust ruhte. Caitlyn war beinahe eingeschlafen. „Ein Wort reicht, und ich bin zur Stelle“, versprach er.

„Bevor ich es vergesse“, sagte Ryan, fasste in seine Tasche, zog ein Blatt Papier heraus und gab es Michael. „Die Liste mit den Krankengymnasten, die Maggie geschrieben hat. Sie hat mich nachdrücklich ermahnt, sie dir zu geben.“

Michael kniff die Augenbrauen zusammen. „Und wo siehst du da den Zusammenhang zum späteren Liebesleben deiner Tochter?“

„Wenn du mir beistehen willst, Caitlyn vor liebestollen männlichen Teenagern zu beschützen, musst du in Topform sein“, erwiderte Ryan. „Besser also, du greifst gleich zum Hörer und rufst einen Therapeuten an. Wenn du es nicht tust, wird Maggie es für dich erledigen.“

Michael schaute in die Küche und beobachtete, wie seine Schwägerin die Einkäufe so verstaute, dass sie für ihn in Reichweite waren. Er nahm die Liste und steckte sie kommentarlos in seine Tasche.

Später, nachdem Ryan, Maggie und Caitlyn gegangen waren, zog er die Liste wieder hervor und überflog die Namen. Einer fiel ihm sofort ins Auge: Kelly Andrews.

Kelly Andrews war die Schwester von Robert Andrews. Und Robert Andrews war sein bester Freund. Vor vielen Jahren hatte er ihn aus den Augen verloren. Konnte es sich um dieselbe Frau handeln? Damals war sie ein süßes, schüchternes Mädchen gewesen. Und jetzt? Wie alt mochte sie inzwischen wohl sein? Siebenundzwanzig, schätzte er.

Michael hatte seit Jahren keinen Kontakt mehr zu Robert. Vielleicht sollte ich ihn ausfindig machen, um ihn zu fragen, ob seine Schwester Krankengymnastin geworden ist, überlegte er. Aus reiner Neugier selbstverständlich. Natürlich hatte er nicht die Absicht, die kostbare Zeit eines Therapeuten zu verschwenden. Jeder Arzt hatte ihm versichert, dass er nie wieder ganz gesund werden würde.

Er sollte sich also gar nicht erst unnötige Hoffnungen machen.

Noch nie war Kelly Andrews so nervös gewesen, wenn sie zu einem Patienten gefahren war. Sie stand vor dem Haus mit den Ein-Zimmer-Apartments und nahm all ihren Mut zusammen. Ganz gleich, wie oft sie sich schon einzureden versucht hatte, dass Michael Devaney nicht mehr als ein potenzieller Patient war, es half nichts gegen die Flut von Gefühlen, die ihr Inneres überschwemmte.

Als Teenager war Michael ihr großer Schwarm gewesen. Er war drei Jahre älter als sie, und er und ihr Bruder waren auf der Highschool enge Freunde gewesen. Michael hatte ihr nie besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Für ihn war sie immer nur Roberts kleine Schwester gewesen. Das hatte sie aber nicht daran gehindert, all ihre Fantasien auf den stillen, dunkelhaarigen Jungen mit dem durchdringenden Blick zu projizieren, dessen Körper selbst mit siebzehn Jahren schon bemerkenswert muskulös gewesen war.

Es war Robert gewesen, der ihr berichtet hatte, dass Michael bei einem Einsatz angeschossen worden war. Die Ärzte waren der Auffassung, hatte er hinzugefügt, dass Michael nie wieder richtig würde gehen können. An eine Arbeit als Schwimmer bei der Navy war überhaupt nicht mehr zu denken. Nach dem Besuch bei Michael hatte Robert befürchtet, dass sein alter Freund den Lebensmut verlieren könnte. So jedenfalls hatte Kelly ihren Bruder verstanden.

„Seine Brüder sind nach San Diego gefahren und haben ihn überredet, sich hier weiter behandeln zu lassen“, hatte er seiner Schwester Kelly zwei Abende zuvor erläutert. „Ich habe mit Ryan gesprochen, nachdem ich bei Michael gewesen bin. Er meint, dass sein Bruder dringend krankengymnastische Behandlung braucht. Aber bis jetzt weigert er sich standhaft, jemanden zu engagieren. Nur nach dir hat er sich erkundigt.“

Kellys Herz hatte vor Freude einen Satz gemacht. „Wirklich?“

„Dein Name hat auf der Liste der Therapeuten gestanden, die Ryans Frau in Erwägung gezogen hatte.“ Robert hatte ihr einen wissenden Blick zugeworfen. „Hast du Interesse? Ich weiß genau, dass du keiner Herausforderung aus dem Weg gehst. Und dass du Michael in dein Herz geschlossen hast.“

„Falsch“, hatte sie widersprochen, aber die Röte auf ihren Wangen hatte ihre Lüge verraten.

Sie hatte gezögert, obwohl sie sich verzweifelt danach sehnte, Michael genau jetzt helfen zu können. „Deinen Worten nach zu urteilen wird es eine lange, komplizierte Behandlung werden. Er wird einen Freund brauchen. Jemanden, dem er absolut vertrauen kann. Glaubst du, dass er auf mich hören wird? In seinen Augen bin ich bestimmt immer noch die kleine Schwester seines besten Freundes.“

Robert hatte sie angegrinst. „Du vergisst, dass ich dich in der Klinik bei der Arbeit beobachtet habe, als ich dich neulich abholen wollte. Er wird einfach auf dich hören müssen. Soll ich seinem Bruder also jetzt sagen, dass du den Job annimmst? Seine Depression darf dich allerdings nicht beeindrucken. Außerdem wird er sich nicht sonderlich kooperativ verhalten.“

„Hab ich dich richtig verstanden? Du hast gerade wieder von seinen Brüdern gesprochen. Ich dachte, es gab nur Mädchen in der Familie.“

„Ja, die Havilceks hatten nur Töchter. Aber Michael war ihr Pflegesohn“, hatte er erklärt.

„Ach ja, stimmt.“ Kelly hatte sich wieder erinnert. „Er hatte einen anderen Familiennamen. Wahrscheinlich ist es mir nie aufgefallen, weil es für Michael keinen Unterschied zu machen schien. Diese Brüder sind also seine leiblichen Brüder?“

Robert hatte genickt. „Er hat sie seit Jahren nicht gesehen. Bis sie plötzlich in San Diego aufgetaucht sind.“

„Das muss ein echter Schock gewesen sein.“

„Stimmt. Sie sind auseinandergerissen worden, als seine Eltern einfach abgehauen sind. Michael war damals gerade fünf Jahre alt.“

Voller Überraschung hatte sie ihren Bruder angestarrt. „Hast du das jetzt erst herausgefunden, oder wusstest du es schon, als wir noch Kinder waren?“

Er hatte den Kopf geschüttelt. „Ich wusste zwar, dass er bei einer Pflegefamilie lebte. Aber Michael hat niemals über sein Leben bei den Havilceks gesprochen. Wenn ich ihn nach seiner richtigen Familie gefragt habe, hat er behauptet, dass die Havilceks seine richtige Familie seien. Die einzige Familie, die für ihn zählte.“

Die Geschichte hatte eine ganze Menge erklärt. In Kellys Augen schillerte das Bild von Michael Devaney noch bunter. Aber sie musste ihre Faszination vergessen, wenn sie professionell arbeiten wollte.

„Morgen muss ich zu meinen Patienten in die Reha-Klinik, aber du kannst Ryan sagen, dass ich mir Michael übermorgen ansehen werde“, hatte sie ihrem Bruder versprochen. „Und Michael wird selbst entscheiden, ob ich für den Job geeignet bin oder nicht. Wenn er ablehnt, kann ich ihn nicht zwingen.“

Nach dem Gespräch mit ihrem Bruder hatte sie mehr als vierundzwanzig Stunden lang Zeit gehabt, sich auf das Treffen vorzubereiten. Sie war jedoch so nervös wie bei ihrem ersten Patienten. Heute wollte sie sich nur seinen Zustand ansehen, einen Therapieplan ausarbeiten und sich versichern, dass es Michael auch wirklich nichts ausmachte, sie, Roberts kleine Schwester, als Krankengymnastin zu engagieren. Mehr als eine halbe Stunde hatte sie für ihren ersten Besuch nicht eingeplant.

Sie hatte jedoch nicht damit gerechnet, dass irgendein schwerer Gegenstand gegen die Tür krachen würde, wenn sie klingelte. Oder damit, dass das flaue Gefühl in der Magengegend ihr riet, schleunigst wieder zu gehen.

Langsam beruhigten ihre Nerven sich wieder, und ihre alte Entschlusskraft kehrte zurück. Sie hatte einen Wohnungsschlüssel in der Tasche, den Robert ihr gegeben hatte. Als sie ihn ins Schloss steckte, stellte sie fest, dass die Tür gar nicht abgeschlossen war. Michael brannte vielleicht vor Hass auf die ganze Welt, vielleicht wollte er es auch auf einen Machtkampf ankommen lassen, aber er sperrte sie jedenfalls nicht aus. Sonst wäre die Tür verriegelt und die Sicherheitskette vorgelegt gewesen.

Sie zwang sich zu einem Lächeln, straffte die Schultern und grüßte ihn fröhlich, als sie eintrat. Michael saß im Rollstuhl und starrte sie unverwandt an. Mit der rechten Hand hielt er eine Vase umklammert, die er offensichtlich gerade in ihre Richtung hatte schleudern wollen. Jetzt ließ er den Arm sinken.

„Hattest du einen schlechten Vormittag?“, fragte sie freundlich, obwohl das Wiedersehen sie zutiefst betroffen machte. Ob er behindert war oder nicht, in ihren Augen war er immer noch der attraktivste und wundervollste Mann, dem sie jemals begegnet war.

„Nein, ein schlechtes Leben“, schnauzte er sie an. „Am besten verschwindest du auf der Stelle wieder.“

Sie grinste, aber das schien ihn nur noch wütender zu machen.

„Verflucht noch mal, es ist mir ernst.“