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Dr. Leif Jorgensen möchte nach dem tragischen Tod seiner geliebten Frau nur noch für seine Tochter Amelie da sein. Dafür verkauft er seine angesehene Privatklinik für Ästhetisch-Plastische Chirurgie. Als seine Tochter von einem Schüler auf dem Zebrastreifen mit einem gestohlenen Auto totgefahren wird, fällt der Arzt in ein tiefes Loch. Der Todesfahrer, ein angehender Abiturient, wird auf Bewährung freigesprochen. Von da an beginnt die Mordserie des Arztes. Bei jedem ihm ungerecht erscheinenden Gerichtsurteil im Zusammenhang mit Kindern greift er ein und repariert das Urteil durch Mord.
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Seitenzahl: 126
Veröffentlichungsjahr: 2014
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Andrea Lieder-Hein
Mitten in OstHolstein
Morden für Gerechtigkeit
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel
PROLOG
001 Sechs Jahre später
002 Versetzt in Klasse ZWEI
003 Sealife und Neustadt
004 Tragischer Unfall
005 Beerdigung
006 Gerichtsverhandlung
007 Beobachtunsphase Tyler Schuett
008 Gerda Moll
009 Lars Goebel
010 Abitur
011 Pelzerhaken im Mai
012 Pelzerhaken Ende Juni
013 Recherche
014 Freispruch
015 Dr. David Brown
EPILOG
Impressum neobooks
Dr. Leif Jorgensen schaute liebevoll auf seine Frau und streichelte zärtlich ihre linke Hand. Freya schlief, und so konnte er ein paar Augenblickte verweilen, um ihr schönes Gesicht zu betrachten.
Freya war vor fünf Jahren in sein Leben getreten. Damals, in Travemünde, als er in Eile einen Cappuccino trinken wollte. Er hastete in eine der Bäckereien an der Vorderreihe und hielt wenige Minuten später sein Getränk in Händen. Aber alle Sitzplätze waren belegt.
Da fiel sein Blick auf eine junge Frau, die alleine an einem Tisch saß und in den „Lübecker Nachrichten“ blätterte. Ihr Gesicht war halb verdeckt von den braunen Locken. Leif betrachtete die anmutige Frau mit seinem medizinischen Blick. Das konnte er nicht lassen. Das war immer so. Als plastischer Chirurg an einer Schönheitsklinik schaute er zuerst auf den Gesamteindruck. Bei dieser fremden Frau stimmte alles. Ihr schlanker Körper war bekleidet mit einer Jeans, einer bunten Bluse und sportlichen Schuhen. Dezent elegant und doch jugendlich flott.
Noch während er verträumt mit seinem Cappuccino mitten in der Bäckerei verharrte, hob sie ihren Kopf, lächelte ihn mit einem auffordernden Blick an und sagte: „Bei mir ist alles frei.“
Fast erschrocken tauchte er aus seinen Betrachtungen auf und setzte sich zu ihr. Zehn Minuten später waren sie ein Paar. Er dachte an diesem Tag nur noch an sie, und sie an ihn, wie sie ihm später gestand.
Sie war gerade erst 21 Jahre alt geworden, damals im Juni. Sie studierte seit zwei Jahren Medizin in Kiel und hieß Freya Petersen. Zwei Jahre später heirateten beide in Lübeck. Es war ein Traum. Als Freya schwanger wurde, legte sie eine Baby-Pause während ihres Studiums ein. Und vor drei Monaten war Amelie auf die Welt gekommen, ihre Tochter.
Langsam senkte sich sein Blick auf Freya, wie sie ruhig atmend im Bett lag. Dann schaute er auf seine Tochter, die sich in Bauchlage an ihre Mutter schmiegte. Er liebte sie so, sie beide, so sehr, dass er fast weinen musste.
Kurz nach der Entbindung, als das Glück perfekt schien, erfuhr Freya von ihrem Darmkrebs. Mit 26 Jahren. So weit fortgeschritten, dass nichts mehr zu retten war. Sie lag hier, um friedlich zu sterben.
Hallo, mein Schatz. Du hast geschlafen.
Ja, ich bin so müde.
Hast du Schmerzen?
Nein, keine Schmerzen. Und Amelie ist bei mir. Und du. Ich bin nicht alleine.
Soll ich sie dir abnehmen? Drückt sie dich?
Nein, gar nicht. Es ist schön so.
Möchtest du etwas trinken?
Leif, ich liebe euch. Es war der schönste Moment in meinem Leben, als ich dich traf.
Das stimmt. Freya. Das war auch mein schönster Moment.
Plötzlich wurde Freya unruhig. Ihre Augen fingen an zu flattern und sie hob zitternd ihren Kopf. Zeitgleich fing Amelie fürchterlich an zu schreien. Leif hob seine Tochter in seine Arme und beugte sich erschrocken zu Freya hinunter, als diese ein letztes Mal nach Luft rang, um danach erschöpft in sich zusammen zu sacken. Leif bediente den Notruf und fühlte Freyas Puls, aber da war nichts mehr. Freya hatte seine Welt verlassen und Leif Jorgensen bleib zurück. Voll Trauer, aber getröstet durch seine Tochter Amelie.
Von nun an würde es nur noch eine Aufgabe für ihn geben, nämlich für Amelie da zu sein, sie zu beschützen, ihr die Mutter zu ersetzen und ihr über den tragischen Tod hinweg zu helfen. Noch ahnte Amelie nichts von ihrem Schicksal, aber es würde nicht mehr lange dauern, bis sie nach Mama fragen würde, genauso wie ihre Freunde oder späteren Schulkameraden.
***
Wie in Trance ging Leif Jorgensen hinter dem Sarg seiner geliebten Frau her, Amelie in einem Tragegurt am Körper und das Gesicht von Tränen gezeichnet. In der Hand hielt er einen bunten Blumenstrauß, gedacht als letzten irdischen Gruß.
„Wenn ich mal sterbe, wirf mir bitte keine weißen Blumen hinterher, die sind so traurig“ hatte Freya mal gesagt, als sie von ihrem Krebs wusste. „Bunt sollen sie sein, bunt und fröhlich wie das Leben“ fügte sie hinzu. Er wollte ihr diesen letzten Wunsch erfüllen.
***
Drei Monate war die Beerdigung nun her und er hatte in dieser Zeit viel erledigt und viel hinzu gelernt.
Er konnte perfekt Windeln wechseln, Babynahrung richtig temperiert füttern, kochen, putzen, Amelie die Welt erklären. Diese Beschäftigungen dämpften seinen Schmerz, lenkten ihn ab.
Gleich nach der Beerdigung hatte er angefangen, seine beruflichen Dinge zu ordnen. Er wollte nichts anderes mehr als für Amelie da sein, ihr die Mutter halbwegs ersetzen und ihr die Welt zeigen.
Es ist noch zu früh, Amelie. Die Einschulung beginnt erst um 10 Uhr.
Ja, aber ich möchte noch zu Mami ans Grab. Die Schultüte zeigen.
OK, dann aber los. Hast du alles?
Ja, Papa.
Hand in Hand gingen Amelie und ihr Vater auf den Dorndorfer Friedhof. Das taten sie mindestens einmal die Woche, aber inzwischen nicht mehr traurig, sondern freudig und lachend, um Freya die neuesten Dinge zu berichten. Amelie nahm auch immer ihre Stoffpuppe Mukkel mit, das war Pflicht, denn die hatte ihr Mama zur Geburt geschenkt.
Es war ein warmer August-Samstag und Amelie trug schwer an der prall gefüllten Schultüte und Mukkel.
Der Friedhof befand sich etwas außerhalb von Dorndorf. Die Gräber lagen geschützt vor zu viel Sonne, Regen oder Schnee zwischen Fichten und Birken. Amelie liebte diesen stillen Ort, an dem ihre Mama lag. Ihre Mutter, die sie nie kennen lernen durfte.
Kurz vor zehn fuhren die beiden zur Christophorus-Kirche. Dort begann die Einschulung jedes Jahr mit einem Gottesdienst. Die kleine Kirche war immer voll, obwohl der Gottesdienst nicht verpflichtend war. Alle Eltern und Verwandten freuten sich mit den Erstklässlern auf diese gemeinsame Stunde in der Kirche. Das Besondere war nämlich, dass die Jahrgänge 2-4 die gesamte Stunde selbst gestalteten. Immer. Die Kleinen sangen oder spielten kleine Szenen. Die Großen lasen kleine Texte oder spielten auf ihren Instrumenten. Sogar die kurze Predigt wurde von den Kindern mit kleinen Text-Einschüben begleitet.
Auch dieses Mal war es wieder ein ganz wunderbares Erlebnis für alle in der kleinen, alten Backsteinkirche mit den bunten Glasfenstern.
Nach dem gemeinsamen Gottesdienst ging es endlich in die Klassen. Die kleine Grundschule lief zwei- bis dreizügig. Dieses Jahr wurden in zwei Klassen je 21 Kinder eingeschult.
Papa, Papa, hier, mein Zeugnis.
He, Amelie, Ferien!!!
Ja, aber schau mal, mein Zeugnis... hier
Oh, Sozialverhalten prima, selbstständig arbeiten,
Zahlenrechnen auch, sicher und gewandt bei Addition und Subtraktion, ... Amelie, du bist großartig. Was machen wir heute? Als Belohnung?
Zoo gehen... Zoo gehen... Erlebnis-Zoo Grömitz.
OK, dann zieh dich locker an, es ist ziemlich warm. Willst du noch was essen?
Nein, machen wir da.
Gut, bis gleich. Ich zieh mich auch eben um.
Der Grömitzer Zoo war ein Erlebnis-Zoo auf einem riesigen Gelände von über 10ha. Da Leif und Amelie sportlich waren und den ganzen Tag über Zeit hatten, konnten sie alles begutachten, was Amelie so liebte. Und dann waren sie endlich da!
Der weiße Multi-Van schwenkte von der B501 ein zu den kostenlosen Parkplätzen am Zoo. Amelie zeigte Mukkel, ihrer kleinen blauen Stoffpuppe, den Eingang und sagte: „Mukkel, immer schön bei mir bleiben, der Zoo ist riesig und ich will dich nicht verlieren.“
Was wollen wir machen, Amelie? Schon einen Plan?
Hmmm, erst essen, dann Seehunde und Stachelschweine gucken.
Gut. Warte, Fütterung der Seehunde 16:00 Uhr und Stachelschweine ...ahh, 15:30. Das passt. Also auf zum Essen.
Ich LIEBE die Arche Noah, Papa, hier ist es soooo super schöööön.
Gut, wo willst du sitzen? Im Schatten unter dem roten Schirm?
Au jaaaaa...
Such dir was zum Essen aus. Ich schau auch mal.
Ich möchte Fischstäbchen mit Pommes oder Kartoffelpuffer mit Apfelmus. ODER Kinderschnitzel mit Pommes und Gemüse. Oder ....
Amelie, du suchst dir jetzt eine der drei Speisen aus, die du wirklich möchtest und ich such noch etwas für mich.
OK, ich ess’ Milchreis mit Kirschen.
Das ist vernünftig bei der Hitze. Aber du bist ganz sicher? Milchreis?
Ja, Papa. Und eine Cola. Und du?
Hmmm, ich esse die Kartoffelpuffer mit Apfelmus. Currywurst ist auch lecker, aber nicht bei der Hitze.
***
Gegen 15:00 Uhr machten sich Vater und Tochter auf zu den Stachelschweinen. Viele Besucher standen schon dicht gedrängt bei den Tieren, und die beiden hatten alle Mühe, dichter ran zu kommen. Viele Kinder lachten und juchzten und feierten ihren ersten Ferientag in den Sommerferien.
Als Vater und Tochter einen halbwegs guten Platz gefunden hatten, griff Leif in seine Tasche und holte eine kleine pinke Lumix heraus. Er strahlte seine Tochter an und reichte ihr die Kamera. „Hier, mein Schatz, da kannst du alles festhalten, was dir heute gut gefällt. Mach ganz viele Fotos und Videos, die schauen wir uns dann zu Hause an.“
Amelie fiel ihrem Vater trotz Platzmangel um den Hals und rief „DANKE, Papa, Danke“, und plötzlich fingen einige Leute an zu klatschen, lachten, zeigten auf Vater und Tochter, bis die ganze Zuschauer-Schar klatschte und sich mit Amelie freute.
Gegen 18:00 ging es dann heim, kurz bevor die Arche Noah schloss. Beide waren super glücklich und wohlig erschöpft, als sie in den Van stiegen.
Zu Hause angekommen packte Amelie ihre Kamera aus, entnahm ihr die 16MB Speicherkarte und steckte sie in den Schlitz am Laptop ihres Vaters. Wenig später waren alle 272 Fotos und 7 Filmchen geladen. Bei einem Eistee und Schokoladenkuchen setzten sie sich feierlich ins Wohnzimmer und betrachteten Fotos und Videos.
Morgen zeigen wir die Mami. Oder ist auf dem Friedhof kein Netz?
Wenn wir die Fotos über den Fotostream auf das Tablet ziehen, dann können wir das machen. Aber die Videos, die können wir nur per Whatsapp oder Mail versenden und dann Mami zeigen. Wir kriegen das hin.
***
Pia Stein öffnete die Augen und schaute nach draußen. Eigentlich gab es nix zu meckern, aber Pia war schlecht drauf. Seit mehr als drei Wochen versuchte sie, aus ihrer jetzigen Stelle wegzukommen. Pia arbeitete als Journalistin beim Bremer Kurier (BK). Aber seit sie dort auch durch intensivste Bemühungen nicht weiter Karriere machen konnte, hatte sie sich wegbeworben. Sie hatte sogar bei ihrem Chef Niklas Wendt mal seine Hand an ihrem Knie ruhen lassen, aber auch das war nicht von Erfolg gekrönt. Die Hand lag da wohl nur zufällig oder möglicherweise sogar nur aus Versehen. „Scheiße“, rief sie quer durchs Schlafzimmer und schwang ihre hübschen Beine aus dem Bett.
Gegen zehn hörte sie das Klappern des Briefkastens. Sie schaute nach, und JUHU, Antwort auf eine Bewerbung. Von den „Dorndorfer Nachrichten“ (DN).
Gut, das war kein Karrieresprung, aber in Schleswig-Holstein gab es auch vieles, was Bremen nicht zu bieten hatte: Ostseenähe, Touristen, reiche Bootsbesitzer ... Quellen zum Anzapfen für Karriere und Geld.
Sehr geehrte Frau Stein,
in einem Gespräch würden wir Ihnen gerne Ihr mögliches zukünftiges Betätigungsfeld vorstellen. Als Redakteurin wären Sie zuständig für Print- und Online-Ausgaben unserer ZeitungsGruppe OstHolstein (ZGOH). Dazu gehören die Dorndorfer Nachrichten (DN), der Neustädter Kurier (NK), das Grömitzer Tageblatt (GT), das Eutiner Morgenblatt (EM) und das Plöner Morgenblatt (PM). Bei Themen von überregionalem Interesse läge es auch in Ihrem Aufgabenbereich, die Lübecker Nachrichten (LN) zu informieren.
Wir freuen uns am Donnerstag, 18. Juli, 15:00 Uhr auf Sie in der Redaktion der DN in der Gerda-Paulsen-Straße 15-19 in Dorndorf.
Mit freundlichen Grüßen
Merle Nissen
Geschäftsführerin
Pia lachte in sich hinein. DN war ja nicht DER Karrieresprung, aber eine Sprungchance. Die wollte sie nutzen.
Was möchtest du zu Mittag?
Ich hab noch keinen Hunger.
Es ist auch erst 10. Aber ich wollte mit dir gerne gegen 12:00 Uhr essen und dann nach Timmendorf fahren.
SEA LIFE? Juhuuuu, Papa.
Was soll ich kochen?
Können wir nicht im SEA LIFE essen?
Nein, lieber vorher essen. Dann haben wir mehr Zeit für die Tiere. Um die Mittagszeit ist es immer sehr voll. Touristen und Ferien, Amelie. Die Besucher haben mittags alle Hunger und wollen alle gleichzeitig essen. Da nutzen wir die Zeit besser bei den Tieren.
OK, Papa, ich möchte zerrissene Pfannkuchen.
WAS möchtest du?
Zerrissene Pfannkuchen, wie es die Österreicher essen.
AHHH, du meinst Kaiserschmarren.
Ja, genau. Mit Apfelmus.
Das können wir gerne abends essen. Mittags esse ich gerne was mit Gemüse. Und verschieden kochen hab ich heute keine Lust.
OK, Papa. Dann saisonal.
Was meinst du denn nun schon wieder? Woher kennst du das Wort?
Von Mettes Eltern, die kochen immer, was gerade wächst. Dann ist das frisch undbekömmlich.
Aha. Und was ist gerade frisch?
Letzte Woche haben wir bei Mette panierten Kohlrabi gegessen. Mit Stampfkartoffeln, Apfel-Zwiebel-Gemüse und über die Stampfkartoffeln Hackbrösel.
Hmmm, das hört sich gut an. Soll ich das mal probieren?
Au ja, Papa. Ich helfe dir.
***
Nachdem sie gegen 14:00 Uhr den Van geparkt hatten, stellten sie sich an die lange Menschenschlange vor der Kasse an. Mehrere Lehrer mit geschätzten 90 Schülern aus NRW freuten sich genauso auf den Besuch des Aquariums wie Amelie. Aber dann ging doch alles schneller als gedacht.
Zuerst wollte Amelie zu der Sonderausstellung „Quallenzauber“, denn Mette und ihr Bruder Lasse hatten am letzten Schultag davon berichtet. Sie fanden es geil.
Boah, Papa, sind die schön.
Ja, und so viele verschiedene Quallen. Guck mal, Amelie. Diese Farben.
Und wie sie sich bewegen. So elegant. Wie Feen, die durch den Himmel schweben. Zu Mama.
Mama fände das auch toll hier, Amelie. Mach doch ein paar Fotos für sie. Die zeigen wirihr dann.
AU JA, Papa.
Guck mal, was da steht. Quallen haben gar kein Gehirn. Auch keine Nerven und kein Blut.
Kein Gehirn? Wie können sie dann leben?