Notärztin Andrea Bergen 1309 - Marina Anders - E-Book

Notärztin Andrea Bergen 1309 E-Book

Marina Anders

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Beschreibung

Ungeheuerliche Gerüchte um Dr. Helmut Anger machen im Elisabeth-Krankenhaus die Runde! Er soll in internationalen Organhandel verwickelt sein und bereits mehreren Patienten geschadet haben! Obwohl keiner seiner Kollegen Anger sonderlich mag, fällt es ihnen schwer, diese Anschuldigungen zu glauben. Denn niemand anders als Dr. Randolf Thieme, Angers schärfster Konkurrent, soll sie anonym erhoben haben!

Randolf Thiemes Ansehen, das er sich in kurzer Zeit erworben hat, schwindet dahin, und alle Kollegen gehen auf Distanz zu ihm. Bald ist Randolf wieder der einsame, verschlossene Mann, der er bei seinem Dienstantritt gewesen ist, und die alte Traurigkeit ist wie zuvor sein ständiger Begleiter. Da beschließt Dr. Andrea Bergen, sich öffentlich hinter den jungen Chirurgen zu stellen und der Wahrheit auf den Grund zu gehen. Und was sie zutage bringt, ist ein Geheimnis, das alle erschüttert und viele Herzen berührt ...

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Seitenzahl: 128

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Inhalt

Cover

Impressum

Konkurrenz für Dr. Anger

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: Anne von Sarosdy / Bastei Verlag

Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-3682-5

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Helmut Anger ist in internationalen Organhandel verwickelt! Erst kürzlich hat er im Elisabeth-Krankenhauses einer Patientin eine gesunde Niere entfernt! Überprüfen Sie alle Protokolle seiner letzten Operationen! Anger ist ein Verbrecher, dem schleunigst das Handwerk gelegt werden muss!

Dieser anonyme Brief wurde im Büro des Klinikchefs vorgefunden, und Dr. Anger ist verständlicherweise außer sich! Nun hat er seinerseits schwere Vorwürfe gegen seinen Kollegen Dr. Randolf Thieme erhoben: Von ihm sollen die anonymen Beschuldigungen stammen, sagt Anger, denn Thieme wolle ihm den Oberarztposten streitig machen!

Auch wenn keiner von uns den arroganten Dr. Anger mag, glaubt niemand, dass der Oberarzt Organhandel betreibt, und die meisten von uns sehen nun – genau wie Anger – in Randolf Thieme einen Verleumder und skrupellosen Karrieristen.

Ich jedoch hatte in den letzten Wochen ein ganz anderes Bild von dem stillen, immer etwas traurig wirkenden Dr. Thieme gewonnen und mag nicht recht glauben, dass er lügt. Ich will versuchen, mehr über diesen mysteriösen Brief herauszufinden – wer ihn schrieb und welchen Zweck der Unbekannte damit verfolgt …

Henriette Fink stieß einen frustrierten Seufzer aus. Wie, zum Kuckuck, stellte man es an, Fotos an eine E-Mail anzuhängen? Sie hatte den Laptop auch gar nicht haben wollen, doch ihre Tochter hatte ihn ihr aufgedrängt, als sie aus Kanada zu Besuch gewesen war.

»Dann können wir uns gegenseitig E-Mails und Fotos schicken«, hatte Bärbel gemeint.

Als ob das so einfach wäre!

Computer – nein, das war nicht ihre Welt. Henriette war eine einfache ältere Frau, die sich ihren Lebensunterhalt damit verdiente, den Haushalt anderer Leute in Ordnung zu halten. Wie den von Professor Gärtner zum Beispiel, wo sie heute wieder putzen ging.

Und morgen war Bergen-Tag. Das hieß, dass sie morgen die Räume in der Villa der Arztfamilie Bergen saubermachen würde. Die junge Frau Bergen war Notärztin am Elisabeth-Krankenhaus, ihr Mann führte im Anbau der Villa eine gutgehende Kinderarztpraxis.

Dann gab es noch Hilde Bergen, die Mutter des Kinderarztes. Mit ihr verstand Henriette sich besonders gut. In all den Jahren, die sie schon bei den Bergens beschäftigt war, waren Hilde und sie schon fast Freundinnen geworden. Die gemeinsamen Kaffeestündchen genoss Henriette immer sehr.

Sie ging hinüber in die Küche, um sich ein Frühstück zu machen, bevor sie zu den Gärtners fuhr. Morgen dagegen würde sie auf das Frühstück zu Hause verzichten, denn bei den Bergens wurde sie meistens dazu eingeladen. Das Ehepaar Gärtner dagegen hatte sie noch nie zum Frühstück hinzugebeten. Mittags durfte sie zwar zum Essen bleiben – schließlich kochte sie es auch –, doch sie musste in der Küche essen, statt mit den Herrschaften im Esszimmer am Tisch zu sitzen.

Henriette war das im Grunde ganz recht. Bei Frau Gärtner machte sich eine zunehmende Demenz bemerkbar, und ihr Mann, der Geschichtsprofessor, redete mit Vorliebe über die Kriege, die es auf dieser Welt schon gegeben hatte. Henriette fand ihn oft richtig anstrengend.

Nach dem Frühstück musste sie sich sputen, um den Bus nicht zu verpassen. Sie erwischte ihn dann auch gerade noch in letzter Sekunde.

Eine Viertelstunde später stieg sie wieder aus und ging den restlichen Weg zu Fuß. Als sie die Morgenzeitung auf der Haustreppe der Gärtners liegen sah, wunderte sie sich ein wenig, denn normalerweise war es das Erste, was Professor Gärtner am Morgen tat: die Zeitung holen, damit er sie beim Frühstück lesen konnte.

Merkwürdig, dachte Henriette und drückte auf den Klingelknopf.

Noch merkwürdiger fand sie, dass niemand auf ihr Klingeln öffnete. Sie klingelte ein zweites Mal, doch nichts rührte sich.

Beunruhigt lauschte Henriette auf Geräusche im Haus. Klang das nicht wie ein Schluchzen? Unwillkürlich hielt sie den Atem an.

Ja, jetzt hörte sie es ganz deutlich. Es war Professor Gärtner, der oben im Schlafzimmer heftig schluchzte!

Mein Gott, es schien etwas passiert zu sein!

Henriette klingelte abermals, doch ohne Erfolg. Auch als sie mit aller Kraft gegen die schwere Eichentür pochte und dabei nach dem Professor rief, kam er nicht zur Haustür.

Henriette wusste, dass die Nachbarn einen Schlüssel zum Haus der Gärtners besaßen. Entschlossen ging sie hinüber und klingelte.

»Sie, Frau Fink?«, empfing der Nachbar sie verwundert.

»Bei den Gärtners öffnet niemand«, erklärte Henriette aufgeregt. »Ich höre aber den Herrn Professor oben schluchzen. Da ist etwas passiert!«

Jetzt erschien auch die Nachbarin an der Haustür und wollte wissen, was los war. Henriette wiederholte ihre Worte.

»Ich hole den Schlüssel«, sagte die Nachbarin und war einen Augenblick später damit zurück.

Gemeinsam gingen sie hinüber zum Haus der Gärtners. Der Nachbar schloss die Haustür auf.

»Das klingt nicht gut«, meinte seine Frau, als das verzweifelte Schluchzen des Hausherrn jetzt deutlich zu hören war.

Eilig gingen sie die Treppe hinauf. Die Schlafzimmertür stand offen. Obwohl Henriette schon auf das Schlimmste gefasst gewesen war, erschrak sie, als sie Frau Gärtner auf dem Boden liegen und ihren Mann daneben knien sah.

»Sie ist tot!«, schluchzte er und sah die drei Menschen, die mit erschrockenen Gesichtern in der Tür standen, schmerzerfüllt an.

»O nein!« Henriette konnte zwar nicht behaupten, dass die Gärtners ihr besonders ans Herz gewachsen waren, doch der plötzliche Tod der alten Dame tat ihr trotzdem leid.

»Lassen Sie mich mal sehen!« Der Nachbar, ein pensionierter Sanitäter, beugte sich zu der Frau, suchte nach einem Puls und tastete nach der Halsschlagader.

»Sie lebt«, stellte er dann fest. »Wir brauchen sofort einen Rettungswagen!«

Henriette Fink atmete auf. Sie lebte – Gott sei Dank!

So schnell sie konnte, eilte sie die Treppe hinunter zum Telefon, das in der Diele stand.

***

Andrea Bergen stellte ihr Auto auf dem Personalparkplatz des Elisabeth-Krankenhauses ab und stieg aus.

»Guten Morgen, Frau Dr. Bergen!«, riefen ihr zwei fröhliche Stimmen zu. Sie gehörten Schwesternschülerin Gaby und Schwester Anneke, die beide auf der Chirurgie beschäftigt waren. Die Notärztin erwiderte den Gruß und winkte den beiden lächelnd zu.

Hinter sich hörte sie eine Autotür klappen. Gleichzeitig kam ein anderer Wagen auf den Personalparkplatz gefahren. Andrea vernahm ein platschendes Geräusch, dann war ein saftiger Fluch zu hören.

Das war für Andrea Anlass, sich umzudrehen, vor allem, als die beiden Pflegerinnen in schadenfrohes Gelächter ausbrachen.

Sie erblickte Dr. Anger, den Oberarzt von der Chirurgie, der nirgendwo beliebt war. Sein heller Trenchcoat triefte von Schmutzspritzern.

»Haben Sie das mit Absicht getan?«, fuhr er Dr. Thieme an, den neuen Kollegen auf der Chirurgie.

»Selbstverständlich nicht, Herr Anger«, verwahrte Randolf Thieme sich. »Es tut mir schrecklich leid, aber ich habe die Pfütze zu spät gesehen.«

»Sie scheinen tatsächlich keine Augen im Kopf zu haben, wie mir im OP schon ein paar Mal aufgefallen ist«, knurrte Helmut Anger, während er den beiden Pflegerinnen, die sich kichernd entfernten, einen bitterbösen Blick nachwarf.

»Ich denke nicht, dass dieser Vorwurf gerechtfertigt ist«, gab Dr. Thieme reserviert zurück. »Gut, es war meine Schuld, weil ich etwas zu schnell auf den Parkplatz gefahren bin. Ich entschuldige mich auch in aller Form dafür, dass ich Sie vollgespritzt habe. Selbstverständlich werde ich Ihnen die Reinigungskosten ersetzen.«

»Besten Dank, die kann ich gerade noch selbst bezahlen«, gab der Oberarzt wütend zurück. Dann fiel sein Blick auf die Notärztin, und er wurde noch wütender. »Lassen Sie Ihre Kollegen immer unnötig lange auf Ihre Ablösung warten?«, giftete er seine Erzfeindin an. »An Ihrer Stelle würde ich mich ein bisschen beeilen. Hier gibt es auch gar nichts Interessantes zu sehen.«

»Ich wollte den Herren Kollegen nur einen wunderschönen guten Morgen wünschen«, erwiderte Andrea Bergen mit dem liebenswürdigsten Lächeln, das sie zustande brachte. Dann ging sie hinter Anneke und Gaby zum Personaleingang.

Sie wusste nicht recht, was sie von diesem Vorfall halten sollte. Konnte es sein, dass Dr. Thieme den Oberarzt tatsächlich mit Absicht vollgespritzt hatte? Nein, das konnte sie sich nicht vorstellen, auch wenn man im ganzen Krankenhaus über den Konkurrenzkampf redete, der sich zwischen Dr. Anger und dem neuen Kollegen entsponnen hatte. Aber sie kannte Randolf Thieme noch nicht gut genug und konnte sich durchaus täuschen.

Nachdem Andrea sich umgezogen hatte, ging sie in die Notaufnahme, um ihren Notarztkollegen Herbert Conrady vom Nachtdienst abzulösen.

Sie ließ sich von ihm einen kurzen Bericht über die Patienten der letzten Nacht geben, von denen noch einige in den Behandlungskabinen lagen, und nahm von ihm den Pager entgegen, über den die Notärzte zu ihren Einsätzen gerufen wurden. Dann verabschiedete sich Dr. Conrady.

Andrea Bergen betrat den Bereitschaftsraum. Wie schon erwartet waren Jupp Diederichs, der Rettungsassistent, und Ewald Miehlke, der Rettungssanitäter im Team, gerade damit beschäftigt, Kaffee zu machen.

»Er ist gleich fertig«, meinte Jupp, nachdem man sich begrüßt hatte.

»Schön. Dann hoffen wir, dass wir ihn bei unserer Besprechung gleich auch ungestört …« Andrea kam nicht mehr dazu, den Satz zu beenden, denn sie wurde vom Klingeln des Telefons unterbrochen.

Jupp nahm den Hörer auf. Seiner Miene nach zu schließen, handelte es sich um einen Einsatz.

»Herderstraße neunundsechzig? In Ordnung, wir kommen sofort.«

Er legte den Hörer zurück. »Einsatz bei Professor Gärtner in der Herderstraße«, informierte er seine Chefin und seinen Kollegen. »Eine zweiundachtzigjährige Frau ist bewusstlos zusammengebrochen. Es könnte sich um einen Schlaganfall handeln.«

»Dann sollten wir keine Zeit verlieren.« Andrea eilte aus der Tür, gefolgt von ihren beiden Sanitätern.

***

Professor Gärtner, überlegte Andrea. Sie kannte den Namen von irgendwoher, wusste jedoch im Moment nicht, womit sie ihn in Verbindung bringen sollte.

Acht Minuten später, als sie sich unversehens ihrer Zugehfrau gegenübersah, fiel es ihr wieder ein. Richtig, Henriettchen versorgte auch den Haushalt von Professor Gärtner.

»Gut, dass Sie da sind, Frau Dr. Bergen!« Henriette war noch ganz blass um die Nase. »Erst dachten wir, sie sei tot. Aber sie lebt noch.«

Ein älterer Mann, der sich als pensionierter Sanitäter vorstellte, glaubte, der Notärztin Anweisungen geben zu müssen.

»In solchen Fällen haben wir immer sofort mit einer Thrombolyse begonnen, um ein etwa vorhandenes Blutgerinnsel aufzulösen«, hob er hervor. »Diesen guten Rat kann ich Ihnen geben.«

»Ach ja?« In Andreas graugrünen Augen blitzte es einen Moment lang ärgerlich auf. »Wenn Sie schon vom Fach sind, warum haben Sie die Patientin dann nicht mit erhöhtem Oberkörper gelagert?«, fragte sie herausfordernd, während Jupp und Miehlke die Bewusstlose in genau diese Position brachten. »Das wäre doch das Nächstliegende gewesen. Im Übrigen möchte ich Sie alle bitten, das Zimmer zu verlassen, bis auf den Ehemann der Patientin.«

Mit beleidigter Miene trollte sich der pensionierte Sanitäter, der einige wichtige Dinge bei der Versorgung von Schlaganfallpatienten vergessen zu haben schien. Seine Frau und Henriette Fink folgten ihm.

Während die Notärztin bei der Patientin eine rasche Erstuntersuchung vornahm und Ewald Miehlke einen intravenösen Zugang legte, bemühte Jupp sich um den Professor, der am ganzen Leib zitterte. Er half ihm in einen Sessel und befragte ihn dann routinemäßig über den Zeitpunkt der ersten Anzeichen, die auf einen Schlaganfall hindeuteten. Doch der ältere Mann brachte kein Wort hervor.

Andrea Bergen injizierte der Patientin noch ein blutverdünnendes Mittel, dann bat sie ihre beiden Sanitäter, sie in den Rettungswagen zu bringen.

»Sie möchten sicher mitfahren, Herr Gärtner?«, wandte sie sich an den Ehemann, der selbst ärztliche Hilfe nötig zu haben schien. Deshalb wollte sie ihn auch nicht allein zurücklassen.

»Ja, mitfahren«, erwiderte er heiser. Die Stimme wollte ihm kaum gehorchen.

Als sie die Treppe hinuntergingen, musste Andrea den alten Herrn stützen. In der Diele halfen Henriette und sie ihm in die Schuhe und in die dunkelblaue Freizeitjacke, die an der Garderobe hing.

»Wir kommen nach, Herr Gärtner«, sagte sein Nachbar.

»Kennen Sie die Angehörigen?«, fragte Andrea Bergen ihn.

»Wir werden seine Tochter benachrichtigen«, sagte seine Frau.

Henriette Fink half der Notärztin, den Professor zum Rettungswagen zu bringen. »Wir sehen uns dann morgen früh, Frau Doktor«, sagte sie zum Abschied.

Mit Blaulicht und Martinshorn ging es zurück zum Elisabeth-Krankenhaus. In der Notaufnahme erwartete man den Neuzugang schon, denn Jupp hatte telefonisch Bescheid gegeben, dass sie eine Schlaganfallpatientin in kritischem Zustand brachten.

Nach einer weiteren kurzen Untersuchung wurde die Patientin auf die Neurologie gebracht. Dr. Lehmann nahm sich ihrer an. Zur gleichen Zeit kümmerte Andrea Bergen sich um den Ehemann. Da Professor Gärtner immer noch unter Schock stand, brachte sie ihn in eine der Behandlungskabinen und verabreichte ihm eine Beruhigungsspritze.

»Alma«, murmelte er mit bebenden Lippen. »Alma.«

Andrea empfand tiefes Mitleid mit ihm. »Es wird alles Erdenkliche für Ihre Frau getan, Herr Professor Gärtner«, redete sie beruhigend auf den alten Herrn ein. »Freuen Sie sich, dass Ihre Frau nicht tot ist, wie Sie zuerst angenommen haben. Es wird alles gut werden.«

Leider lag die Notärztin mit ihrer Prognose nicht richtig. Obwohl die Kollegen wirklich alles für die Patientin taten und sie noch in der Nacht operierten, konnten sie Alma Gärtners Leben nicht mehr retten. Sie verstarb in den frühen Morgenstunden an einer massiven Hirnblutung.

Professor Gärtner war völlig gebrochen, als Andrea Bergen ihm Stunden später die traurige Nachricht auf sanfte Weise beibrachte.

Inzwischen war auch seine Tochter eingetroffen. Andrea hatte sich kurz mit ihr unterhalten. Sie wollte ihren Vater zu sich nehmen und demnächst einen Makler mit dem Verkauf des Hauses beauftragen.

Andrea dachte an Henriette Fink, die nun eine gut bezahlte Stelle verlor. In ihrem Alter würde es nicht so einfach sein, eine neue zu finden. Dabei war Henriette auf das Geld angewiesen, denn sie musste immer noch einen Teil der Schulden abbezahlen, die ihr ewig trinkender Mann gemacht hatte. Zum Glück war sie längst von ihm geschieden.

Eine Lautsprecherstimme, die ihren Namen nannte, riss Andrea aus ihren Gedanken. Die Notärztin wurde gebeten, in die Verwaltung zu kommen. Rasch ging sie zum Fahrstuhl und fuhr hinunter ins Erdgeschoss.

***

Dr. Randolf Thieme ließ das Spülwasser ab und machte sich daran, das Geschirr abzutrocknen und wegzuräumen. Nicht, dass es in seinem Haushalt keine Spülmaschine gegeben hätte. Doch es lohnte sich nicht, sie wegen der paar Teile einzuschalten. Er mochte das Geschirr auch nicht ein paar Tage lang horten, bis die Maschine voll war.

Früher war das anders gewesen. Früher, als sie noch eine Familie gewesen waren …

Ärger stieg in ihm hoch und verdrängte den Schmerz, der sich wieder in seiner Brust ausbreiten wollte. Wie unverschämt von dieser Steffi, ihm einfach zu erklären, dass es ihr bei ihm nicht mehr gefiel und sie eine bessere Stelle gefunden hätte! Sie könne die düstere Atmosphäre, die er verbreitete, nicht mehr ertragen und die vielen Bilder von seiner toten Frau und seinem Sohn bereiteten ihr Unbehagen.

Musste er sich so etwas gefallen lassen?

Randolf hielt in seinen Gedankengängen inne. Wenn Steffi nun recht gehabt hatte? Wenn sie unter seiner Trauer und Schweigsamkeit tatsächlich so gelitten hatte, dass sie es nicht mehr ausgehalten hatte und sich eine andere Stelle gesucht hatte, wo es freundlicher und fröhlicher zuging? Wo Kinder spielten? Sie war ja auch noch sehr jung gewesen.

»Ach, zum Teufel!« Randolf schmiss das Geschirrtuch auf die Ablage und fuhr sich mit den Fingern durch das dichte blonde Haar. Er wusste selbst, dass er seit dem unfassbaren Unglück zu einem anderen Menschen geworden war. Einem Eigenbrötler, einem Mann, der das Lachen verlernt hatte, der nur noch dunkle Kleidung trug, der jeden gesellschaftlichen Kontakt mied und der Vergessen suchte, indem er sich in die Arbeit stürzte.

Aber auch diese verschaffte ihm nicht immer Befriedigung. Vor allem nicht, wenn er mit diesem ekelhaften Oberarzt zusammenarbeiten musste, und ganz besonders nicht, wenn dann auch noch eine Operation schiefging wie die Entfernung des Hirnaneurysmas bei dieser älteren Schlaganfallpatientin.

»Sie mussten das Coiling ja unbedingt dem Clipping vorziehen«, hatte Dr. Anger ihm wütend zum Vorwurf gemacht.