Notärztin Andrea Bergen 1317 - Marina Anders - E-Book

Notärztin Andrea Bergen 1317 E-Book

Marina Anders

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Beschreibung

Immer wieder lässt Dr. Siggi Baumgärtner die wunderschöne nepalesische Prinzessin-Puppe tanzen und singen, doch die fünfjährige Amelie schenkt weder dem jungen Kinderarzt noch der Handpuppe einen Blick. Grenzenlose Trauer liegt auf dem blassen, eingefallenen Kindergesicht, dem man die Strapazen der Chemotherapie deutlich ansieht.
Seit die Kleine an Nierenkrebs, dem Wilms-Tumor, erkrankt ist, scheinen ihre Pflegeeltern sie vergessen zu haben. Nur Amelies geliebter "Onkel Lassi", der Bruder der Pflegemutter, verbringt täglich viele Stunden an Amelies Bett. Doch auch er dringt nicht mehr zu Amelie durch, seit die Kinder-Urologin Dr. Alisha Benning das Elisabeth-Krankenhaus verlassen hat und in ihre nepalesische Heimat zurückgekehrt ist. Seit diesem Tag hat Amelie sich aufgegeben, und keine Therapie der Welt scheint ihr noch helfen zu können. Nur "Lisha", doch die ist weit, weit fort ...

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Seitenzahl: 127

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Glück auf der Kinderstation

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln

Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: iStockphoto / monkeybusinessimages

Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-4236-9

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Mich packt ein heiliger Zorn, wenn ich diese Schröders sehe! Ihre kleine Pflegetochter Amelie ist schwer an Nierenkrebs erkrankt, und das ganze Elisabeth-Krankenhaus bangt um die Fünfjährige, die in ihrem Leben schon so viel Trauriges erlebt hat. Wir alle tun das Menschenmögliche, um dem Mädchen durch die anstrengende Chemotherapie zu helfen – doch ihre Pflegeeltern, Sabine und Horst Schröder, lassen sich so gut wie nie am Krankenbett der Kleinen sehen. Ein krebskrankes Kind, so hat mir Sabine Schröder kühl erklärt, passe nicht in ihre Welt! Sie ist fest entschlossen, das Mädchen zurück ins Heim zu geben!

Zum Glück gibt es Lasse Matthesen in Amelies Leben, Sabines Bruder, an dem das Kind mit inniger Liebe hängt. Doch der junge Mann ist schier verzweifelt: Er hat Angst, Amelie zu verlieren – an eine fremde Familie oder an den Krebs! Noch können wir nur beten, dass Amelie am Leben bleibt, aber ich habe einen Plan, wie Lasse auch als unverheirateter Mann das Mädchen zu sich nehmen kann …

»Bitte komm wieder zurück, Alisha. Deine Heimat ist hier.«

Ein Lächeln erschien auf Alisha Bennings apartem Gesicht, das eine leicht exotische Note besaß. Äußerlich glich sie ihrer nepalesischen Mutter, doch sie hatte auch viel von ihrem deutschen Vater geerbt. Zum Beispiel die Liebe zu fremden Ländern und die Hartnäckigkeit und Zielstrebigkeit des Papas.

»Du weißt, ich liebe meine nepalesische Heimat, Mama«, erwiderte sie. »Aber meine Heimat ist ebenso am deutschen Rhein. Auch dort habe ich Wurzeln, denn da lebt die Familie meines Vaters.«

Deehpa Benning seufzte. »Nepal braucht Ärzte. Dass du in Deutschland studiert hast, verpflichtet dich nicht dazu, deine Dienste auch weiterhin diesem Land zur Verfügung zu stellen.«

»Nein, natürlich nicht.« Alisha nahm sich noch einen der leckeren Bananenmuffins, die ihre Mutter gebacken und zum Nachmittagstee serviert hatte. »Aber es gefällt mir dort. Ich liebe das Rheinland mit seinen Schlössern und Burgen. Und ich arbeite gern am Elisabeth-Krankenhaus. Mit vielen Kollegen bin ich auch privat befreundet.«

»Was kann schöner sein als das Kathmandu-Tal?« Deehpa machte eine Bewegung zum Fenster hin, wobei ihre kunstvoll gearbeiteten Armreifen leise klirrten.

Alishas Blick folgte der Geste ihrer Mutter. Ein Stück unter ihnen, am östlichen Stadtrand, lag der Durbar Square mit seinen berühmten Tempelanlagen, die bei dem letzten Erdbeben allerdings stark gelitten hatten. Dahinter erstreckte sich das ländliche Kathmandu-Tal. In der Ferne waren die weißen Gipfel des Himalaya-Gebirges zu erkennen.

Hier, in Bhaktapur, war Alisha geboren und aufgewachsen. Ihre Eltern waren mit ihr aber auch regelmäßig nach Deutschland geflogen. Es hatte sie schon als Kind fasziniert, zwischen zwei so verschiedenen Welten hin und her zu pendeln.

Alisha war auch mehrsprachig erzogen worden und beherrschte die deutsche Sprache ebenso wie Nepali und Englisch. Als sie die Chance gehabt hatte, in Deutschland zu studieren, hatte sie nicht lange gezögert. Sie hatte ihr Medizinstudium in Bonn erfolgreich abgeschlossen und anschließend eine Fachausbildung zur Kinderurologin absolviert. Danach hatte sie in verschiedenen Kliniken in Deutschland und in der Schweiz gearbeitet, bis sie wieder an den Rhein zurückgekehrt war.

Alisha wandte ihren Blick wieder ihrer Mutter zu. »Ich weiß, Nepal ist wunderschön. Ich bin auch jedes Mal glücklich, wenn ich hierherkomme. Aber es gibt auf der Welt auch noch andere schöne Plätze, die ich sehen möchte.«

Deehpa lächelte verständnisvoll.

»Diese Abenteuerlust hast du von deinem Vater. Auch ihn hat es in die Welt hinausgezogen. Aber das war gut so. Sonst hätte ich ihn nie kennengelernt.«

»Und mich würde es gar nicht geben«, ergänzte Alisha lächelnd.

Ihr Vater war Archäologe und war damals mit einem internationalen Archäologenteam zu Ausgrabungen und Restaurierungen von Funden nach Kathmandu gekommen. Dort hatte er ihre Mutter kennengelernt, die beim Nepalesischen Amt für Archäologie gearbeitet hatte, wo sie auch heute noch tätig war.

Deehpa goss sich und ihrer Tochter Tee nach. »Dann wirst du auch in Deutschland nicht für immer bleiben?«

»Ich weiß es noch nicht, Mama. Ein Traum von mir wäre, am Royal London Hospital zu arbeiten.«

Enttäuschung zeichnete sich auf Deehpas noch immer attraktivem Gesicht ab. Sie wünschte sich nichts sehnlicher, als dass ihre Tochter wieder ganz zurückkehren würde.

»England hat selbst genug Ärzte, im Gegensatz zu Nepal«, wandte sie ein. »Denkst du nicht mehr an die vielen Toten beim letzten Erdbeben? Je mehr Ärzte zur Verfügung stehen, desto mehr Überlebende wird es bei der nächsten Katastrophe geben. Wir leben in einem Erdbebengebiet. Die Erde wird hier nie zur Ruhe kommen.«

Alisha schüttelte leicht den Kopf. »Mama, das ist Aufgabe von Ärzten, die internationalen Hilfsorganisationen angehören. Um permanent als Arzt hier zu arbeiten, müsste es mehr Krankenhäuser geben.«

»Du könntest eine eigene Praxis eröffnen.«

»Dazu fehlt mir das nötige Kapital.«

»Ich bin sicher, dass Papa dir dabei behilflich sein würde. Und was ist mit Andrew? Er ist ein angesehener Arzt am Bhaktapur Cancer Hospital. Für ihn wäre es sicher ein Leichtes, dir dort eine Stelle zu vermitteln.«

Alisha lachte leise auf. »Aha, daher weht also der Wind! Habt ihr euch zusammengetan oder warum dieses plötzliche Drängen, dass ich wieder nach Bhaktapur zurückkommen soll?«

Sie sah, wie ihrer Mutter die Röte in die Wangen stieg. Alisha wertete es als Zeichen, dass sie ins Schwarze getroffen hatte.

Dr. Andrew Ballard war Onkologe und stammte aus London. Er war ihr guter Freund, aber Alisha wusste auch, dass er mehr in ihr sah und die Hoffnung nicht aufgegeben hatte, dass aus ihnen doch irgendwann ein Paar werden würde.

»Andrew liebt dich, Alisha«, betonte ihre Mutter. »Dein Vater und ich hätten gewiss nichts dagegen, ihn zum Schwiegersohn zu bekommen. Er ist ein feiner Mensch.«

»Bestimmt ist er das. Aber ich denke nicht ans Heiraten, ich denke an meine berufliche Karriere. Sicher, Andrew könnte mir eine Stelle im Cancer Hospital verschaffen. Doch er könnte mir ebenso helfen, am Royal London Hospital unterzukommen, wo er jahrelang Chefarzt auf der Onkologie war.«

Deehpa seufzte enttäuscht. »Dann würdest du England deinem Heimatland vorziehen?«

»Nur zum Arbeiten. Komme ich nicht regelmäßig zu kurzen und auch längeren Besuchen nach Bhaktapur zurück? Das wird auch in Zukunft so bleiben. Mach dir deswegen also keine Sorgen, Mama.«

Mit einem aufmunternden Lächeln nahm sie die Teekanne und teilte den Rest auf ihre beiden Tassen auf.

***

»Sie ist schon wieder krank! Dieses Kind macht mich noch fix und fertig.« Sabine Schröder stieß einen frustrierten Seufzer aus.

Uninteressiert hob Horst Schröder, der Zeitung gelesen hatte, den Kopf. Sie saßen beim Frühstück, und da wollte er ungestört die neuesten Nachrichten lesen und nichts von Problemen hören, mit denen seine Frau nicht fertigwurde.

»Dann geh mit ihr zum Arzt«, riet Horst ihr lakonisch und las weiter.

»Das werde ich wohl auch müssen.« Verdrossen nahm Sabine sich ein Brötchen und schnitt es auf. »Dabei habe ich heute besonders viele Termine. Kannst du das nicht über Mittag erledigen?«

Nun ließ Horst die Zeitung doch sinken. Unwillige Falten standen auf seiner Stirn. »Ich? Wie stellst du dir das vor? Schließlich habe ich meine Arbeit.«

»Ach, und ich wohl nicht?«, versetzte Sabine spitz.

Oben im ersten Stock weinte ein kleines Mädchen. Keiner der Erwachsenen achtete darauf.

»Du bist selbstständige Friseurin und kannst dir deine Zeit einteilen.« Horst Schröder schenkte sich Kaffee nach und stellte die Kanne wieder zur Seite, obwohl er sah, dass auch die Tasse seiner Frau leer war.

Sabine riss die Kaffeekanne an sich und goss sich mit einem ärgerlichen Schwung die Tasse voll. Während sie davon trank, schickte sie ihrem Mann über den Tassenrand hinweg einen wütenden Blick, den er allerdings nicht bemerkte.

»Und du hast eine geregelte Mittagszeit«, gab sie zurück. »Die kannst du dazu verwenden, um mit dem Kind zum Arzt zu gehen.«

»Du bist die Mutter«, führte Horst ins Gefecht.

»Pflegemutter«, korrigierte Sabine. »Und du bist der Pflegevater. Dir fallen genauso Pflichten zu.«

Wieder gab Horst keine Arbeit. Sabine klatschte Marmelade auf ihr Brötchen und schob dann den Teller von sich, als wäre ihr der Appetit vergangen. Stattdessen zündete sie sich eine Zigarette an. Schnaubend stieß sie den Rauch quer über den Tisch.

Horst wedelte ihn mit seiner Zeitung weg. »Ich hasse es, wenn du beim Essen rauchst!«, knurrte er.

»Ich hasse auch so manches an dir«, konterte Sabine.

Das Kinderweinen im ersten Stock wurde lauter und wehleidiger.

»Willst du nicht endlich raufgehen und dieses Geschrei abstellen?« Auffordernd sah Horst seine Frau an.

»Pah, du kannst genauso gehen.« Sabine zog an ihrer Zigarette. »Schließlich war ein Pflegekind deine Idee.« Sie verschärfte den Blick, mit dem sie ihrem ungeliebten Ehemann in die Augen sah. »Um mehr Geld für dein teures Hobby zur Verfügung zu haben.«

»Quatsch!«, tat Horst unwillig ab. »So teuer ist das Drohnenfliegen auch wieder nicht.«

»Ach, nein?« Sabines Mundwinkel verzogen sich spöttisch. »Dreitausend Euro für so ein blödes Ding findest du nicht teuer? Und dann noch die Versicherung! Ganz zu schweigen von dem Ärger, den du noch kriegen wirst, wenn du weiterhin so rücksichtslos fliegst. Das wird dich noch vor Gericht bringen.«

Horst warf die Zeitung auf den freien Stuhl neben sich.

»Fängst du schon wieder damit an? Du bist ja nur neidisch!« Er deutete mit dem Finger auf sie. »Genau, das ist es! Eifersüchtig bist du auf meine Drohnen. Deshalb willst du auch, dass ich mich mehr um unser Pflegekind kümmere. Damit ich keine Zeit für mein Hobby mehr habe.«

Sabine gab einen abfälligen Laut von sich. »Du bist einfach lächerlich. Ich habe ja nur gesagt, dass das Pflegekind deine Idee war, damit mehr Geld ins Haus kommt. Für deine Zwecke, nicht für meine. Ich brauche kein Pflegekind. Ich habe mein Einkommen, und ich habe kein teures Hobby. Ehrlich gesagt, mir wird dieses Kind zu viel.«

Das Kinderweinen kam näher. Auf der Treppe waren tapsende Schritte zu hören. Einen Moment später ging die Küchentür auf, und ein blondes kleines Mädchen stand im Nachthemd auf der Schwelle. Das niedliche Gesichtchen war verweint, im Arm hatte die Kleine eine Puppe, die sie jetzt wie schützend an ihre Brust presste.

»Hab so Bauchweh!«, klagte sie.

Sabine drückte ihre Zigarette im Aschenbecher aus und stand auf. »Das vergeht schon wieder, Amelie«, sagte sie, während sie das Fenster öffnete. »Komm, wir ziehen dich jetzt an, und dann isst du dein Müsli. Später kannst du wieder bei mir im Friseursalon spielen, während ich die Frauen frisiere.«

»Will meine Puppe auch frisieren.« Amelie zupfte an den zerzausten Haaren ihrer Puppe.

»Verdammt noch mal, mach das Fenster zu!«, schimpfte Horst. »Es ist mitten im Winter. Oder willst du, dass wir uns alle erkälten?«

Sabine achtete nicht auf ihn. Sie ging auf Amelie zu und nahm sie an der Hand. »Du darfst deine Puppe so frisieren, wie du willst«, sagte sie so geduldig, wie sie es fertigbrachte. »Und jetzt gehen wir uns anziehen.«

***

Stimmengewirr und Gläserklirren schlugen Lasse Matthesen entgegen, als er seine Stammkneipe betrat, die Pilsbar Zum Alten Heinrich. Nach allen Seiten grüßend, ging er zum Tresen, wo zwei engere Freunde von ihm saßen.

Lasse begrüßte sie und ließ sich neben ihnen nieder.

»Das Übliche?«, vergewisserte sich der Barkeeper, während er bereits nach einem Bierglas griff.

Lasse nickte. »Ja, ein Pils bitte.« Er wandte sich den Freunden zu. »Was für ein Tag!«, stöhnte er. »Ich hoffe, eurer war weniger anstrengend als meiner.«

Auch Markus und Tony waren im IT-Business beschäftigt und ständig im Stress.

»Das denkst du doch nicht im Ernst«, meinte Tony und grinste.

»Natürlich war unser Tag mindestens ebenso anstrengend wie deiner, was sonst?«, pflichtete Markus ihm bei.

Lasse hatte inzwischen sein Bier bekommen und stieß mit den Freunden an. »Irgendwas machen wir falsch«, sinnierte er. »Sollten wir nicht mehr Freizeit haben?«

»Das liegt doch nur an euch«, mischte Ben, der Barkeeper, sich ins Gespräch. »Jetzt sitzt ihr zwar hier und genießt euer Feierabendbier, aber ich wette, dass ihr anschließend wieder am Computer hockt und arbeitet.«

Tony seufzte. »Das bringt eben unser Beruf mit sich.«

»Bei Lasse sollte es allerdings nicht so schlimm sein, der arbeitet in einer kleineren Firma«, zog Markus den Freund ein wenig auf.

»Hach, dass ich nicht lache!« Lasse trank ein paar große Schlucke von seinem Bier. »Mir geht es nicht anders als euch in dem Konzernriesen, in dem ihr euch etabliert habt. Übermorgen schicken sie mich wieder für eine Woche nach Brüssel. Erfahren habe ich das vor drei Stunden.«

»Das passiert uns auch«, tat Markus ab.

»Wir haben ja nicht mal Zeit für Weibergeschichten«, führte Tony an.

»Ich doch auch nicht. Ich bin immer noch Single, genau wie ihr.«

»Aber du hast ein Kind, dem du ziemlich viel Zeit widmest«, erinnerte Markus ihn.

»Amelie.« Lasses Miene wurde weich. »Arme Kleine. Ich wollte, sie wäre meine Tochter, und ich könnte noch viel mehr Zeit mit ihr verbringen.«

»Warum sagst du das so, als ginge es ihr bei deiner Schwester nicht gut?«, bemerkte Ben mit hochgezogenen Brauen.

»Halbschwester«, korrigierte Lasse gewohnheitsmäßig. Er legte großen Wert auf diesen Unterschied, denn außer dem Vater hatten Sabine und er absolut nichts gemein.

»Halbschwester, okay.« Ben polierte in aller Gemütsruhe seine Gläser. Er kannte keinen Stress. »Kümmert sie sich nicht um das Kind?«

»Nicht so, wie es sein sollte.« Lasse fuhr sich durch das dunkelblonde lockige Haar und seufzte. »Ihr und ihrem Mann scheint es nur ums Pflegegeld zu gehen. Im Grunde haben sie gar keine Zeit für ein Kind. Mein Schwager ist Bauleiter, und Sabine hat ihren eigenen Friseursalon, in den sie Amelie jeden Tag mitnimmt. Dort ist die Kleine mehr oder weniger sich selbst überlassen, spielt mit ihren Puppen und Lockenwicklern und wird in die Ecke geschickt, wenn sie stört.«

»Warum adoptierst du Amelie nicht?«, schlug Tony vor.

Lasse lachte auf. »Wie stellst du dir das vor, ich als alleinerziehender Vater?«

»Dann such dir eine passende Frau und heirate sie«, antwortete Markus, der meist praktisch dachte.

Nachdenklich griff Lasse nach seinem Glas. An diese Möglichkeit hatte er selbst schon gedacht. Vor allem, nachdem Sabine schon mehrfach hatte verlauten lassen, dass sie Amelie wieder los sein wollte. Lasse hatte auf sie eingeredet und ihr klarzumachen versucht, was es für Amelie bedeuten würde, wieder ins Heim zu müssen.

Weiter hatte er angeführt, dass Amelie an ihm hing wie an einem leiblichen Vater und es ihnen beiden das Herz brechen würde, wenn sie sich nicht mehr sehen konnten. Daraufhin hatte Sabine gemeint, er solle sich eine Frau suchen und Amelie adoptieren.

Spaßeshalber hatte Lasse sich im Internet auf Dating-Seiten eingetragen, aber bisher keine Frau gefunden, die ihn angesprochen hätte. Auch sonst hatte er bislang noch kein Glück gehabt, auch wenn er blendend aussah, gut verdiente und ein netter Kerl war, wie man ihm gelegentlich bestätigte. Die Beziehungen, die er bisher gehabt hatte, waren alle nach kurzer Zeit wieder auseinandergegangen. Die Frau fürs Leben war nicht unter ihnen gewesen. Auf die wartete er immer noch.

»Als ob das so einfach wäre«, antwortete er schließlich auf Markus’ Vorschlag und griff wieder nach seinem Bierglas.

***