1,99 €
Mit einem zärtlichen Lächeln streichelt die schöne Bettina über ihren leicht gewölbten Leib. Noch ist nicht zu sehen, dass sich ihr allergrößter Wunsch schon bald erfüllen wird: In etwas mehr als fünf Monaten werden Burkhard und sie endlich, endlich ihr heiß ersehntes Baby in den Armen halten! Wenn - und bei diesem Gedanken krampft sich Bettinas Herz vor Angst zusammen -, wenn diesmal alles gut geht und sie ihr Kind nicht wieder vor der Zeit verliert! Nach den zwei Fehlgeburten, die Bettina bereits erlitten hat, könnte sie einen solchen Verlust kein weiteres Mal verkraften ...
Anders als sonst will das Gefühl der Angst sie an diesem Tag nicht mehr verlassen - im Gegenteil: Die Empfindung, dass etwas Bedrohliches auf sie zukommt, dem sie nicht entrinnen kann, wird sogar stärker! Und Bettinas dunkle Ahnung soll sie tatsächlich nicht täuschen: Schon am Abend wird das Unfassliche geschehen, das alles, was Bettina wichtig ist, zerstört ...
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Seitenzahl: 134
Veröffentlichungsjahr: 2017
Cover
Impressum
Das Glück begann im Krankenzimmer
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: shutterstock / Monkey Business Images
Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-4431-8
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Nach meinem Einsatz in der Hölderlin-Gasse schlottern mir noch immer die Knie, und ich kann gar nicht aufhören zu weinen! Meine Sorgenpatientin, die hübsche Bettina Frieling, ist auf der steilen Altstadttreppe ausgerutscht und viele Stufen in die Tiefe gestürzt. Ich muss gar nicht auf der Gynäkologischen Station nachfragen, wo Bettina nun behandelt wird – ich weiß auch so, dass ihr schlimmster Albtraum wahr geworden ist und sie ihr ungeborenes Kind verloren hat! Zum dritten Mal in Folge! Und diesmal wird Bettina den Verlust ganz sicher nicht verkraften, fürchte ich …
Auch habe ich eben Bettinas Mann Burkhard das Krankenhaus verlassen sehen – außer sich vor Wut auf seine Frau! Sie allein sei schuld am Tod seines Kindes, soll er an Bettinas Krankenbett geschrien haben. Und dies sei nun das Ende ihrer Ehe …
Froh blickte Bettina auf den Mutterpass, den Schwester Birgit ihr gerade überreicht hatte.
»Herzlichen Glückwunsch, Frau Frieling«, sagte die Pflegerin. »Diesmal wird es ganz bestimmt klappen.«
»Danke.« Bettina schluckte. Ihre Freude erlitt einen kleinen Dämpfer. Hatte Schwester Birgit sie ausgerechnet in diesem glücklichen Moment daran erinnern müssen, dass es beim letzten Mal nicht geklappt hatte? Und beim vorletzten Mal?
Bettina verabschiedete sich und verließ die Gynäkologische Station des Elisabeth-Krankenhauses. Als sie zu den Fahrstühlen ging, sah sie von der anderen Seite eine dunkelblonde Ärztin näher kommen.
Bettina blieb stehen. Andrea Bergen, die Notärztin!
Schreckensbilder stiegen vor ihrem geistigen Auge auf. Nein, ihr wollte sie auf keinen Fall begegnen! Sie wollte nicht mit ihr reden und ihr sagen, dass sie wieder schwanger war. Eilig stieß sie die Tür zum Treppenhaus auf.
Ich hätte zu einem anderen Frauenarzt gehen sollen, dachte sie, während sie die Treppe zum Erdgeschoss hinunterlief. Warum war sie wieder zu Dr. Schwarzhaupt gegangen?
Weil er mich bei meiner letzten Schwangerschaft hervorragend betreut hat, sagte sie sich dann. Es war nicht seine Schuld gewesen, dass sie ihr Baby im fünften Monat verloren hatte. Sie hatte Vertrauen zu ihm, und er hatte sich gefreut, dass sie wieder zu ihm gekommen war.
Diesmal wird es ganz bestimmt klappen …
Das hatte auch der Oberarzt zu ihr gesagt. Bettina hoffte von ganzem Herzen, dass er und Schwester Birgit recht behalten würden. Eine dritte Fehlgeburt würde sie nicht verkraften. Auch für Burkhard würde es ein harter Schlag sein.
Bettina stieg in ihr Auto und fuhr vom Krankenhausparkplatz. Es war am frühen Nachmittag. Ob sie zur Reederei fahren und Burkhard und ihren Schwiegereltern die frohe Nachricht mitteilen sollte? Oder sollte sie warten, bis er am Abend nach Hause kam?
Burkhards Eltern gehörte die Reederei Frieling & Sohn. Noch hatten sie ihm die Firma nicht überschrieben, doch sie ließen ihm ziemliche Freiheiten, wenn es um Neuerungen und eigene Entscheidungen ging. Bettina arbeitete dort halbtags als Fremdsprachenkorrespondentin.
Sie lächelte vor sich hin, als sie sich in den Verkehr einreihte. Im Geist sah sie schon die Freude und Überraschung auf Burkhards Gesicht, wenn sie ihm sagte, dass sie wieder schwanger war. Diesmal hatte Bettina ihm nichts davon erzählt, dass ihre Periode ausgeblieben war und sie sich zweifellos schwanger fühlte. Sie hatte erst ganz sicher sein und sich ihren Verdacht vom Arzt bestätigen lassen wollen.
Nun hatte sie es schriftlich, dass sie im dritten Monat war. Wieder durchströmte sie dieses wunderbare Glücksgefühl, das sie empfunden hatte, als Dr. Schwarzhaupt ihr die Schwangerschaft bestätigt und sie beglückwünscht hatte. Und sie flehte zum Himmel, dass diesmal tatsächlich alles gut ausgehen möge.
Bettina holte tief Luft. Ja, sie war glücklich. Sie hatte einen fürsorglichen Mann, wohnte in einem traumhaften Bungalow und hatte keine finanziellen Sorgen. Und nun würden sie auch noch ein Baby haben.
Einen Moment später erlosch ihr Lächeln wieder. Ein Seufzer kam über ihre Lippen, als ihr bewusst wurde, dass sie niemals hundertprozentig glücklich sein würde. Nicht mit diesen beiden dunklen Punkten in ihrer Vergangenheit, von denen Burkhard nichts wusste. Sie belasteten Bettina sehr, vor allem, da sie mit ihrem Mann nicht darüber sprechen konnte.
Einen Menschen gab es jedoch in ihrem Leben, der ihr sehr viel bedeutete und dem sie alles anvertrauen konnte. Das war ihr Onkel Alfred, der ältere Bruder ihrer verstorbenen Mutter. Zu ihm hatte sie eine engere Beziehung als zu ihrem Vater, der in Kiel wieder verheiratet war und sein eigenes Leben führte.
Spontan beschloss Bettina, zu ihrem Onkel zu fahren, der in der Altstadt einen Antiquitätenladen besaß. In der Reederei wurde sie heute Nachmittag ohnehin nicht mehr erwartet, denn sie arbeitete nur vormittags. Sie wollte Burkhard das freudige Ereignis auch lieber am Abend mitteilen, wenn sie allein waren.
Es war ein sonniger Tag, der Frühling stand vor der Tür. Im Stadtpark blühten schon die Krokusse, wie Bettina feststellte, als sie daran vorbeifuhr. Kurz darauf parkte sie in der Gasse, in der ihr Onkel seinen Laden hatte, und ging das letzte Stück zu Fuß.
Der vertraute Geruch längst vergangener Zeiten schlug ihr entgegen, als sie die Ladentür öffnete. Schon als Kind war sie mit ihrer Mutter oft und gern hergekommen und hatte mit den alten Spielsachen gespielt, von denen immer eine besondere Faszination ausgegangen war. Auch heute noch liebte Bettina das Geschäft ihres Onkels und schaute sich die schönen alten Sachen immer mit großem Interesse an.
Bettina betrat den Laden, der förmlich überquoll von Antiquitäten. Im ersten Moment konnte sie ihren Onkel gar nicht sehen. Er saß weder an seinem großen alten Schreibtisch im Hintergrund, noch stand er hinter seiner antiken Ladentheke, von der er sich niemals trennen würde.
Sie entdeckte ihn schließlich hinter einer glänzenden Ritterrüstung, wo er an einem kleinen Tisch Messingbecher polierte.
»Hallo, Onkel Alfred.« Lächelnd ging Bettina auf ihn zu.
Alfred Borchert, ein hagerer Mittfünfziger, blickte von seiner Tätigkeit auf. Ein erfreutes Lächeln erschien auf seinem Gesicht, als er seine Nichte erblickte.
»Bettina, wie nett! Auf deinen Besuch habe ich schon gewartet. Ist auch eine ganze Weile her, seit du zum letzten Mal hier warst.«
»Ja, eine geschlagene Woche.« Bettina lachte. »Hast du mich vermisst?«
»Ich vermisse dich immer. Was gibt es bei dir Neues?«
»Oh, einiges.« Bettina lächelte geheimnisvoll. »Aber erzähle mir erst deine Neuigkeiten. Konntest du dieses antike Speiseservice ersteigern, auf das du so scharf warst?«
»Dort steht es.« Alfred deutete auf einen festlich gedeckten Tisch. »Allerdings musste ich einen horrenden Preis dafür bezahlen.«
Bettina ging hinüber zu dem Tisch.
»Oh, wie wunderschön.« Begeistert strich sie über das feine, handbemalte Porzellan. »Ich wollte, das Geschirr könnte seine Geschichte erzählen. Auf wessen Tischen es gestanden hat, wer davon gegessen und getrunken hat, wer es gespült hat …«
»Ganz sicher nicht die Leute, die davon gegessen haben«, meinte Alfred zwinkernd. »Solch ein Geschirr konnten sich nur die reichen Leute leisten, und die haben mit Sicherheit nicht selbst am Spülbecken gestanden.«
»Du solltest das Service ins Schaufenster stellen. Hier hinten bemerkt man es gar nicht gleich.«
»Gute Idee. Hilfst du mir dabei?«
»Jetzt gleich?« Bettina blickte auf die Uhr. »Das wird mir ein bisschen spät. Ich wollte noch einkaufen und heute Abend etwas Besonderes auf den Tisch bringen.«
»Ah, gibt es dazu einen bestimmten Anlass?«
»Hm.« Bettina zögerte. Es drängte sie danach, ihrem Onkel die frohe Nachricht mitzuteilen. Andererseits hätte Burkhard der Erste sein sollen, der davon erfuhr. Aber nachdem es bereits zwei Personen gab, die davon wussten, nämlich Dr. Schwarzhaupt und Schwester Birgit, durfte auch ihr Onkel davon erfahren. Immerhin war er für sie ein engerer Vertrauter als ihr Mann, so merkwürdig das auch klang.
Ihr Zögern machte Alfred noch neugieriger.
»Na komm, lass uns erst mal ein Tässchen Tee trinken.« Er tätschelte ihr den Rücken und schob sie zu dem großen Schreibtisch. Daneben war ein Regal, in dem ein Wasserkessel und Teegeschirr standen.
Alfred brachte das Wasser zum Kochen und nahm zwei Teegedecke von dem antiken Service. Er wischte die Tassen kurz noch einmal aus, bevor er sie mit Tee füllte, und stellte sie mit einem vielsagenden Zwinkern auf den Schreibtisch.
»Gebäck habe ich leider keins, aber ich hoffe, deinen Tee aus diesen hochherrschaftlichen Tassen trinken zu dürfen söhnt dich mit diesem Manko aus.«
»Aber ja! Ich finde es einfach wunderbar, Onkel Alfred.« Bettina schenkte ihm ein liebevolles Lächeln. Sie hob ihre Tasse und trank ihm zu.
»Ich stelle mir vor, dass diese Tasse einmal eine Prinzessin in der Hand gehalten hat, die mit ihrem Liebsten in einer lauen Sommernacht in einem Gartenpavillon Tee getrunken hat«, sagte sie verträumt. »Wäre das nicht eine schöne Geschichte?«
»Erzähle mir lieber deine eigene Geschichte beziehungsweise deine Neuigkeiten«, meinte Alfred schmunzelnd. »Ich sehe dir doch an, dass du beinahe platzt vor lauter Drang, sie mir zu erzählen.«
Bettina musste lächeln. Vor ihrem Onkel hatte sie noch nie etwas verheimlichen können. Er kannte sie besser als ihr Vater, der sich nur selten um sie gekümmert hatte.
»Okay, ich sage es dir.« Bettina machte eine Pause, um die Spannung zu erhöhen. »Ich bin wieder schwanger.«
»Tatsächlich?« Alfred lächelte breit. Dann beugte er sich zu Bettina und küsste sie herzlich auf beide Wangen.
»Alles, alles Gute, mein Mädchen!«, sagte er bewegt. »Diesmal wird es bestimmt gut gehen.«
»Danke.« Bettina schluckte. Plötzlich war die Angst wieder da, dass es wieder zu einer Fehlgeburt kommen könnte. Nur mühsam konnte sie ihre Gefühle vor ihrem Onkel verbergen.
Du musst positiv denken, sagte sie sich energisch. Doch das war bei allem, was sie in ihrem Leben schon durchgemacht hatte, leichter gesagt als getan.
***
Die Sonne war verschwunden, und vom Rhein her stiegen Nebelschleier auf, als Bettina das Antiquitätengeschäft verließ und zu ihrem Auto ging. Es war auch ziemlich kühl geworden. Fröstelnd zog sie ihren dünnen Mantel enger um die Schultern.
Die glückliche Stimmung, in der sie sich befunden hatte, seit Dr. Schwarzhaupt ihr die Schwangerschaft bestätigt hatte, war verflogen. Stattdessen empfand sie nur noch Angst. Angst vor einer neuen Fehlgeburt und Angst, weiter die Gasse hinunter zu ihrem Auto zu gehen. Waren da nicht Schritte hinter ihr? Und wie kam es, dass sonst keine Menschenseele unterwegs war?
Bettina lief schneller. Auch die Schritte hinter ihr schienen sich zu beschleunigen. Sie wagte nicht, sich umzudrehen. Wo war ihr Auto? Hatte sie es wirklich so weit vom Laden ihres Onkels entfernt geparkt? Oder lief sie in die falsche Richtung?
Nein, dort vorne stand es. Erleichtert kramte sie nach ihrem Schlüssel. Ihre Nerven beruhigten sich wieder, als sie auf den Knopf drückte und die Lichter ihres Autos aufleuchten sah. Noch ein paar Schritte, dann war sie dort angelangt und stieg ein.
Sie warf einen Blick auf die Person, die hinter ihr gegangen war. Es war ein älterer Junge, der nur Augen für sein Handy hatte und ihr nicht die geringste Beachtung schenkte. Wie dumm von ihr, beinahe in Panik auszubrechen!
Seufzend legte sie den Sicherheitsgurt an. Es war ein Fehler gewesen, ihre Therapie abzubrechen. Das wurde ihr heute nicht zum ersten Mal bewusst. Doch sie hatte auch nicht gewollt, dass Burkhard von der ganzen Sache erfuhr. Er hätte es sich vielleicht dreimal überlegt, sie dann noch zu heiraten.
Langsam fuhr Bettina zum Ende der Gasse und reihte sich dann in den einsetzenden Berufsverkehr der Stadtparkstraße ein. Kurz darauf hielt sie an einem Supermarkt, um noch verschiedene Dinge einzukaufen.
Sie hatte sich für ein Büfett mit erlesenen Delikatessen entschieden. Das liebte Burkhard. Auch eine Flasche Sekt legte sie in den Einkaufswagen. Es würde das letzte Mal sein, dass sie Alkohol trank.
Zu Hause angelangt trug sie ihre Einkäufe in die Küche und begann mit den Vorbereitungen. Es machte ihr großen Spaß, das leckere Büfett auf dem Sideboard in der Essecke dekorativ anzurichten. Den Sekt hatte sie kühl gestellt.
Nachdem sie mit allem fertig war, zog sie sich um. Das kleine Schwarze war für diesen Anlass gerade richtig. Mit einem glücklichen Lächeln strich sie sich über den noch flachen Bauch. Lange würde sie das Kleid nicht mehr tragen können.
Sie verließ gerade das Schlafzimmer, als sie Burkhards Wagen in die Einfahrt fahren hörte. Er war heute etwas früher dran als sonst. Gut, dass sie nicht länger bei ihrem Onkel aufgehalten hatte!
Bettina holte rasch den Sekt und stellte die Flasche zusammen mit zwei Gläsern auf das Sideboard. Dann eilte sie zur Haustür, wo Burkhard gerade seinen Schlüssel ins Schloss steckte.
»Guten Abend, mein Schatz«, begrüßte sie ihn strahlend. »Schön, dass du schon da bist.«
Burkhard vergaß, ihr den üblichen Kuss zu geben. Verwundert blickte er sie an. »Nanu, habe ich etwas verschwitzt? Sind wir irgendwo eingeladen, oder gehen wir in die Oper?«
»Nein, nichts dergleichen.« Bettina lachte. »Ich habe eine kleine Überraschung für dich und möchte einfach ein bisschen feiern.«
»Na, dann bin ich mal gespannt.« Burkhard hängte seinen Mantel an die Garderobe.
»Bekomme ich heute keinen Kuss?« Bettina zog einen Schmollmund und legte den Kopf schief.
»Aber sicher. Du hast mich nur verwirrt.« Burkhard küsste sie auf die Lippen. »Hübsch siehst du aus. Hängt das Strahlen in deinem Blick mit dieser Überraschung zusammen, von der du gesprochen hast?«
Bettina lächelte froh. Wenn Burkhard bei ihr war, ging es ihr sofort wieder gut. Ihre Ängste verflogen, und die Schatten der Vergangenheit lösten sich auf. Ein wenig nervös war sie noch, aber das würde sich im Laufe des Abends sicher legen.
»Hm«, murmelte sie geheimnisvoll. »Warum machst du nicht den Sekt auf und schenkst uns zwei Gläser ein? Es steht alles auf dem Sideboard bereit.«
»Na, dann wollen wir mal.« Burkhard vertauschte seine Straßenschuhe mit bequemen Hausschuhen und folgte seiner Frau ins Wohnzimmer.
»Oh, das sieht aber gut aus!« Ihm lief sichtlich das Wasser im Mund zusammen, als er seine Blicke über das festliche Büfett schweifen ließ. Schon mopste er sich ein Schinkenröllchen von der Platte.
Bettina klopfte ihm leicht auf die Finger. »Hey, erst den Sekt! Oder du wirst nie erfahren, welche Neuigkeiten ich habe.«
Burkhard lachte. »Du bringst es doch gar nicht fertig, ein Geheimnis für dich zu behalten. Aber ich will ja gar nicht so sein. Stoßen wir also erst miteinander an, worauf auch immer.«
Er öffnete die Sektflasche und goss die Gläser voll. Eins davon reichte er Bettina.
»Und worauf trinken wir?«, wollte er wissen.
Bettina antwortete nicht gleich. Sie strahlte ihn nur bedeutungsvoll an und hob ihm ihr Glas entgegen.
»Darauf, dass du Vater wirst«, sagte sie dann feierlich. »Und ich Mutter. Darauf, dass wir Eltern werden. Ich bin wieder schwanger.«
»Oh.« Burkhard seufzte. »Das hatte ich mir fast schon gedacht.« Es klang resigniert.
Bettinas Strahlen erlosch. Sie schluckte. »Ist das alles?«, fragte sie enttäuscht.
Statt mit ihr anzustoßen, stellte Burkhard sein Glas am Büfett ab und nahm sich ein gefülltes Ei. Erst nachdem er es gegessen hatte, wandte er sich ihr wieder zu. »Was erwartest du von mir? Dass ich vor Freude einen Luftsprung mache?«
Bettina wich seinem Blick aus. Auch sie stellte ihr Glas wieder zur Seite. Schmerzlich blickte sie in den perlenden Sekt. Sie dachte an das letzte Mal, als sie Burkhard gesagt hatte, dass sie schwanger war. Auch da hatte sie ein delikates Büfett gerichtet, und auch da hatte Burkhard eine Flasche Sekt geöffnet.
Zuvor hatte er sie ganz fest in den Arm genommen und ihr gesagt, wie sehr er sich freue. Am nächsten Tag hatte er ihr einen wunderschönen Ring geschenkt, den sie seitdem fast jeden Tag trug.
Du kannst es ihm nicht übel nehmen, sagte sie sich dann. Bestimmt hat er ebenso Angst wie du, dass es auch diesmal schiefgehen wird.
Sie spürte, wie er seine Hand auf ihren Arm legte.
»Natürlich freue ich mich«, sagte er rau.
Bettina drehte sich zu ihm um. Unsicherheit und Resignation standen in seinem Blick, aber keine Spur von Freude. Wahrscheinlich wäre es ihm lieber gewesen, wenn ich nicht schwanger wäre, ging es ihr unwillkürlich durch den Sinn. Dabei warteten er und seine Eltern doch so sehr auf einen Nachkommen.
Burkhard seufzte abermals. Dann zog er sie an sich und küsste sie auf die Stirn.