Notärztin Andrea Bergen 1333 - Marina Anders - E-Book

Notärztin Andrea Bergen 1333 E-Book

Marina Anders

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Beschreibung

Mit wehenden Kittelschößen eilt Notärztin Dr. Bergen hinter der Rolltrage mit der jungen Maika her, die nach einem Frontalzusammenstoß mit einem Geisterfahrer auf der Autobahn in akuter Lebensgefahr schwebt. Die vielen inneren Blutungen müssen in einer Not-OP umgehend zum Stillstand gebracht werden - und dabei zählt jede Sekunde!

Als das OP-Team mit der Trage in den Gang zu den Operationssälen einbiegt, quillt ihnen dichter schwarzer Rauch entgegen. Gleichzeitig schrillt aus den Lautsprechern Alarm. Im nahe liegenden Labor ist ein Feuer ausgebrochen; die Patienten müssen umgehend evakuiert werden! Und alle Operationssäle sind gesperrt ...

Ein Blick auf die Überwachungsmonitore sagt Andrea, dass sie operieren muss - sonst wird ihre Patientin verbluten! In diesem Moment trifft sie eine folgenschwere Entscheidung: Die Operation findet trotzdem statt! Doch ihr Co-Chirurg Dr. Anger weigert sich und eilt davon. Und so liegt Maikas junges Leben ganz allein in Andrea Bergens Händen ...

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EPUB

Seitenzahl: 131

Veröffentlichungsjahr: 2017

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Inhalt

Cover

Impressum

Noch auf dem Weg zum OP ...

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: shutterstock / Syda Productions

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-5217-7

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Oh, dieser unsägliche, ignorante, unbelehrbare Gert Munkert! Heute ist passiert, was ich schon seit Wochen habe kommen sehen: Weil Munkert bei seiner Arbeit mit den brennbaren Stoffen wieder einmal heimlich geraucht hat, ist im Labor ein Brand ausgebrochen! Hochgiftiger Rauch breitete sich in Windeseile über die benachbarten Stationen aus: Viele Schwerstkranke mussten von der Intensivstation evakuiert werden, alle geplanten Operationen wurden abgesagt! Ich war gerade mit einer schwer verletzten Patientin auf dem Weg in den OP, als diese Nachricht mich erreichte – und mir war klar: Ich musste dennoch operieren, andernfalls würde die junge Frau verbluten! Da fiel mir der alte und nur noch unzureichend ausgestattete Operationssaal im Westflügel ein. Konnte ich es wagen …?

Aus jetziger Sicht war es ein höchst gewagtes, vielleicht sogar fragwürdiges Unterfangen. Doch ich kann nicht rückgängig machen, was geschehen ist, sondern muss nun mit den Konsequenzen leben …

»Dolly, aus!«, wehrte Andrea Bergen die ungestüme junge Hündin ab, die ihr zur Begrüßung begeistert das Gesicht leckte. »Waschen kann ich mich selbst. Du tust ja gerade so, als wäre ich zwei Wochen weg gewesen. Dabei habe ich lediglich acht Stunden Dienst gehabt.«

Franzi, die zwölfjährige Adoptivtochter der Bergens, kicherte. »Mama, du redest mit Dolly, als würde sie dich verstehen.«

»Natürlich versteht unser Mädchen jedes Wort.« Hilde Bergen, die den jungen Leuten den Haushalt führte, nickte bekräftigend und tätschelte der Hündin den Hals. Sie war in die Diele gekommen, um ihre Schwiegertochter zu begrüßen, und hatte Franzis Bemerkung noch gehört.

»Unser Mädchen!« Franzi zog einen Flunsch. »Euer Mädchen bin doch ich.«

»Du auch.« Hilde drückte ihre Enkeltochter, die sie über alles liebte, an sich. »Wir haben eben zwei Mädchen im Haus, dich und Dolly.«

Andrea hatte inzwischen ihren Blazer abgelegt und auf einen Garderobenbügel gehängt. Um ihre Mundwinkel zuckte es belustigt.

»Drei Mädchen und einen Jungen«, korrigierte sie lächelnd. »Denn für Oma sind wir alle ihre Kinder, nicht wahr, Hildchen?« Sie drückte der besten aller Schwiegermütter ein Küsschen auf die Wange.

Hilde widersprach nicht. Schmunzelnd folgte sie den drei »Mädchen« ins Wohnzimmer.

»Bei Werner wird es etwas später werden«, erklärte sie dabei. »Er hat angerufen, dass er im Elisabeth-Krankenhaus aufgehalten worden ist und auf dem Heimweg noch einen Hausbesuch machen muss.«

»In Ordnung.« Andrea war ein wenig enttäuscht. Sie hatte sich auf ihren Mann gefreut, und wenn sie gewusst hätte, dass er heute im Krankenhaus zu tun gehabt hatte, hätten sie vielleicht zusammen einen Kaffee trinken können. Doch offenbar hatte er keine Zeit dazu gehabt, sonst hätte er sich schon bei ihr in der Notaufnahme gemeldet.

Andrea arbeitete als Notärztin am Elisabeth-Krankenhaus, Werner war Kinderarzt und verfügte auf der Kinderstation über mehrere Belegbetten. Außerdem besaß er in einem Anbau der Bergen-Villa eine gut gehende Praxis.

»Werner hat gemeint, wir sollen nicht mit dem Essen auf ihn warten«, sagte Hilde. »Sicher hast du Hunger …«

»Nein, nein, meinetwegen können wir gern auf ihn warten, wenn auch ihr noch nicht am Verhungern seid«, erwiderte Andrea.

Auch Franzis Hunger hielt sich in Grenzen. Sie wollte noch ein Weilchen nach draußen gehen und war einen Moment später mit dem Hund verschwunden.

»Kann ich dir was helfen, Mutsch?«, bot Andrea an, doch ihre Schwiegermutter lehnte ab.

»Danke, es ist schon alles vorbereitet. Du kannst nichts weiter tun, als dich zu entspannen.« Hilde nickte ihr zu und ging zurück in ihre Küche.

Andrea liebäugelte mit dem Sofa. Ein paar Minuten entspannen, abschalten, an nichts denken …

Schon saß sie in den Polstern, faltete die Decke auseinander und streckte sich mit einem genüsslichen Seufzer aus.

Es war ein hektischer Arbeitstag gewesen. Stundenlang war ein Noteinsatz nach dem anderen nötig gewesen, sodass sie nicht zum Verschnaufen gekommen war, geschweige denn zum Mittagessen. Zusätzlich hatte sie noch im Schockraum ausgeholfen und an einer Operation teilgenommen. Ein Motorradfahrer hatte bei einem Unfall innere Verletzungen davongetragen, unter anderem auch einen Milzriss. Das Organ konnte nur noch entfernt werden.

Andrea gähnte ausgiebig. Gott, was war sie müde!

Das Elisabeth-Krankenhaus und der Rettungswagen begannen, in weite Ferne zu rücken, ebenso die Geräusche im Haus. Dann dauerte es nicht lange, und sie war eingeschlafen.

»Andrea?«, drang es nach einer Weile gedämpft in ihr Bewusstsein.

Im ersten Moment wusste sie nicht, ob sie sich die Stimme ihrer Schwiegermutter nur eingebildet hatte. Schläfrig hob sie die Lider und sah Hilde mit dem Telefon in der Hand und einem besorgten Ausdruck auf dem runden Gesicht in der Wohnzimmertür stehen.

»Es ist Herr Lohmüller«, sagte sie. »Er hustet so arg, dass ich ihn gar nicht verstehen kann.«

Sofort war Andrea hellwach. Mit einem hastigen Schwung warf sie die Decke zurück und stand vom Sofa auf.

Alfons Lohmüller war ein älterer Herr, der in der Nachbarschaft lebte. Seit Jahren litt er an starkem Bronchialasthma und war auch schon zwei Mal mit dem Rettungswagen ins Elisabeth-Krankenhaus eingeliefert worden. Seit dem Tod seiner Frau vor zwei Jahren war er mit seinen Medikamenten nachlässig geworden, was Andrea Sorgen bereitete.

Er achtete auch sonst nicht mehr auf seine Gesundheit, ernährte sich nur schlecht und unregelmäßig und war entsprechend abgemagert. Aber das störte ihn alles nicht mehr. Er wollte nur noch bei seiner Edith sein und hoffte, dass der Herrgott ein Einsehen mit ihm hatte und ihn ebenfalls bald zu sich holte.

Andrea nahm von ihrer Schwiegermutter das Telefon entgegen. Alarmierend klingendes Husten schallte aus dem Apparat. »Herr Lohmüller?«

Als Antwort bekam sie nur weiteres Husten und Röcheln zu hören. Andrea wurde es himmelangst. Ihr war klar, dass der Mann nicht in der Lage war zu sprechen.

»Ich bin sofort bei Ihnen!«, rief sie ins Telefon und drückte es Hilde wieder in die Hand.

»Herr Lohmüller hat einen Asthmaanfall!« Sie rannte in die Diele und nahm ihren Notfallkoffer an sich. »Wenn Werner kommt, wartet nicht mit dem Essen auf mich.«

»Deine Jacke!«, rief Hilde ihr nach, doch Andrea war schon aus der Haustür. Die Jacke war jetzt nicht wichtig. Wichtig war nur, dass sie alle nötigen Medikamente und Utensilien bei sich hatte.

Eilig fuhr sie ihren Wagen aus der Garage. Als sie die Straße hinunterfuhr, sah sie im Rückspiegel, wie sich ein anderes Auto näherte und dann in ihre Einfahrt einbog. Also war Werner gerade in dem Moment nach Hause gekommen, in dem sie zu einem Notfall gerufen wurde.

***

Zum Glück hatte sie nicht weit zu fahren. Alfons Lohmüller wohnte ebenfalls im sogenannten Musikerviertel, wo die Straßen nach berühmten Komponisten benannt waren. Während die Jugendstilvilla der Bergens in der Beethovenstraße stand, befand sich das ältere Einfamilienhaus der Lohmüllers am Wagnerweg.

Keine zwei Minuten später hatte Andrea ihr Ziel erreicht. Sie parkte vor dem Haus und lief durch den Vorgarten zur Haustür, die bereits offen stand.

Sie brauchte nicht nach dem Patienten zu suchen, sondern nur den Hustengeräuschen nachzugehen. Alfons Lohmüller saß im Bad auf einem Hocker und hielt sich ein Inhalationsspray in den Mund. Doch da er ständig husten musste, verfehlte das Spray sein Ziel.

Sanft nahm Andrea es ihm aus der Hand. »Herr Lohmüller.« Während sie ihren Notfallkoffer öffnete, redete sie beruhigend auf ihn ein.

Als Erstes legte sie ihm eine Nasensonde an und führte ihm Sauerstoff zu. Dann korrigierte sie seine Körperhaltung, sodass er aufrecht saß, was ihm das Atmen erleichterte. Dabei fragte sie sich, warum er das nicht von selbst getan hatte, statt so zusammengesunken dazusitzen. Erinnerte er sich nicht mehr an diese wichtige Selbsthilfe?

Andrea nahm sich vor, mit ihrem Patienten noch einmal alle Punkte durchzugehen, die ihm bei einem Asthmaanfall Erleichterung verschaffen konnten.

Sie stellte ihm Fragen nach den Medikamenten, die er bereits genommen hatte. Da er nicht sprechen konnte, bat Andrea ihn, entweder zu nicken oder den Kopf zu schütteln. Leider funktionierte diese Methode nicht sehr gut, da Alfons Lohmann sich bereits in einem verwirrten Zustand befand. So entschloss sie sich zu einer Dauerinfusion mit einem Beta-2-Sympathomimetikum und zu einer Theophyllinspritze.

Die Notärztin wollte ihrem Patienten das Mittel gerade injizieren, als er unruhig wurde und ihre Hand abwehrte. Obwohl er immer noch husten musste und seine Atemgeräusche lebensbedrohlich klangen, stand er auf und wankte aus dem Bad.

In der Meinung, er wolle sich bequemer ins Wohnzimmer setzen, folgte Andrea ihm. Doch stattdessen ging Alfons Lohmüller in die Diele und wollte die Hundeleine vom Haken nehmen, wobei er beinahe gestürzt wäre.

Andrea war klar, dass er nicht richtig bei sich war, was bei einem lebensbedrohlichen Asthmaanfall häufig vorkam. Einen Hund gab es bei den Lohmüllers nicht mehr; das Tier hatte im letzten Jahr eingeschläfert werden müssen.

Sie konnte den alten Herrn jetzt unmöglich allein lassen. Als sie ihn am Arm nehmen und ins Wohnzimmer führen wollte, wehrte er sich trotz seiner Schwäche und strebte mit letzter Kraft der Haustür zu.

»Herr Lohmüller, wo wollen Sie denn hin?« Andrea holte ihr Handy aus der Tasche. Der Husten des Mannes hatte jetzt etwas nachgelassen, dafür machte ihr der blaue Schimmer auf seinen Lippen neue Sorge. Es war besser, den Rettungsdienst zu rufen.

Alfons Lohmüller deutete zur Garage. Offenbar hatte er vor wegzufahren, was Andrea natürlich nicht zulassen konnte.

»Möchten Sie ins Krankenhaus?«, fragte sie, doch er schüttelte den Kopf. Seinem Gestammel entnahm sie, dass er zum Friedhof wollte.

»Gut, kommen Sie.« Wieder nahm Andrea ihn am Arm. Doch statt mit ihm zur Garage zu gehen, bugsierte sie den immer noch stark hustenden Mann zu ihrem eigenen Auto und half ihm auf den Beifahrersitz, was er glücklicherweise willig geschehen ließ.

Bevor sie sich hinters Lenkrad setzte, rief sie rasch in der Notaufnahme des Elisabeth-Krankenhauses an und gab Bescheid, dass sie einen Asthmapatienten brachte, der einen lebensbedrohlichen Anfall gehabt hatte und dessen verwirrter Zustand es nicht erlaubte, dass er allein gelassen wurde.

Bevor sie losfuhr, kontrollierte sie noch einmal die Werte des Patienten. Ihre Sorge wuchs, als sie feststellte, dass der Pulsdruck weiter gefallen war und der Peak-Flow, die maximale Ausatmungsgeschwindigkeit, unter vierzig Prozent des Sollwertes gesunken war. Rasch injizierte sie dem Mann noch ein Magnesiumsulfat und gab ihm eine Flasche Wasser zu trinken.

In rascher Fahrt ging es in Richtung Elisabeth-Krankenhaus. Als Andrea zweimal an einer roten Ampel halten musste und dadurch wertvolle Zeit verlor, fragte sie sich in aufsteigender Panik, ob ihre Entscheidung, den Patienten selbst in die Notaufnahme zu bringen, richtig gewesen war.

Sie hatte geglaubt, Zeit zu sparen, doch ein Rettungswagen, der Blaulicht und Sirene einsetzen konnte, wäre vermutlich schneller gewesen. Andererseits wäre Alfons Lohmüller nicht freiwillig in einen Rettungswagen gestiegen. Deshalb hatte er sie auch privat angerufen, statt den Notruf zu wählen.

Endlich hatten sie grüne Welle. Alfons Lohmüller, der zusammengesunken auf dem Beifahrersitz hockte, begann wieder zu röcheln, dass es einem himmelangst werden konnte. Andrea warf ihm besorgte Blicke zu. Sie konnte jetzt unmöglich anhalten und ihm noch einmal ein Mittel geben.

Andreas Hände, mit denen sie das Lenkrad umklammerte, waren schweißnass, ihre Nervosität verstärkte sich. Mit quietschenden Reifen bog sie in die Rheinpromenade ein. Zum Glück würden sie es bald geschafft haben. Es herrschte auch nicht viel Verkehr. Um diese Zeit saßen die meisten Leute beim Abendessen oder vor dem Fernseher.

Plötzlich war ein Polizeiauto mit Blaulicht und Sirene hinter ihr. Andrea brach der Schweiß aus. Es war offensichtlich, dass sie aufgrund ihres erhöhten Tempos aufgefallen war. Trotzdem nahm sie nicht das Gas weg, im Gegenteil. Wenn sie von der Polizei aufgehalten wurde, würden sie es nicht mehr rechtzeitig schaffen. Die eine Minute, in der sie dem Beamten erklären musste, weshalb sie so raste, wäre zu viel. Alfons Lohmüller würde einen qualvollen Erstickungstod sterben!

Glücklicherweise war das Elisabeth-Krankenhaus nicht mehr weit. Sobald die Beamten merkten, dass sie die Notaufnahme ansteuerte, würden sie sich denken können, warum sie so schnell gefahren war. Wenn es um ein Menschenleben ging, würden sie bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung sicher beide Augen zudrücken. Immerhin hatte sie keine anderen Verkehrsteilnehmer gefährdet.

Andrea blieb beinahe das Herz stehen, als mit einem Mal eine Motorradstreife aus einer Seitenstraße kam und sie zum Halten zwang. Oh Gott, das durfte nicht wahr sein! Und neben ihr rang Alfons Lohmüller trotz der Sauerstoffzufuhr verzweifelt nach Luft.

Andrea ließ das Seitenfenster herunter.

»Hören Sie, dieser Mann hier hat einen schweren Asthmaanfall und ich muss …«

»Wagenpapiere und Führerschein«, schnarrte der Polizeibeamte erbarmungslos und streckte auffordernd die Hand aus.

***

Der Typ sah wirklich nett aus. Schon vor ein paar Tagen hatte sich Maika Forsberg sein Profilbild sehr genau angesehen, als sie auf der Webseite einer Mitfahrzentrale nach einer Mitfahrgelegenheit an den Rhein gesucht hatte, wo sie zu Hause war. Sie war über das Wochenende bei ihrer Freundin Hanna in Hannover zu Besuch und wollte am Montag wieder zurückfahren.

Stefan Beyler hieß der Mann, der seine Fahrdienste anbot. Er wohnte in derselben Stadt wie sie. Montagvormittag hätte sie Gelegenheit, mit ihm zu fahren, und Maika war fest entschlossen, auf sein Angebot zu antworten. Nicht nur, weil es ein bequemer und billiger Weg war, um wieder nach Hause zu kommen, sondern auch, weil sie diesen Stefan kennenlernen wollte. Was sie sich davon versprach, konnte sie allerdings nicht sagen.

Oder doch? Hoffte sie, dass er an ihr Gefallen finden und ein Wiedersehen vorschlagen würde, wenn sie am Ziel angelangt waren?

Zum wiederholten Mal betrachtete Maika sein Foto. Dieser Stefan Beyler gefiel ihr einfach zu gut. Dunkelblonde Wuschelhaare, weltoffen blickende graugrüne Augen und ein charmantes Lächeln, bei dem man Herzklopfen bekommen konnte. Zumindest war das bei ihr der Fall.

»Stefan«, flüsterte Maika und streichelte mit dem Finger sein Gesicht auf dem Bildschirm.

»Was machst du da?«, tönte es in diesem Augenblick von der Tür her. »Und mit wem redest du?«

Es war Hanna, die gerade durch die offene Tür ins Zimmer gekommen war. Maika spürte, wie sie rote Ohren bekam. Rasch wollte sie die Webseite wegklicken, doch in der Hast entglitt die Computermaus ihrer Hand und landete unter dem Schreibtisch.

»Wer ist das?«, wollte Hanna prompt wissen, während sie neugierig näher kam. Mit dem Finger deutete sie auf Stefan Beylers Konterfei.

Maika bückte sich und hob die Maus auf.

»Und warum bist du so rot geworden?«, fügte Hanna anzüglich hinzu. »Hat das mit diesem Typen zu tun? Wo surfst du da überhaupt …? Was, Mitfahrgelegenheit?« Hanna schnaufte empört. »Du wirst dich doch nicht auf so was einlassen?«

Maika hatte sich inzwischen wieder unter Kontrolle.

»Warum nicht?«, gab sie zur Antwort. »Das ist alles total seriös. Fahrer und Mitfahrer müssen sich anmelden und ein Profil erstellen und werden auch bewertet. Auf die Leute kann man sich schon verlassen.«

»Meinst du.« Noch immer skeptisch betrachtete Hanna die Webseite und vor allem das Profilbild des dunkelblonden Mannes. »Dieser Stefan gefällt dir wohl, wie?«

Betont gleichmütig hob Maika die Schultern und ließ sie wieder sinken. »Er sieht doch ganz nett aus. Und vertrauenswürdig, finde ich.«

»Für mich hat er irgendwie was Verschlagenes an sich.« Hannas Stimme klang abfällig und enthielt eine deutliche Warnung.

»Was Verschlagenes?«, wiederholte Maika verblüfft.

»Ja. Der meint es nicht ehrlich. Das sehe ich ihm an.«

Maika war enttäuscht. Sie hatte nicht unbedingt erwartet, dass Hanna ihre Meinung teilte, denn sie hatte allen Männern für alle Zeiten abgeschworen. Doch sie hatte auch nicht eine solche Reaktion erwartet.

»Nur, weil du schlechte Erfahrungen gemacht hast, kannst du nicht alle Männer über einen Kamm scheren«, erwiderte sie. »Das ist einfach nicht fair.«

Hanna machte eine wegwerfende Handbewegung. »Das tue ich auch nicht. Aber diesem Kerl schaut die Schlitzohrigkeit doch schon aus den Augen. Von dem würde ich echt die Finger lassen.«

Maikas Blick suchte wieder Stefan Beylers Profilbild.

»Sorry, aber ich kann deine Meinung echt nicht teilen«, sagte sie, während sie in Gedanken Stefans Lippen küsste. »Ich finde ihn einfach lieb und nett.«