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Die Notärztin traut ihren Ohren nicht, als sie hört, dass Armin Thienemann sich einfach aus dem Staub gemacht hat. Dabei waren er und seine Frau doch so glücklich!
Böse Zungen behaupten, er habe eine andere. Doch Dr. Andrea Bergen glaubt, dass mehr dahintersteckt.
Und richtig. Die Hinweise darauf, dass Armins überstürzte Flucht kompliziertere Gründe haben muss, verdichten sich. Offenbar hat er auch Firmengelder veruntreut. In einem Brief, den er an seine Frau schickt, gesteht er ihr, dass er unter Spielsucht leidet und sich zu sehr schämt, um ihr noch einmal unter die Augen treten zu können. Doch Nora liebt ihren Mann nach wie vor und möchte ihn zurück. Bloß, wo soll sie ihn suchen? Da ist guter Rat teuer ...
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Seitenzahl: 112
Veröffentlichungsjahr: 2017
Cover
Impressum
Wie soll ich dir noch in die Augen sehen?
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2017 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: shutterstock / fizkes
Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-5449-2
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Ich traue meinen Ohren nicht, als ich das höre! Armin Thienemann, der Mann der hübschen Besitzerin der großen Modefirma in unserer Stadt, hat sich einfach aus dem Staub gemacht. Dabei waren die beiden so glücklich! Gut, in letzter Zeit war Armin schon etwas seltsam … Böse Zungen behaupten, er habe eine andere. Doch ich denke, da steckt mehr dahinter.
Und richtig. Die Hinweise darauf, dass Armins überstürzte Flucht kompliziertere Gründe haben muss, verdichten sich. Offenbar hat er auch Firmengelder veruntreut. Doch warum er das getan hat, hätte selbst ich nicht erraten.
In einem Brief, den er an seine Frau schickt, gesteht er ihr, dass er unter Spielsucht leidet und sich zu sehr schämt, um ihr noch einmal unter die Augen treten zu können. Doch Nora liebt ihren Mann nach wie vor und möchte ihn zurück. Bloß, wo soll sie ihn suchen? Da ist guter Rat teuer …
Nachdenklich rieb Nora Thienemann sich das Kinn, während sie ihre Entwürfe an der Pinnwand betrachtete. Die neue Herbstkollektion der Bekleidungsfabrik »Stoller & Thienemann« war so gut wie abgeschlossen, doch sie wollte noch einige Modelle hinzufügen.
Schon als Kind hatte sie mit großer Hingabe und Leidenschaft kleine Modepüppchen gemalt und ausgeschnitten, für die sie dann immer wieder neue Kleider entworfen hatte. Ihr Vater war sehr stolz auf sie gewesen und hatte gemeint, dass sie einmal die perfekte Chefin für die Bekleidungsfabrik sein würde – zumindest, was den Bereich Mode betraf. Für das Geschäftliche sollte sie sich einmal einen tüchtigen Mann suchen.
Beides war genau so passiert. Nach dem Tod ihres Vaters war sie die einzige Erbin gewesen. Ihre Mutter war schon gestorben, als Nora noch keine fünf Jahre alt gewesen war, und Geschwister hatte sie keine. Also hatte sie die Firma übernommen. Zu diesem Zeitpunkt war sie längst mit ihrer Ausbildung zur Modedesignerin fertig gewesen und hatte bereits einige Jahre sehr erfolgreich in der Firma gearbeitet.
Auch den passenden Mann hatte sie gefunden. Nicht, dass sie gezielt nach einem Betriebswirt gesucht hätte, der sie einmal bei der Leitung der Bekleidungsfabrik unterstützen würde. Vielmehr hatten Armin und sie sich auf einem Faschingsball kennengelernt. Es war Liebe auf den ersten Blick gewesen.
Armin war damals noch auf die Uni gegangen. Nach seinem Abschluss war er in die Firma eingetreten, wo er von ihrem Vater gründlich eingearbeitet worden war. Zwei Jahre später hatten sie geheiratet, und wieder zwei Jahre später war ihr Vater gestorben.
Armin und sie waren immer noch so verliebt wie am ersten Tag – oder sogar noch mehr. Ihre Liebe war ständig gewachsen, und heute waren sie das glücklichste Paar unter der Sonne.
Nora lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf die neuen Entwürfe.
»Hmmm …«, machte sie.
Etwas gefiel ihr an dem dreiteiligen Ensemble noch nicht so recht, aber sie hätte nicht sagen können, was es war.
»Das war aber ein nachdenklicher Seufzer«, sagte jemand an der Tür.
Nora wandte den Kopf.
»Oh, du bist es, Bea.« Lächelnd drehte sie sich zu ihrer Schnittdirektrice um, mit der sie auch befreundet war. »Komm her, und sag mir, was an diesem Ensemble nicht stimmt.«
Bea Martens – eine mollige Frau Mitte vierzig, die schon seit über zwanzig Jahren in der Firma arbeitete – kam näher. Mit kritischen Blicken betrachtete sie die Skizzen.
»Der Ausschnitt«, stellte sie dann fest. »Er sitzt zu hoch, was das gesamte Outfit unattraktiv und altmodisch erscheinen lässt. Ich würde die Linie hier nach unten ziehen und den Jackenausschnitt anpassen. So etwa …«
Bea nahm Stift und Papier und skizzierte den Ausschnitt, wie sie ihn sich vorstellte. Dann änderte sie die Linienführung des Blazers.
»Und die Taschen würde ich schräg ansetzen«, bemerkte sie noch.
Immer noch leicht unschlüssig kaute Nora auf ihrer Lippe. Beas Vorschläge gefielen ihr zwar, aber das Gesamtbild war immer noch nicht so recht nach ihrem Geschmack.
»Ich sehe schon, es gefällt dir nicht«, stellte ihre Direktrice fest.
»Oh, doch«, widersprach Nora. »Ich werde daran arbeiten. Danke auch für die Anregungen.«
»Kein Problem. Hast du Zeit für einen Kaffee?«
»Ehrlich gesagt nicht«, lehnte Nora ab. »Ich möchte das hier noch zu Ende bringen, bevor ich nach Hause fahre.«
»Es ist gerade erst zwei Uhr«, wandte Bea ein.
»Eben. Ich habe heute noch Großes vor«, erwiderte Nora lächelnd.
»Ah, Küchenkreationen.« Bea grinste. Mode zu entwerfen war Noras Beruf, tolle Tortenkreationen waren ihr Hobby. »Gut, dann werde ich dich ein andermal zu einem Kaffee überreden.«
»Morgen«, stellte Nora in Aussicht. »Dann bringe ich dir ein Stück Torte mit.«
»Fantastisch!« Bea griff sich an die Hüften. »Du bist dir doch hoffentlich darüber im Klaren, dass ich meinen Speck nur dir zu verdanken habe?«
»Natürlich, ich bin wie immer an allem schuld«, gab Nora trocken zurück.
Bea lachte. »Hoffentlich kriegst du jetzt deswegen keine Komplexe. Bring die Torte nur mit, mir läuft schon jetzt das Wasser im Mund zusammen.«
»Falls sie mir gelingt«, schränkte Nora ein.
»Bestimmt.« Bea tätschelte ihr den Arm. »Bis morgen dann.«
Nachdem sie hinausgegangen war, wandte Nora sich wieder ihren Skizzen zu. Sie änderte den Entwurf des dreiteiligen Ensembles nach Beas Vorschlägen und fügte noch eigene Vorstellungen hinzu, bis sie voll und ganz zufrieden war.
Anschließend fuhr sie nach Hause.
Hoffentlich hat Jelena die Zutaten für die Torte nicht vergessen, dachte sie bei sich.
Nora wollte sie heute Abend zum Dessert servieren. Um das Abendessen selbst brauchte sie sich nicht zu kümmern. Das würde Jelena erledigen, ihre russische Zugehfrau. Sie sorgte für ihr und Armins leibliches Wohl und hielt das Haus in Ordnung.
***
Nach kurzer Fahrt lenkte Nora ihren Wagen den Klosterberg hinauf in eines der begehrtesten Wohngebiete der Stadt. Auf einer kleinen Anhöhe thronte eine geschichtsträchtige Klosterruine, und um den Hügel herum standen moderne Wohnhäuser, die wiederum von weitläufigen, parkähnlichen Gärten und Terrassenanlagen umgeben waren.
Eines davon – eine ansprechende Konstruktion aus dunklem Holz, Naturstein und Glas – gehörte den Thienemanns. Noras Herz weitete sich, als sie in die Einfahrt einbog. Wie sehr sie ihr schönes, gemütliches Zuhause liebte! Armin hatte das Haus nach ihren Vorschlägen bauen lassen. Dinge zu entwerfen war ihr Leben – ob es sich um Mode, Torten oder Wohnräume handelte.
Nora fuhr den Wagen in die Garage und nahm ihre Tasche an sich. Als sie das Haus betrat, wehten ihr verführerische Essensdüfte entgegen. Sie legte ihre Sachen in der Diele ab und ging dann in die Küche, wo Jelena in einem großen Topf rührte.
»Mhmm, das riecht ja wieder lecker hier«, lobte sie, nachdem sie ihre Haushaltshilfe begrüßt hatte.
Nora spähte in den Topf, nahm einen Löffel zur Hand und probierte den Borschtsch. Sie hatte sich den berühmten russischen Eintopf für heute Abend gewünscht, statt einem von Jelenas üppigeren Gerichten, bei denen meistens kein Platz mehr für einen Nachtisch blieb.
»Ich hab den Borschtsch etwas verfestlicht«, erklärte ihre Haushaltshilfe mit geheimnisvoller Miene. »Mit einem dicken Schuss Wein.«
Nora legte den Löffel zur Seite und lächelte.
»Jelena, ›verfestlicht‹ ist kein korrektes Wort«, korrigierte sie die Russin, die – von kleinen Ausreißern einmal abgesehen – gut Deutsch sprach. »Sie haben dem Borschtsch mit einem ordentlichen, nicht dicken, Schuss Wein eine festliche Note verliehen. So klingt es besser.«
»Das ist viel zu umständlich«, winkte Jelena unbekümmert ab. »Verfestlicht ist einfacher, weil nur ein Wort.«
»Na, wie Sie meinen«, erwiderte Nora amüsiert. »Auf jeden Fall schmeckt der Borschtsch fantastisch. Mein Mann wird begeistert sein. Sie wissen ja, wie gern er ihn isst.«
Bevor Nora sich an das Zusammensetzen der Torte machte – die Böden hatte sie bereits am Morgen gebacken – machte sie zur Entspannung erst einmal einen Rundgang durch ihren geliebten Garten. Sie inhalierte den Duft der Blumen und blühenden Sträucher förmlich. Nora liebte diese Jahreszeit, wenn Bäume, Hecken und Büsche sich in neuem frischem Grün zeigten und es in allen Ecken blühte und duftete.
Sie setzte sich auf eine der steinernen Stufen und genoss den Anblick des wunderschönen Magnolienbaumes, der in voller Blüte stand. Bienen und andere Insekten summten um die Blüten herum, in den Ahornbäumen zwitscherten die Vögel.
Nora seufzte wohlig. Ja, sie war glücklich! Sie hatte alles, was sie sich nur wünschen konnte. Einen lieben Mann, der sie auf Händen trug und der sie ebenso innig liebte wie sie ihn, ein Traumhaus in einer wunderschönen Gegend und eine lukrative Bekleidungsfabrik, die ihnen ein komfortables Leben sicherte.
Nur Kinder fehlten ihnen noch zu ihrem Glück. Doch damit wollten beide sich Zeit lassen, erst einmal das Leben genießen. Armin und sie liebten Restaurantbesuche und gingen gern ins Theater. Zwei Mal im Jahr gönnten sie sich eine Urlaubsreise. Wenn erst einmal Kinder da waren, würden sie auf einiges verzichten müssen – zumindest in den ersten Jahren.
Leider hatte Nora auch ein kleines Handikap. Seit einem schweren Unfall vor zehn Jahren, bei dem sie eine Schädelfraktur mit Hirnblutung erlitten hatte, bekam sie hin und wieder noch leichte epileptische Anfälle. Früher war sie deswegen oft deprimiert gewesen. In den letzten Jahren jedoch waren die Anfälle so selten geworden, dass Nora kaum noch darüber nachdachte.
»Frau Thienemann, ich gehe«, rief Jelena nach draußen. Sie hatte bereits ihren Fahrradhelm auf dem Kopf. »Oder haben Sie noch Arbeit für mich?«
»Nein, danke«, rief Nora zurück. »Bis morgen, Jelena.«
»Bis morgen, Frau Thienemann.«
Nun gehörte die Küche ihr. Mit Hingabe schmolz Nora Schokolade, rührte Cremefüllungen, schnitt Früchte und setzte die Torte zusammen. Zum Schluss ging es ans Verzieren.
Stolz und zufrieden blickte sie dann auf ihr kulinarisches Kunstwerk. Armin würde begeistert sein. Er liebte Süßes, vor allem Schokolade.
Dann stellte sie die Torte in den Kühlschrank. Armin konnte jeden Moment nach Hause kommen. Kaum hatte sie den Gedanken zu Ende gedacht, hörte sie auch schon das vertraute Motorengeräusch seines Mazda.
Nora lief in die Diele, um ihren Mann zu begrüßen.
»Hallo, da bist du ja!«
Sie legte die Arme um seinen Nacken und küsste ihn auf den Mund.
»Guten Abend, Liebes.« Zärtlich strich Armin ihr mit dem Finger über die Wange und schmunzelte, als er ihre schokoladenbekleckste Schürze sah. »Ich hatte vor, dich heute zum Essen in das neue indonesische Restaurant einzuladen, aber wie ich sehen und riechen kann, hast du für heute Abend bereits andere Pläne.«
»Allerdings«, bestätigte Nora. »Ich hoffe, du bist nicht allzu enttäuscht, wenn du mit Jelenas Festtags-Borschtsch und meiner Kaki-Marzipan-Schokoladentorte vorliebnehmen musst.«
»Ooohhh …«, machte Armin gedehnt. »Das klingt absolut schrecklich – schrecklich lecker! Da verwerfe ich sofort jeden Gedanken an irgendwelche Restaurants. Ich wollte dir nur Arbeit ersparen. Aber damit bin ich offenbar ein wenig spät dran.«
»Allerdings«, erwiderte Nora vergnügt. »Ich nehme aber gern einen Gutschein für spätere Gelegenheiten an.«
»Den sollst du haben.« Armin küsste sie auf die Nasenspitze. »Habe ich noch ein paar Minuten Zeit? Ich hätte vorher noch einige Anrufe zu erledigen und E-Mails zu schreiben.«
»Aber ja. In der Zwischenzeit kann ich mich dann umziehen.«
Während Armin in seinem Arbeitszimmer verschwand, ging Nora hinauf ins Schlafzimmer. Dort holte sie frische Wäsche aus dem Schrank, zog sich aus und betrat die Duschkabine.
Nachdem sie geduscht hatte, schlüpfte sie in einen bequemen Hausanzug aus dunkelblauem Velourssamt und bürstete sich die Haare. Ein leichtes Make-up noch, und sie war fertig.
Sie ging hinunter ins Arbeitszimmer. Armin saß an seinem Schreibtisch und starrte angestrengt auf den Bildschirm seines Computers.
Er arbeitet zu viel, ging es Nora durch den Kopf. Heute Morgen ist er schon um kurz nach sechs in die Firma gefahren, und jetzt arbeitet er immer noch.
Armin sah furchtbar müde und abgespannt aus. Es wurde Zeit, dass sie sich mal wieder einen Urlaub gönnten.
»Störe ich dich?«, fragte Nora leise.
Armin hob den Kopf und sah ihr mit einem liebevollen Lächeln entgegen.
»Du störst mich nie«, versicherte er ihr. »Dazu liebe ich dich viel zu sehr.«
Nora glitt auf seinen Schoß und schmiegte sich an ihn.
»Naja, ich liebe dich schließlich ebenso. Aber wenn du mir in der Küche im Weg herumstehst und dauernd aus den Töpfen naschst, dann störst du mich schon manchmal.«
»Ah, gut zu wissen.« Armin grinste jungenhaft. Dann senkte er den Kopf und verteilte kleine Küsschen auf ihrem Hals und im Ausschnitt ihres Hausanzugs. »Mhmm, wie du duftest!«
Mit geschlossenen Augen genoss Nora seine Zärtlichkeiten. Sie liebte ihn so sehr! Wie schön es doch war, wenn er bei ihr war und ihr für ein paar Stunden allein gehörte.
Sie küssten und liebkosten sich. Rasch wurden ihre Küsse intensiver, die Sehnsucht stärker.
»Wollen wir wirklich erst essen?«, murmelte Armin rau.
»Nein, später ist noch genug Zeit«, entschied Nora und lächelte kokett. »Dann brauchen wir das Essen nicht so hinunterzuschlingen, sondern können es richtig genießen.«
Leise lachend schwang er sie auf seine Arme und trug sie hinüber zum Sofa.
***
Im Bereitschaftsraum des Elisabeth-Krankenhauses klingelte das Telefon. Jupp Diederichs, der Fahrer des Rettungswagens, nahm den Hörer ab und meldete sich.
»In Ordnung, wir kommen.« Er legte wieder auf und fuhr in seine Jacke. »Unfall in der Bekleidungsfabrik ›Stoller & Thienemann‹. Eine Angestellte hat sich beim Zuschneiden von Stoffen übel in die Hand geschnitten.«
»Oh Gott, schon wieder!«, stöhnte Ewald Miehlke, der Rettungssanitäter im Team. »Hatten wir nicht erst so einen Fall?«
»Das ist schon etwas länger her«, erinnerte sich Dr. Andrea Bergen, die junge hübsche Notärztin. »Damals hat sich ein Mann beim Saubermachen der Maschine geschnitten.«