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Wann werd' ich endlich große Schwester? - Warum die kleine Lili die Geburt ihres Brüderchens kaum erwarten konnte
Endlich große Schwester sein! Von dem Moment an, als die kleine Lili erfährt, dass ihre Mama noch ein Baby bekommt, zählt sie die Tage, bis sie endlich ihr Geschwisterchen im Arm halten kann! Baden, Windeln wechseln und Fläschchen geben, all das will Lili übernehmen, damit die Mama Hilfe hat.
Doch als der kleine Samuel auf der Welt ist, ist alles ganz anders als gedacht: Das Baby schreit den lieben langen Tag, die Mama weint und hat gar keine Zeit mehr, mit Lili zu spielen. Und nun ist auch noch der Papa ausgezogen, weil er Sammys Geschrei nicht mehr ertragen kann! Nein, so hat sich Lili das Große-Schwester-Sein nicht vorgestellt! Am liebsten würde sie den Bruder wieder abgeben ...
Als ihre Mama kurz darauf bei einem Ausflug vor Erschöpfung auf der Parkbank einnickt, schiebt Lili den Kinderwagen tiefer in den Park hinein. Später fehlt von Baby Sammy jede Spur - und für Marielle, die Mutter der Kinder, wird der schlimmste Albtraum Wirklichkeit ...
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Seitenzahl: 127
Veröffentlichungsjahr: 2018
Cover
Impressum
Wann werd' ich endlich große Schwester?
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: Batkova Elena / shutterstock
Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-6829-1
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Bei der Erinnerung an die Begegnung mit der kleinen Lili wird mir das Herz ganz schwer. »Da, Tante Bergen, du kannst ihn haben!« Eine dicke Träne lief ihr über die Wange, als Lili mir den Kinderwagen mit ihrem Brüderchen Sammy zuschob.
Dabei hat sie noch vor wenigen Wochen seine Geburt kaum erwarten können! Doch in der Zwischenzeit ist viel passiert – und wenig Gutes: Lilis Vater Carsten hat die Familie verlassen, seine Ehe mit Marielle scheint zerbrochen zu sein! Und Samuel, der heiß ersehnte Sonnenschein, hat sich als ein Schreikind entpuppt, das seine Mutter um die letzten Kraftreserven bringt! Aber vor allem ist da meine kleine Freundin Lili, die sich zunehmend zurückgesetzt fühlt und den »blöden Bruder«, wie sie sagt, am liebsten wieder loswerden würde. Denn sie glaubt, dass dann der Papa zu ihr und der Mama zurückkommt …
Lili ist ein sehr entschlossenes Persönchen, und ich traue ihr vieles zu. Nicht, dass sie ihren Plan, Klein-Sammy abzugeben, tatsächlich wahr macht und das Baby ungewollt in Gefahr bringt …
Carsten wird mir das nie verzeihen, dachte Marielle Bonhoff niedergeschlagen. Sie konnte es ihm nicht einmal übel nehmen.
Voller Schmerz blickte sie auf die Tür, durch die ihr Mann gerade gegangen war. Auch dieser Abend hatte wieder in der üblichen Missstimmung geendet. Würde es nun bis zur Geburt ihres Babys so weitergehen?
Sie hörte die Haustür ins Schloss fallen. Einen Moment später wurde ein Motor angelassen. Ein Auto fuhr aus der Einfahrt und die Straße hinunter – Carstens Auto.
Marielle stand auf und nahm die Gläser vom Couchtisch. Nach dem Abendessen hatten sie sich noch in die gemütliche Sitzecke gesetzt und etwas getrunken. Carsten hatte sich ein Pils genehmigt, Marielle trank während ihrer Schwangerschaft nur Saft und Wasser.
Traurig blickte sie auf das verwaiste Sofa, auf dem sie früher gern gekuschelt hatten. Früher, das war lange her. Zumindest kam es Marielle so vor. Seit ihrem »Verrat«, wie Carsten es genannt hatte, gab es kaum noch ein Kuscheln. Er hielt ihr nur immer wieder vor, dass sie ihn hereingelegt hatte.
Marielle ging in die Küche, um den Abwasch zu erledigen. Als sie glaubte, oben im ersten Stock ein Geräusch gehört zu haben, trat sie hinaus auf den Flur und lauschte. Doch alles blieb still. Sie musste sich getäuscht haben. Lili schien fest zu schlafen. Sie wollte später noch einmal nach ihr sehen.
Mechanisch sortierte Marielle das Geschirr in die Spülmaschine. Ihre Gedanken lösten sich von Carsten, der entweder zu seinen Eltern gefahren war oder jetzt in seiner Stammkneipe saß, und wanderten zu dem Buchprojekt, an dem sie seit einer Weile schrieb. Es sollte ein Ratgeber für Schwangerschaft und Geburt werden, und Marielle war überzeugt, dass sie zu diesem Thema einiges zu sagen hatte.
Natürlich würde sie nicht nur eigene Erfahrungen einbringen, sondern zu verschiedenen Themen gründlich recherchieren. Typische Erkrankungen während der Schwangerschaft zum Beispiel, von denen ihr Baby und sie hoffentlich verschont bleiben würden. Sie hoffte, dass sie einen Verlag finden würde, der sich für ihr Buch interessierte, damit etwas Geld ins Haus kam. Carsten dagegen lachte nur darüber, was sie schmerzte.
Nachdem sie in der Küche Ordnung geschafft hatte, ging sie hinüber ins Arbeitszimmer. »Computerzimmer«, nannte Carsten es. Durch eine Regalwand getrennt, hatte hier jeder seinen Schreibtisch stehen. Marielle setzte sich an den ihren und schaltete ihren Laptop ein.
Sie versuchte, sich auf ihr Manuskript zu konzentrieren, doch es gelang ihr nicht. Mehrmals las sie die letzten Abschnitte durch, ohne den Text wirklich aufzunehmen. Es hatte keinen Sinn, heute Abend noch weiterzuschreiben. Sie fühlte sich einsam und verlassen, richtig deprimiert.
Einen Moment lang spielte sie mit dem Gedanken, ihre Mutter anzurufen. Oder eine Freundin. Irgendjemanden, mit dem sie reden konnte. Doch dann verwarf sie den Gedanken wieder. Sie wollte anderen nichts vorjammern, vor allem nicht, wenn sie an ihrer Misere selbst schuld war.
»Misere« – was für ein schreckliches Wort für ein normalerweise freudiges Ereignis! Wie abbittend strich sich Marielle über den runden Bauch, der bereits beträchtliche Ausmaße angenommen hatte. Nein, ihr Baby war keine Misere. Sie freute sich trotz allem darauf. Und wenn es erst einmal da war, würde auch Carsten sich freuen und ein ganz stolzer Papa sein.
Marielle klappte den Laptop wieder zu. Sie würde morgen weiterarbeiten, wenn Lili im Kindergarten war. Dann ging ihr die Arbeit sicher besser von der Hand.
Gedankenvoll blickte sie vor sich hin. Wie oft hatte sie sich schon gewünscht, die Zeit zurückdrehen zu können! Nicht, dass sie ihre Schwangerschaft rückgängig machen wollte, das nicht. Doch sie hätte etwas darum gegeben, wenn sie diese nicht gegen den Willen ihres Mannes mehr oder weniger erzwungen hätte.
Ihre Gedanken wanderten zurück zum letzten Jahr. Marielle hatte sich sehnlichst ein zweites Kind gewünscht, ein Geschwisterchen für Lili. Carsten dagegen wollte keins mehr. Zumindest nicht, solange es ihnen finanziell nicht so gut ging. Später vielleicht. Doch da wäre Marielle der Altersunterschied zwischen den Kindern zu groß gewesen. So hatte sie heimlich die Pille abgesetzt und es erst später ihrem Mann gestanden, als sie bereits schwanger gewesen war. Das hat er ihr bisher nicht verziehen.
Seitdem kriselte es in ihrer Ehe. Was würde sie darum geben, wenn Carsten ihr vergeben und sich ebenso auf das Kleine freuen würde wie Lili und sie! Doch das tat er nicht, was er auch deutlich zeigte. Marielle belastete das sehr. Alles war anders geworden, und es war allein ihre Schuld.
Schwerfällig stand sie auf und stieg die Treppe hinauf. Vor dem Spiegel im oberen Flur blieb sie stehen. Ihr Bauch sah wirklich so aus, als würde er jeden Moment platzen. Dabei hatte sie noch drei ganze Monate vor sich. Das lag daran, dass sie übermäßig viel Fruchtwasser hatte, wie Dr. Schwarzhaupt gemeint hatte, der sie durch ihre Schwangerschaft begleitete. Er war der Oberarzt auf der Gynäkologischen Station des Elisabeth-Krankenhauses, wo auch Lili vor vier Jahren zur Welt gekommen war.
Marielle fuhr sich durch die rotblonden Locken, die ihr bis auf die Schultern fielen. Sie wirkten ebenso glanzlos wie ihre graublauen Augen, unter denen dunkle Ringe lagen. Ihr Gesicht war blass, wie so oft in letzter Zeit. Diese zweite Schwangerschaft machte ihr mehr zu schaffen als die erste, und der Kummer, der damit einherging, war ihr deutlich anzusehen.
Marielle ging weiter zum Kinderzimmer. Leise öffnete sie die Tür. Wie erwartet schlief Lili tief und fest.
Mit einem zärtlichen Lächeln trat sie an das Bett ihrer Tochter. Lili hatte das lockige Haar von ihr geerbt. Wie ein kleiner Engel sah sie aus.
Lili wurde unruhig. Bevor Marielle sich zurückziehen konnte, war sie schon wach.
»Wann werd’ ich endlich große Schwester?«, murmelte sie im Halbschlaf.
»Bald, mein Schatz«, antwortete Marielle und gab ihr einen liebevollen Kuss. Dann war die Kleine auch schon wieder eingeschlafen.
Marielle ging hinüber ins Schlafzimmer. Während sie sich für die Nacht fertigmachte, dachte sie daran, wie wichtig es für Lili war, dass sie bald ein Geschwisterchen bekam. Im Gegensatz zu ihrem Vater freute sich die Kleine sehr auf das Baby. Sie wollte unbedingt auch eine große Schwester sein wie Hanna im Kindergarten. Die gab immer mächtig damit an.
Marielle schlüpfte in ihr Nachthemd und legte sich ins Bett. Nachdenklich blickte sie an die Decke, auf die das Licht der Nachttischlampe interessante Schattenmuster zeichnete.
Wenn nur diese Schulden nicht wären!
Im letzten Herbst waren die Bonhoffs in ein eigenes Haus gezogen, ihr Traumhaus. Leider war das nun mit hohen monatlichen Belastungen verbunden. Marielle hätte, nachdem Lili in den Kindergarten ging, auch wieder halbtags in ihrem Beruf als Sekretärin arbeiten sollen, doch dann war sie schwanger geworden. Als Heizungstechniker verdiente Carsten zwar nicht schlecht, aber auch nicht die Welt.
Immer wieder kam es zu finanziellen Engpässen und zu Auseinandersetzungen, wenn Marielle wieder einmal zu teure Sachen eingekauft hatte, die sie sich nicht leisten konnten, sei es für sich selbst oder für das Baby. Auch Delikatessen mussten nicht unbedingt auf den Tisch kommen, betonte Carsten immer wieder. Marielle sah es zwar ein, aber es fiel ihr schwer, darauf zu verzichten.
Ich werde die Sache mit meinem Ratgeber vorantreiben, nahm sie sich vor. Wenn er ein Erfolg wird, können wir uns wieder mehr leisten. Dann wird auch unser Verhältnis sich bessern.
Über diesen Gedanken schlief Marielle ein. Sie hörte nicht mehr, wie Carsten nach Hause kam, und sie bekam auch nichts davon mit, wie er sich auszog, zu ihr ins Bett kroch und seine Hand über ihre Hüfte gleiten ließ.
***
»Schon wieder der Kindergarten Sankt Martin!« Jupp Diederichs, der Fahrer des Rettungswagens, der den Notruf von der Einsatzzentrale entgegengenommen hatte, schüttelte den Kopf. »Können die nicht besser auf die Kinder aufpassen?«
»Was ist denn passiert?«, fragte Notärztin Andrea Bergen, während sie mit ihrem Team aus dem Bereitschaftsraum und hinaus zum Rettungswagen eilte.
»Wieder mal ist ein Kind von der Schaukel gefallen und hat sich den Kopf angeschlagen, genau wie beim letzten Mal«, wusste Jupp zu berichten.
»Das war aber nicht der Kindergarten Sankt Martin, sondern der Kinderhort am Brunnenweg«, korrigierte sein Freund und Kumpel Ewald Miehlke ihn, der Rettungssanitäter im Team.
»Klar, du musst ja immer alles besser wissen.« Jupp riss die Fahrertür des Rettungswagens auf und schwang sich hinter das Steuer.
Andrea Bergen setzte sich auf ihren Platz und legte den Sicherheitsgurt an.
»Ewald hat recht. Zum Kindergarten Sankt Martin sind wir schon lange nicht mehr gerufen worden, dafür so gut wie zu allen anderen im Umkreis. Stürze, Verletzungen mit der Schere, ein Kind wäre beinahe an Erdnussbutter erstickt … Erinnert ihr euch?«
Die beiden Sanitäter nickten. Jupp schaltete Blaulicht und Sirene ein und lenkte den Rettungswagen auf die Rheinpromenade hinaus.
Nur wenige Minuten später waren sie am Kindergarten Sankt Martin angelangt. Auf dem Spielplatz im Garten drängten sich die Kinder, die beiden Kindergärtnerinnen machten einen aufgeregten Eindruck. Das verletzte Kind schien am Boden zu liegen.
Mit ihrem Notfallkoffer unter dem Arm kletterte Andrea Bergen aus dem Rettungswagen. Jupp und Miehlke holten die Trage aus dem Wagen.
Im selben Moment fuhr ein blauer Kleinwagen heran und parkte neben ihnen. Die Autotür ging auf, und eine hübsche junge Frau mit rotblonden Locken stieg umständlich aus. Sie war hochschwanger.
»Was ist passiert?«, rief sie mit schreckgeweiteten Augen. Beinahe hysterisch griff sie nach dem Arm der Notärztin. »Sagen Sie mir, was passiert ist! Ist eins der Kinder verletzt?«
»Ein Kind ist von der Schaukel gefallen«, erklärte Andrea freundlich. Offenbar hatte die Frau Angst um ihr eigenes Kind. »Bestimmt ist es nicht schlimm«, fügte sie tröstend hinzu, bevor sie ihren beiden Sanitätern folgte.
Das Notarztteam eilte in den Garten, wo eine der Kindergärtnerinnen ihnen zuwinkte.
»Lili!«, rief die rotblonde Frau angstvoll und bahnte sich einen Weg durch die Umstehenden. »Lili! Wo ist meine Tochter?«
Andrea achtete nicht weiter auf sie. Gerade waren sie bei dem verunglückten Kind angelangt. Es handelte sich um einen kleinen Jungen von etwa drei Jahren, der erbärmlich schrie. Er lag auf dem Rücken, aus einer Wunde am Kopf rann Blut. Daneben hockte ein etwa fünfjähriges Mädchen, das ihn tröstete. Der Kleine war von der Schaukel gestürzt und hatte sich den Kopf an einem Pfosten angeschlagen.
»Ich weiß nicht, wie es passieren konnte«, sagte die eine Kindergärtnerin und seufzte gestresst. »Es ist aber auch schwierig, auf den Jungen aufzupassen. Dauernd tut er Dinge, die er nicht tun soll.«
»Wir fanden es besser, ihn so liegen zu lassen«, erklärte ihre Kollegin. »Timo wollte auch gar nicht aufstehen. Hoffentlich hat er sich nicht die Wirbelsäule verletzt.«
Die Notärztin begann mit einer gründlichen Erstuntersuchung. Gebrochen hatte sich der kleine Kerl zum Glück nichts. Außer der Kopfplatzwunde, die im Krankenhaus würde genäht werden müssen, und vermutlich einer Gehirnerschütterung hatte er nur Abschürfungen und Prellungen davongetragen. Trotzdem wollte sie ihn vorsichtshalber röntgen lassen.
»Legen Sie den Jungen vorsichtig auf die Trage und bringen Sie ihn in den Wagen«, bat Andrea Bergen ihre beiden Sanitäter.
Andrea Bergen verstaute ihre Utensilien wieder im Notfallkoffer. Sie hatte ihn gerade geschlossen, da fiel ihr Blick auf jene rotblonde Frau, bei der jetzt ein kleines Mädchen stand. Lili hieß es wohl. Mit seinen langen Locken war es das genaue Ebenbild seiner Mutter, auch wenn seine Haare etwas heller waren.
Andrea lächelte bei dem hübschen Anblick. Die Erleichterung darüber, dass ihrer Tochter nichts passiert war, stand der jungen Frau deutlich ins Gesicht geschrieben.
Die kleine Lili trat auf das Mädchen zu, das neben dem verunglückten Jungen gekniet hatte.
»Du bist eine schlechte große Schwester!«, sagte sie vorwurfsvoll. »Bestimmt muss Timo jetzt ganz lange im Krankenhaus liegen. Ich bin auch bald eine große Schwester, aber bestimmt eine bessere als du!«
»Ich bin eine gute große Schwester!«, rief das Mädchen aufgebracht. »Bin nicht schuld dran, dass Timo von der Schaukel gefallen ist. Hau ab, du dumme Kuh!«
»Selber dumme Kuh!«, gab die kleine Lili kriegerisch zurück.
»Schluss damit, ihr zwei«, fuhr die Kindergärtnerin dazwischen. »Hanna, deine Mama ist da. Lauf rasch zu ihr.«
Kopfschüttelnd wandte sie sich dann an Lilis Mutter. »Immer diese Rivalität zwischen den beiden Mädchen! Ist es denn so wichtig, große Schwester zu sein?«
»Offenbar schon«, erwiderte die schwangere Mutter mit einem kleinen Seufzer. »Hanna gibt auch immer damit an, was sie schon alles kann und weiß, im Gegensatz zu ihrem kleinen Bruder. Das will Lili nun auch. Deshalb kann sie es auch gar nicht mehr erwarten, bis …«
Andrea konnte das Gespräch nicht mehr länger verfolgen, denn sie sah jetzt eine Frau und jene Hanna auf den Rettungswagen zulaufen, in den Jupp und Ewald gerade die Trage mit dem kleinen Timo schoben.
Rasch nahm sie ihren Notfallkoffer und eilte ebenfalls zum Wagen.
***
Marielle vergewisserte sich, dass Lili den Sicherheitsgurt ihres Kindersitzes richtig angelegt hatte, und stieg dann selbst ins Auto.
Was für eine Aufregung!
Sie lenkte den Wagen auf die Straße hinaus. Das Mittagessen hatte sie bereits vorbereitet, doch für das Abendessen würde sie noch etwas einkaufen müssen.
Während der Fahrt plapperte Lili unentwegt über das »Unglück«.
»Wenn ich einen kleinen Bruder bekomme, passe ich viel besser auf ihn auf als die Hanna auf den Timo«, verkündete sie wichtig.
Marielle lächelte ihr im Rückspiegel zu. »Das würde ich toll finden. Aber ich hoffe doch, dass du auf dein Schwesterchen genauso aufpassen wirst, falls es ein Mädchen wird?«
Lili dachte kurz darüber nach. »Bin ich dann trotzdem noch große Schwester, wenn es eine Schwester wird?«
»Aber ja. Ob Brüderchen oder Schwesterchen, du wirst immer die große Schwester sein. Im Übrigen war es nicht Hannas Aufgabe, auf ihren kleinen Bruder aufzupassen, sondern die eurer Kindergärtnerinnen. Aber die können auch nicht ihre Augen überall haben.«
Marielle schlug den Weg zu dem neuen Einkaufszentrum ein, in dem es auch einige exklusive Läden sowie einen großen Supermarkt gab. In diesem erstand sie in der Fischabteilung einen sündhaft teuren kanadischen Meersaibling. Carsten liebte Fisch und zog ihn jedem Fleisch vor. Auch der Wein, von dem sie wegen ihrer Schwangerschaft leider nichts trinken durfte, war einer der gehobeneren Preisklasse. Schließlich konnte sie zu dem edlen Fisch keinen billigen Wein servieren. Den nahm sie nicht einmal zum Kochen.