Notärztin Andrea Bergen 1364 - Marina Anders - E-Book

Notärztin Andrea Bergen 1364 E-Book

Marina Anders

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Beschreibung

Nachts am Sorgentelefon - Doch plötzlich bricht der Anruf ab


Nur die kleine Tischleuchte verströmt ein wenig Licht, ansonsten ist es dunkel im Büro - dunkel und still. Die hübsche Cathrin, die in dieser Nacht Dienst am Sorgentelefon des Elisabeth-Krankenhauses tut, wirft einen sehnsüchtigen Blick auf das Telefon. Wird er heute wieder anrufen, der geheimnisvolle Mann, der sich nun schon mehrmals bei ihr gemeldet hat, um ihr sein Herz auszuschütten? Seine Frau ist todkrank und hat nicht mehr lange zu leben - Mirja ... Auch wenn Cathrin mit allen Anrufern fühlt, so geht von diesem traurigen Mann für sie eine ganz besondere Anziehung aus, die sie sich nicht erklären kann. In diesem Moment klingelt das Sorgentelefon, und am anderen Ende meldet sich der Mann, um den all ihre Gedanken kreisen. Doch kurz darauf hört Cathrin eine Frau im Hintergrund etwas zu ihm sagen. Dann erklingt sein markerschütternder Schrei - und die Verbindung reißt ab! Und Cathrin bleibt allein mit ihrer Angst und Sorge um ihren traurigen Anrufer ...

***

Notärztin Andrea Bergen ist eine Frau, deren Leben den Kranken gehört - aber auch mit eigenen Wünschen und Sehnsüchten nach Liebe und Geborgenheit. Spannungsreich und bewegend sind die Geschichten um sie und ihre Arbeit am Elisabeth-Krankenhaus.
Es sind Geschichten, die das Leben schrieb: voller Menschlichkeit und Herzensgüte, doch auch von Schicksalsschlägen und Trauer.

Genießen Sie alle 14 Tage eine neue, bewegende Geschichte rund um die starke 'Notärztin Andrea Bergen'.
Jede Folge ist in sich abgeschlossen und kann unabhängig von den anderen Folgen der Serie gelesen werden.

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Seitenzahl: 132

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Inhalt

Cover

Impressum

Nachts am Sorgentelefon

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: gradyreese / iStockphoto

Datenkonvertierung eBook: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam

ISBN 978-3-7325-7293-9

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

Seit dem ersten Tag erfreut sich das neue Sorgentelefon des Elisabeth-Krankenhauses großer Beliebtheit. Mit viel Einfühlungsvermögen und Mitgefühl geht die junge Cathrin Thoennes auf verzweifelte Menschen ein, hört ihnen zu und spendet ihnen Trost und Mut – beinahe rund um die Uhr. So konnte sie schon unzähligen Ratsuchenden helfen. Nur bei einem der Anrufer scheint ihr das nicht gelungen zu sein – und ausgerechnet dieser Mann lässt Cathrin nicht mehr los: Alles, was sie von ihm weiß, ist, dass er lange um einen geliebten Menschen gebangt und gekämpft, ihn aber doch verloren hat. Sein Schmerz muss unermesslich sein, das spürt Cathrin. Und sie fürchtet, dass dieser geheimnisvolle Mann, dessen Namen sie nicht kennt, nicht mehr leben will! Seit dem letzten, dramatischen Anruf meldet er sich nicht mehr! Um ihn zu retten, macht sich Cathrin nun auf die Suche nach ihm. Es beginnt ein dramatischer Wettlauf gegen die Zeit …

Professor Walter Hebestreit hob die Besprechung auf.

»Dann wünsche ich recht viel Erfolg mit unserer neuen Einrichtung, dem EK-Sorgentelefon«, sagte er abschließend. »Sollte ich einmal Kummer oder Ärger haben, was leider gelegentlich vorkommt, dann hoffe ich, dass auch ich mich bei Ihnen ausweinen darf.« Der weißhaarige, väterliche Chef des Elisabeth-Krankenhauses zwinkerte gutmütig.

»Aber selbstverständlich«, versicherte Elke Böhm, die Frau von Dr. Böhm, einem der Anästhesisten.

»Wir werden Sie gebührend trösten, Herr Professor«, versprach auch ihre Kollegin Cathrin Thoennes.

Die Teilnehmer erhoben sich von ihren Stühlen und gingen zur Tür. Auch Dr. Michael Vogel, der Krankenhauspsychologe, sowie Verwaltungschef Grossert hatten an der Besprechung teilgenommen, bei der es um das Sorgentelefon gegangen war, das die Krankenhausleitung hatte einrichten lassen. Dort sollten Patienten und Angehörige über ihre Sorgen, Gefühle und Ängste sprechen können, anonym oder nicht. Sinn und Zweck war es auch, Ärzte und Pflegepersonal zu entlasten, damit sie für ihre Patienten nicht auch noch den Seelentröster spielen mussten.

Für das Sorgentelefon war im dritten Stock ein kleiner Raum eingerichtet worden. Plakate in der Halle und auf allen Stationen wiesen auf diese neue Einrichtung hin. Am nächsten Tag sollte das Telefon zum ersten Mal verfügbar sein.

Cathrin Thoennes und Elke Böhm, beide Sozialarbeiterinnen und hauptberuflich in der Drogenberatung tätig, teilten sich mit anderen ehrenamtlichen Mitarbeitern diesen Job. Ihre flexiblen Arbeitszeiten ließen es zu, stundenweise das Sorgentelefon zu betreuen. Es war zu bestimmten Zeiten, auch nachts, zu erreichen.

»Was hältst du jetzt von einer schönen Tasse Kaffee?«, fragte Elke, als sie draußen auf dem Korridor waren.

Cathrin hakte sich bei ihr unter. »Oh, ausgesprochen viel. Gehen wir in die Cafeteria?«

Elke stimmte zu. Und so standen sie wenig später bei Fanny Reimers an der Theke.

»Ah, unsere neuen Kummertanten!«, begrüßte die Pächterin der Cafeteria sie mit einem breiten Lächeln. »Hatten Sie schon Anrufe von Hilfesuchenden?«

»Nein«, erwiderte Cathrin. »Das Sorgentelefon ist offiziell erst morgen zu erreichen.«

»Wir hatten nur noch eine kurze Besprechung mit dem Chef«, fügte Elke hinzu.

Fanny schnitt eine Grimasse. »Schade. Sonst hätte ich es heute gleich in Anspruch genommen.«

»Haben Sie denn Kummer?«, fragte Cathrin mitfühlend.

»Mit Max, meinem Mann.« An dem vergnügten Funkeln in Fannys Augen war zu erkennen, dass es nicht allzu ernst sein konnte. »Ich glaube, er wird alt. Ständig vergisst er etwas. Ich meine, so eine Cafeteria zu leiten ist kein Pappenstiel. Ich kümmere mich um das Essen, und Max ist für das Organisatorische zuständig. Da hat er doch glatt vergessen, rechtzeitig Kaffee nachzubestellen. Dafür hat er unsinnigerweise nochmals Klopapier geordert, obwohl wir doch sowieso schon viel zu viel auf Lager haben. Ich weiß schon gar nicht mehr, wohin damit.«

»Gehen Sie die Bestellungen doch in Zukunft mit Ihrem Mann gemeinsam durch«, riet Cathrin. »Dafür soll er Ihnen hinter der Theke helfen.«

Fanny nickte. »Gute Idee. Etwas mehr Teamarbeit würde ich wirklich schön finden. Früher haben wir das auch so gemacht. Aber irgendwann hat es sich eingebürgert, dass jeder nur seinen Bereich macht und keiner so richtig weiß, was der andere tut.«

»Da würde öfter mal eine kleine Besprechung helfen«, meinte Elke. »Abends zum Beispiel, bei einem Gläschen Wein.«

»Ich werde meinem Mann diesen Vorschlag unterbreiten.« Fanny lächelte. »Aber das mit dem Sorgentelefon war natürlich nur ein Scherz. Deswegen würde ich niemals anrufen.« Sie wurde wieder ernst. »Höchstens wegen unserer Tochter. Sie kennen ja unseren Kummer mit ihr. Dagmar war oft genug bei Ihnen in der Drogenberatung.«

Cathrin nickte gedankenvoll. Die achtzehnjährige Tochter der Reimers’ hatte ihren Eltern immer wieder Schwierigkeiten gemacht. Sie hatte keine Lust gehabt, ihre Lehre durchzuziehen, und sich einer ziemlich wilden Clique angeschlossen, in der Drogenkonsum gang und gäbe war.

Sie plauderten kurz über Dagmar. Die beiden Sozialarbeiterinnen freuten sich zu hören, dass sie sich inzwischen wieder etwas gefangen hatte.

»Dann haben Sie heute also gar keinen Kaffee?«, kam Cathrin schließlich auf den Grund ihres Besuchs zu sprechen.

»Oh, doch«, erwiderte Fanny. »Zum Glück war man im Personalrestaurant so nett, uns welchen zu leihen.«

Cathrin lachte. »Dann können Sie sich ja mit dem überschüssigen Toilettenpapier revanchieren«, schlug sie vor und Fanny und Elke lachten mit.

Fanny schenkte zwei Tassen Kaffee ein und stellte sie auf die Theke. Cathrin und Elke bezahlten und setzten sich dann an einen Tisch am Fenster.

Der Blick ging hinaus zum überdachten Außenbereich. Nur ein einsamer Raucher saß an diesem grauen, regnerischen Novembertag dort. Der Wind ließ welkes Laub um seine Füße spielen, doch der Mann schien es nicht zu bemerken.

Cathrin warf verstohlene Blicke zu ihm hinaus. Er sah gut aus, hatte das dunkelblonde Haar nicht zu kurz geschnitten und trug einen modischen Trenchcoat. Sein schwermütiger Gesichtsausdruck berührte sie auf merkwürdige Weise.

Auch Elke betrachtete den rauchenden Mann. »Er sieht traurig aus. So, als hätte er großen Kummer.«

»Ein möglicher Kandidat für unser Sorgentelefon?« Cathrin riskierte erneut einen Blick. »Nach einem Patienten sieht er nicht aus. Eher nach einem Angehörigen. Vielleicht ist seine Frau schwer krank oder gerade gestorben.«

In diesem Moment wandte er den Kopf. Cathrin hatte keine Gelegenheit mehr, zur Seite zu sehen. Ihre Blicke trafen sich, und sie konnte die Verzweiflung in seinen Augen lesen.

Ihr Herz schlug unwillkürlich einen Takt schneller. Interesse schien jetzt in seinem Blick aufzuflammen. Wie intensiv er sie ansah! Dann war der Blickkontakt wieder unterbrochen. Der Mann drückte die Zigarette im Aschenbecher aus und stand auf.

Er war von stattlicher Größe, doch seine Bewegungen wirkten irgendwie kraftlos, als er zum Parkplatz hinüberging. Cathrins Blicke folgten ihm zu einem schwarzen Landrover, in den er stieg.

Auch Elke schaute dem Mann nach. »Den hat bestimmt ein Schicksalsschlag getroffen«, bemerkte sie. »Ein Trauerfall im Krankenhaus. Wahrscheinlich hat er gerade erfahren, dass ein naher Angehöriger gestorben ist. Ich glaube nicht, dass er noch mal herkommen und unser Sorgentelefon benutzen wird.«

»Nein, das denke ich auch nicht«, erwiderte Cathrin.

Plötzlich fühlte sie ein großes Bedauern in sich aufsteigen.

***

»Was ist los, Andy?«, fragte Linda Stoller ihren Sohn, als er von der Schule nach Hause kam. Die Art und Weise, wie er seine Schultasche in die Ecke feuerte, sagte ihr, dass er wieder Ärger gehabt hatte.

»Nichts«, war die verdrossene Antwort.

»Wegen nichts macht man nicht so ein Gesicht. Wasch dir die Hände. Es gibt gleich Essen.«

»Will nichts essen.« Andy schlurfte in Richtung Bad.

»Oh doch«, widersprach seine Mutter. Sie lächelte vielsagend, auch wenn er es nicht sehen konnte, da er ihr gerade den Rücken zukehrte. »Es gibt nämlich etwas ganz Leckeres. Extra für dich.«

Andy stieß die Tür zum Badezimmer auf. Dort drehte er sich um. »Ich will nichts Leckeres. Kannst du nicht Sachen kochen, die mir nicht schmecken? Dann würde ich nicht so viel essen.«

»Das würde ich nicht übers Herz bringen, mein Schatz. Liebe geht durch den Magen. Leider kann ich mich nicht so um dich kümmern, wie ich es möchte, weil ich berufstätig bin. Da möchte ich dich wenigstens mit Essen verwöhnen.«

»Und zusehen, wie ich immer fetter werde«, murrte der Fünfzehnjährige. »Das ist keine Liebe, Mama, das ist eine Gemeinheit.« Damit betrat er das Bad und warf die Tür zu.

Linda seufzte. Nein, gemein wollte sie ganz bestimmt nicht sein. Aber es war nicht einfach, leckere Gerichte zu kochen, die kaum Kalorien hatten. Natürlich wusste sie, dass Andy viel zu dick war. Sie wusste auch, dass er deswegen in der Schule gehänselt und gemobbt wurde. Aber was konnte man schon dagegen unternehmen? Andy geriet eben nach seinem Vater, der war auch ziemlich schwergewichtig gewesen. Und trotzdem hatte sie ihn geliebt.

Linda ging in die Küche, um letzte Hand ans Mittagessen zu legen. Der Tisch war bereits gedeckt. Sie würde mit ihrem Sohn zusammen essen, sich anhören, was es in der Schule gegeben hatte, und ihn ermuntern, seine Hausaufgaben zu machen. Dann musste sie ihn leider allein lassen, da sie wieder in ihren Friseursalon zurückmusste.

Auch am Abend würde Andy allein sein, denn da hatte sie ein Date. Davon wusste er allerdings nichts. Sie würde ihm auch nicht auf die Nase binden, dass sie sich schon wieder mit einem anderen Mann traf. Das hatte er beim letzten Mal sehr schlecht aufgenommen. Dabei war sie keineswegs auf eine flüchtige Affäre aus, sondern ernsthaft auf der Suche nach einem Partner, der Andy auch ein guter Vater sein würde. Leider hatte sie bisher noch kein Glück gehabt.

Andy kam in die Küche und ließ sich auf seinem Platz nieder. Linda servierte das Essen. Dann setzte sie sich ebenfalls.

»Wow, Rouladen! Mit Semmelknödeln und Rotkraut!« Andy fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. Von seiner mürrischen Laune war nichts mehr zu merken. Er strahlte über das ganze Gesicht.

Linda freute sich über seine Reaktion. »Lass es dir schmecken, mein Schatz. Es ist genug da.«

Einen Moment später hob sie verwundert die Brauen, als Andy sein Besteck wieder ablegte und mit trotziger Miene die Arme vor der Brust verschränkte.

»Warum tust du mir das an?«, fragte er anklagend. »Warum kochst du unter der Woche ein solches Essen? Das machst du doch sonst nur am Sonntag.«

»Am Sonntag habe ich leider Termine und kann kein großes Essen kochen«, erklärte Linda.

Andy nahm sein Besteck wieder auf. Den Rouladen konnte er nun doch nicht widerstehen. Ein besänftigter Ausdruck erschien auf seinem runden, hübschen Jungengesicht.

»Ich esse aber nur, wenn du heute Abend mit mir auf den Trimm-dich-Pfad gehst«, schränkte er ein. »Auf den langen, mit den schwierigen Übungen.«

Linda lächelte. Den Wunsch erfüllte sie ihm gern, denn auch sie achtete darauf, in Form zu bleiben. Aber nicht an diesem Abend, da hatte sie ein Date.

»Heute Abend geht es leider nicht, da ich einen Kundentermin habe«, schwindelte sie. »Aber morgen können wir das gern tun.«

»Versprochen?«

»Versprochen«, erwiderte sie fest.

Nach dem Mittagessen verabschiedete Linda sich von ihrem Sohn. Sie stieg in ihr Auto und fuhr zu ihrem Friseursalon.

Als sie an einer Ampel warten musste, wurde ihr plötzlich so heiß, dass sie das Fenster herunterlassen musste. Zusätzlich schaltete sie die Klimaanlage ein. Verrückt, dachte sie, denn es war schon fast November.

Mit offenem Fenster fuhr sie weiter. Es war nicht das erste Mal, dass sie solche plötzlichen Schweißausbrüche hatte. Nicht nur das, sie wurden auch von einem heftigen Herzklopfen begleitet. Ich kann doch noch nicht in den Wechseljahren sein?, dachte sie in aufsteigender Panik. So alt war sie mit einundvierzig doch nicht, oder?

Zum Glück legte sich diese regelrechte Attacke wieder, bevor sie »Linda’s Hairstyling« erreichte. Sie parkte um die Ecke und ging das letzte Stück zu Fuß. Dabei bemerkte sie eine seltsame Schwäche in den Beinen. Gleichzeitig wurde sie von Nervosität und Unruhe erfüllt. Was soll das alles?, fragte sie sich ärgerlich. Bin ich mit den Nerven so am Ende? Müsste ich mal ausspannen?

Ich werde an einem der kommenden Wochenenden mit Andy irgendwo hinfahren, nahm sie sich vor. Ein paar Wellness-Tage würden ihnen beiden guttun. Gleich morgen wollte sie sich ein paar Angebote im Internet ansehen.

Mit diesem Vorsatz öffnete sie die Eingangstür zum Friseursalon und begrüßte ihre Mitarbeiterinnen und Kundinnen.

***

Cathrin fand den ersten Tag, an dem sie das EK-Sorgentelefon bediente, sehr interessant. Sie hatte mit den verschiedensten Anrufern zu tun. Menschen mit echten Problemen, aber auch solchen, die sich über mangelnde Pflege oder das Essen beklagten. Mehr als einmal musste Cathrin erklären, dass sie für diese Art von Problemen nicht zuständig war und man sich an die entsprechenden Stellen wenden sollte.

In den folgenden Tagen stellte sich heraus, dass das Sorgentelefon eine wirklich gute Einrichtung war. Cathrin machte die Erfahrung, dass auch viele Kinder anriefen, was sie besonders berührend fand. Ein Mädchen war aufgeregt, weil ihre Mutter auf der Entbindungsstation lag und das neue Geschwisterchen noch heute zur Welt kommen sollte. Die Kleine hatte aber auch Angst, dass sie dann nicht mehr Nummer eins bei ihrer Mama sein würde. Einfühlsam sprach Cathrin mit dem Kind und hatte zum Schluss den Eindruck, dass sie dem Mädchen einen Großteil der Bedenken genommen hatte.

Auch ein Junge war unter den Anrufern, dessen Vater mit einem Gehirntumor eingeliefert worden war. Er erzählte Cathrin, dass er einmal Arzt werden wollte, um seinen Eltern helfen zu können, wenn sie einmal alt und krank waren. Deshalb bemühte er sich auch um gute Noten in der Schule. Cathrin fand das sehr beachtlich.

Und dann war da noch die dreizehnjährige Patientin von der Kinderstation, die sich »unsterblich« in Siggi Baumgärtner verliebt hatte, den langhaarigen jungen Kinderarzt, der nie einen weißen Mantel trug. In diesem Fall hatte Cathrin Schwierigkeiten, die richtigen Worte zu finden, denn sie wollte das Mädchen natürlich ernst nehmen.

Aber der verliebte Teenager schien auch gar keine Ratschläge hören, sondern nur reden und schwärmen zu wollen. Und dafür hatte Cathrin zumindest ein offenes Ohr.

Kurz bevor sie das Sorgentelefon an ihre Kollegin Elke übergab, rief jemand an, der sich nicht gleich meldete, jedoch Geräusche wie unterdrücktes Weinen von sich gab.

»Sie können gern weinen«, sagte sie aufmunternd. »Das erleichtert.«

Einen Moment lang war es still am anderen Ende.

»Es funktioniert nicht«, sagte dann eine sympathische, etwas heiser klingende Männerstimme. »Mir wird der Hals eng, und ich bringe kein Wort heraus, aber ich kann nicht weinen. Es ist wie eine Schranke, die sich nicht öffnen lässt.«

»Das ist eine ganz natürliche Reaktion, wenn man zum Beispiel von einem schweren Verlust getroffen wird«, sagte Cathrin verständnisvoll.

Sie hörte den Mann ein paar Mal hart schlucken.

»Von einem Verlust mag ich noch gar nicht reden. Noch ist sie am Leben, aber …«

Er ließ den Satz unvollendet. Geduldig wartete sie, dass er weiterredete. Plötzlich sah sie jenen Mann wieder vor sich, der ihr in der Außenzone der Cafeteria aufgefallen war, als Elke und sie einen Kaffee trinken waren. Sie hatte sein markantes Gesicht nicht vergessen, auch nicht den verzweifelten Ausdruck in seinem Blick.

Die Stimme würde zu ihm passen, ging es ihr durch den Sinn. Und unwillkürlich assoziierte sie dieses Gesicht mit dem Anrufer.

Seine Frau war also noch am Leben. Zumindest nahm Cathrin an, dass es sich um seine Frau handelte. Sie schien sehr krank zu sein. Oder war sie bei einem Unfall schwer verletzt worden? Natürlich wollte sie nicht danach fragen.

»Es kann jeden Tag zu Ende gehen«, redete er schließlich weiter. »Hodgkinsche Krankheit. Sie wissen, was das ist?«

»Ja. Lymphdrüsenkrebs.«

»Richtig. Soll zu achtzig Prozent gut heilbar sein. Leider gehört Mirja zu den zwanzig Prozent, auf die das nicht zutrifft.«

»Das tut mir sehr leid«, sagte Cathrin aufrichtig.

Plötzlich änderte sich sein Tonfall. »Das braucht Ihnen nicht leidzutun«, sagte er schroff. »Sie kennen sie ja gar nicht.«

Auch mit solchen Gefühlsschwankungen konnte Cathrin gut umgehen. Sie schwieg.