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Ab heute werde ich dich verwöhnen!
Mit langen Schritten eilt Patrick Bennett neben der Trage her, die kalte Hand seiner Freundin fest in der seinen. Nie zuvor hat er solche Angst gehabt wie in diesem Augenblick, nachdem Michelle unvermittelt zusammengebrochen ist und mit dem Rettungswagen ins Elisabeth-Krankenhaus gebracht wurde.
Die Diagnose ist niederschmetternd: Nach ersten Erkenntnissen soll es bei Michelle zu einer Ruptur der Bauchschlagader gekommen sein - jener gefürchteten, lebensgefährlichen Komplikation bei Patienten mit dem Marfan-Syndrom! Und nur die eiligst anberaumte Operation kann ihr Leben retten!
Doch ein kurzer Blick in die besorgten Gesichter der Operateure sagt Patrick, wie gering die Chancen sind ...
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Seitenzahl: 132
Veröffentlichungsjahr: 2019
Cover
Impressum
Ab heute werde ich dich verwöhnen!
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln
Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: LightField Studios / shutterstock
eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar
ISBN 9-783-7325-7874-0
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
www.bastei.de
Ab heute werde ich dich verwöhnen!
Höchste Konzentration steht den Operateuren ins Gesicht geschrieben, die fest entschlossen sind, das Leben der jungen Michelle Hagen zu retten. Die hübsche Frau leidet an dem gefürchteten Marfan-Syndrom, und nun ist es bei ihr zu einer Ruptur der Bauchschlagader und zu inneren Blutungen gekommen!
Durch die Glasscheibe vor dem OP eins beobachte ich, wie die Narkoseärztin grünes Licht gibt, wie Dr. Meurer das Brustbein spaltet und Kollege Rittmann, unser Gefäßspezialist, sich Zugang zur Aorta verschafft. Doch plötzlich tritt eine schwere Krise ein. Die Chirurgen wirken hektisch, die alarmierenden Gesten der Anästhesistin geben Anlass zu größter Besorgnis. Und dann passiert, wovor alle Angst hatten: Herzstillstand!
Während sich mir vor Sorge alles zusammenzieht, kommt mir wider Willen die Prophezeiung in den Sinn, die ein Wahrsager Michelles Lebensgefährten, dem erfolgreichen Unternehmer Patrick Bennett, erst kürzlich gemacht hat, und ein eisiger Schauer läuft mir den Rücken hinunter: „… aber ich sehe auch Tod und Trauer!“
„Wirklich todschick.“ Vera Brühl, die Leiterin der Apotheke im Elisabeth-Krankenhaus, nickte anerkennend. „Ich mag kräftige Farben und abstrakte Muster bei Krawatten. Bloß keine Streifen.“
Michelle Hagen, die pharmazeutisch-technische Assistentin, lachte und packte die Krawatte wieder ein, die sie in einer exklusiven Herrenboutique erstanden hatte. „Da haben Sie recht. Streifen mag ich auch nicht so. Und Patrick ebenso wenig.“
Ein verträumtes Lächeln erschien auf ihrem Gesicht, als sie von dem Mann sprach, dem ihr ganzes Herz gehörte: Patrick Bennett, Juniorchef der pharmazeutischen Fabrik MEHA-Pharm. Ein halbes Jahr waren sie jetzt zusammen, sechs lange glückliche Monate.
„Ich finde nur, Sie sollten Ihren Patrick nicht so sehr verwöhnen“, meinte Vera Brühl.
„Ach was.“ Michelle machte eine wegwerfende Handbewegung. „Männer darf man schon ein wenig verwöhnen. Vor allem, wenn sie so viel arbeiten wie Patrick.“
„Das ist es ja.“ Vera Brühl schüttelte missbilligend den Kopf. „Er arbeitet zu viel und hat kaum Zeit für Sie. Verwöhnt er sie denn? Wann haben Sie zum letzten Mal etwas gemeinsam unternommen?“
Ein Schatten fiel über Michelles hübsches Gesicht, das von langen blonden Haaren eingerahmt wurde. Sie hatte nicht wirklich Lust, schon wieder über dieses Thema zu reden, das ihre Chefin allzu gern anschnitt. Fast bereute sie es, dass sie ihr die Krawatte gezeigt hatte, mit der sie Patrick heute Abend überraschen wollte.
„Das Wetter war in letzter Zeit weder zum Paddeln noch zum Radfahren gut genug“, redete sie sich heraus.
Natürlich hätten sie auch etwas anderes unternehmen können, zum Beispiel ins Kino gehen oder ins Konzert, was sie schon lange nicht mehr getan hatten. Oder mal wieder schön essen gehen. Leider musste sie zugeben, dass ihre Chefin recht hatte. Patrick nahm sich immer weniger Zeit für sie und hatte immer häufiger andere Dinge zu tun, selbst am Sonntag. Aber auch sie hatte unterschiedlichen Dienst und war oft an den Wochenenden in der Apotheke eingespannt.
Vera Brühl räumte einige Medikamentenpackungen zur Seite.
„Meiner Meinung nach tun Sie zu viel für ihn und bekommen zu wenig zurück. Das entnehme ich doch immer wieder Ihren Bemerkungen. Sie sind immer für ihn da, verwöhnen ihn nach Strich und Faden. Aber ist das auch umgekehrt der Fall?“
Michelle biss sich auf die Lippe. Nein, umgekehrt war das leider nicht so. Und, ja, es enttäuschte sie manchmal maßlos, vor allem, wenn sie mitbekam, wie er seine Mutter und seine Schwester umso mehr verwöhnte. Patrick vergaß auch mal locker eine Verabredung. Aber er war ein lieber Kerl, und Michelle liebte ihn heiß und innig. Deshalb verzieh sie ihm auch immer wieder.
„Nun ja, Männer sind in dieser Beziehung eben etwas schwerfällig“, erwiderte sie auf Vera Brühls Frage und war dann froh, als Kundschaft in die Apotheke kam und sie von diesem Thema erlöst wurde.
Eine halbe Stunde später hatte sie Mittagspause. Michelle schlüpfte in ihren roten Blazer und ordnete vor dem Spiegel kurz ihr Haar. „Bis später“, verabschiedete sie sich von ihrer Chefin und verließ die Krankenhausapotheke.
Draußen auf dem Korridor überlegte Michelle, ob sie zum Essen ins Personalrestaurant oder in die Cafeteria gehen sollte. In beiden Lokalen bestand die Chance, dass sie dort Andrea Bergen traf, die nette Notärztin, mit der sie sich gern unterhielt. Doch als ihr Blick ins Freie fiel und sie den verlockenden Sonnenschein sah, beschloss sie, ihre Mittagspause im Park zu verbringen. Sie ging nur rasch in die Cafeteria, um sich ein Sandwich und einen Becher Kaffee zu holen.
Bevor sie von Fanny Reimers, der Pächterin, das Gewünschte entgegennahm, schaute sie sich kurz im Lokal um. Nein, Andrea Bergen saß an keinem der Tische. Aber bestimmt würde es sich in den nächsten Tagen ergeben, dass sie sich über den Weg liefen und Gelegenheit zum Plaudern hatten.
Ein lauer Wind, der schon verheißungsvolle Frühlingsdüfte mit sich brachte, wehte ihr entgegen, als sie das Klinikgebäude verließ. Michelle lenkte ihre Schritte zum Park und ließ sich auf einer sonnigen Bank nieder. In dem Blumenrondell vor ihr blühten bereits Krokusse, Hyazinthen und Narzissen um die Wette, in den noch kahlen Bäumen zwitscherten die Vögel.
Michelle packte ihr Sandwich aus und trank von ihrem Kaffee. Das ist wirklich eine gute Idee gewesen, dachte sie zufrieden, während sie ihr Gesicht der Sonne entgegenhielt und die Augen schloss. Sie war so froh, dass sie den Einfall gehabt hatte, ihre Mittagspause im Freien zu verbringen.
Ihre Gedanken wanderten zurück zu dem Gespräch mit Vera Brühl. Michelle musste lächeln, als sie an ihre Bemerkung über das Paddeln und Radfahren dachte. Ihre Chefin dachte nun bestimmt, dass sie und Patrick hin und wieder zusammen Paddeln und Radfahren gingen. Zusammen, ja. Aber dennoch nicht gemeinsam. Nur Patrick paddelte. Sie dagegen konnte dem Kajaksport nichts abgewinnen. Sie hatte Angst vor dem Wasser und konnte auch nicht schwimmen.
Dagegen liebte sie es, Fahrrad zu fahren, auch wenn sie es wegen ihrer Krankheit nur in Maßen betreiben konnte. Ihre gemeinsamen sportlichen Unternehmungen sahen so aus, dass Patrick auf dem Rhein paddelte und sie mit dem Fahrrad auf dem Uferweg daneben herfuhr. Was die Geschwindigkeit anbetraf, waren sie im Großen und Ganzen gleich schnell. Nur auf bestimmten Strecken war Michelle etwas langsamer. Dann wartete Patrick an einer hübschen Stelle auf sie, und sie legten eine Rast ein.
Patrick …
Im Geist sah sie ihn vor sich, mit seinem markanten Gesicht, auf dem auch in der kalten Jahreszeit immer eine leichte Bräune lag, dem schon leicht grau melierten Haar, dem ebensolchen, kurz gehaltenen Bart und dem zärtlichen Lächeln, das so oft um seine männlichen Lippen spielte, wenn er sie ansah. Sie liebte ihn. Mit all seinen Fehlern.
Ihre Gedanken wurden von näher kommenden Stimmen unterbrochen. Michelle blickte auf und sah zwei Ärztinnen zwischen den Bäumen auftauchen. Es waren Andrea Bergen und Lore Keller, die Oberärztin von der Inneren Station.
Lächelnd blickte Michelle ihnen entgegen. Da hatte die Notärztin also weder im Personalrestaurant noch in der Cafeteria zu Mittag gegessen, sondern vermutlich bei Dr. Keller, die im Ärztewohnhaus auf der anderen Seite des Parks ein Apartment bewohnte.
Die beiden Ärztinnen grüßten und blieben vor ihrer Bank stehen. Man plauderte kurz über allgemeine Dinge, bis Dr. Keller auf ein Thema zu sprechen kam, das Michelle gern aus ihrem Gedächtnis strich.
„Wie geht es Ihrem Herzen, Frau Hagen? Keine Probleme mehr?“, erkundigte sie sich und musterte sie mit forschenden Blicken.
„Nein, überhaupt nicht“, versicherte Michelle rasch. „Es geht mir wunderbar.“
„Trotzdem sollten sie bald wieder zu einer gründlichen Untersuchung kommen“, legte die Oberärztin ihr nahe.
Michelle nickte leicht unbehaglich. Sie sprach nicht gern über ihre Erkrankung und die daraus resultierende Herzklappenoperation. Patrick wusste nicht einmal etwas, weder von dem einen noch von dem anderen. Am Anfang ihrer Beziehung hatte sie ihm nichts davon sagen wollen aus Angst, er könnte sich wieder von ihr abwenden. Und inzwischen hielt sie es nicht mehr für nötig, denn es ging ihr ja gut.
Andrea Bergen legte ihr kurz die Hand auf die Schulter.
„Schieben Sie es nicht auf die lange Bank, Michelle“, bat sie eindringlich. „So eine Untersuchung kostet weder etwas noch tut sie weh.“
Michelle lächelte etwas verkrampft. „Sie haben ja recht. Ich werde mich demnächst um einen Termin kümmern.“
Sie erkundigte sich noch nach der Wirkung einer antiseptischen Salbe, die Vera Brühl und sie selbst hergestellt hatten und die einem Patienten, der einen Sportunfall gehabt hatte, Linderung verschaffen sollte. Alle anderen Präparate hatten bisher nicht gewirkt, und so freute Michelle sich zu hören, dass ihre Salbe Erfolg hatte.
Die beiden Ärztinnen gingen wieder weiter. Michelle schob sich den letzten Bissen ihres Sandwiches in den Mund und trank den Kaffee aus. Dann kehrte auch sie ins Klinikgebäude zurück.
***
Michelle liebte ihre gemütliche Wohnung in der Altstadt. Nicht nur, dass sie im Dachgeschoss lag mit Blick über die Dächer der Stadt und den Rhein, es gehörte auch ein kleiner Dachgarten dazu, den sie oft und gern nutzte. Selbst in diesem Frühjahr war es schon ein paar Mal warm genug gewesen, um draußen zu sitzen. Bald konnte sie auch die Pflanzen wieder hinausbringen, die sie den Winter über in ihrer geräumigen Altbauwohnung untergebracht hatte.
Michelle öffnete die Schiebetür und trat hinaus auf den Dachgarten. Jetzt, am Abend, war die Luft deutlich kühler. Am Horizont verkündete ein rot-violetter Schein, dass die Sonne langsam unterging und bald verschwunden sein würde.
Fröstelnd zog sie sich die Jacke enger um die Schultern. Ja, sie fühlte sich pudelwohl in ihrem kleinen Reich und hatte vor, recht lange hier wohnen zu bleiben. Es sei denn, Patrick würde vorschlagen zusammenzuziehen. Aber auch dann konnten sie die Wohnung hier behalten, denn sie war groß genug für zwei. Oder auch drei, falls sie jemals ein Kind haben würden.
Michelle schüttelte heftig den Kopf. Nein, solche Gedanken durfte sie erst gar nicht zulassen. Sie wusste, dass Patrick Kinder liebte und auch selbst einmal welche haben wollte. Doch dazu würde er sich eine andere Partnerin suchen müssen. Oder würde seine Liebe zu ihr groß genug sein, dass er bereit war, entweder auf Kinder zu verzichten oder ein enormes Risiko einzugehen?
Und sie? Würde sie dazu bereit sein? Denn eine Schwangerschaft konnte nicht nur ihrem Baby, sondern auch ihr selbst das Leben kosten.
Konnte, musste aber nicht sein …
Energisch verbannte Michelle alle derartigen Gedanken. Sie warf noch einen Blick zum Himmel, dessen Farben zu verblassen begannen, und kehrte zurück ins Wohnzimmer. Bald würde es dunkel sein.
Ein wenig Musik zu hören wäre schön, dachte sie und legte eine CD ein. Dann überlegte sie, was sie sich zum Abendbrot richten sollte. Gleichzeitig fragte sie sich, was Patrick wohl gerade machte. War er noch in der Firma beschäftigt? Oder schon zu Hause? Er lebte noch bei seinen Eltern in einem modernen Bungalow, in dem auch seine Schwester wohnte. Für sie, Michelle, war da kaum noch Platz. Und wie so oft, wenn sie daran dachte, wie tief Patrick seiner Familie verbunden war, spürte sie ein Gefühl der Eifersucht in sich aufsteigen.
Sie zuckte leicht zusammen, als es an der Wohnungstür klingelte. Patrick?, dachte sie hoffnungsvoll und eilte, um zu öffnen.
Er war es tatsächlich. Michelle strahlte, als sie ihn einließ.
In der Diele begrüßte Patrick sie mit einem charmanten Lächeln und einem zärtlichen Küsschen. „Ich war einkaufen und dachte mir, ich schaue noch kurz bei dir vorbei“, erklärte er. „Schön, dass du zu Hause bist und keinen Dienst hast.“
Michelles Blick fiel auf die schicke Tragetasche im Metallic-Look, die Patrick bei sich hatte, und ihr Herz begann zu hüpfen. Boutique Melanie, stand darauf.
Oh, das war ja etwas ganz Feines! Melanie Kranz, der jungen Frau von Dr. Kranz, dem Chefarzt der Inneren Station, gehörte eine der exklusivsten Modeboutiquen in der Stadt. Und Patrick, der Liebe, wollte ihr eine Freude machen und hatte dort etwas für sie erstanden! Dem Ausmaß der Tüte nach schien es sich nicht nur um einen Schal oder ein anderes kleines Accessoire zu handeln.
Wie gut, dass sie ihm diese schicke Krawatte gekauft hatte. So hatte sie gleich ein kleines Gegengeschenk für ihn, wenn auch kein so exklusives.
„Möchtest du einen Kaffee?“, bot sie an und wandte sich in Richtung Küche.
„Nein, danke“, lehnte Patrick ab. „Ich will mich gar nicht lange aufhalten und nur wissen, was du davon hältst. Du hast doch einen so guten Geschmack.“
„Oh“, sagte Michelle neugierig, wunderte sich aber auch ein wenig über seine Wortwahl. Sie fand, dass es eine etwas merkwürdige Einleitung war, um der Frau seines Herzens ein Geschenk zu überreichen.
Patrick griff in die Tüte und holte einen Strickmantel hervor, in den Michelle zweimal gepasst hätte. Auch die Farbe entsprach nicht ihrem Geschmack. Aber mit Sicherheit war er sündhaft teuer gewesen.
„Oh“, machte sie wieder, mehr verwundert als enttäuscht.
„Für Mama“, erklärte Patrick mit einem Lächeln, das zeigte, wie sehr er seine Mutter liebte und verehrte. „Ich wollte ihr eine Freude machen. Was meinst du … würde der Mantel ihr gefallen? Die Farbe, der Stil? Passt das zu ihr?“
Michelle schluckte. Nicht ihr, sondern seiner Mutter wollte er eine Freude machen! Einen Moment lang drückten Enttäuschung, Ärger und Eifersucht ihr den Hals ab, dann schluckte sie diese negativen Empfindungen tapfer hinunter. Patrick hatte sie um Rat gefragt und erwartete eine Antwort.
Sie nahm das Kleidungsstück und betrachtete es von allen Seiten. Dabei stellte sie sich Patricks Mutter in dem Mantel vor, eine vollschlanke Endfünfzigerin mit kurzen grauen Haaren. Ja, sie würde in diesem Mantel richtig gut aussehen.
„Aber ja“, erwiderte Michelle und schenkte Patrick ein Lächeln, das ihr nicht ganz leichtfiel. „Ich finde, dass die Farbe super zu ihr passt, auch der Stil. Sie wird sich bestimmt sehr freuen über dein Geschenk.“
Patrick ließ den Mantel wieder in der Tüte verschwinden. „Mama tut so viel für mich, da wollte ich sie einfach mal verwöhnen“, erklärte er.
Und ich?, dachte Michelle traurig. Tue ich nicht ebenfalls viel für dich? Und wann werde ich mal verwöhnt? Doch sie sprach es nicht aus.
Patrick verabschiedete sich wieder. „Übrigens – am Sonntag soll das Wetter richtig schön und warm werden“, fiel es ihm ein, als er schon halb aus der Wohnungstür war. „Wie wäre es, wenn wir mal wieder eine kleine Tour unternehmen würden? Ich mit dem Kajak und du mit dem Fahrrad?“
„Am Sonntag?“ Michelle war schon wieder halb versöhnt. „Das wäre wirklich super. Da habe ich auch keinen Dienst.“
„Prima. Ich rufe dich am Samstagabend an.“ Patrick drückte ihr ein letztes Küsschen auf die Lippen und verschwand im Treppenhaus.
Lächelnd schloss Michelle die Wohnungstür. Sie freute sich sehr auf den Ausflug mit Patrick. Dann erlosch ihr Lächeln wieder. Wer wusste, was bis dahin war!
Sie würde es erst glauben, wenn es tatsächlich so weit war und sie auf dem Wasser beziehungsweise dem Radweg unterwegs waren.
***
Michelles Skepsis war unbegründet gewesen. Wie versprochen rief Patrick am Samstagabend an, um Einzelheiten ihrer Tour zu besprechen.
„Mama will mir kalten Braten und Kuchen mitgeben“, erwähnte er unter anderem. „Du brauchst also gar nicht viel einzupacken. Außerdem können wir in Stolzenburg einkehren.“
„Klingt wunderbar“, freute sich Michelle. Und natürlich würde auch sie etwas zum Picknickkorb beisteuern.
Am Sonntagmorgen trafen sie sich an einem der Wanderparkplätze am Rheinuferweg, wo es auch eine Bootseinlassstelle gab. Hier war für gewöhnlich ihr Startplatz, falls sie nicht an der Mosel oder an der Lahn paddelten und radelten. Auch dort gab es parallel zum Fluss verlaufende Radwege.
Sie luden erst Patricks Kajak von seinem Dachständer und hoben dann Michelles Fahrrad vom Träger.
Patrick zog Schuhe und Socken aus. „Ganz schön kalt“, stellte er fest, nachdem er die Wassertemperatur mit den Zehen getestet hatte. „Schwimmen möchte ich im Rhein noch nicht.“
Michelle lachte. „Das werden auch nicht viele tun um diese Jahreszeit. Mich würdest du jedenfalls nicht dazu kriegen.“