Notärztin Andrea Bergen 1378 - Marina Anders - E-Book

Notärztin Andrea Bergen 1378 E-Book

Marina Anders

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Beschreibung

Krisensitzung im Elisabeth-Krankenhaus

Dr. Bergen und ihre Kollegen sind zutiefst beunruhigt, als bei der hübschen Patientin Leonie Steiner ein Jahr nach der Herztransplantation eine Organabstoßung droht. In allerletzter Minute kann die Krise abgewendet werden. Doch bei einer Folgeuntersuchung wird eine heimtückische Krankheit festgestellt, die Leonies Herz kaum verkraften kann ...

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Seitenzahl: 130

Veröffentlichungsjahr: 2019

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Inhalt

Cover

Impressum

Krisensitzung im Elisabeth-Krankenhaus

Vorschau

BASTEI ENTERTAINMENT

Vollständige eBook-Ausgabeder beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe

Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG

© 2019 by Bastei Lübbe AG, Köln

Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller

Verantwortlich für den Inhalt

Titelbild: nortonrsx / iStockphoto

eBook-Produktion:3w+p GmbH, Rimpar

ISBN 9-783-7325-8025-5

www.bastei-entertainment.de

www.lesejury.de

www.bastei.de

Krisensitzung im Elisabeth-Krankenhaus

Verdacht auf Organabstoßung bei unserer Lieblingspatientin Leonie Steiner! Diese Hiobsbotschaft hat heute Morgen alle im Elisabeth-Krankenhaus bis ins Mark erschüttert! Aber mit vereinten Kräften scheint es meinen Kollegen und mir gelungen zu sein, die gefährliche Abstoßungsreaktion in letzter Minute zu verhindern. Es sieht so aus, als könnte Leonie bald zu ihrem Matthias nach Hause zurückkehren und das ihr neu geschenkte Leben weiterführen. Ich hoffe es sehr, denn Leonie war so unfassbar glücklich, nach der Transplantation endlich so unbeschwert wie andere junge Frauen leben zu können, zu lachen und zu lieben …

Doch gerade hat ein dramatischer Anruf von der Intensivstation uns behandelnde Ärzte erreicht: Krisensitzung im Patientenfall Leonie Steiner! Bei Routineuntersuchungen wurde bei ihr die heimtückische Krankheit PT-LPD festgestellt! Eine niederschmetternde Nachricht, denn nach menschlichem Ermessen kann Leonies Herz das nicht überstehen …

„Verdammt, wir schaffen es nicht!“

Pure Verzweiflung lag in der Stimme der Notärztin. Andrea Bergen wusste wirklich nicht, was sie zur Rettung des Patienten noch unternehmen sollte. Ewald Miehlke, der Rettungssanitäter im Team, und sie hatten bereits alles Menschenmögliche getan, während Jupp Diederichs den Rettungswagen mit überhöhter Geschwindigkeit durch die Straßen der Stadt jagte. Noch waren es mehrere Minuten, die sie vom rettenden Elisabeth-Krankenhaus trennten. Minuten, die über Leben und Tod entscheiden würden.

„Das schaffen wir“, widersprach Miehlke ohne jede Überzeugung.

Andrea Bergen injizierte dem Patienten ein weiteres Notfallmedikament, diesmal direkt ins Herz. Dabei sandte sie ein Stoßgebet zum Himmel: Bitte, lass uns Erfolg damit haben!

Erneut kontrollierte sie die Werte ihres Patienten. Zum Glück waren sie nicht weiter abgerutscht. Das Mittel schien zu wirken.

Der Mann von Ende dreißig war vom Gerüst gestürzt und hatte sich schwerste Brustkorbverletzungen zugezogen, an denen auch das Herz beteiligt zu sein schien. Das genaue Ausmaß der Verletzungen würde man erst nach bildgebenden Untersuchungen feststellen können.

Andrea atmete auf, als endlich der wuchtige Backsteinbau des Elisabeth-Krankenhauses auftauchte. Jupp lenkte den Rettungswagen in die Zufahrt und hielt dann vor der Notaufnahme.

Zwei Pfleger kamen herausgeeilt und waren beim Ausladen des Patienten behilflich. Da Jupp über Funk bereits mitgeteilt hatte, dass sie einen Mann mit schweren Brustkorbverletzungen brachten, war auch Dr. Alexa Barnhart in die Notaufnahme gekommen, eine attraktive und äußerst fähige Herzchirurgin.

Andrea Bergen war froh, die kompetente Kollegin zu sehen. Sie gab einen kurzen Bericht ab über den Zustand des Patienten und die Maßnahmen, die sie bereits ergriffen hatte, dann wurde er in den Schockraum gebracht und eingehenden Untersuchungen unterzogen.

Währenddessen ging Andrea hinüber ins Notarztbüro, um das Einsatzprotokoll in den Computer zu tippen. Doch sie kam nicht weit, denn schon nach wenigen Minuten wurde sie in den Schockraum gerufen. Man brauchte ihre Hilfe.

Andrea kam der Aufforderung unverzüglich nach. Zu ihrer Verwunderung befand sich der Patient nicht mehr im Schockraum.

„Schwerste Herzverletzungen“, erklärte Alexa Barnhart ihr mit ernster Miene. „Der Mann muss sofort operiert werden. Sorry, dass ich über deinen Kopf hinweg bestimmt habe, aber ich brauche dich als Assistentin. Sonst wäre das Team nicht vollständig, da bereits in allen anderen Ops operiert wird.“

„In Ordnung. Ich werde Kollege Krug …“

„Schon geschehen“, unterbrach Alexa sie. „Dr. Hombach hat die Dinge bereits in die Hand genommen. Dietmar Krug wird dich im Falle eines Einsatzes vertreten. Komm.“

Andrea schwirrte der Kopf. Sie sollte völlig unvorbereitet an einer mit Sicherheit schwierigen Herzoperation teilnehmen? Natürlich würde sie nichts dagegen einwenden und ihr Bestes geben. Immerhin war sie auch Unfallchirurgin. Außerdem war es nicht das erste Mal, dass sie mit Alexa zusammen operierte. Sie schätzte die begnadete Herzchirurgin sehr, mit der sie sich auch privat angefreundet hatte.

Zusammen mit Alexa eilte sie in den OP-Trakt. Im Waschraum nahmen sie die vorgeschriebene chirurgische Hände- und Unterarmdesinfektion vor und ließen sich von einer der OP-Schwestern in den OP-Kittel helfen. Dann betraten sie durch die Schleuse den Operationssaal.

Der Patient lag bereits auf dem Operationstisch. Eine Anästhesieschwester bereitete ihn gerade auf die Narkose vor. Wegen seiner tiefen Bewusstlosigkeit musste diese bewusst niedrig gehalten werden, um den Kreislauf nicht extrem zu belasten.

In aller Eile überflog Andrea die Patienten-Info, die Alexa ihr noch kurz in die Hand drückte. Sie erschrak, als sie die Untersuchungsergebnisse las. Sie waren schlechter ausgefallen als befürchtet. Ob sie mit dieser Operation das Leben des Mannes noch retten konnten?

Bereit, ihr Bestes zu geben, nahm Andrea Alexa gegenüber Aufstellung. OP-Schwester Waltraud schob ihren Instrumententisch heran und schickte sich an, Dr. Barnhart, die die Operation eröffnete, die nötigen Instrumente und Utensilien anzureichen.

Nachdem Jenny Krottenbaum, die Anästhesistin, den Operateuren grünes Licht gegeben hatte, setzte Dr. Barnhart den ersten Schnitt.

Andrea schloss kurz die Augen, als sie den Riss in der Herzwand erblickte. Außerdem war es durch zersplitterte Rippen zu einer Punktion des Herzbeutels gekommen. Ob da noch viel zu retten war?

Auch Alexa schien nicht viel Zuversicht zu haben, wie Andrea an dem Blick erkennen konnte, den sie ihr über den Operationstisch hinweg zuschickte. Die Notärztin wusste aber auch, dass sie nicht aufgeben würde.

Alexa Barnhart war gerade dabei, Gefäße abzuklemmen, da meldete Dr. Krottenbaum vom Anästhesiegerät her eine Krisensituation. Sofort führte Andrea dem Patienten ein kreislaufstabilisierendes Medikament zu. Leider blieb der gewünschte Erfolg aus. Die Werte sackten weiter ab, und plötzlich waren von den Überwachungsgeräten nur noch Alarmtöne zu hören.

„Verdammt!“ In Alexas Stimme schwang hilfloser Zorn mit.

Andrea zog sich den Mundschutz vom Gesicht. „Exitus.“

„Es war zu erwarten“, sagte die Anästhesistin leise.

Für Alexa Barnhart schien das jedoch kein Trost zu sein. Wortlos und mit steifen Schritten ging sie aus dem OP.

***

Blicklos starrte Alexa in den Spiegel über dem Waschbecken. Warum hatte sie dem Mann nicht mehr helfen können? Warum hatte sie nicht wenigstens eine winzig kleine Chance gehabt, sein Leben zu retten? Bestimmt hätte es noch Möglichkeiten gegeben, wenn er nur ein wenig länger durchgehalten hätte.

Er war noch so jung gewesen, nur einige Jahre älter als sie. Ein Familienvater, der bei der Ausübung seines Berufes mitten aus dem Leben gerissen worden war. Es war so tragisch.

„Ich hoffe, du machst dir jetzt keine Vorwürfe, Alexa?“

Sie schluckte hart, als Andrea Bergens Bild im Spiegel auftauchte.

„Doch, das tue ich“, erwiderte Alexa. „Und ich nehme an, das ist nicht allzu schwer zu verstehen, auch wenn es unsinnig sein mag.“

Andrea Bergen legte ihr die Hand auf die Schulter. „Das verstehe ich sogar sehr gut, Alexa. Mir geht es ja nicht anders, wenn ich einen Patienten verliere. Auch ich frage mich dann oft, ob ich nicht mehr für ihn hätte tun können.“

Ein Seufzer der Verzweiflung kam über Alexas Lippen. „Wenn er nur noch ein klein wenig länger ausgehalten hätte!“

„Alexa“, sagte Andrea Bergen sanft, und der Druck ihrer Hand auf Alexas Schulter verstärkte sich. „Du weißt so gut wie ich, dass man Rupturen der Herzwand oder wichtiger herznaher Gefäße für gewöhnlich nicht überleben kann. Du hast alles versucht, aber die Verletzungen waren einfach zu schwer.“

Alexa nickte. Natürlich wusste sie, dass Andrea recht hatte. Doch es fiel ihr auch schwer, den Tod des Patienten zu akzeptieren. Sie riss ein Stück Papierhandtuch ab und drehte sich zu Andrea um. „Danke, dass du mich trösten willst“, sagte sie mit einem verzerrten Lächeln, während sie sich die Hände abtrocknete. „Ich werde schon darüber hinwegkommen.“

Alexa knüllte das Papiertuch zusammen und warf es in den Abfallkorb. Dann verabschiedete sie sich, denn sie hatte nach dieser Operation Dienstschluss. Andrea Bergen dagegen würde noch ein paar Stunden durchhalten müssen, bis ihr Spätdienst beendet war.

Alexa ging in den Umkleideraum. Wenig später durchquerte sie in schicker Straßenkleidung die weitläufige Halle.

„Na, Feierabend, Frau Dr. Barnhart?“, grüßte Paul Ahlers freundlich aus seiner Pförtnerloge.

Alexa schenkte dem weißhaarigen älteren Herrn ein ebenso liebenswürdiges Lächeln.

„Ja, den habe ich mir jetzt auch redlich verdient“, erwiderte sie. „Es war ein anstrengender Tag.“

„Dann wünsche ich Ihnen einen angenehmen Abend, Frau Doktor.“

„Danke, Herr Ahlers, Ihnen auch.“

„Verwöhnen Sie sich“, meinte Paul Ahlers noch zwinkernd, bevor Alexa weiter zum Ausgang ging.

Verwöhnen, hmm … Für Alexa hatte diese Vorstellung etwas durchaus Verlockendes. Ja, das sollte sie nach dem deprimierenden Ausgang dieses Tages tatsächlich tun. Sie hatte sich ohnehin mal wieder etwas Leckeres kochen wollen, war aber bisher noch nicht dazu gekommen. Ein schönes Abendessen, ein erlesener Wein, ein Dessert – der Gedanke daran hob ihre Stimmung augenblicklich.

***

Auf dem Heimweg hielt sie an einem Supermarkt, um die Zutaten für ihr Verwöhn-Dinner zu besorgen. Die Wahl fiel ihr nicht schwer: Sie hatte großen Appetit auf Lachsfilet in Marsala-Sahnesoße mit wildem Reis und Fenchelgemüse. Zum Dessert würde sie Erdbeeer-Cupcakes backen, von denen konnte sie morgen ein paar zum Dienst mitnehmen. Die Kollegen würden sich freuen.

Schon während sie ihre Einkäufe tätigte, spürte Alexa, wie die Anspannung allmählich von ihr abfiel. Die Flasche Wein, die sie gerade in ihren Einkaufswagen legte, würde ihr Übriges tun. Und die frischen Erdbeeren lachten sie nur so an.

Alexa fuhr ihre Schätze zur Kasse. Mit jeder Minute freute sie sich mehr auf ihren erholsamen Abend und ein schönes Essen. Sie bezahlte, packte alles in ihre Einkaufstasche und verließ den Supermarkt.

Draußen auf dem Parkplatz verstaute sie die Einkäufe im Kofferraum ihres Wagens und setzte sich ans Steuer. Nachdem sie einen kurzen prüfenden Blick in den Rückspiegel geworfen hatte, legte sie den Rückwärtsgang ein und fuhr aus der Parklücke.

Im nächsten Moment gab es hinten einen dumpfen Schlag. Erschrocken trat Alexa auf die Bremse. Himmel, das durfte doch nicht wahr sein! Wo war jetzt plötzlich dieses andere Auto hergekommen?

Mit weichen Knien stieg sie aus. Die Situation war eindeutig: Ein anderes Auto hatte zur gleichen Zeit aus der gegenüberliegenden Parkreihe ausgeparkt.

Gerade stieg ein dunkelhaariger Mann in einer grauen Wildlederjacke aus. Sein Gesicht drückte heftigen Ärger aus, als er den Schaden an seinem Mercedes SUV begutachtete. „Haben Sie keine Augen im Kopf?“, fuhr er Alexa an.

Im ersten Moment blieb ihr die Sprache weg. Was bildete sich dieser Kerl ein?

„Dasselbe könnte ich Sie fragen!“, gab sie aggressiv zurück. „Sie müssen doch gesehen haben, dass ich am Ausparken war.“

„Das Gleiche dachte ich von Ihnen. Aber Sie sind munter drauflosgefahren.“

Inzwischen hatte auch Alexa einen Blick auf die Delle an ihrem roten Kleinwagen und die zerbrochenen Rück- und Bremslichter geworfen. „Geben Sie mir etwa die Schuld daran?“, fragte sie bissig.

„Wollen Sie etwa bestreiten, dass Sie schuld sind?“, kam es prompt zurück.

Alexa schnappte nach Luft. „Sie sind viel zu schnell aus der Parkbucht gefahren!“, warf sie ihm vor. „Als ich in den Spiegel sah, war noch alles frei.“

„Ach, Sie haben tatsächlich in den Spiegel gesehen?“, spottete er. „Das ist wirklich schwer zu glauben. Dann müssten Sie mich ja gesehen haben.“

„Wie denn, wenn Sie wie eine Rakete aus der Parklücke geschossen sind?“, parierte Alexa. „Aber Sie müssen mich gesehen haben. Ich bin ganz langsam gefahren.“

„Das können Sie Ihrer Großmutter erzählen. Sie sind schnurstracks aus der Lücke geschossen, ohne Rücksicht auf Verluste.“

Das herausfordernde Grinsen auf seinem nicht unattraktiven Gesicht brachte Alexa erst recht zur Weißglut. Mehr noch, als sie völlig unangebracht die Feststellung machte, dass er äußerst schöne Lippen hatte und sie sich bei der delikaten Frage ertappte, wie sie wohl küssen mochten. Sie musste komplett verrückt geworden sein.

„Die Polizei wird die Schuldfrage schon klären“, erwiderte sie hitzig und kramte ihr Handy aus der Tasche.

„Ich würde sagen, Sie sind beide zu gleichen Teilen schuld“, mischte sich jetzt eine Frau mit zwei Kindern ein, die gerade den Kofferraum des Autos neben Alexa öffnete.

„Richtig, so würde ich das auch sehen“, pflichtete ihr eine andere Frau bei. „Ich hab alles genau beobachtet.“

Plötzlich meldeten sich noch ein halbes Dutzend weiterer Zeugen, die den Zusammenstoß gesehen haben wollten. Sie alle waren der Meinung, dass die beiden Kontrahenten zu gleichen Teilen Schuld hatten.

„Eindeutiges gegenseitiges Verschulden“, glaubte ein korpulenter älterer Mann noch besonders hervorheben zu müssen, als wäre er der Verkehrsrichter höchstpersönlich. „Kinder, reguliert euren eigenen Schaden, und damit hat sich’s.“

Alexa wandte den Kopf und begegnete wieder dem Blick ihres Widersachers. In seinen dunklen Augen hinter anthrazit umrandeten Brillengläsern funkelte es jetzt eindeutig belustigt.

„Nehmen Sie das Urteil an, Gnädigste?“, fragte er mit vor der Brust verschränkten Armen.

Statt einer Antwort stieg Alexa in ihr Auto, knallte die Tür zu und ließ den Motor aufheulen. Eilig machten sich die Umstehenden aus dem Staub.

„Langsam, langsam“, rief der Mann ihr grinsend durchs Autofenster zu. „Nicht, dass Sie noch mal jemandem reinfahren.“

Alexa musste an sich halten, um ihm nicht die Zunge herauszustrecken. Wütend führ sie davon.

Dass ihr das obendrein noch passieren musste! Dabei ging es ihr weniger um den Schaden an ihrem Auto, der war nun wirklich gering. Es war dieser unausstehliche Typ, der ihre Gedanken beherrschte. Er hatte sie nicht nur auf die Palme, sondern auch vollkommen aus dem Konzept gebracht.

Als sie an einer Ampel halten musste, sah sie im Geist unwillkürlich wieder seinen intensiven Blick und sein – zugegebenermaßen charmantes – Grinsen vor sich.

Was er wohl von Beruf war? Sachbearbeiter im Finanzamt vielleicht. Oder Lehrer. Er hatte definitiv etwas Lehrerhaftes an sich.

Himmel was geht mich das an?, rief Alexa sich ärgerlich zur Ordnung. Sie sollte diesen Kerl auf der Stelle wieder vergessen. Ein Glück, dass sie ihn nicht wiederzusehen brauchte.

Zu Hause angekommen, trug sie ihre Einkäufe in die Küche und packte sie aus. Wie sehr hatte sie sich auf diesen Abend gefreut! Nun war alle Freude dahin.

Frustriert stopfte sie die Lebensmittel in den Kühlschrank. Ihr war die Lust auf ein gemütliches Essen gründlich vergangen.

***

„Leg dich bitte gleich hin, wenn du nach Hause kommst, Leonie“, legte Irma Steiner ihrer Tochter ans Herz. „Papa und ich werden noch eine Weile im Geschäft zu tun haben. Später kannst du dir eine Portion Gemüseauflauf aufwärmen, die Frau Ritter in den Kühlschrank gestellt hat. Und vergiss nicht, deine Medikamente zu nehmen.“

„Ja, Mama“, erwiderte Leonie gewohnheitsmäßig.

Rasch verließ sie das renommierte Haushaltswarengeschäft in der Innenstadt, das ihre Eltern schon in der dritten Generation führten. Würde sie noch länger bleiben, würde ihre Mutter sich bestimmt noch eine ganze Liste von Verhaltensmaßregeln einfallen lassen. Tu dies, tu das. Leg dich hin, ruh dich aus, schone dich, iss etwas. Und vergiss deine Medikamente nicht …

Wie satt Leonie das alles hatte! Mütterliche Fürsorge konnte man das wirklich nicht mehr nennen. Ihr Vater war noch schlimmer. Er bat nicht, er befahl und erwartete Gehorsam.

Leonie stieg in den Stadtbus und fuhr auf die andere Seite des Rheins. Nach zwei Stationen stieg sie wieder aus. Zu Fuß ging sie das restliche Stück zu dem villenähnlichen Haus, in dem sie mit ihren Eltern wohnte. Ihr Urgroßvater hatte es erbaut.

Das Haus war alt und düster. Als Kind hatte sie sich oft vor den langen dunklen Fluren gefürchtet, die ihr damals noch viel größer und unheimlicher erschienen waren. Leonie hatte sich dort nie wohlgefühlt, auch heute nicht.

Sie betrat die Diele und knipste das Licht an. Auch den Geruch, der in den alten Mauern hing, mochte sie nicht. Wie gern hätte sie in einer eigenen kleinen, lichtdurchfluteten Wohnung gelebt! Aber das würde wohl noch lange ein Traum bleiben.

Leonie hängte ihre Jacke an einen der Garderobenbügel. Im Spiegel blickte ihr ein müdes Gesicht entgegen, das von langen blonden Haaren eingerahmt wurde. Sie war hübsch und hatte auch eine gute Figur. Trotzdem hatte sie noch nie einen Freund gehabt. Den Reden ihrer Eltern nach würde sie auch niemals einen haben. Keinen Freund, keinen Verlobten, keinen Ehemann. Denn wer wollte schon eine herzkranke Frau zur Partnerin?