Notärztin Andrea Bergen 1444 - Marina Anders - E-Book

Notärztin Andrea Bergen 1444 E-Book

Marina Anders

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Beschreibung

Wie mit letzter Kraft streichelt Carter über Heidruns Wange. "Das Schicksal hat uns eine wunderbare Zeit geschenkt. Nun will ich nur noch eins: in deinen Armen sterben!"
Während die hübsche Heidrun ihren Liebsten zärtlich küsst, brennen heiße Tränen hinter ihren Lidern. Nein!, schreit alles verzweifelt in ihr auf. Das darf nicht das Ende sein! Nach einem dramatischen Eingriff benötigt Carter zum Überleben ein Beatmungsgerät - doch im Elisabeth-Krankenhaus, ja, in der ganzen Stadt war nach einer Explosion mit vielen Schwerverletzten nur noch ein einziges verfügbar!
In einer nächtlichen Krisensitzung haben die Ärzte nun eine schwere Entscheidung gefällt: für einen anderen schwer kranken Patienten - und gegen Carter und ihre Liebe! Doch auch wenn das Schicksal besiegelt zu sein scheint und die ganze Welt sich gegen sie verschworen hat: Heidrun will den Mann, den sie liebt, nicht kampflos aufgeben. Carter und sie sind so weit gekommen - nicht, um jetzt zu scheitern ...

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Seitenzahl: 133

Veröffentlichungsjahr: 2021

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Inhalt

Cover

Krisensitzung um Mitternacht

Vorschau

Impressum

Krisensitzung um Mitternacht

Dramatische Stunden im Elisabeth-Krankenhaus! Die Explosion im Kongress-Hotel der Stadt hat viele Tote und über dreihundert Verletzte gefordert, und in der Notaufnahme, in den OPs und auf allen Stationen herrscht absoluter Ausnahmezustand! Unsere Kapazitäten sind erschöpft, und noch immer liefern meine Kollegen und ich mit dem Rettungswagen neue Patienten ein!

Mitten in diesem Chaos ringen zwei liebe Bekannte von mir gerade mit dem Tod – Carter Johnson, der am Abend notoperiert wurde, und der junge Erik Johnson, den ich mit schwersten Thorax-Verletzungen aus dem Trümmern des Hotels bergen konnte. Doch nur für einen von beiden ist noch ein letztes lebensnotwendiges Beatmungsgerät vorhanden. Eine Situation, vor der ich mich immer gefürchtet habe. Nun wurde eine außerordentliche Krisenbesprechung um Mitternacht einberufen, in der wir Ärzte entscheiden müssen, welcher der beiden Patienten leben darf. Doch wie, nur wie soll ich solch eine Entscheidung treffen?

»Wie macht sich eure Neue in der Notaufnahme?«, erkundigte sich Hilde Bergen bei ihrer Schwiegertochter. Damit meinte sie die Medizinstudentin, die das letzte Tertial ihres praktischen Jahres in der Notaufnahme des Elisabeth-Krankenhauses absolvierte.

Andrea Bergen, die dort als Notärztin arbeitete, schnitt sich noch ein Brötchen auf.

»Nicht übel«, gab sie zur Antwort. »Greta Lüchow ist fleißig, an allem interessiert und sehr hilfsbereit. Sie wird bestimmt mal eine engagierte Ärztin werden.«

»Hast du sie auch schon kennengelernt, Werner?«, wandte sich Hilde an ihren Sohn.

Dr. Werner Bergen, ein sympathischer Vierziger, der in einem Anbau der Bergen-Villa eine gut besuchte Kinderarztpraxis betrieb, schüttelte den Kopf. »Nein, ich hatte noch nicht das Vergnügen«, erwiderte er. Und an seine Frau gewandt fügte er hinzu: »Vielleicht schaue ich heute Nachmittag kurz bei euch vorbei, wenn ich nach Leah sehe.«

Werner war auch Belegarzt auf der Kinderstation des Elisabeth-Krankenhauses und hatte regelmäßig dort zu tun, wenn seine kleinen Patienten stationär behandelt oder operiert werden mussten.

»Fährt eure Neue denn auch mal im Rettungswagen mit?«, wollte Hilde weiter wissen.

»Bisher noch nicht, aber das kommt noch. Im Moment konzentriert sich Greta ganz auf Blutentnahmen und Reanimationen. Aber auch zur Patientenaufnahme ist sie eingeteilt. Sie ist außerdem sehr geschickt im Versorgen kleiner Wunden. An größere darf sie natürlich noch nicht ran.«

Andrea trank einen Schluck von ihrem Kaffee. »Ich finde es nur schade, dass sie sich nicht mit Schwester Heidrun versteht. Aber das ist nicht Gretas Schuld. Aus irgendeinem Grund scheint Heidrun nicht viel von ihr zu halten, was ich nicht fair finde.«

»Eure Triage-Schwester?«, warf Werner ein.

Andrea nickte. »Heidrun ist einfach zu streng mit ihr. Okay, Greta ist manchmal etwas schusselig und übereifrig, das mag Heidrun nicht. Doch sie könnte trotzdem etwas netter zu der jungen Frau sein.«

»Die Antipathie wird wohl auf Gegenseitigkeit beruhen«, nahm Hilde an.

»Nein, eben nicht. Greta mag Heidrun und bewundert sie. Sie unternimmt auch immer wieder Versuche, besser mit ihr auszukommen. Ich sollte vielleicht mal mit Heidrun reden und herausfinden, was sie nun wirklich gegen Greta hat.«

»Was ist eine Triage-Schwester?«, fragte Franzi und wollte dann noch wissen, wie das Wort geschrieben wurde.

Andrea erklärte es ihr. »›Triage‹ kommt aus dem Französischen und bedeutet so viel wie ›Sichtung‹, ›Auswahl‹. In einer Notaufnahme gilt nicht die Regel »Wer zuerst kommt, wird zuerst behandelt«. Da kommt derjenige, der am schwersten verletzt ist, als Erster an die Reihe. Oder wenn dessen Erkrankung schwerwiegender ist als die von anderen Patienten. Um das richtig einschätzen zu können, braucht man eine tüchtige Fachkraft. Eine Triage-Schwester wie unsere Schwester Heidrun zum Beispiel.«

»Natürlich können auch Ärzte triagieren«, meinte Werner.

»Komisches Wort.« Franzi nahm sich noch eine Handvoll Blaubeeren und verteilte sie auf ihrem Müsli. »Und dann? Was macht sie dann?«

»Dann weist sie die Patienten den entsprechenden Ärzten oder dem richtigen Behandlungsort zu«, erklärte Andrea weiter. »Das muss alles sehr schnell gehen, besonders wenn die Notaufnahme überfüllt ist. Es kommen auch oft Leute zu uns, die gar kein Notfall sind und nur geringfügige Probleme haben.«

»Mit einem Schnupfen.« Franzi kicherte bei der Vorstellung.

Andrea schnitt eine Grimasse. »Das ist auch schon vorgekommen. Aber solche Patienten werden von Heidrun sofort abgewiesen, ebenso wie Leute, die nicht genau sagen können, was ihnen eigentlich fehlt. Eine Notaufnahme ist kein Ort, um Ärzten mit Banalitäten die Zeit zu stehlen.«

»Die Dringlichkeitsstufe muss aber nicht gleichbedeutend mit der Dringlichkeit der Behandlung sein«, fügte Werner hinzu. »Um das alles richtig beurteilen zu können, werden sogenannte ›Triage-Systeme‹ angewendet. Davon gibt es weltweit verschiedene Systeme. Das Elisabeth-Krankenhaus verwendet zum Beispiel das Manchester-Triage-System.«

Andrea nickte. »Das tun mittlerweile die meisten Krankenhäuser in Deutschland.«

»Dabei werden die Beschwerden der Patienten bestimmten Präsentationsdiagrammen zugeordnet«, fuhr Werner fort. »Triage-Schwestern wie Schwester Heidrun ordnen die Beschwerden einem definierten Algorithmus zu und bestimmen dann anhand festgelegter Regeln die Dringlichkeit der Behandlung. Das ist für die Ärzte eine große Hilfe.«

»Du kennst dich ja recht gut aus, Werner«, sagte Andrea überrascht.

»Nachdem das Triage-System in Zukunft auch in der Notaufnahme des Elisabeth-Krankenhauses angewendet werden soll, habe ich mich dafür interessiert und ein wenig recherchiert.« Werner wollte sich noch weiter darüber auslassen, doch Franzi war das dann doch etwas zu hoch. So ausführlich hatte sie das gar nicht wissen wollen.

Sie verstand auch nicht die Fachausdrücke. So wechselte sie rasch das Thema und kam auf die Schule zu sprechen. Außerdem wollte sie wissen, ob ihre Freundin Paula am Wochenende bei ihr übernachten durfte.

Die Eltern erlaubten es ihr, und auch Hilde hatte nichts dagegen.

»Paula ist uns immer willkommen«, versicherte Andrea.

Zufrieden löffelte Franzi ihr Müsli zu Ende. Ein Wochenende mit ihrer besten Freundin interessierte sie weitaus mehr als irgendwelche Triage-Systeme.

***

»Mein Gott, schusseln Sie doch nicht immer so herum!« Schwester Heidrun schüttelte missbilligend den Kopf. »Beinahe hätten Sie das kleine Kind umgeworfen.«

Greta spürte, wie sie rot anlief. Es war ihr peinlich, vor allen Anwesenden in der Notaufnahme zurechtgewiesen zu werden. Sie hatte einer Patientin, die sichtlich schlecht laufen konnte, doch nur einen Rollstuhl bringen wollen. Dabei war ihr der kleine Junge im Weg gewesen.

»Ich wollte doch nur ...«, begann sie, doch Schwester Heidrun ließ sie nicht ausreden.

»Ja, ja, schon gut«, unterbrach die Triage-Schwester sie ungeduldig. »Kümmern Sie sich um den Herrn in der braunen Cordjacke. Nehmen Sie seine Personalien auf und erstellen Sie eine Anamnese. Das können Sie doch, oder?«

Greta biss sich auf die Lippe. Warum traute Schwester Heidrun ihr so wenig zu? »Ja, natürlich«, presste sie hervor und hatte Mühe, nicht in Tränen auszubrechen. Sie mochte Schwester Heidrun, und es schmerzte sie, wenn sie von ihr so unfreundlich behandelt wurde.

Greta sah sich kurz um, entdeckte den bewussten Patienten und ging auf ihn zu. Dabei geriet die Notärztin in ihr Blickfeld. Als sie sah, wie sie ihr aufmunternd zuzwinkerte, fühlte sie sich gleich wieder besser. Sie mochte Andrea Bergen sehr. Vermutlich hatte sie mitbekommen, wie Schwester Heidrun sie wieder gerügt hatte.

Sie nahm die Personalien des Patienten auf und fragte ihn nach seiner Krankengeschichte. Er war wegen unklarer Schmerzen im Brustkorb in die Notaufnahme gekommen.

Er hatte jedoch eine ziemlich gesunde Gesichtsfarbe. Als sie ihn bat, in der Wartezone Platz zu nehmen, beschwerte er sich, weil ein anderer Mann, der nach ihm gekommen war, bereits in den Behandlungsraum gerufen wurde.

Greta erklärte ihm, dass die Patienten in einer Notaufnahme nach einem bestimmten Prinzip behandelt wurden, was dieser nicht einsehen wollte. Erst als Schwester Sonja, die energische ältere Pflegerin, ihr zu Hilfe kam und dem Mann unmissverständlich klarmachte, dass Patienten, die in einem schlimmeren Zustand waren als er, zuerst behandeln wurden, trollte er sich murrend in die Warteecke.

Kurz darauf sah Greta die Notärztin mit ihren beiden Sanitätern hinaus zum Rettungswagen eilen. Da wurde das Team schon wieder zu einem Einsatz gerufen.

An diesem Vormittag war in der Notaufnahme ungewohnt viel los. Greta bewunderte Frau Dr. Bergen dafür, wie sie ihren anstrengenden Dienst schaffte, aber sie bewunderte auch Schwester Heidrun, die bestimmt zwanzig Jahre älter war als die Notärztin und unermüdlich ihren Dienst tat.

Greta würde es nicht viel anders ergehen, wenn sie erst einmal ihre Approbation in der Tasche hatte. Der Arztberuf war anstrengend, das war ihr in ihrem praktischen Jahr mehr als einmal bewusst geworden.

Es dauerte nicht lange, bis der Rettungswagen wieder zurückkam. Greta sah zum Eingang, gespannt, welchen Patienten das Notarztteam diesmal brachte.

Einen Moment später rollte Ewald Miehlke, der Rettungsassistent in Andrea Bergens Team, eine Trage mit einer blonden jungen Frau herein. Die Notärztin lief daneben her und hielt eine Infusionspackung. Jupp Diederichs, der Fahrer des Rettungswagens, trug ein weinendes kleines Mädchen auf dem Arm, das Blutspuren im Gesicht hatte und auf dessen Stirn er eine Kompresse drückte.

»Unfallopfer, sechsundzwanzig Jahre, Verdacht auf innere Verletzungen«, informierte Andrea Bergen ihre Kollegen. »Kleinkind mit Platzwunde an der Stirn«, vervollständige sie.

Unter den Wartenden machte sich Unmut breit, denn nun mussten diejenigen, die keine lebensbedrohliche Verletzung oder Krankheit hatten, noch länger warten. Schwester Heidrun besänftigte die Gemüter und rief dann eine ältere Frau auf, die sich immer wieder mit schmerzverzerrtem Gesicht an den Leib gefasst hatte. Dr. Friedrich von der Inneren Station kam gerade aus dem Fahrstuhl und würde sich ihrer annehmen.

Jupp Diederichs drückte Greta das kleine Mädchen in den Arm. »Beruhigen Sie die Kleine, bis jemand Zeit hat, ihre Platzwunde zu nähen«, bat er. »Ach, und legen Sie eine frische Kompresse auf, ja?«

»Mami, Mami!« Das kleine Mädchen weinte bitterlich nach seiner Mutter. Natürlich hatte es auch Schmerzen. Greta durfte ihm jedoch nichts geben.

»Deine Mami wird jetzt vom Onkel Doktor untersucht, und dann bekommt sie eine Medizin, damit sie wieder gesund wird«, erklärte Greta ihr. »Wie heißt du denn?«

Das Weinen ebbte kurz ab. »Pia«, schniefte die Kleine. »Wann ist meine Mami wieder gesund?«

»Bald. Komm, wir machen jetzt einen frischen Verband auf deine Stirn. Damit siehst du bestimmt ganz lustig aus.«

Greta trug das Kind in eine der Kabinen. Sie legte eine frische Kompresse auf und wickelte einen Verband um Pias Kopf.

»So, fertig. Willst du dich im Spiegel ansehen?«

Die Kleine nickte weinerlich. Greta nahm sie hoch und verließ mit ihr die Kabine. Im Waschraum trat sie mit ihr vor den Spiegel.

»Na, wie findest du dich?«

Statt ihr Spiegelbild lustig zu finden, brach Pia in noch lauteres Weinen aus. Rasch ging Greta mit ihr wieder hinaus.

Sie war gerade auf der Suche nach einem passenden Spielzeug, mit dem sie die Kleine trösten und ablenken konnte, da sah sie die Notärztin auf sich zukommen.

»Oh, Sie haben sich ja schon um die kleine Patientin gekümmert.« Andrea Bergen nahm ihr das Kind ab. Mit einem kurzen Blick prüfte sie den Verband. »Sehr schön haben Sie das gemacht, Greta. Dann wollen wir mal die Platzwunde nähen. Kommen Sie mit?«

»Gern«, erwiderte Greta eifrig. Sie freute sich über Dr. Bergens Lob und darüber, dass sie ihr assistieren durfte.

Sie gingen in einen Behandlungsraum, der einem Mini-OP glich. Greta legte die kleine Patientin auf die Liege und nahm ihr den Verband wieder ab. Während die Notärztin ihr eine örtliche Betäubung gab, lenkte Greta die Kleine so gut wie möglich ab und erklärte ihr, dass sie eine besonders tapfere Patientin sei.

»Mami«, weinte Pia wieder. »Will zu meiner Mami.«

»Deine Mami wird gerade auch von einem Doktor versorgt, genau wie du«, erklärte Greta ihr. »Bestimmt geht es ihr gut.«

Das hoffte sie für das kleine Mädchen von ganzem Herzen. Der besorgte Ausdruck, den sie kurz über Andrea Bergens Gesicht huschen sah, sagte ihr jedoch, dass dies wohl eher nicht der Fall war.

Die Notärztin begann mit dem Nähen der Platzwunde. Greta schaute aufmerksam zu. Sie wusste, dass das Setzen von Nähten, die kaum Narben hinterließen, Dr. Bergens Spezialität war. Die kleine Pia würde froh sein, wenn sie später keine hässliche Narbe auf der Stirn hatte.

»Fantastisch, Frau Dr. Bergen«, bemerkte Greta, nachdem die Notärztin ihre Arbeit beendet hatte. »Ich möchte auch mal so tolle Nähte setzen können wie Sie.«

»Übung macht den Meister«, meinte Andrea Bergen augenzwinkernd, nachdem sie sich für das Kompliment bedankt hatte.

Greta seufzte. »So viel werde ich in den vier Monaten, die ich in der Notaufnahme bin, gar nicht nähen können«, wandte sie ein.

»Üben Sie an Schweinefüßen«, schlug die Notärztin vor. Und das meinte sie durchaus ernst.

***

»Ist das denn wirklich so schwer zu verstehen?« Entnervt schüttelte Heidrun Freese den grau gesträhnten Lockenkopf. Zum x-ten Mal musste sie den Patienten, die in der Triage-Zone warteten, erklären, nach welchem System die Dringlichkeit der Behandlung durchgeführt wurde.

»Ich verstehe nur, dass ich verdammte Schmerzen habe!«, erklärte ein junger Mann ungehalten.

Heidrun wusste aus seiner Krankengeschichte, dass er schon einmal Nierenprobleme gehabt hatte. »Sie kommen ja auch gleich dran«, beruhigte sie ihn. »Unsere Ärzte sind alle beschäftigt, und wir haben im Moment keine Untersuchungskabine frei. So ist das nun mal, wenn unsere Notaufnahme überlaufen ist.«

»Komm, wir suchen uns ein anderes Krankenhaus.« Eine aufgebracht wirkende Frau zog ihren halbwüchsigen Sohn vom Stuhl hoch und verließ mit ihm hocherhobenen Hauptes die Wartezone.

Auch recht, dachte Schwester Heidrun bei sich. Dann hatten sie einen Patienten weniger. Dem Jungen hatte ihrer Meinung nach ohnehin nicht viel gefehlt. Ihm war schlecht, und die Mutter glaubte, dass er sich an einer dieser schmuddeligen Imbissbuden eine Lebensmittelvergiftung zugezogen hatte. Aber danach hatte er nun wirklich nicht ausgesehen.

Als es ruhiger wurde, beschloss Heidrun, sich in der Cafeteria einen Kaffee und ein Stück Gebäck zu holen. Sie verließ die Triage-Zone und bat Schwester Sonja, sich um eventuelle Neuankömmlinge zu kümmern.

Ihr Blick fiel auf die junge Medizinstudentin. Greta nahm gerade die Personalien einer hochschwangeren Frau auf, die von ihrem Mann hergebracht worden war. Heidrun beobachtete, wie sie beruhigend lächelte und etwas zu der werdenden Mutter sagte, während sie deren Blutdruck maß. Es musste wohl etwas Nettes gewesen sein, denn über die zuvor besorgt wirkenden Gesichter des jungen Paares zog jetzt ein frohes Lächeln.

Eigentlich macht sie ihre Sache recht gut, musste Heidrun zugeben. Jetzt tat es ihr leid, dass sie Greta am Morgen so angeraunzt hatte. Irgendwie schaffte das Mädchen es immer wieder, sie mit ihrer Schusseligkeit und ihrem Übereifer auf die Palme zu bringen. Vor allem in den letzten Tagen, in denen sie unter ziemlichem Stress gestanden hatte und ihre Nerven nicht die besten gewesen waren.

Heidrun seufzte. Gut, dass sie bald Urlaub hatte. Aber jetzt brauchte sie erst mal einen Kaffee. Deshalb ging sie hinüber in die Cafeteria und ließ sich von Fanny Reimers, der netten Pächterin, zwei Kaffee und zwei Stücke Gebäck geben. Sie hatte das Bedürfnis, Greta zu versöhnen. Bestimmt freute sie sich über einen Kaffee und ein Nusshörnchen.

Als sie in die Notaufnahme zurückkam, war Greta nirgendwo zu sehen. Dafür kam Andrea Bergen auf sie zu.

»Suchen Sie jemanden, Schwester Heidrun?«, fragte sie.

»Ja, Greta«, erwiderte Heidrun. »Ist sie schon gegangen?«

»Man hat sie zu einer ärztlichen Besprechung auf die Intensivstation eingeladen«, wusste Andrea.

»Oh, das ist bestimmt interessant für sie.«

»Sie hat sich auch sehr darüber gefreut.« Andrea Bergen lächelte. »Greta ist so ein nettes Mädchen, fleißig und hilfsbereit. Ich bin sehr froh, dass wir sie haben.«

Heidrun fühlte sich leicht unbehaglich. Die Notärztin hatte sicher schon bemerkt, dass sie Greta nicht gerade sehr freundlich behandelte. »Ich habe ihr einen Kaffee und ein Nusshörnchen mitgebracht, aber jetzt ist sie gar nicht da«, sagte sie, froh darüber, der Notärztin ihren guten Willen demonstrieren zu können. In einer spontanen Geste hielt sie ihr einen der Kaffeebecher und eine der Gebäcktüten hin. »Darf ich das stattdessen Ihnen anbieten, Frau Dr. Bergen?«

»Oh, das kommt mir gerade recht.« Dankbar nahm Andrea beides entgegen. »Kommen Sie, gehen wir kurz in den Aufenthaltsraum.«

Heidrun folgte ihr. Sie rechnete schon damit, dass die Notärztin eine Bemerkung über ihr schlechtes Verhältnis zu Greta machen würde, doch stattdessen kam sie auf Heidruns bevorstehenden Urlaub zu sprechen.

»Da haben Sie ja eine große Reise vor sich«, sagte sie. »Wann geht es denn los?«

»Sonntagmorgen. Am Freitag habe ich noch Nachtdienst, am Samstag packe ich dann meine restlichen Sachen.«

»Namibia, richtig?«

Heidrun nickte. »Mein geliebtes Afrika! Da zieht es mich immer wieder hin. Ich bin schon ganz aufgeregt.«