Notärztin Andrea Bergen 1448 - Marina Anders - E-Book

Notärztin Andrea Bergen 1448 E-Book

Marina Anders

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Beschreibung

"Sie sind bis auf Weiteres vom Dienst suspendiert!" Noch immer hallen die vernichtenden Worte seines Chefs Prof. Hebestreit in Elmar Hartenberg nach. Und noch immer kann der junge Narkosearzt nicht fassen, dass ihm bei der Operation am Morgen ein so gravierender Fehler unterlaufen ist: Fast wäre die Patientin durch seine Schuld gestorben!
Die Scham droht Elmar zu verschlingen - und die Angst vor der Reaktion seiner bildschönen Frau! Diese Nachricht wird den letzten Funken Liebe, den Maxine noch für ihn hat, erlöschen lassen! Doch er darf Maxine nicht verlieren - dazu liebt er sie zu sehr! Fieberhaft sucht Elmar nach einem Weg, ihr die dramatischen Ereignisse zu verheimlichen und ihr weiterhin den erfolgreichen, angesehenen Narkosearzt vorzuspielen ...
An diesem Abend - nach seiner Heimkehr in die Familienvilla - beginnt Elmar Hartenberg ein verhängnisvolles Doppelleben, das ihn und die Menschen, die er liebt, zu zerstören droht!

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Seitenzahl: 137

Veröffentlichungsjahr: 2022

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Inhalt

Cover

Da begann sein Doppelleben

Vorschau

Impressum

Da begann sein Doppelleben

Oje! Am Morgen bin ich der schönen Maxine Hartenberg im Krankenhaus begegnet, die zu ihrem Mann wollte. Dabei ist Elmar Hartenberg schon seit Wochen vom Dienst als Narkosearzt suspendiert – nachdem ihm im OP ein unverzeihlicher Fehler unterlaufen ist, der fast ein Menschleben gefordert hätte.

Maxine fiel aus allen Wolken, sie hatte keine Ahnung. Auch nicht davon, dass ihr Mann unter schweren psychischen Problemen leidet! Für die junge Frau ist eine Welt zusammengebrochen: Offenbar hat Elmar die ganze Zeit ein Doppelleben geführt. Wo ist er die vielen Stunden tagsüber gewesen, wenn er angeblich am OP-Tisch stand? Und vor allem: Wo war er, wenn er angeblich Nachtdienst hatte?

Maxine Hartenberg ist bis ins Herz getroffen und will sich heute noch von Elmar trennen ...

Ein paar Stunden später

Gerade hat Maxine einen dramatischen Notruf abgesetzt: Sie hat zu Hause Elmars Abschiedsbrief gefunden, und aus dem Tresor fehlt die Pistole seines Großvaters ...

Maxine stellte die Kaffeekanne auf den Frühstückstisch und setzte sich.

»Schlecht geschlafen, Elmar?«, fragte sie ihr Gegenüber.

Dr. Elmar Hartenberg zuckte die Schultern. Was sollte er sagen? Er wünschte, die Frage seiner Frau nicht beantworten zu müssen. Ja, er hatte schlecht geschlafen – miserabel schlecht. Aber er wollte nicht darüber sprechen, wollte die Gedanken, die ihn gequält hatten, für sich behalten. Oder, besser noch, vergessen. Doch das war nicht so einfach.

»So kann man es nennen«, erwiderte er knapp und trank von dem Kaffee, den Maxine ihm gerade eingeschenkt hatte.

Sie trank ebenfalls von ihrem Kaffee und griff nach ihrem Handy, das wie üblich neben ihrem Teller lag. Sie checkte es kurz durch, tippte etwas hinein und legte es dann wieder weg.

»Ich habe auch nicht besonders gut geschlafen«, erklärte sie und schnitt eine Grimasse. »Mir sind zu viele Gedanken durch den Kopf gegangen.«

Abwesend strich Elmar Butter auf seinen Toast. Oh ja, er kannte das nur zu gut, wenn die Gedanken einen nicht zur Ruhe kommen ließen. Nur mit dem Unterschied, dass es bei Maxine bestimmt angenehmere Gedanken waren als bei ihm. Sicher drehten sie sich um ihre Aufgaben in der Moderedaktion der Zeitschrift, bei der sie schon seit ihrer Volontärzeit arbeitete, und um ihren umfangreichen Freundeskreis.

Sicher, auch dort gab es hin und wieder Probleme, die einem unter Umständen den Schlaf rauben konnten. Doch das war nichts im Vergleich zu den Problemen, mit denen er zu kämpfen hatte.

Er hob den Blick und betrachtete sie, wie sie in ihren Marmeladentoast biss. Wie bildhübsch sie war mit ihren dunklen Locken, den ebenso dunklen Augen mit den dichten Wimpern und den sanft geschwungenen, roten Lippen! Fast noch hübscher als damals, als sie sich kennengelernt hatten.

Als Redakteurin, die in den Ressorts »Mode, Lifstyle und Kosmetik« unterwegs war, verstand sie es besonders gut, sich perfekt zu schminken und damit ihre natürliche Schönheit dezent zur Geltung zu bringen. Und natürlich war Maxine auch immer nach den neuesten Trends gekleidet.

»Wann bist du gestern Abend nach Hause gekommen?«, fragte Elmar unvermittelt. »Oder, besser gesagt, letzte Nacht?«

Er hatte sie nicht kommen hören, obwohl er den größten Teil der Nacht wach gelegen hatte. Es musste schon sehr spät gewesen sein.

Sie lächelte flüchtig, beinahe etwas verlegen.

»Es ist wieder mal spät geworden«, gab sie zu. »Wir hatten nach Redaktionsschluss noch eine Besprechung, die wir dann ins Burgstübchen verlegt haben. Da sind weitere Kollegen und Freunde dazugekommen.« Sie warf ihm einen schuldbewussten Blick zu und seufzte. »Wie es halt so ist. Du weißt schon.«

Elmar zwang sich zu einem Lächeln. Ja, das wusste er noch aus seiner Studentenzeit, als er so alt gewesen war, wie Maxine es heute war. Da war es bei ihm auch oft spät geworden, wenn er mit seinen Studienfreunden diskutiert hatte. Er war Maxine ja auch nicht böse. Er hatte nur Angst, sie eines Tages zu verlieren, was er nicht ertragen könnte. Allein der Gedanke versetzte ihn in Panik.

Maxine schob sich den letzten Bissen ihres Toasts in den Mund und spülte ihn mit dem Rest ihres Kaffees hinunter.

»Sorry, ich muss weg«, erklärte sie im Aufstehen und schnappte sich ihr Handy.

Elmar schenkte ihr ein leicht gequältes Lächeln. Maxine musste und wollte immer weg – von ihm, wie es schien. Zumindest vermittelte sie ihm dieses Gefühl oft genug.

»Ja, natürlich«, murmelte er.

»Viel Glück heute«, wünschte sie ihm, während sie zur Tür wirbelte. Sie warf ihm noch eine Kusshand zu, und weg war sie.

Mit Sehnsucht im Herzen sah er sie aus der Tür gehen. Er liebte sie immer noch, heiß und innig, auch wenn sie ihm oft die kalte Schulter zeigte und ihre Freunde ihr wichtiger waren als er. Wenn sie ihm nur ein klein wenig Zuneigung schenken würde, nur einen kleinen Teil ihrer Verliebtheit von damals! Ein bezaubernder Wirbelwind war sie gewesen, gerade zweiundzwanzig Jahre alt. Und er war siebenunddreißig gewesen ...

Elmar seufzte tief. War er ihr zu alt geworden?

Er hatte ihre letzten Worte noch im Ohr. »Viel Glück«, hatte sie ihm gewünscht, das konnte er brauchen. Heute trat er im Elisabeth-Krankenhaus seine neue Stelle als Anästhesist an. Elmar wusste nicht, ob er sich darauf freuen sollte oder ob ihm davor graute. Ein neues Spießrutenlaufen würde er nicht ertragen können.

Elmar schenkte sich den letzten Rest aus der Kaffeekanne ein. Während er ihn trank, wanderten seine Gedanken zurück zu jenem Winter vor vier Jahren, als er Maxine und ihren Vater im Skiurlaub in Tirol kennengelernt hatte. Schon auf der Piste waren sie sich begegnet, doch richtig ins Gespräch gekommen waren sie erst am Abend im Weinkeller des Sporthotels, in dem sie gewohnt hatten.

Sein Herz war Maxine spontan zugeflogen. Auch sie hatte ihm signalisiert, dass sie auf ihn ansprach. Ihrem Vater hatte das sichtlich gefallen, denn er hatte danach ihre Beziehung intensiv gefördert.

Von den zwei Wochen Skiurlaub hatte Elmar mehr als die Hälfte mit Maxine verbracht, mal mit, mal ohne ihren Vater. Wie sich herausgestellt hatte, wohnten sie in derselben Stadt am Rhein wie er. Und so war es ganz selbstverständlich gewesen, dass sie auch nach ihrer Rückkehr weiterhin Kontakt hielten.

Für ihn war es mehr als nur ein Urlaubsflirt gewesen, und auch Maxine hatte ihm versichert, dass sie über eine Fortsetzung ihrer Bekanntschaft sehr glücklich wäre. Inwieweit ihr Vater in dieser Hinsicht interveniert hatte, darüber hatte sich Elmar nicht viele Gedanken gemacht.

Doch schon kurz nach ihrer Hochzeit, die ein halbes Jahr später stattgefunden hatte, war ihm klar geworden, dass er die treibende Kraft gewesen war. Maxine hatte ihn nicht wirklich heiraten wollen. Sie wollte auch keine Kinder, sondern ihr Leben genießen, was ihn jedoch nur selten mit einschloss.

Sie ging ihre eigenen Wege, verdiente ihr eigenes Geld und war im Grunde unabhängig von ihm. Und sein Schwiegervater war hochzufrieden, dass er seine Tochter mit einem angesehenen Anästhesisten verbandelt hatte.

Elmar schluckte. Konnte man bei ihm überhaupt noch von Ansehen sprechen? War aus ihm nicht eher ein bemitleidenswertes Wrack geworden?

Nur nicht darüber nachdenken!

Er ging ins Bad, um sich die Zähne zu putzen.

»Du kannst es ihr nicht übelnehmen«, redete er seinem Spiegelbild ein. »Maxine ist jung und voller Lebensfreude. Du bist zu alt für sie, bist zu sehr mit deinem Beruf verbunden. Was kannst du ihr schon bieten, außer finanzieller Sicherheit? Du hast doch ebenso wenig Zeit für sie wie sie für dich.«

Abrupt wandte er sich ab und verließ das Bad. Plötzlich fühlte er sich noch deprimierter, als er es ohnehin schon war. Aber das konnte er sich heute nicht leisten. In einer halben Stunde musste er sich den neuen Kollegen im Elisabeth-Krankenhaus vorstellen, da wollte er einen guten Eindruck machen.

Er selbst hatte von seinem zukünftigen Arbeitsplatz nur den besten Eindruck bekommen. Die Kollegen schienen alle sehr nett zu sein, und Professor Hebestreit, der schon ältere Klinikchef, war eine Seele von Mensch. So hatte er ihn zumindest eingeschätzt. Ebenso Dr. Benrath, einer der Stationsärzte auf der Chirurgie, mit dem Elmar bei seinem Vorstellungsgespräch kurz geplaudert hatte.

Dennoch wünschte er, dort nicht arbeiten zu müssen. Er wollte überhaupt nicht mehr in seinem Beruf tätig sein, wollte sich nur noch verkriechen.

Aber es half alles nichts, er musste zum Dienst. Widerstrebend verließ Elmar den Bungalow, in den Maxine und er nach ihrer Hochzeit gezogen waren, und ging zur Garage.

Leise summte der Motor, als Elmar die Limousine aus der Einfahrt lenkte. Über eine der Rheinbrücken fuhr er in Richtung Innenstadt und erreichte nach nicht allzu langer Fahrt das Elisabeth-Krankenhaus.

Der wuchtige Backsteinbau schimmerte durch die kahlen Bäume im Park. Elmars ohnehin schon niedergedrückte Stimmung sank noch mehr. Am liebsten wäre er wieder umgekehrt. Doch er fuhr weiter, fand den Personalparkplatz und stellte den Wagen auf dem ihm zugewiesenen Platz ab.

Festen Schrittes ging er zum Eingangsportal. Bevor er die Tür öffnete, holte er noch einmal tief Luft. Er musste sich zusammennehmen. Niemand durfte merken, was mit ihm wirklich los war.

***

»Jetzt hast du ihn verpasst«, empfing Rudolf Benrath seine gute Freundin und Kollegin Andrea Bergen, als sie auf die Chirurgie kam.

Die Notärztin runzelte leicht die Stirn. »Hätte ich jemanden treffen sollen?«

»Den neuen Anästhesisten. Er hat gerade seine Runde gemacht und sich vorgestellt.«

»Und? Wie ist er? Ich bin schon neugierig auf ihn.«

Rudolf hob die Schultern. »Schwer zu sagen. Ich habe ihn ja schon bei seinem Vorstellungsgespräch kennengelernt. Da war er mir sofort sympathisch. Er hat einen offenen, lebhaften Eindruck auf mich gemacht und war recht gesprächig. Heute dagegen war er ganz anders. Völlig anders.«

Andreas Neugierde wuchs. »Wie anders?«

»Nun, in sich gekehrt irgendwie, um nicht zu sagen: deprimiert. Seine vorherige Gesprächigkeit war nicht mehr vorhanden. Er hat nur das Nötigste gesagt. Höflich zwar, aber äußerst zurückhaltend.«

»Merkwürdig.« Die Notärztin sah ihn nachdenklich an. »Vielleicht ist in der Zwischenzeit etwas passiert?«

Rudolf nickte. »Das habe ich mir auch schon gedacht. Ein Trauerfall in der Familie oder so.«

»Ist er verheiratet?«

»Er trägt einen Ring. Ansonsten bin ich über seinen Familienstatus nicht informiert.«

»Na, wir werden ihn schon noch näher kennenlernen«, meinte Andrea. »Wie geht es Frau Albrecht?«, erkundigte sie sich dann nach jener Patientin, derentwegen sie auf die Chirurgie gekommen war.

Sie hatte die ältere Dame gestern Abend nach einem Sturz von einer der Treppen im Rheinpark eingeliefert. Sie war über die Leine ihres Hundes gestolpert. Eine Oberschenkelhalsfraktur war die Folge gewesen. Zudem war es zu einem hohen Blutverlust gekommen, was zum Abfallen des Blutdrucks und einem schockähnlichen Zustand geführt hatte.

»Sie hat sich wieder einigermaßen erholt«, erwiderte Rudolf. »Kollege Meurer will ihr eine Hüftprothese einsetzen.«

»Ich dachte mir schon, dass es mit einer konservativen Therapie nicht getan sein wird. Dann werde ich mal zur Orthopädie rübergehen und nach ihr sehen.«

In diesem Augenblick meldete sich ihr Pager, den sie sich an den Hosenbund geklemmt hatte und der sie zu den Noteinsätzen rief. »Oh, wir müssen ausrücken!«, rief sie und eilte zum Fahrstuhl. Der Besuch bei der Patientin würde nun warten müssen.

Unten im Erdgeschoss lief sie gleich hinaus zum Rettungswagen. Jupp Diederichs, der Fahrer, und Ewald Mielke, der Rettungssanitäter in ihrem Team, schwangen sich gerade in das Fahrzeug.

Auch Andrea stieg rasch ein.

»Wohin müssen wir?«, erkundigte sie sich.

»Im Rangierbahnhof ist ein Waggon entgleist, und ein Arbeiter ist verletzt worden«, erklärte Jupp, der den Anruf der Rettungszentrale entgegengenommen hatte. »Hoffen wir, dass es sich nicht um einen allzu blutigen Unfall handelt!«

***

»Du bist so still heute, Maxine«, stellte Marty Holland fest. »Überhaupt machst du einen so niedergeschlagenen Eindruck. Hast du Kummer?«

Maxine hob den Kopf und begegnete dem Blick ihres besten Freundes. Deutlich konnte sie die Sorge in seinen warmen braunen Augen lesen.

Sie lächelte. »Du bist der Einzige, dem das auffällt. Aber du bist auch der Einzige, dem ich zeige, wie mir ums Herz ist.«

Marty griff kurz nach ihrer Hand und drückte sie.

»Darüber bin ich auch sehr froh, denn unsere Freundschaft bedeutet mir sehr viel, Kleine. Aber ich sollte nicht der Einzige sein, der sich in deiner Gefühlswelt auskennt. Dein Mann sollte da an erster Stelle stehen.«

Maxine schnitt einen Bissen von ihrem gefüllten Baguette ab. Sie hatten beide Mittagspause und saßen in der noch ziemlich leeren Cafeteria im Erdgeschoss des Redaktionsgebäudes.

»Mein Mann«, sagte sie, und es klang unendlich traurig, »hat leider andere Interessen, das weißt du doch. Vor allem jetzt, wo er eine neue Stelle angetreten hat. Da hat er Wichtigeres im Kopf als mich.«

»Bist du da so sicher?«, fragte Marty ernst.

Maxine runzelte leicht die Stirn. »Ja, klar. Warum?«

»Weil ich manchmal denke, dass dein Mann gar nicht die wirkliche Maxine kennt. Dass du dich bei ihm genauso gibst wie hier in der Redaktion oder anderswo.«

Maxines Stirnfalten vertieften sich. »Du klingst, als würde ich allen nur etwas vorspielen. Ich bin, wie ich bin.« Der letzte Satz hörte sich etwas trotzig an.

»Nicht immer«, widersprach Marty und trank einen Schluck von seinem Smoothie. Bevor er weiterredete, nahm er noch einen großen Bissen von dem Apfelstrudel, den er sich zum Nachtisch an der Theke ausgesucht hatte, begleitet von einer Kugel Vanilleeis mit Sahne. Zuvor hatte er zwei Portionen Lasagne vertilgt.

»Nicht immer?«, wiederholte Maxine fragend. Dabei wusste sie genau, was er meinte.

Marty leckte genüsslich das Vanilleeis vom Löffel. »Richtig. So ganz du selbst bist du nur, wenn wir beide allein sind. Ungeschminkt und ohne Schutzschild.«

»Schutzschild?« Maxine schaute ihn verblüfft an.

»So sehe ich es zumindest. Mir gegenüber bist du offen, zeigst deine Ängste und sprichst über das, was dich bewegt. Anderen gegenüber verschließt du deine Gefühle und zeigst ein ganz anderes Gesicht.«

Maxine kaute auf ihrer Lippe. Bei Marty hatte sie immer das Gefühl, als würde er ihr bis auf den Grund ihrer Seele blicken. Aber es störte sie nicht. Er war ihr Vertrauter, ihr bester Freund.

»Viele sehen in dir eine oberflächliche, verwöhnte junge Frau, die außer Mode, Kosmetik und Partys keine weiteren Interessen hat«, fuhr er fort. »Das weißt du vermutlich selbst. Nur mir hast du gezeigt, dass ein ernsthafter Mensch hinter dieser Fassade steckt. Aber weiß das auch dein Mann?«

Maxine ließ ihr Besteck sinken. Ein resignierter Ausdruck zog über ihr hübsches Gesicht.

»Elmar macht sich darüber bestimmt keine Gedanken. Dazu ist er viel zu beschäftigt. Außerdem hat er seine Launen. Mal tut er so, als wäre er immer noch wahnsinnig verliebt in mich, dann wieder beachtet er mich kaum und gibt mir das Gefühl, dass ich ihm nur auf die Nerven gehe.«

»Hast du ihm das schon mal gesagt?«

Maxine zuckte mit den Schultern. »Wozu? Wir haben uns auseinandergelebt und werden uns vermutlich irgendwann scheiden lassen. Wir passen nicht zusammen. Wenn mein Vater sich nicht ständig eingemischt hätte, wäre mir das auch schon viel früher bewusst geworden.«

»Dann liebst du ihn nicht mehr?«

»Liebe!« Maxine seufzte. »Ich weiß nicht, ob ich ihn jemals geliebt habe. Okay, ich war mal rasend in ihn verliebt, aber das hat sich rasch wieder gelegt, eigentlich schon vor unserer Hochzeit. Ich wollte Elmar auch nicht wirklich heiraten. Es war mein Vater, der darauf gedrängt hat, das hatte ich dir ja erzählt.«

»Ach, Mädchen.« Auch Marty seufzte. »Ich wollte, ich könnte etwas für dich tun. Denn glücklich bist du nicht. Das wünsche ich dir aber.«

Maxine machte eine wegwerfende Handbewegung.

»Mach dir nicht so viele Gedanken um mich, Marty. Ich habe meinen Job, und ich habe dich. Mehr brauche ich nicht.«

Sie beschäftigte sich wieder mit ihrem gefüllten Baguette, als wollte sie damit das Thema für beendet erklären.

Für ein paar Augenblicke herrschte Schweigen am Tisch. Bis Marty verkündete, sich noch eine Portion Apfelstrudel mit Eis und Sahne holen zu wollen, und aufstand.

»Du isst zu viel«, mahnte Maxine. »Eines Tages wirst du noch platzen.« Doch er lachte nur.

Sie sah ihm nach, wie er auf seinen kurzen stämmigen Beinen zur Theke watschelte. Sie mochte ihn sehr, ihren dicken, gemütlichen Bären, der immer für sie da war. Ein Glück, dass sie ihn hatte. Sie machte sich aber auch Sorgen um seine Gesundheit. Es würde ihm guttun, fünfzig Pfund oder noch mehr abzunehmen.

Stattdessen wurde er immer dicker. Aber das war auch kein Wunder bei allem, was er in sich hineinstopfte. Leider rauchte er auch noch, ein weiterer Faktor, der seine Gesundheit bedrohte. Doch alle mahnenden Worte waren bei ihm umsonst.

»Hey, Maxi, ist bei dir noch frei?«, unterbrach eine Stimme ihre Gedanken. Sie gehörte Tilda, einer Kollegin, die zusammen mit einem anderen Kollegen zu ihr an den Tisch getreten war.

Maxine hätte lieber allein mit Marty geplaudert, doch die Cafeteria füllte sich jetzt zusehends, und sie würden ohnehin keine Privatsphäre mehr haben.