Notärztin Andrea Bergen Sammelband 3 - Arztroman - Marina Anders - E-Book

Notärztin Andrea Bergen Sammelband 3 - Arztroman E-Book

Marina Anders

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Beschreibung

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Sammelband 3: Drei spannende Arztromane zum Sparpreis

Andrea Bergen ist eine Frau mit Wünschen und Sehnsüchten, doch ihr Leben stellt sie in den Dienst der Kranken. Erleben Sie die ebenso spannenden wie bewegenden Geschichten um die Notärztin und ihre Arbeit am Elisabeth-Krankenhaus. Es sind Geschichten, die das Leben schrieb, voller Menschlichkeit und Herzensgüte, aber auch von Schicksalsschlägen und Trauer.

Lassen Sie sich mitreißen von den gefühlvollen Arztromanen rund um die starke 'Notärztin Andrea Bergen'.

Dieser Sammelband enthält die Folgen 1251 bis 1253:

1251: Blumen für die Notärztin

1252: Zu Gast bei den Bergens

1253: Ganz der Papa!



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Seitenzahl: 377

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Impressum

BASTEI ENTERTAINMENT Vollständige eBook-Ausgaben der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgaben Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG Für die Originalausgaben: Copyright © 2015 by Bastei Lübbe AG, Köln Programmleiterin Romanhefte: Ute Müller Verantwortlich für den Inhalt Für diese Ausgabe: Copyright © 2018 by Bastei Lübbe AG, Köln Covermotiv von © shutterstock: A.KaZaK ISBN 978-3-7325-7065-2

Marina Anders, Liz Klessinger

Notärztin Andrea Bergen Sammelband 3 - Arztroman

Inhalt

Marina AndersNotärztin Andrea Bergen - Folge 1251Erschöpft schließt die hübsche Laura Gardner die Haustür auf. Nach diesem langen Arbeitstag möchte sie nur noch eins: die Beine hochlegen und entspannen! Doch im Flur kommt ihr schon Bianca entgegen, die Babysitterin von Lauras Töchterchen Leonie. Die Kleine hat hohes Fieber und klagt bereits den ganzen Tag über Gelenkschmerzen. Ein Blick in Leonies fiebriges Gesichtchen genügt, um sämtliche Alarmglocken in Laura schrillen zu lassen: Leonies Wangen sind von einem roten, pusteligen Schmetterlingsausschlag überzogen! Die Diagnose, die Notärztin Dr. Andrea Bergen kurz darauf stellt, lässt Laura fast zusammenbrechen: Leonie leidet an Lupus Erythematodes, einer gefährlichen Autoimmunkrankheit, die ihre Organe zerstören wird! Nur eine Knochenmark-Transplantation kann ihr junges Leben noch retten ...Jetzt lesen
Liz KlessingerNotärztin Andrea Bergen - Folge 1252Fröhliches Lachen erklingt im Garten des Arztehepaars Bergen; Andrea und Werner haben gute Freunde und Nachbarn zu einem zwanglosen Grillabend eingeladen. Dass diese Einladung einen ganz bestimmten Grund hat, weiß nur Andrea: Seit Langem schon ist ihre Freundin Katja in Frank Imhoff, einen jungen Anwalt, verliebt. Und heute soll der Funke zwischen den beiden endlich überspringen ... Als sich Katja für einen Moment ins Badezimmer im ersten Stock der Villa zurückzieht, ahnt niemand etwas von dem nahenden Unglück. Doch da zerstören lautes Poltern und ein gellender Schrei die ausgelassene Stimmung! Und als Andrea ihre Freundin leblos am Fuß der Treppe findet, ahnt sie, dass von nun an nichts mehr so sein wird, wie es einmal war ...Jetzt lesen
Notärztin Andrea Bergen - Folge 1253Künstliche Befruchtung, In-vitro-Fertilisation, anonyme Samenspende - für die hübsche Katja Sievers sind dies längst keine fernen Möglichkeiten mehr. Denn die junge Klinikangestellte wünscht sich seit Langem schon ein Baby - allerdings ohne Mann an ihrer Seite. Noch heute ist ihr die schlechte Ehe ihrer Eltern abschreckendes Beispiel. Doch je länger sie darüber nachdenkt, wie sich ihr Herzenswunsch erfüllen könnte, desto größer wird ihre Sehnsucht nach einem Kind, das nur zu ihr gehört ... Als sie ihren ehemaligen Schulkameraden Steffen wiedertrifft, der sich von einem schweren Schicksalsschlag erholt und sich ebenfalls ein Baby wünscht, reift in Katja ein Plan: Kann sie mit Steffen das Baby bekommen, von dem sie schon so lange träumt? Das Baby ohne andere Verpflichtungen?Jetzt lesen

Inhalt

Cover

Impressum

Blumen für die Notärztin

Vorschau

Gerade habe ich noch einmal nach der kleinen Leonie Gardner gesehen, die auf der Kinder-Intensivstation mit dem Tode ringt. Dabei könnte sie längst auf dem Weg der Besserung sein – würden sich die Behörden nicht so querstellen! Denn das Fatale ist, dass wir den vielleicht einzigen Menschen auf der Welt gefunden haben, der Leonie das lebensrettende Knochenmark spenden könnte – doch er ist geistig leicht behindert und deshalb von seiner Betreuerin als nicht entscheidungsfähig erklärt worden. Sie selbst hat sich lautstark gegen seine Knochenmark-Spende ausgesprochen, und das ethische Komitee, das nun über den Fall zu beschließen hat, lässt sich mit der Entscheidung Zeit – Zeit, die Leonie nicht mehr hat!

Doch mit dieser unhaltbaren Situation werde ich mich nicht abfinden! Leonie wird gerettet werden – und wenn ich eigenhändig sämtliche Mühlen der Bürokratie lahmlegen muss …

Laura Gardner war froh, als der Tag zu Ende war. Sie räumte die Proben der Kosmetikartikel, für die sie Reklame machte, zusammen und packte sie in ihren Musterkoffer.

Wenig später verließ sie das Einkaufszentrum. Sie hatte keine Lust mehr, in das Warenhaus, vor dessen Eingang sie ihren Promotionstand hatte, hineinzugehen und sich zu erkundigen, ob ihre Werbeaktion Erfolg gehabt hatte. Sie würde schon noch erfahren, ob es eine erhöhte Nachfrage der von ihr angepriesenen Produkte gegeben hatte.

Laura Gardner war Beauty-Beraterin und Sales-Promoterin im Kosmetikbereich. Ihr Arbeitsplatz war in Einkaufszentren, Warenhäusern und auf Messen. Zum Leidwesen ihres Mannes umfasste ihr Arbeitsgebiet Städte im ganzen Bundesgebiet. Sie war viel unterwegs, hatte unregelmäßige Arbeitszeiten und war entsprechend gestresst.

Patrick, ihr Mann, machte ihr deswegen oft Vorhaltungen. Er wollte, dass sie häufiger zu Hause war, denn sie hatten eine kleine Tochter. Laura hatte oft selbst Gewissensbisse, weil sie die Kleine so vernachlässigte. Doch es war für sie auch sehr wichtig, unter Menschen zu sein und Erfolg zu haben.

Vielleicht können wir morgen etwas zusammen unternehmen, überlegte Laura, während sie auf das Parkdeck des Einkaufszentrums hinaustrat und zu ihrem Auto ging. Eine Art Familienausflug sozusagen.

Gleichzeitig graute ihr davor. Allein der Gedanke ließ das letzte bisschen Energie, das sie noch in sich spürte, dahinschmelzen wie Butter an der Sonne. Ein starkes Gefühl der Erschöpfung breitete sich in ihr aus. Nein, am Sonntag, ihrem einzigen freien Tag in der Woche, wollte sie nichts weiter tun, als sich auszuruhen.

Laura verstaute ihre beiden Musterkoffer im Kofferraum ihres Kombis, der dieselbe Farbe hatte wie ihr leuchtend rotes Kostüm. Dann setzte sie sich hinters Steuer und schloss die Tür.

Sie klappte die Sonnenblende herunter und musterte sich im Spiegel, der daran angebracht war. Ein attraktives, sorgfältig geschminktes, wenn auch unendlich müde wirkendes Gesicht blickte ihr entgegen. Sie griff sich in den Nacken und löste den Knoten, zu dem sie ihre glänzend schwarzen Haare für gewöhnlich wickelte. Flüchtig schüttelte sie das Haar aus, bis es ihr leicht gelockt auf die Schultern fiel.

Laura gähnte. Wenn ich nach Hause komme, werde ich mich erst einmal hinlegen, nahm sie sich vor.

Sie holte ihr Handy hervor und rief in der Gärtnerei ihrer Mutter an, wo ihre kleine Tochter Leonie heute betreut wurde, denn samstags war der Kindergarten, in den sie die Woche über ging, geschlossen.

Tommy, der nach einer Hirnhautentzündung geistig leicht zurückgebliebene Gärtnergehilfe, war am Apparat.

»Hallo, Marlenes Gartenparadies, einen schönen guten Tag«, meldete er sich munter.

Laura musste lächeln. Sie mochte Tommy und vertraute ihm auch bedenkenlos ihre Tochter an, die gern mit ihm spielte.

»Hallo Tommy, Laura hier«, sagte sie. »Ist meine Mutter in der Nähe?«

»Mutter nicht, aber Tochter«, war die Antwort, und im Geist konnte Laura das breite Lächeln auf seinem runden Gesicht sehen, das immer noch etwas Jungenhaftes hatte, obwohl Tommy demnächst seinen vierzigsten Geburtstag feierte. »Wollen Sie mit Leonie reden? Sie spielt auf dem Komposthaufen.«

Laura verzog leicht das Gesicht. Sie hoffte, dass Tommy das nicht so wörtlich gemeint hatte und Leonie nicht mitten im Kompost hockte. Wahrscheinlich brachte sie nur Pflanzenabfälle zur Kompostanlage.

»Dann lass sie mal spielen, Tommy! Ich wollte nur fragen, ob es okay ist, wenn ich Leonie erst gegen Abend abhole. Bin nämlich mal wieder völlig geschafft und muss mich erst ausruhen.«

»Kein Problem, Laura. Ich passe gut auf Leonie auf.«

»Danke, Tommy. Bis später dann.«

Anschließend wählte sie die Handynummer ihres Mannes für den Fall, dass er noch nicht zu Hause, sondern in seinem Studio war. Patrick war Dokumentarfotograf. Er hatte sich auf Medizinfotografie spezialisiert und besuchte Krankenhäuser, Arztpraxen und andere medizinische Einrichtungen.

Da er sich nicht meldete, nahm Laura an, dass er sich auf dem Heimweg befand, denn im Auto hatte er sein Handy grundsätzlich nie eingeschaltet. Sie steckte ihres wieder weg und ließ den Motor an.

Unkonzentriert und unter häufigem Gähnen fuhr sie nach Hause. In ihrer Ehe stand es nicht mehr zum Besten, woran Laura nicht unschuldig war, wie sie selbst zugeben musste. Doch sie wusste nicht, wie sie es ändern sollte, wenn sie nicht ihren Job aufgeben wollte. Und dazu war sie nicht bereit. Sie wollte nicht das Leben eines Hausmütterchens führen, während der Herr Fotograf sich in seinen Erfolgen sonnte.

Laura merkte, dass sie ungerecht wurde. Musste Patrick nicht oft genug einspringen, damit sie ihrem Beruf nachgehen konnte? Dabei hätte er liebend gern wieder in Vollzeit gearbeitet. Schließlich war er früher ein viel gefragter Bildberichterstatter gewesen. Aber seit sie sich in ihrem eigenen Beruf so engagierte, musste er sich notgedrungen Haushalt und Kinderbetreuung mit ihr teilen.

Sie bog in die Straße ein, in der sie wohnten. Als sie in die Einfahrt zu ihrem Reihenhaus fuhr, sah sie, dass ihr Mann bereits zu Haus war. Sein Auto stand in der Garage. Sie stellte ihren Kombi daneben ab und stieg aus.

***

»Du riechst wie ein ganzer Parfümerieladen«, empfing Patrick sie, als Laura ins Wohnzimmer kam, wo er es sich mit einem Bier vor dem Fernseher bequem gemacht hatte.

»Ich habe nun mal mit Kosmetik und Parfüms zu tun«, gab Laura etwas spitz zurück. »Immerhin rieche ich besser als du mit deiner Bierfahne.«

Patrick Gardner, ein gut aussehender Dreißiger mit dunkelblonden Haaren, schaltete den Fernseher aus und stand vom Sofa auf. Ein kurzer ärgerlicher Ausdruck huschte über sein Gesicht, doch dann lächelte er wieder.

»Bierfahne! Ich hab noch nicht mal ein halbes Bier getrunken. Komm, sei doch nicht gleich so eingeschnappt! Ich mag es ja, wenn du so fein riechst.«

Er wollte Laura in seine Arme ziehen, doch sie wich ihm aus.

»Meinetwegen brauchst du den Fernseher nicht auszuschalten«, sagte sie, und ihre Stimme klang ziemlich abweisend. »Ich werde mich erst mal hinlegen.«

»Gute Idee«, meinte Patrick. »Da komme ich gleich mit.«

Sie wehrte seine Hände ab, die er um ihre Taille legen wollte, und ging ein paar Schritte zurück.

»Patrick, ich bin vollkommen geschafft. Ich will nur noch allein sein und nichts mehr hören und sehen.«

Sein Lächeln erlosch und wich einem bitteren Ausdruck. »Natürlich, du bist ja immer geschafft, wie konnte ich das vergessen? Aber vielleicht wäre dieser Missstand ganz einfach zu beheben, indem du etwas kürzertreten und mehr zu Hause sein würdest.«

»Patrick, bitte nicht schon wieder dieses Thema!«, wehrte Laura mit erhobenen Händen ab. »Ist es denn wirklich zu viel verlangt, wenn ich von einem anstrengenden Tag nach Hause komme und erst mal meine Ruhe haben möchte?«

Patrick verschränkte demonstrativ die Arme vor der Brust, eine Geste, die Laura hasste.

»Ist es wirklich zu viel verlangt, wenn ich mich am Wochenende auf das Heimkommen meiner Frau freue, sie in den Arm nehmen, vielleicht ein bisschen Sex mit ihr haben möchte?«, fragte er dagegen. Mit einem frustrierten Seufzer ließ er die Arme wieder sinken. »Himmel noch mal, wir sind verheiratet! Was habe ich denn noch von dir?«

»Ach, beschwerst du dich jetzt, dass ich meine ehelichen Pflichten nicht erfülle?« Laura verzog spöttisch die Mundwinkel.

»Pflichten!« Patrick schüttelte den Kopf. »Ich hätte ein netteres Wort dafür. Aber Sex scheint dir ja nichts mehr zu bedeuten.«

»Ach, lass mich in Ruhe!« Laura wandte sich abrupt zur Tür und warf sie hinter sich zu.

Sie ging ins Schlafzimmer und drehte den Schlüssel im Schloss um. Auf keinen Fall wollte sie riskieren, dass Patrick ihr nachkam und die Diskussion fortsetzte, wenn sie sich vor Erschöpfung kaum noch auf den Beinen halten konnte. Kraftlos zog sie sich aus und kroch ins Bett.

Als sie sich ausstreckte und die Decke hochzog, drehte sich alles um sie. War es eigentlich normal, dass sie sich derart erschöpft fühlte? Gar so schwer arbeitete sie nun auch wieder nicht, obwohl es schon anstrengend war, jeden Tag Waren anzupreisen und Kunden zu beraten.

Laura warf sich von einer Seite auf die andere. Der ersehnte Schlaf wollte sich einfach nicht einstellen. Tausend Gedanken gingen ihr durch den Kopf, die sie nicht zur Ruhe kommen ließen. Angenehm waren sie alle nicht. Als ihr dann auch noch siedend heiß einfiel, dass sie am Mittwoch für ein paar Tage nach Bremen fahren musste, wovon Patrick noch gar nichts wusste, wurde sie von einer regelrechten Panikattacke überfallen.

Der Schweiß brach ihr aus allen Poren, und ihr Herz raste wie verrückt. Schließlich warf sie die Decke zur Seite und stand wieder auf. Es hatte keinen Sinn, länger hier zu liegen und darauf zu warten, dass ein gnädiger Schlaf sie in die Arme nahm und ihr ein paar Stunden Ruhe schenkte. Stattdessen ging sie ins Bad und duschte ausgiebig.

Als Laura das Bad zwanzig Minuten später wieder verließ, fühlte sie sich um einiges wohler. Ihre Lebensgeister kehrten wieder zurück. Ich schaffe das mit Bremen, sagte sie sich verbissen. Und Patrick muss es einfach akzeptieren, dass ich für ein paar Tage nicht da bin. Bremen war wichtig für sie. Nicht nur, dass sie einen Promotionstand in der Halle eines renommierten Wellness-Hotels hatte – die Produkte, für die sie Werbung machte, waren auch von einer neuen Firma, von der sie sich eine dauerhafte Zusammenarbeit erhoffte.

Außerdem fand im Anschluss daran ein Fortbildungsseminar statt, an dem sie unbedingt teilnehmen wollte. Auch das war wichtig für ihre weitere Karriere.

Laura schlüpfte in blaue Yogahosen und ein gelbes T-Shirt. Dann ging sie zurück ins Wohnzimmer. Es graute ihr davor, Patrick sagen zu müssen, dass sie am Mittwoch wegfahren musste und erst am darauffolgenden Montag wieder zurückkommen würde.

Der Fernseher lief noch, allerdings ohne Ton. Patrick lag auf dem Sofa und hielt sich das Handy ans Ohr.

Laura setzte sich in einen der brombeerfarbenen Velourssessel. Wie sie mitbekam, telefonierte Patrick mit seiner Mutter.

»Das wird eine aufregende Dokumentation werden«, hörte sie ihn sagen. »Bei einer Drillingsgeburt bin ich noch nicht mit dabei gewesen … Wie? Ja, natürlich hoffe ich für die Eltern, dass alles glattgeht, aber sollte es zu Komplikationen kommen, wird die Sache erst interessant werden … Nein, es kann jeden Moment so weit sein. Ich sitze sozusagen auf Abruf. Aber es kann natürlich auch sein, dass die Babys noch eine Woche auf sich warten lassen. Was für mich bedeutet, dass ich in dieser Zeit keine anderen Aufträge annehmen kann.«

Laura schluckte. Ihr wurde heiß und kalt. Patrick wartete auf eine Drillingsgeburt, um eine Fotodokumentation zu machen? Und was war, wenn sie am Mittwoch nach Bremen fuhr? Wer würde sich dann um Leonie kümmern?

Plötzlich hatte sie wieder einen Knoten im Magen. Zumindest fühlte es sich so an. Laura stand auf und ging zur Tür.

»Ich richte jetzt das Abendessen«, murmelte sie, was Patrick sicher nicht gehört hatte, und verschwand in der Küche.

***

Dr. Andrea Bergen, die junge hübsche Notärztin im Elisabeth-Krankenhaus, freute sich, als sie auf der Kinderstation unversehens ihrem Mann in die Arme lief.

»Hallo, Werner! Hast du nach einem deiner kleinen Patienten gesehen?«

Er drückte seiner Frau ein rasches Küsschen auf die Wange. »Ja, nach Tim Rollmann mit seinem chronischen Asthma. Nach einem neuen Erstickungsanfall hielt ich es für besser, wenn er für ein paar Tage stationär aufgenommen wird.«

Dr. Werner Bergen war Kinderarzt und hatte seine Praxis in der Jugendstilvilla in der Beethovenstraße. Außerdem war er Belegarzt auf der Kinderstation des Elisabeth-Krankenhauses.

»Und ich habe gerade nach dem kleinen Mädchen gesehen, das bei einem Autounfall die Mutter verloren hat und selbst schwer verletzt worden ist«, erklärte Andrea. »Ich habe dir ja gestern davon erzählt.«

Werner nickte. »Wirklich tragisch, dieser Fall! Wolltest du auch gerade nach unten? Ich fahre jetzt nach Hause.«

Andrea warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Ich komme gleich nach«, sagte sie, denn in einer halben Stunde war ihr Dienst zu Ende.

»Prima. Ich freue mich auf einen gemütlichen Abend mit dir.«

»Ich mich auch, Werner. Und auf das leckere Abendessen, das Hildchen sicher wieder gekocht hat«, fügte sie hinzu und meinte damit Werners Mutter, die ihnen den Haushalt führte und unermüdlich für sie sorgte.

»Und auf unsere beiden Mädchen«, ergänzte Werner augenzwinkernd. Das waren Franzi, die zwölfjährige Adoptivtochter der Bergens, und Dolly, der heiß geliebte und maßlos verwöhnte Familienhund.

Die beiden Ärzte betraten den Fahrstuhl und fuhren hinunter ins Erdgeschoss, wo sie sich trennten. Während Werner zum Ausgang ging, kehrte Andrea in die Notaufnahme zurück.

Es kam zum Glück vor Dienstschluss kein Einsatz mehr. Pünktlich wurde Andrea Bergen von ihrem Notarztkollegen Herbert Conrady abgelöst und fuhr anschließend nach Hause.

Als sie zwanzig Minuten später die geschmackvoll renovierte Jugendstilvilla betrat, wurde sie von Franzi und Dolly, die gerade die Treppe heruntergepoltert waren, stürmisch begrüßt.

»Schön, dass du da bist, Andi«, rief die Zwölfjährige. »Ich bin nämlich am Verhungern. Omi hat das Essen auch schon fertig.«

Andrea ging in die Küche, um auch ihre Schwiegermutter zu begrüßen, die gerade den Hasenrücken aus der Röhre holte.

»Bist du schon so weit, oder brauchst du ein paar Minuten?«, fragte Hilde Bergen.

»Meinetwegen können wir gleich essen«, meinte Andrea, denn auch ihr knurrte schon der Magen. »Kann ich was helfen?«

»Nein, danke. Setz dich schon mal zu Werner ins Esszimmer! Ach, da war übrigens ein Anruf für dich, von einer Frau Willmer … Wilke … tut mir leid, aber an den Namen kann ich mich nicht mehr genau erinnern.«

»Oh?« Andrea runzelte die Stirn. Weder der eine noch der andere Name sagte ihr im Moment etwas. »Hat sie etwas ausrichten lassen?«

»Nur, dass sie später noch mal anrufen wird.«

»Na, dann lasse ich mich überraschen.« Andrea nickte ihrer Schwiegermutter zu und ging ins Esszimmer, wo ihre bessere Hälfte schon hungrig am Tisch saß.

Einen Augenblick später brachten Hilde und Franzi das Essen herein. Zu dem Hasenrücken gab es noch Butterspätzle und einen gemischten Salat.

»Einfach himmlisch!« Andrea seufzte genussvoll. Sie fasste sich nach und hörte erst zu essen auf, als sie das Gefühl hatte zu platzen.

»Himmel, jetzt habe ich zu viel gegessen!«, sagte sie und hielt sich stöhnend den Bauch. »Und ihr habt es auch noch zugelassen.«

»Wir können dir doch nicht einfach den Teller wegziehen«, meinte Franzi und kicherte.

»Da hilft nur ein ausgedehnter Trab durch die Rheinauen«, schlug Werner vor.

»Wau, wuff!«, machte Dolly zustimmend und wedelte erwartungsvoll mit dem Schwanz.

Andrea tätschelte ihr lachend den Kopf. »Du hast natürlich wieder jedes Wort verstanden. Also, komm, machen wir uns fertig!«

»Und was soll ich dieser Frau sagen, wenn sie wieder anruft?«, wollte Hilde wissen.

»Oh, richtig.« Andrea krauste die Stirn. »Ich stelle auf Handy um und nehme es mit. Bin wirklich neugierig, wer das ist.«

Sie zogen sich bequeme Schuhe an und schlüpften in ihre Jacken. Werner nahm die Hundeleine an sich.

Es war ein milder Abend, perfekt für einen erholsamen Spaziergang, bei dem man die Hektik des Tages hinter sich lassen konnte. Der rötliche Schein der untergehenden Sonne lag über den Rheinauen, als sie dort eintrafen. Frösche quakten, Grillen zirpten, und vom Fluss her wehte eine würzige Brise.

»Der Spaziergang war eine gute Idee, Werner«, meinte Andrea.

Er nickte. »Ja, es ist ein herrlicher Abend. Nur schade, dass es bald dunkel wird.«

Sie waren schon ein ziemliches Stück gegangen, als Andreas Handy klingelte.

»Ah, das ist bestimmt die mysteriöse Frau Willmers.« Sie zog das Telefon aus ihrer Jackentasche und meldete sich.

»Hallo, Andrea«, tönte es ihr fröhlich entgegen. »Erinnerst du dich noch an deine Studienkollegin Britt?«

Andreas Augen wurden groß. »Britt? Britt Rosskopf?«

»Ja, richtig. Allerdings heiße ich jetzt Wilkens.«

Über Andreas Gesicht glitt ein Lächeln. »Oh, das ist aber eine Überraschung! Natürlich erinnere ich mich an dich. Wir waren während unseres Studiums ja viel zusammen.« Sie warf Werner einen kurzen Blick zu. »Ich gehe gerade mit Mann und Hund in den Rheinauen spazieren. Und wo bist du?«

»Zu Hause, in meinem neuen Domizil in der Wasserturmstraße hier in der Stadt. Dort wohne ich, seit ich aus den USA zurückgekehrt bin. Aber sag mal, soll ich nicht lieber zu einem anderen Zeitpunkt anrufen? Ich möchte dich nicht beim Spaziergang stören.«

»Nein, nein, ich freue mich ja, dass du anrufst. Deshalb habe ich das Handy auch mitgenommen.« Andrea ließ sich auf einem Steinbrocken nieder, während Werner anfing, für Dolly Stöckchen zu werfen.

»Meine Schwiegermutter hat mir schon gesagt, dass du später noch mal anrufen wirst«, redete sie weiter. »Nur hat sie deinen Namen nicht richtig behalten. Du bist also auch verheiratet?«

»Ich war es. Habe mich scheiden lassen, bevor ich in die Staaten gegangen bin. Meinen angeheirateten Namen habe ich verständlicherweise behalten«, fügte Britt unter Lachen hinzu.

Andrea nickte verständnisvoll. Rosskopf war wirklich kein besonders gut klingender Name für eine attraktive Frau wie Britt.

»Wie hast du mich gefunden?«

»Über Holger Mengert, wenn du den noch kennst. Er hat mir deine Telefonnummer gegeben.«

»Oh, Holger!« Andrea hatte mit dem ehemaligen Studienkollegen noch sporadischen Kontakt. »Und du warst für eine Weile in den USA?«

»Ja, in New York. Dort habe ich am Roosevelt Hospital gearbeitet.«

»Seit wann bist du wieder im Lande?«

»Seit einigen Wochen. Ich habe hier eine gute Stelle gefunden. Und wo arbeitest du?«

»Am Elisabeth-Krankenhaus an der Rheinpromenade.«

»Was? Das ist ja ein Zufall! Denn genau dort werde ich am nächsten Ersten auf der Chirurgie anfangen.«

»Nein!«, rief Andrea verblüfft. »Das ist wirklich ein toller Zufall.«

»Du, das muss gefeiert werden«, meinte Britt. »Hast du in den nächsten Tagen mal Zeit für ein Glas Wein?«

»Das lässt sich bestimmt einrichten. Ich melde mich bald, ja?«

»Super, Andrea. Ich freue mich. Und bring genügend Zeit mit! Es gibt bestimmt eine Menge zu erzählen.«

»Auf jeden Fall. Ich freue mich auch.« Andrea wechselte noch ein paar Abschiedsworte mit Britt, dann war das Gespräch beendet.

Britt Rosskopf – Pardon, Wilkens – am Elisabeth-Krankenhaus! Was für eine nette Überraschung! Das musste sie gleich Werner erzählen.

Sie stand von dem Steinbrocken auf und ging auf ihn und Dolly zu, die sich partout nicht das Stöckchen aus dem Maul nehmen lassen wollte.

***

Laura lag in ihrem Hotelzimmer auf dem Bett und starrte an die Decke. Sie fühlte sich einfach scheußlich, körperlich und seelisch. Die Tage in Bremen waren noch anstrengender, als sie befürchtet hatte, und der Krach mit Patrick lag ihr schwer im Magen.

Er hatte absolut kein Verständnis dafür gehabt, dass sie vergessen hatte, ihn über ihre Promotiontage in Bremen zu informieren, und hatte ihr nur vorgeworfen, dass ihr Gedächtnis schon anfing, unter dem Stress zu leiden, in den sie sich ständig hineinmanövrierte.

»Hast du vergessen, dass du ein Kind hast?«, hatte er ihr ärgerlich entgegengehalten, als sie ihm die Sache mit Bremen gebeichtet hatte. »Und dass ich ebenfalls wichtige Aufträge habe, die ich nicht sausen lassen will?«

Laura hatte seinen Ärger ja verstanden. Sie wusste auch, wie wichtig die Fotodokumentation über diese bevorstehende Drillingsgeburt für ihn war. Aber sie konnte trotzdem ihren Job nicht einfach hinwerfen.

Der Streit war noch eine ganze Weile weitergegangen, wobei eins zum anderen gekommen war. Aber Laura war nicht bereit gewesen, zu Hause zu bleiben. So hatte sie schließlich mit ihrer Mutter arrangiert, dass sie Leonie für ein paar Tage zu sich nahm. Gestern war Patrick dann auch mitten in der Nacht zu dieser Drillingsgeburt gerufen worden.

Allerdings hatte auch ihre Mutter sich eine Bemerkung darüber nicht verkneifen können, dass sie sich mehr Zeit für die Familie nehmen sollte. Laura hatte es geflissentlich überhört. Doch im Inneren wusste sie, dass sie recht hatte und dass auch Patricks Vorwürfe gerechtfertigt waren.

Seufzend setzte sie sich auf. Ob dieses Schwindelgefühl nachlässt, wenn ich etwas esse?, fragte sie sich und hielt sich den schmerzenden Kopf.

Laura verspürte nicht den geringsten Appetit. Auch hatte sie keine Lust, ins Restaurant hinunterzugehen und von anderen Seminarteilnehmern angesprochen zu werden.

Sie schloss die Augen und holte tief Luft. Was hätte sie darum gegeben, jetzt mit Patrick zusammenzusitzen und mit ihm zu lachen und zu plaudern, wie sie es früher oft getan hatten! Doch irgendwie schienen diese Zeiten nicht mehr wiederkehren zu wollen.

Wir haben uns auseinandergelebt, stellte sie zum wiederholten Mal fest, und eine schmerzliche Traurigkeit nahm sie gefangen. Und sicher hatten noch andere Fakten mitgespielt als ihre Berufstätigkeit. Ihre Schwiegermutter zum Beispiel, von der sie nie so richtig akzeptiert worden war.

Rita Gardner war Steuerberaterin. Ihre Klienten kamen aus der gehobeneren Geschäftswelt, und sie war mit Richard Späth, dem Besitzer eines renommierten Autohauses, liiert. Sie hoffte, dass er sie heiraten würde, wie Laura von Patrick wusste. Doch offenbar fürchtete sie, dass ihre Familie ihm nicht gut genug war. Ein Fotograf, der mit der Schürze in der Küche stand und seinen Aufträgen nicht nachkommen konnte, weil er Hausmann spielen musste, und eine Schwiegertochter, die in Einkaufszentren kosmetische Artikel anpries, waren nicht unbedingt sein Stil.

Rita hatte auch schon spitze Bemerkungen deswegen gemacht, worüber Laura sich maßlos geärgert hatte. Auch an Lauras Mutter hatte sie einiges auszusetzen gehabt, vor allem wegen ihrer unkonventionellen Kleidung. Weil Marlene keinen großen Wert auf ihre äußere Erscheinung legte und ihre Gärtnerei auch nicht nach dem herkömmlichen Vorbild führte, wo alles in Reih und Glied wuchs und mit Chemikalien unkrautfrei gehalten wurde, blickte Rita geringschätzig auf sie herab.

Natürlich hatte sie auch etwas dagegen, dass Leonie mit dem zurückgebliebenen Gärtnergehilfen spielte. Sie selbst kümmerte sich jedoch herzlich wenig um ihre Enkeltochter. Großmutter zu spielen fand Rita unter ihrer Würde. Immerhin stand sie noch mitten im Berufsleben und hatte wichtigere Dinge zu tun.

Laura seufzte. Ihr graute vor dem morgigen Tag. Es war der letzte Tag, und er würde besonders anstrengend werden. Hätte sie nur nicht zugestimmt, anschließend noch nach Hause zu fahren! Doch sie wollte sich Patricks Unmut nicht noch mehr zuziehen.

Sie sehnte sich auch nach ihrem Töchterchen. Leonie war in letzter Zeit auffallend still, dabei war sie immer ein fröhliches und lebhaftes Kind gewesen. Bestimmt vermisste die Kleine sie. Laura kämpfte das aufsteigende schlechte Gewissen nieder. Leonie fehlte ihr. Und irgendwie hatte sie auch Sehnsucht nach Patrick.

Eine Welle der Einsamkeit überrollte sie. Laura schluckte und wischte sich über die Augen. Dann holte sie ihr Handy hervor und wählte ihre Nummer zu Hause.

Doch niemand meldete sich. Wo waren Leonie und Patrick?

***

»Happy Birthday, Tommy! Alles Gute zum Geburtstag!« Marlene Pickhart drückte ihrem treuen Gärtnergehilfen ein herzliches Küsschen auf die Wange.

Tommy strahlte über das ganze Gesicht. »Danke, Chefin, vielen Dank.«

»Hier, ich habe auch eine Kleinigkeit für dich.« Marlene überreichte ihm ein kleines Päckchen.

»Für mich?« Tommy strahlte noch mehr. Rasch riss er die Verpackung auf. »Oh, lecker!«, rief er, als er die Mozartkugeln sah, die er so liebte. Er nestelte die Cellophantüte auf, und schon wanderte eine Kugel in seinen Mund.

»Lies mal, was auf der Karte steht!« Schmunzelnd tippte Marlene mit dem Finger auf die Geburtstagskarte, die sie beigefügt hatte.

Tommy las laut vor. »Einladung zum Geburtstagsessen heute Abend im ›Ristorante Galileo‹.« Er brauchte eine Weile, bis er die Wörter buchstabiert hatte. Seit er als Kind eine Hirnhautentzündung gehabt hatte, war er etwas zurückgeblieben. »Super, Frau Pickhart! Danke schön. Darauf freue ich mich.«

Marlene tätschelte ihm den Arm. »Ich mich auch, Tommy. Aber jetzt müssen wir erst wieder etwas tun.«

»Klar, Chefin. Alles, was Sie wollen.« Tommys Lächeln ging von einem Ohr zum anderen. »Was soll ich zuerst tun?«

Marlene sah sich im Treibhaus um, in dem sie gerade standen und in dem sich auch der Verkaufstisch befand.

»Die Setzlinge brauchen alle Wasser«, sagte sie schließlich. »Draußen müssten die Astern pikiert werden. Und iss nicht die ganz Tüte leer!«, mahnte sie mit erhobenem Finger, als Tommy sich eine weitere Mozartkugel in den Mund schob. »Sonst verdirbst du dir nur den Magen und kannst heute Abend nichts mehr essen.«

Tommy grinste nur. »Ich kann immer essen, Frau Pickhart«, meinte er mit vollen Backen.

Der Tag verging ohne große Hektik. Die Kunden kamen und gingen, Tommy tat seine Arbeit, und Marlene ging zwischendurch ins Haus, um sich an den Computer zu setzen und eine größere Bestellung bei ihrem Großhändler für Gärtnereibedarf aufzugeben. So klein ihre Gärtnerei auch war, sie hatte Erfolg mit ihrem Paradies, wie sie es nannte.

Als Marlene mit ihren Schreibarbeiten fertig war und vom Stuhl aufstehen wollte, fuhr ihr plötzlich ein stechender Schmerz in den Brustkorb. Erschrocken setzte sie sich wieder hin. Sie hatte dieses Stechen in letzter Zeit schon ein paar Mal gehabt, aber nicht so heftig wie jetzt.

Ganz ruhig!, ermahnte sie sich und atmete tief durch. Als sie mit den Schultern zu kreisen begann, verflüchtigte sich der Schmerz allmählich.

Wahrscheinlich war es nur eine kleine Zerrung, sagte sie sich. Sie stand wieder auf und ging hinüber ins Treibhaus.

»Feierabend, Tommy«, rief sie ihrem Gehilfen zu. »Ich hole dich in einer Stunde ab, ja?«

Tommy blickte auf seine Armbanduhr. »Sieben Uhr?«, vergewisserte er sich.

»Richtig.« Marlene lächelte. »Zieh dir was Flottes an!«

»Mach ich, Frau Pickhart. Bis später.«

Kurz darauf schwang Tommy sich auf sein Fahrrad und fuhr zu der Wohngemeinschaft, wo er zusammen mit anderen wohnte, die ebenso Betreuung brauchten wie er. Dort hatte er sein eigenes Zimmer, das er pedantisch in Ordnung hielt, und dort bekam er auch seine Mahlzeiten. Das Wohnheim war auch nicht weit von der Gärtnerei entfernt.

Lächelnd schaute Marlene ihm nach. Ohne Tommy konnte sie sich ihren Gärtnereibetrieb gar nicht mehr vorstellen. Er mochte etwas schwer von Begriff sein, aber er war ein fleißiger Arbeiter, und wenn er einmal etwas begriffen hatte, dann saß es auch. Und er verehrte sie. Sie, Laura und die kleine Leonie waren seine Familie. Und für Marlene konnte es auch noch lange so bleiben.

***

Laura war zu Tode erschöpft, als sie endlich daheim war und den Hausschlüssel ins Schloss steckte. Auf der Autobahn war so viel Betrieb gewesen, dass sie für die Fahrt von Bremen geschlagene fünf Stunden gebraucht hatte. Jetzt war es fast Mitternacht.

Patrick war noch auf, denn aus dem Wohnzimmer drangen Fernsehgeräusche. Leonie schlief sicher schon lange. Laura war es nur recht, denn sie fühlte sich absolut nicht in der Lage, sich jetzt noch mit einem quirligen kleinen Kind zu befassen, das einem Löcher in den Bauch fragte.

»Ich bin zu Hause«, rief sie, während sie in der Diele ihren Blazer ablegte, doch niemand antwortete ihr.

Laura betrat das Wohnzimmer. Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht, als sie die Idylle erblickte. Vater und Tochter lagen eng umschlungen auf dem Sofa und schliefen selig, während der Nachrichtensprecher etwas von einer Schlechtwetterfront erzählte.

Laura schaltete den Fernseher aus und trat ans Sofa. Gerührt blickte sie auf die beiden Schlafenden. Dann beugte sie sich zu ihnen und drückte jedem ein Küsschen auf die Wange.

»Ich bin zu Hause«, sagte sie noch einmal, und diesmal reagierte Patrick. Er schlug die Augen auf und sah sie stirnrunzelnd an.

»Ach, du bist es!« Vorsichtig, um Leonie nicht zu stören, setzte er sich auf und fuhr sich mit den Fingern durch das zerzauste Haar. »Ganz schön spät«, stellte er nach einem Blick auf die Uhr fest.

Laura ärgerte sich über seinen vorwurfsvollen Ton. »Auf der Autobahn war die Hölle los«, verteidigte sie sich leicht gereizt. »Ich bin völlig erledigt.«

Patrick warf ihr einen kurzen missbilligenden Blick zu. »Das bist du ja immer. Aber du könntest es ändern, wenn du nur wolltest. Das Problem ist, dass du es nicht willst. Also beklage dich nicht!«

Laura presste die Lippen aufeinander. Sie hatte sich gefreut, nach Hause zu kommen, doch Patricks sichtlich schlechte Laune war wie eine kalte Dusche für sie.

Was habe ich auch anderes erwartet?, fragte sie sich im Stillen, während sie zur Hausbar ging und sich einen Martini eingoss. Sie brauchte jetzt unbedingt einen Drink, um zur Ruhe zu kommen. Sonst würde sie nicht schlafen können.

Patrick kam ihr nach. Er trat hinter sie und küsste sie auf den Nacken.

»Entschuldige!«, murmelte er rau. »Ich habe mir Sorgen um dich gemacht.«

Ein versöhnliches Gefühl zog durch Lauras Herz. Gleichzeitig sträubte sich etwas in ihr gegen Patricks plötzliche Zärtlichkeiten. Sie wusste, worauf er hinauswollte. Aber Sex war jetzt das Letzte, wonach ihr der Sinn stand.

Abrupt trat sie zur Seite. »Ich möchte nach diesem Drink gleich ins Bett gehen«, sagte sie mit Betonung.

»Kein Problem«, erwiderte er. Sein Tonfall sagte ihr deutlich, was er von ihr erwartete, und ihre Ablehnung wuchs. Nein, heute Nacht nicht mehr!

Patrick goss sich ebenfalls einen Drink ein. Als er dabei ein klirrendes Geräusch verursachte, wurde Leonie wach. Sie setzte sich auf und rieb sich verschlafen die Augen.

»Mami.« Die Stimme der Kleinen klang kraftlos. Überhaupt saß sie da wie ein Häufchen Elend, wie Laura auffiel. Aber sie war auch gerade erst aufgewacht.

»Komm her zu mir, mein Schatz.« Laura stellte ihr Glas ab und ging mit ausgebreiteten Armen auf ihr Töchterchen zu.

Leonie reagierte nicht. Als Laura sich zu ihr kniete und sie in die Arme nahm, drehte sie den Kopf zur Seite.

Laura setzte sich zu ihr und legte ihr den Arm um die Schultern. »Was ist los, Kleine? Warum bekomme ich keinen Kuss?«

Das kleine Mädchen starrte bekümmert vor sich hin.

»Du bist immer fort, Mami«, sagte es anklagend. »Der Papa hat keine Zeit für mich, und die Oma ist mit dem Tommy fortgegangen und hat mich nicht mitgenommen!«

»Ich muss doch arbeiten und Geld verdienen«, versuchte Laura, ihr zu erklären.

»Erzähl dem Kind keinen solchen Unsinn!«, brummte Patrick. »Ich bin durchaus in der Lage, genügend Geld zu verdienen, um meine Familie zu ernähren. Leider machst du mir oft genug einen Strich durch die Rechnung, weil dein Job dir wichtiger ist als die Familie.«

»Ach, sind wir wieder mal bei diesem Thema angelangt?«, fragte Laura hitzig. »Ich komme nach anstrengenden fünf Tagen nach Hause und werde nur mit Vorwürfen überfallen, statt dass ich entspannen könnte. Besten Dank, das ist alles, was ich jetzt brauche. Wäre ich nur noch diese Nacht in Bremen geblieben!«

Mit einem harten Ruck setzte sie ihr noch halb volles Glas ab und ging aus dem Zimmer. Sie war zu müde, um sich an diesem Abend noch mit Patrick auseinanderzusetzen.

***

Pünktlich um sieben Uhr hielt Marlene Pickhart vor Tommys Wohnheim. Sie brauchte auch nicht lange zu warten, da kam er schon durch die Eingangstür. Er trug saubere Jeans, ein weißes Hemd und ein graues Sakko. Strahlend winkte er ihr zu.

»Du hast dich aber fein gemacht«, begrüßte Marlene ihn, nachdem er eingestiegen war.

Tommy grinste. »Klar, wenn ich mit Ihnen ausgehe, Chefin. Sie sehen ja auch ganz flott aus.«

»Ach, der alte Rock und die noch ältere Bluse!« Lachend fuhr Marlene vom Straßenrand.

Tommy war richtig aufgedreht. Er plauderte von allen möglichen Dingen und betonte dabei immer wieder, wie sehr er sich auf den Abend mit seiner Chefin freute.

Schon beim Einsteigen war Marlene der Alkoholgeruch aufgefallen, der von ihm ausging.

»Du scheinst ja schon kräftig gefeiert zu haben«, bemerkte sie mit einem verständnisvollen Zwinkern.

»Ich hab einen Schnaps trinken müssen«, erklärte er und kicherte.

Wenige Minuten später fuhren sie auf den Gästeparkplatz des »Ristorante Galileo«. Das Lokal wurde auch »Nobel-Italiener« genannt, und entsprechend nobel waren die Gäste. Zumindest der größte Teil von ihnen. Marlene kam ab und zu mit Freunden her. Sie liebte das Ambiente, und das Essen war hervorragend.

Sie betraten das Lokal und wurden vom Oberkellner zu dem Tisch gebracht, den Marlene hatte reservieren lassen.

»Toll ist es hier«, bemerkte Tommy leutselig und erntete vom Oberkellner ein sparsames Lächeln.

Sie setzten sich und ließen sich die Speisekarte vorlegen.

»Ich esse einen Hamburger«, verkündete Tommy, bevor er die Speisekarte überhaupt aufgeschlagen hatte.

Marlene lächelte nachsichtig. »Da wirst du Pech haben, Tommy. Hamburger gibt es in einem italienischen Lokal nicht. Heute essen wir mal was anderes. Vielleicht eine Pizza? Die magst du doch so gern.«

»Jaaa, Pizza!«, rief Tommy und freute sich wie ein kleines Kind.

Der Kellner kam und erkundigte sich nach den Getränkewünschen der neuen Gäste.

»Schnaps«, wünschte Tommy.

Marlene schüttelte den Kopf. »Den hast du doch schon gehabt. Wie wäre es mit einer Cola? Oder einem schönen Saft?«

»Wein«, entschied Tommy nach kurzem Überlegen. »Heute will ich Rotwein trinken.«

»Also gut«, gab Marlene nach und bestellte eine Karaffe Valpolicella.

Sie studierten die Speisekarte, und Marlene machte Vorschläge, weil Tommy sich nicht entscheiden konnte. Schließlich entschied er sich für eine Pizza Siciliana, während Marlene Kaninchen alla Cacciatora wählte.

Der Kellner kam und brachte den Wein. Marlene dankte freundlich und trank Tommy zu. »Auf deinen Geburtstag, und weitere frohe vierzig Jahre.«

Tommy überlegte kurz. »Dann bin ich ja schon ein alter Mann.«

»Und ich eine noch viel ältere Frau.«

Besorgt sah Marlene, dass Tommy den Wein wie Wasser trank. »Ich hoffe, du verträgst den Wein, nachdem du schon Schnaps getrunken hast.«

»Ich vertrage alles«, behauptete er mit einer großspurigen Armbewegung und warf dabei den Kerzenleuchter um, der in der Mitte des Tisches stand. Geistesgegenwärtig griff Marlene danach, bevor die Flamme das Damasttischtuch ansengen konnte. Allerdings konnte sie nicht verhindern, dass einiges Kerzenwachs auf die Tischdecke tropfte.

Als sie den Kopf wandte, sah sie direkt in die missbilligend blickenden Augen von Rita Gardner, der Schwiegermutter ihrer Tochter. Sie und ihr Partner, ein prominenter Autohändler mit silbergrauem Haar, saßen an dem begehrten Erkertisch, nur wenige Schritte entfernt. Marlene hatte die beiden gar nicht gesehen, als sie ins Lokal gekommen waren.

Sie stöhnte innerlich. Mussten Rita und ihr Autohändler heute Abend ebenfalls im »Ristorante Galileo« essen?

»Oh, Frau Gardner, guten Abend«, grüßte Marlene dennoch freundlich und nickte Ritas Begleiter flüchtig zu.

»Guten Abend«, kam es reserviert zurück.

Obwohl Marlenes Tochter mit Ritas Sohn verheiratet war, kannten die beiden Mütter sich kaum. Sie hatten keinen Kontakt zueinander, und sie duzten sich auch nicht. Rita Gardner hatte von vornherein deutlich gemacht, dass sie darauf keinen Wert legte.

Marlene ärgerte es, dass diese Frau so hochmütig auf sie herabblickte, als wäre sie nicht standesgemäß. Und nur, weil ihre absichtlich leicht verwilderte Gärtnerei nicht dem üblichen Rahmen entsprach, sie keinen Wert auf ihre äußere Erscheinung legte und einen geistig zurückgebliebenen Mann beschäftigte, der ihr guter Freund war.

»Guten Abend«, ließ Tommy sich jetzt vernehmen. »Schön ist es hier, finden Sie nicht?«, rief er hinüber zur Nische.

Rita Gardner nickte gnädig, während ihr Partner sich angelegentlich mit seinem Essen beschäftigte.

»Der Wein schmeckt auch lecker«, plauderte Tommy unbekümmert weiter. »Haben Sie den schon mal probiert?«

»Nein, ich denke nicht«, erwiderte Rita abweisend.

Marlene wollte Tommy unter dem Tisch schon auf den Fuß treten und ein paar entschuldigende Worte zu Rita sagen, aber dann ließ sie es bleiben. Es war Tommys Geburtstag, und er sollte seinen Spaß haben. Sie hatte auch keinen wirklichen Grund, ihn zu ermahnen. Immerhin wusste Patricks Mutter um Tommys Handicap.

»Leonie war diesmal ganz lange bei uns«, berichtete Tommy redselig. »Bis heute Abend. Da ist ihr Papa gekommen und hat sie abgeholt.«

»Ich weiß«, rang Rita sich ab.

»Sie ist so niedlich, die Kleine«, schwärmte Tommy. »Wir freuen uns immer, wenn sie kommt. Nicht wahr, Chefin?«

»Oh, ja«, stimmte Marlene ihm zu und schickte ein entschuldigendes Lächeln zum Nachbartisch.

»Dann sitzt sie gern auf meinem Schoß, und wir spielen ›Hoppe, hoppe, Reiter‹», erzählte Tommy und kicherte.

Marlene sah, wie Rita gequält das Gesicht verzog. Auch ihrem Begleiter war anzusehen, dass er Tommys Geplapper mehr als peinlich fand. Zum Glück wurden sie unterbrochen, als der Kellner das Essen brachte.

»Guten Appetit, Chefin«, wünschte Tommy und nahm ein Stück Pizza in die Hand. Herzhaft biss er hinein. Das Besteck, auf das Marlene ihn aufmerksam machte, brauchte er nicht, wie er mit einer Handbewegung abtat.

Kurz darauf verließen Rita Gardner und ihr Begleiter mit einem knappen Gruß das Lokal. Eingebildete Ziege, dachte Marlene. Doch Ritas Autohändler war noch arroganter als sie. Die beiden passten wunderbar zusammen.

Gegen neun Uhr fuhr sie Tommy nach Hause. Er bedankte sich für den schönen Abend und umarmte sie zum Abschied.

»Wenn Sie mal Geburtstag haben, lade ich sie ebenfalls ein. Hamburger essen«, fügte er hinzu und nickte wichtig. »Bei McDonald’s.«

***

Heute trat Dr. Britt Wilkens ihre Stelle am Elisabeth-Krankenhaus an. Andrea dachte an sie, als sie an diesem Morgen zum Dienst fuhr. Und an den Abend, den sie vor Kurzem zusammen verbracht hatten. Sie hatten sich in einem gemütlichen Weinlokal getroffen und hatten fast bis Mitternacht zusammengesessen.

Es war ein nettes Treffen gewesen, doch hinterher war Andrea bewusst geworden, dass sie kaum zum Erzählen gekommen war. Dafür hatte Britt umso mehr von sich geplaudert. Andrea hatte alles aus ihrer Zeit in den USA erfahren, von ihren chirurgischen Erfolgen am Roosevelt Hospital in New York bis hin zu ihren Affären mit einem Schönheitschirurgen und einem TV-Star.

Wie es Andrea in der ganzen Zeit ergangen war, danach hatte Britt sich nur am Rande erkundigt. Als Andrea ein wenig von sich berichten wollte, hatte Britt sie gleich wieder unterbrochen, um eine weitere Begebenheit aus ihrer Zeit in den Staaten zu erzählen.

Als Andrea Bergen am Elisabeth-Krankenhaus auf den Personalparkplatz fuhr, sah sie zwei Personen zusammenstehen. Es waren Dr. Anger, der arrogante Oberarzt von der Chirurgie, und Britt Wilkens. Andrea verzog die Lippen, als sie sah, dass Helmut Anger wieder einmal seinen ganzen Charme spielen ließ. Da hatte er wirklich keine Zeit verschwendet, um sich bei der neuen Kollegin auf seine Weise einzuführen! Britt hatte das Klinikgebäude noch nicht einmal betreten, und schon machte dieser Casanova sich an sie heran.

Britt schien von seinem Gehabe auch noch angetan zu sein. Gerade lachte sie perlend auf. Andrea stieg aus und ging auf die beiden zu.

»Guten Morgen«, grüßte sie, lächelte dabei jedoch nur Britt an. »Willkommen am Elisabeth-Krankenhaus!«

»Oh, hallo, Andrea – danke. Ich freue mich schon sehr auf meinen neuen Arbeitsplatz.« Britt erwiderte ihr Lächeln nur flüchtig und wandte sich gleich wieder Dr. Anger zu.

Zu dritt gingen sie zum Personaleingang. Britt lachte und plauderte mit Helmut Anger, als würde sie ihn schon ewig kennen. Die Notärztin kam sich dabei vollkommen überflüssig vor.

Leicht frustriert ging Andrea hinter ihnen her. Britt würde doch nicht auf ihn hereinfallen? Man müsste sie glatt vor diesem Schürzenjäger warnen!

***

»Merkst du nicht selbst, dass Leonie immer stiller wird und kaum noch etwas isst?« Vorwurfsvoll blickte Patrick Gardner seine Frau an. Dabei wurde ihm bewusst, dass auch Laura immer schweigsamer wurde. Und gegessen hatte sie auch nicht viel. Wurde sie nicht auch immer dünner? Besorgnis wuchs in seinem Herzen, gepaart mit einer plötzlichen Zärtlichkeit. Wie blass sie aussah!

Laura stand auf und räumte den Tisch ab. Sie hatten gerade zu Abend gegessen, und Leonie hatte gebeten, sich aufs Sofa legen zu dürfen, weil sie so müde war.

»Sie hat doch einiges gegessen«, meinte Laura, obwohl sich auf Leonies Teller noch ein beachtlicher Rest befand.

»Eine Gabel voll, mehr nicht«, betonte Patrick.

»Du übertreibst.« Ärgerlich trug Laura das Tablett mit dem benutzten Geschirr in die Küche.

Patrick trank sein Bier aus und folgte ihr. Auch in ihm stieg jetzt Ärger auf und vertrieb die besorgten und zärtlichen Gefühle, die er gerade noch gehabt hatte.

»Den Kindergärtnerinnen ist auch schon aufgefallen, dass Leonie plötzlich so verändert ist.« Mit verschränkten Armen lehnte er sich gegen den Kühlschrank. »Aber davon weißt du natürlich nichts, weil du nie da bist, um sie vom Kindergarten abzuholen. Oder fast nie da bist«, schwächte er rasch ab, als Laura protestieren wollte.

Geräuschvoll sortierte sie das Geschirr in die Spülmaschine. »Ich habe schließlich auch noch meinen Job«, betonte sie.

»Eben, das ist ja das Problem! Über deinem Job vergisst du deine Familie.«

»Ach ja, mein Job ist natürlich vollkommen unwichtig!«, brach es ärgerlich aus Laura hervor.

»Deine Aufgabe als Mutter wäre wichtiger, aber die willst du ja nicht erfüllen.«

»Das tue ich doch!«, verteidigte Laura sich hitzig. »Und es gibt nichts, worüber Leonie sich beklagen könnte. Sie geht gern in den Kindergarten, und wenn wir beide keine Zeit haben, um sie abzuholen, tut Mama das und nimmt sie mit zu sich. Du weißt doch, wie gern Leonie in der Gärtnerei spielt.«

Aus dem Wohnzimmer kam leises Weinen. Patrick warf seiner Frau einen strafenden Blick zu und ging aus der Küche.

Laura wischte sich müde über die Stirn. Eine innere Stimme sagte ihr zum wiederholten Mal, dass Patrick mit seinen Vorwürfen nicht unrecht hatte. Laura hasste diese Stimme, denn sie störte ihre beruflichen Pläne.

»Leonie hat Bauchschmerzen«, erklärte Patrick von der Küchentür her. »Außerdem verlangt sie nach dir.«

Wortlos ging Laura ins Wohnzimmer. Leonie lag auf dem Sofa und weinte leise vor sich hin.

»Wo tut’s denn weh, mein Schatz?«, fragte Laura und setzte sich zu der Kleinen.

»Im Bauch«, klagte Leonie. »Und überall juckt es.«

»Juckt?« Stirnrunzelnd betrachtete Laura die kleinen roten Flecken auf Leonies Arm. Sie sahen harmlos aus, aber es konnte sich auch eine ernste Krankheit daraus entwickeln. Masern zum Beispiel.

»Ich bringe dich jetzt ins Bett«, sagte sie und hob die Kleine hoch. »Dann schläfst du schön, und morgen früh ist alles wieder gut.«

»Bestimmt, Mami?«

Laura wich dem ängstlichen Blick ihrer kleinen Tochter aus und nickte. »Ganz bestimmt«, versicherte sie und fühlte sich irgendwie scheußlich dabei.

Sie brachte Leonie ins Bett und ging dann wieder nach unten.

»Es ist sicher nichts Ernstes«, meinte sie zu Patrick, der inzwischen im Wohnzimmer saß.

»Irgendetwas wird schon dahinterstecken«, brummte er. »Und wenn es nur seelischer Stress ist.«

»Stress!« Laura ließ sich auf der Armlehne eines Sessels nieder. »Welchen Stress soll Leonie schon haben?«

»Sie hat Kummer, weil ihre Mutter so viel unterwegs ist«, entgegnete Patrick ruhig. »Aber das willst du ja nicht einsehen.«

»Ach, jetzt bin ich daran schuld, wenn Leonie krank wird?«, brauste Laura auf.

Mit Patricks erzwungener Ruhe und Geduld war es nicht weit her. Auch er wurde jetzt heftig.

»Verdammt, Laura, sieh es doch endlich ein! So kann es einfach nicht weitergehen. Wir führen keine Ehe mehr, und wir haben auch kein Familienleben mehr. Dabei wäre das Problem einfach zu lösen, indem du nur noch halbtags arbeitest.«

Laura starrte ihn finster an, dann lachte sie auf. »Nein, das glaube ich nicht, Patrick. Denn das ist gar nicht das Problem. Sicher hättest du nichts dagegen, wenn ich in einem sogenannten gehobenen Beruf arbeiten würde. Aber ich bin ja nur eine unbedeutende Verkaufsberaterin, die in Einkaufszentren Waren anpreist wie eine Marktfrau. Das ist deiner feinen Mutter natürlich ein Dorn im Auge. Und genau das ist das eigentliche Problem – deine Mutter!«

»Lass Mama aus dem Spiel!«, fuhr Patrick ebenso ärgerlich auf. »Du hast sie von Anfang an nicht gemocht und willst nur …«