Operation Simipath: Verborgene Jagd - Dirk van den Boom - E-Book
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Operation Simipath: Verborgene Jagd E-Book

Dirk van den Boom

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Beschreibung

Die beiden Weltraum-Schürfer Bera Sansa und Edian Tarkin stehen kurz davor, ihr Geschäft aufzugeben: Zu wenig einträglich ist die Suche nach Rohstoffen am Rande der bekannten Galaxis. Da entdecken sie ein herrenloses Schiff. An Bord wecken sie vier gelartige, formlose Wesen aus dem Kryo-Schlaf. Diese verwandeln sich - in perfekte Kopien von Bera und Edian!

Eine Generation später: Minarel Tarkin, Tochter von Edian und Bera, leitet ein einträgliches und sehr verschwiegenes Unternehmen. Die vier Gestaltwandler, Simipathen genannt, arbeiten als Doubles oder Leibwächter für die Reichen, Mächtigen und Kriminellen der Galaxis. Doch dann beginnt jemand, sie einen nach dem anderen zu entführen ...

Operation Simipath - die neue Science-Fiction-Trilogie von Dirk van den Boom wird fortgesetzt mit:

Band 2: Letzte Option

Band 3: Geheimes Manöver

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Inhalt

CoverGrußwort des VerlagsÜber dieses BuchTitelVor achtunddreißig JahrenKapitel 1Kapitel 2Kapitel 3Kapitel 4Kapitel 5Kapitel 6Kapitel 7Kapitel 8Kapitel 9Kapitel 10Kapitel 11Kapitel 12Kapitel 13Kapitel 14Kapitel 15Kapitel 16Kapitel 17Kapitel 18Kapitel 19Kapitel 20Kapitel 21Kapitel 22Kapitel 23Kapitel 24Über den AutorWeitere Titel des AutorsLeseprobeImpressum

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Über dieses Buch

Die beiden Weltraum-Schürfer Bera Sansa und Edian Tarkin stehen kurz davor, ihr Geschäft aufzugeben: Zu wenig einträglich ist die Suche nach Rohstoffen am Rande der bekannten Galaxis. Da entdecken sie ein herrenloses Schiff. An Bord wecken sie vier gelartige, formlose Wesen aus dem Kryo-Schlaf. Diese verwandeln sich – in perfekte Kopien von Bera und Edian!

Eine Generation später: Minarel Tarkin, Tochter von Edian und Bera, leitet ein einträgliches und sehr verschwiegenes Unternehmen. Die vier Gestaltwandler, Simipathen genannt, arbeiten als Doubles oder Leibwächter für die Reichen, Mächtigen und Kriminellen der Galaxis. Doch dann beginnt jemand, sie einen nach dem anderen zu entführen …

Vor achtunddreißig Jahren

»Ich glaube nicht, dass wir das noch reparieren können.«

Ihr Ehemann verbarg die Hoffnungslosigkeit in seiner Stimme nicht. Sein Gesicht blieb allerdings Bera Sansas Vorstellungskraft überlassen, da er gerade mit dem Oberkörper in den Innereien der Palomino steckte. Seine langen, dürren Beine, nackt und behaart, lagen ausgestreckt quer über dem engen Gang, die Fußspitzen mit den schweren Stiefeln jeweils in eine Lache aus Flüssigkeiten getunkt. Es roch, und das lag nicht an Edian Tarkins Körperhygiene. An Bord der Palomino stank immer irgendwas. Bera hatte sich mittlerweile daran gewöhnt.

»Wir haben kein Ersatzmodul mehr. Wir müssen das flicken«, erwiderte sie ruhig, neben dem Liegenden hockend, den Werkzeugkasten griffbereit. Sie erinnerte ihren Mann an etwas, das er wusste. Er hatte aber manchmal die Tendenz, Dinge auszublenden, die er nicht für so wichtig hielt. Es war nicht immer leicht mit ihm.

Edian stieß ein Seufzen aus und kroch sehr vorsichtig aus der Öffnung, bis sein etwas verschwitztes Gesicht zum Vorschein kam. Er lächelte Bera an, und es lag viel Wärme in seinen Augen, als er ihr antwortete.

»Vergiss es, mein Engel. Da ist nichts zu überbrücken und nichts zu flicken. Das fliegt uns um die Ohren, wir haben viel zu lange nur das Nötigste getan.«

Manchmal nicht einmal das, dachte Bera.

»Ersatzteile müssen her.«

»Was schätzt du?«

Tarkin setzte sich auf, lehnte sich an die Wand. Er nahm den Becher entgegen, den seine Frau ihm reichte, trank einen Schluck Wasser. Die benetzten Lippen presste er kurz aufeinander, ehe er antwortete. »Das hält noch fünf oder sechs Stunden, dann schaltet sich die ganze Sektion ab. Ich sag mal lieber fünf.«

»Unsere Erzscanner hängen an dem Schaltkreis«, erinnerte ihn Bera. »Wenn die keinen Saft mehr haben, können wir nicht nach Vorkommen suchen. Entdecken wir keine Vorkommen, können wir sie nicht melden oder abbauen. Ergo verdienen wir kein Geld. Und ohne Geld …«

»… keine Ersatzteile. Wir müssen zur Station zurück und uns was leihen.«

Edian und Geld. Er schien anzunehmen, dass es nur herumlag und ihnen jeder etwas geben würde, wenn sie nur nett darum baten.

Bera schüttelte den Kopf. »Niemand leiht uns noch etwas. Erinnerst du dich nicht mehr daran? Als wir das letzte Mal an der Station waren, hat der Alte uns bereits seine Schläger auf den Hals gehetzt. Letzte Mahnung hat er es genannt. Du solltest das ernst nehmen. Wenn selbst der windigste Kredithai uns nichts mehr geben will, sind wir am Ende. Wenn wir mit leeren Händen zurückkehren, sind wir die Palomino los. Du weißt das. Also hör auf, dir in die Tasche zu lügen.«

Tarkin schloss für einen Moment die Augen. Sein Gesicht war auf einmal sehr müde, die Linien seiner Falten gruben sich tief in die Haut. Er war noch gar nicht so alt, aber Jahre der Entbehrung hatten ihre Spuren hinterlassen. Immer auf der Suche nach dem Claim, der all ihre Probleme lösen würde, immer auf der Jagd nach dem großen Jackpot. Doch dieser Jackpot war nie gekommen. Immer wieder war das Prospektorenpaar mit der Palomino durch die Randsysteme gestrichen, doch was sie dort fanden, gab es auch woanders. Ihnen ging nun die Luft aus, finanziell und wortwörtlich. Die Systeme des alten Schiffes machten schlapp. Die Besatzung, also sie beide, machte schlapp. Das Leben war längst zur Mühsal geworden, und das zeichnete sich auf ihren Körpern immer mehr ab. Man wurde so, wie man lebte. Und ihr Leben machte schon seit geraumer Zeit keine Freude mehr.

Es gab nicht allzu viel Hoffnung. Und wenn die Scanner nicht mehr funktionierten, war gar nichts mehr übrig.

»Wir müssen die Palomino verkaufen«, sprach Bera das Unausweichliche aus. »Mit etwas Glück können wir damit die Hälfte unserer Schulden bezahlen. Dann suchen wir uns Jobs. Normale Jobs. Techniker oder so was. Wir zahlen alles in Raten ab, da wird wohl auch der Alte nichts dagegen haben. Wird dennoch eine schwere Zeit, und es wird dauern. Ich sehe aber keine andere Möglichkeit. Edian. He! Hörst du mir überhaupt zu?«

Da war sie sich nie so sicher. Edian Tarkin war ein Träumer. Er schaute öfters abwesend in die Leere, als ihr lieb war, und er hatte die Angewohnheit, zu ihren Worten zu nicken, obgleich er gar nicht bewusst wahrnahm, was sie gerade sagte. Oder wie die Realität eben war. Das half jetzt aber endgültig nicht mehr weiter.

»Edian!«

Er sah sie an, lächelte beinahe automatisch. Er war kein abweisender oder ignoranter Mensch, war es nie gewesen. Er war nur manchmal irgendwie nicht da.

»Ja, mein Engel.«

»Du hast gehört, was ich gesagt habe?«

»Ja. Sechs Stunden.«

»Wie bitte?« Es gab Momente, da wollte Bera ihrem Gefährten wirklich am liebsten den Hals umdrehen.

»Ich glaube, die Leitung hält doch noch sechs Stunden. Wir sind gerade erst in diesem System angekommen. Wir schmeißen die Scanner an und geben dem Schicksal noch mal eine Chance, ehe wir aufgeben. Oder?«

»Oh, Edian …«

»Sechs Stunden, mein Engel!«

Bera konnte diese Art von Optimismus nicht aufbringen, andererseits hatte sie auch keinen besseren Vorschlag. Sie half ihrem Mann noch dabei, die Panelplatten wieder anzubringen und das Werkzeug wegzuräumen, dann saßen sie kurz darauf wieder im Cockpit der Palomino. Das Schiff war nicht klein, da es eine große Lagerhalle und automatisches Abräumgerät mit sich herumschleppte, eine große, schwerfällige Weltraumhummel. Ein altes Schiff, aber von den Eignern immer mit hohem Einsatz in Schuss gehalten. Wären sie flüssig, würden sie auch den aktuellen Schaden beheben können. Sie beide flogen nun seit gut zehn Jahren Missionen als Prospektoren, manchmal erfolgreich, viel öfter erfolglos, und alles Geld, das sie verdienten, schmolz so schnell zusammen wie Eis in der Sonne. Jetzt waren sie, so zumindest Bera Sansas Überzeugung, am Ende angekommen. Sie wollte so gerne rückblickend sagen, dass es eine gute Zeit gewesen sei, aber noch war sie nicht bereit, sich anzulügen. Das war doch eher die Spezialität ihres Mannes.

Hoffnungen zerschlugen sich manchmal im Leben. Die einen sofort – die anderen brauchten zehn Jahre. Am Ende blieb dann eben nicht viel übrig. Bera war bereit, das pragmatisch anzugehen. Edian klammerte sich an einen Strohhalm.

Das System, in dem das Schiff sich aufhielt, war ein klassischer Teil des »Outback«, jener nicht genau definierten Zone am Rande der bekannten Zivilisationen, meist ohne attraktive Kolonialwelten, oft nur mit einer Nummer versehen, nicht einmal mit einem eigenen Namen. Irgendwann, wenn es mal wieder einen Kolonisierungsschub geben sollte, würde man über diese Systeme »hinwegspringen«, aber aktuell stellten sie eine Grenzregion dar. Hier versteckte sich allerlei Gesindel, hier gab es die Umschlagplätze für despektierliche Geschäfte, und hierher flogen die Prospektoren auf ihrer völlig legalen, aber oft frustrierenden Mission.

»N-4564-3«, las Bera die Bezeichnung vor. »Entdeckt vor sechsunddreißig Jahren durch zwei Konzernsonden, grobe planetare Kartierung, seitdem scheint aber niemand mehr hier gewesen zu sein. Es gibt keine registrierten Claims, nicht einmal Optionen, und es gab nie eine Station oder einen Außenposten. Wir sind möglicherweise die ersten lebendigen Besucher in diesem System.«

»Der Krieg hat uns alle abgelenkt, und solche Ecken sind dabei in Vergessenheit geraten«, kommentierte ihr Mann, der den Scanner aktiviert hatte. Die kleinen Sonden, die die Reichweite und Stärke der Erzscanner verstärkten, waren bereits abgesetzt worden und strebten mit hoher Unterlichtgeschwindigkeit von der Palomino fort. Sie fungierten nicht nur als Verstärkerrelais, sie waren auch die erste Verteidigungslinie des Prospektorenschiffs. Man wusste nie, auf was man hier traf – oder auf wen. Daten tröpfelten herein und taten nicht mehr, als die bereits bekannten Ergebnisse der ersten Kartierung zu bestätigen.

»Drei Planeten mit Monden«, stellte Bera fest, als sie die alten Aufzeichnungen öffnete. »Monde sind gut. Zwölf insgesamt. Wir sollten uns auf die konzentrieren. Kein Asteroidengürtel, nur eine eher schwache Oortsche Wolke. Also zu den Monden.«

Ihr Gefährte widersprach nicht und gab entsprechende Steuerbefehle an die Scannersonden weiter. Dann lehnte er sich zurück. Jetzt, wo alles getan war, lief die Uhr ab, und sie konnten nicht mehr tun, als zu warten.

»Kaffee?«, fragte Bera.

»Haben wir noch welchen?«

»Aber ja. Gefriergetrocknet, luftdicht verpackt. Aus alten Flottenbeständen. Ich habe uns noch vor einem Monat einen ganzen Karton gekauft. Heißes Wasser drauf, und das köstliche Aroma erfüllt unser Zuhause mit seinem angenehmen Duft.«

Edian kicherte und schloss die Augen, als badete er gerade genießerisch in dieser olfaktorischen Vorstellung. Alter Flottenkaffee aus nie genutzten Militärbeständen war sehr, sehr preiswert – und das aus einem sehr, sehr guten Grund. Bera hatte recht: Er roch ganz angenehm. Aber leider setzte sich dieser Eindruck nicht fort, sobald man den ersten Schluck genommen hatte. Dennoch: Der Krieg war vorbei, es war viel zu viel Kaffee übrig, und man kaufte, was eben angeboten wurde.

»Kaffee also.« Edian bediente sie beide. Es gab dazu, ebenfalls aus alten Militärrationen, steinharte Kekse, die rein theoretisch weicher wurden, wenn man sie in den Kaffee tunkte. Faktisch aber verweigerten sie jedes Entgegenkommen. Sie passten damit zum Getränk, das es einem ebenfalls sehr schwer machte.

Eine Stunde verging, in der zwischen dem Paar Schweigen herrschte. Daran war nichts falsch. Sie hatten längst jene Phase in ihrer Beziehung erreicht, die es ihnen ermöglichte, die gegenseitige Gesellschaft zu erleben, ohne sich ständig ihrer Existenz versichern zu müssen. Weder er noch sie waren jemals besonders geschwätzig gewesen, redselige Sozialjunkies wurden als Prospektoren ihres Lebens ohnehin nicht froh. Einfach so gemeinsam dazusitzen und sich anzuschweigen, war unproblematisch für sie. Es war nach Sex die schönste Art der Zweisamkeit, die sie sich vorstellen konnten. Darüber herrschte völlige Einigkeit zwischen ihnen.

Ein Piepton riss sie aus dieser Idylle.

»Hm«, machte Edian, stellte seinen Becher ab und beugte sich mit einer schnellen Bewegung nach vorne. »Bera. Was siehst du da?«

Seine Frau schaute auf denselben Schirm, schob die Datenkette dann auf ihren eigenen, runzelte die Stirn. »Ein Schiff. Ich dachte, wir wären hier alleine. Da ist Vorsicht geboten. Piraten oder Schmuggler vielleicht, die reagieren sehr gereizt, wenn sie entdeckt werden.«

Edian schüttelte den Kopf.

»Nicht so schnell. Kein Transpondersignal, okay, aber auch nur sehr schwache Energieemission – wäre die Scannersonde nicht direkt daran vorbeigeflogen, wir hätten das Schiff nicht mal bemerkt.«

»Absicht? Jemand schleicht sich an?«

»An uns?« Edian lachte auf. »Niemand kann erwarten, dass wir eine wertvolle Beute wären. Und es gibt weit und breit keine Meldungen über Piraterie in den umliegenden Systemen. Das lohnt sich nicht. Hier am Arsch der Galaxis fliegen nur arme Schweine herum! Ich lasse die Sonde eine Schleife drehen, und wir gucken uns das an.«

»Dann ist das dort vielleicht ebenfalls ein armes Schwein und bedarf unserer Hilfe!«

»Kein Notsignal. Kein Schutzfeld. Schau dir mal die Außenhülle an!«

Das von der Sonde übertragene Bild sprang auf die Bildschirme. Unter dem abgezirkelten Licht des Scheinwerfers wurde eine zernarbte Fläche enthüllt. Sie sah recht übel aus.

»Ein sehr, sehr armes Schwein?«

Aber ein Schiff. Offensichtlich vollständig. Das bedeutete möglicherweise …

Edian lachte erneut. »Du willst auch, dass wir es uns ganz genau ansehen, richtig?«

»Mit gebotener Vorsicht. Vielleicht ist es der Jackpot. Vielleicht ist es einfach das Richtige. Hier draußen sind wir alle sehr alleine, mein Liebster. Wenn wir uns hier gegenseitig ignorieren, hilft niemand niemandem. Und das ist nicht die Galaxis, in der ich lebe.«

Edian Tarkin nickte ernst. Bera war immer der moralische Kompass ihrer Beziehung gewesen, von Anfang an. Er unterwarf sich ihren Vorstellungen im Regelfalle, vor allem, weil er sich gut genug kannte und wusste, dass er manchmal bereit war, ein wenig vom rechten Weg abzuweichen. Bera würde ihm dies niemals durchgehen lassen, unter keinen Umständen – und so auch jetzt nicht.

Vielleicht konnten sie helfen. Und wenn nicht, war das Schiff eine legitime Prise und möglicherweise der erste Schritt heraus aus ihren Schulden.

Die Palomino folgte willig seinen Kurseingaben. Das fremde Schiff, schweigsam, dunkel, dahintreibend, reagierte nicht. Es war vielleicht zwei oder drei Stunden entfernt, je nachdem, wie viel Stützmasse die Prospektoren zu investieren gedachten. Genug Zeit, die Scanner genau auf den Fund zu richten und nach Antworten zu suchen.

Das Bild wurde klarer. Es führte allerdings zu weiteren Fragen.

»Ich kenne den Schiffstyp nicht«, sagte Edian spontan, als sich die exakten Konturen ihres Ziels in der Ortungsanzeige abzeichneten. Er machte einige Angaben auf seiner Konsole, zuckte dann mit den Schultern. »Das Register kennt ihn auch nicht.«

»Das muss nichts heißen«, murmelte Bera nachdenklich. »Im Stellaren Status sind hundertsechzehn Zivilisationen vereinigt, die alle fleißig Raumschiffe bauen. Das Register ist nicht immer auf dem neuesten Stand. Und es gibt so viele arme Leute wie uns, die sich was aus Resten zusammenlöten …«

Edian lächelte. An der Palomino konnte man noch erkennen, welche Standardhülle ihr zugrunde lag. Na ja, so gerade noch.

»Dann müssen wir uns es unbedingt aus der Nähe anschauen. Es reagiert jedenfalls nicht auf Signale. Und wenn da jemand hinter den Kontrollen sitzen würde, hätte er uns bemerkt. Wir leuchten wie ein Weihnachtsbaum, alle Systeme sind an. Die Sonde hat das Schiff dreimal aus nächster Nähe umkreist, ohne Reaktion. Niemand kann uns auf diese Entfernung übersehen. Wenn du mich fragst, ist das nur ein Geisterschiff, das wer weiß wie lange schon durch das All treibt. Eine Havarie, eine Krankheit, eine Meuterei, die aus dem Ruder gelaufen ist … und jeder dieser Fälle wäre der Jackpot für uns, denn wenn wir die Mühle aufbringen können, gehört sie von Rechts wegen uns.« Er lächelte zuversichtlich. »Unser kleines Liquiditätsproblem steht möglicherweise doch vor seiner Lösung, mein Engel. Allein der Materialwert, von der möglichen Ladung ganz zu schweigen. Ich bin wirklich guter Dinge, Liebling. Wir setzen über. Wir gehen an Bord!«

»Wir tragen Druckanzüge und lassen die Helme geschlossen, wenn wir übersetzen«, verlangte Bera, in der ebenfalls eine sanfte Hoffnung zu keimen begann.

Sie schwiegen, bis sie das Schiff erreicht hatten. Es ergaben sich keine neuen Erkenntnisse, sodass tatsächlich nur der letzte Schritt blieb, nämlich das Übersetzen. Die Bauweise des Geisterschiffs war zwar unbekannt, aber gewisse Grundprinzipien wurden offensichtlich durchaus eingehalten, und die Größe der Außenschleuse wies darauf hin, dass die Besatzungsmitglieder nicht größer oder wesentlich kleiner waren als Menschen. Das Geisterschiff hatte eine etwas geringere Gesamtmasse als die Palomino, und ihm fehlten die großen Zugangsluken für die Abraummaschinen, sodass das Paar zu dem vorläufigen Schluss kam, es hier nicht mit einem Prospektoren- oder Minenschiff zu tun zu haben. Das machte die Sache noch rätselhafter, denn wer sonst würde sich hier draußen herumtreiben? Die Exploration neuer Systeme im klassischen Sinne wurde von Automaten erledigt, für Kartografie und lange Reisen ins Unbekannte waren sie deutlich besser geeignet als lebende und atmende und Streit anfangende Besatzungen.

Die Palomino war nun in Position.

Sie empfanden beide eine tiefe Neugierde, fast eine Vorfreude, als sie in ihre Druckanzüge stiegen, gegenseitig überprüften, ob alles in Ordnung war, den Gliedertunnel ausfuhren und sich auf den Weg machten, das Geisterschiff zu betreten. Es sah trotz aller Abnutzung eigentlich ganz gut aus, vollständig und unbeschädigt, und das trieb sie beide noch mehr an: Denn die Prämie für den Verkauf dieser Prise würde beachtlich sein. Das Licht an ihrem gerade noch so düsteren finanziellen Horizont begann immer heller zu scheinen.

»Es gibt eine manuelle Öffnung. Meine Hand passt hinein!«, erklärte Edian nach kurzer Inspektion der Schleuse. Er wartete nicht auf Beras Erlaubnis, sondern steckte seine Hand in die Apparatur und drehte eine Art Schraubengriff um sich selbst. Eine Hydraulik sprang an, ein eindeutiger Hinweis darauf, dass Teile der Energieversorgung immer noch funktionierten. Die äußere Schleusentür öffnete sich. Niemand wartete dahinter auf sie. Es war einfach nur dunkel und verlassen.

Bera und Edian hatten keine Angst vor der Dunkelheit, sie war ständiger Begleiter ihres Lebens. Es dauerte nur wenige Minuten, und sie standen in einem ebenso unbeleuchteten Gang, nur erhellt durch die scharf abgezirkelten Kegel ihrer Helmscheinwerfer, die zuckend über die glatten und schmucklosen Wände glitten, sobald die beiden Prospektoren sich bewegten. Das Design der Gänge wirkte unbekannt, aber funktional. Sie konnten sich gut darin bewegen.

»Atmosphäre. Wenig Druck. Zu dünn fürs Atmen«, stellte Bera nach kurzem Blick auf die entsprechende Anzeige ihres Armbandes fest. »Da ist einiges über lange Zeit durch Mikrorisse oder Ähnliches abgegeben worden.«

»Kein großer Hüllenbruch«, schloss Edian. »Das ist schon mal eine gute Nachricht. Nach vorne oder nach hinten? Wir könnten uns auch trennen.«

»Du weißt, dass dies der Moment in den Holos ist, in dem wir beide laut rufen: Trennt euch nicht!«, erwiderte Bera lächelnd.

»Das war ganz mein Gedanke. Lass uns hinten anfangen, da sind normalerweise die Laderäume. Ich will wissen, welche Konsequenzen das alles hier für unseren Kontostand haben wird.«

Erneut verging nur eine kurze Zeitspanne, bis sie sich, wie erwartet, in einem Lagerraum wiederfanden. Sobald sie diesen betraten, ging Licht an. Es wirkte alles überraschend aufgeräumt.

Sie standen für einen Moment nur so da, in den Anblick von großen Kapseln vertieft, die nebeneinander aufgereiht standen. Sie waren ganz offensichtlich mit der Energieversorgung verbunden, das milchige Glas der breiten Öffnungen wurde sanft von innen erleuchtet. Ein undefinierbarer Schatten lag in jedem der vier etwa mannshohen Behälter.

»Kryogenik?«, stellte Edian die naheliegende Frage. »Überlebende?«

Bera beugte sich über eine der Kapseln.

»Solche Kälteschlafeinheiten habe ich noch nie gesehen. Aber ich kenne mich nicht gut aus. Dieses Einfrieren ist bei Flottenkaffee üblich, aber für Reisen durchs Weltall doch sehr aus der Mode gekommen.«

»Außer dieses Schiff kommt von einer Zivilisation, der die Segnungen überlichtschneller Raumfahrt noch nicht zuteilgeworden sind.«

Das war aufregend. Bera spürte es. Das Schiff einer fremden, bisher unbekannten Spezies? Es würde ihnen eine unglaubliche Summe einbringen! Verdammt, sie waren möglicherweise jetzt schon reich!

»Möglich ist alles«, sagte sie mit beherrschter Stimme. »Ich erkenne nichts durch diese Glasplatte, aber jemand oder etwas ist da drin, in jeder Kapsel. Ob sie noch leben?«

»Wir werden es wohl nur herausfinden, wenn wir die Dinger irgendwie auftauen.«

Bera sah ihren Gefährten warnend an. »Keine Experimente! Wer weiß, was da drinsteckt! Wir rühren nichts an! Für so was gibt es Experten, Edian! Wir sind definitiv keine!«

Edian, der bereits eine Hand ausgestreckt hatte, um eine der Kapseln zu berühren, zuckte sofort zurück. Der schneidende Tonfall von Beras Ermahnung schien ihn daran zu erinnern, dass hier unbekannte Gefahren lauern konnten.

Doch auch seine Frau war bereit anzuerkennen, dass hier zugleich ungeahnte Möglichkeiten vor ihnen liegen mochten, und angesichts ihrer pekuniären Notsituation war sie durchaus bereit, wenigstens ein kalkuliertes Risiko einzugehen.

»Das da ist eine Bedienkonsole. Etwas hoch für uns, aber wenn du dich streckst, kommst du gut ran«, sagte sie nach einem weiteren Rundblick. »Wir schauen uns die Kontrollen an.«

Edian näherte sich dem Kontrollfeld und schüttelte den Kopf. »Kein Strom, mein Engel. Das Ding hier ist tot. Was auch immer dieses Schiff steuert, es konzentriert den verbliebenen Energievorrat auf das Allernötigste. Ich kann die Universalbatterie anschließen. Wenn die Konsole einen drahtlosen Abnehmer hat, dürfte die Konfigurationsautomatik keine Probleme haben.« Er sah sie abwartend an. »Soll ich?«

»Das ist unfair. Jetzt schiebst du die Verantwortung auf mich.«

»Ich will nur nicht angemotzt werden, mein Engel.«

Bera verzog den Mund. »Tu es! Sei aber verdammt vorsichtig!«

Die Universalbatterie gehörte zur Standardausrüstung eines jeden Prospektors. Das flache Gerät war am Oberschenkel des Druckanzugs angebracht und konnte durch Weichformadapter mit und ohne Draht an so ziemlich alles angeschlossen werden, was Energie benötigte – wobei es Spannung und Stromstärke automatisch einstellte. Edian hantierte einen Moment an der Batterie herum, gab dann einen zufriedenen Grunzlaut von sich und drückte mit etwas Theatralik auf eine Taste.

Zwei Dinge geschahen.

Die Konsole erwachte zum Leben, was dadurch deutlich wurde, dass die Schaltflächen illuminiert wurden und nun eine schematische Darstellung aller vier Kapseln zeigten

Und die Kapseln selbst, sie erwachten auch. Mit einem Zischen löste sich eine Gaswolke aus Ventilöffnungen. Das entsprach nun wirklich nicht ihrer Absicht.

»Verdammt! Wir müssen das abschalten!«, rief Bera. »Das geht doch gewaltig schief!«

»Wo? Wie? Soll ich irgendwelche Knöpfe drücken? Das ist alles angesprungen, als …«

»Die Batterie. Abklemmen. Sofort!«

Edian reagierte. Er tat es schnell und mit Gewalt. Die Konsole erlosch, versank wieder in ihren Schlummer. Die Kapseln aber hatten offensichtlich einen einmal voreingestellten Prozess begonnen und waren davon nicht mehr abzubringen. Eigene Batterien sorgten dafür, dass es keine Notwendigkeit einer externen Energieversorgung mehr gab, anders war es nicht zu erklären. Die beiden Prospektoren machten einige Schritte zurück, betrachteten ihre Messinstrumente im Anzug. Die Gase waren nicht schädlich, es gab nur einen sanften Spike in der Energieversorgung. Es war ein ganz harmloser und friedlicher Erweckungsprozess von … was?

»Wir sind für so was nicht ausgebildet«, murmelte Bera. »Erstkontakt. Das passiert anderen Leuten, aber doch nicht solchen wie uns.«

»Ruhig bleiben. Wer auch immer die hier sind – dem Zustand des Schiffes nach zu urteilen, bedürfen sie der Hilfe. Wegrennen kommt nicht infrage.«

»Ich renne nicht. Ich habe bloß Angst.«

Ein weiteres Zischen. Die Glasdeckel der Kapseln fuhren zur Seite in eine Halterung und gaben den Blick auf das Innere der Behälter frei. Da lag nichts und niemand, was in den Augen der Menschen irgendeinen Sinn ergab. Eine undefinierbare, aus organischem Material bestehende Masse, blassblau, mit einer feinen, wabenförmigen Maserung, die alles gleichmäßig bedeckte. Keine Sinnesorgane, keine Gliedmaßen. Kein Laut.

Aber Bewegung!

Beide traten sie unwillkürlich näher. Es wirkte nichts bedrohlich. Es gab nichts, was den Anschein von natürlichen oder künstlichen Waffen erweckte. Die organische Masse schien sanft zu pulsieren, einem Atem gleich. Doch sie mussten sich vor falschen Analogien hüten. Musste ein bläulicher Pudding überhaupt atmen? War das nur … Verpackung?

»Ist das ein Kokon?«, hauchte Bera die naheliegende Frage.

»Sieht für mich nicht so aus … schau! Jetzt regen sie sich alle!«

Kein Kokon. Kein Aufbrechen, keine Innereien, keine Geburt. Eine Veränderung. Mit den organischen Massen ging eine faszinierende Metamorphose vor sich, und das erst langsam, dann mit zunehmend größerer Geschwindigkeit. Ausbuchtungen wurden sichtbar, fünf an der Zahl, und erst beim zweiten Hinsehen wurde klar, dass sich die formlose Masse nun Gestalt verlieh – eine humanoide Gestalt zudem, genauer: vier humanoide Gestalten, in jeder Kapsel eine. Teilweise schrumpften die Erwachten, während sie andernorts wuchsen, und Konturen wurden schärfer, ausgeprägter, entwickelten sich prägnant.

Sie wurden zu Individuen. Und dann … doch nicht.

»Zwei Frauen, zwei Männer!«, erkannte Edian nun, fasziniert und gleichermaßen abgestoßen, denn ein angenehmer Anblick war das bestimmt nicht. Der Prozess verlief nicht schnell, aber fast geräuschlos. Gemächliche Metamorphose. Bera kam es so vor, als würden sie sich einfach nicht hetzen lassen. Genauigkeit war bei so einem Prozess bestimmt wichtig. Und ja, es wurde alles erschreckend genau.

»Oh, verdammt«, sagte Bera einen Moment später. Aus den Köpfen wurden Gesichter. Aus der weichen, formlosen Masse entwickelte sich ein Antlitz. Viermal. Aber nur zwei Variationen. Das Aussehen Edians bildete sich in den Männern heraus, das Aussehen Beras in den Frauen. Und nur Momente später, mit einem seltsamen, erstaunlich lauten schmatzenden Geräusch, schien die Metamorphose abgeschlossen zu sein. Wo sich eben noch organische Klumpen in den Kapseln befunden hatten wie hingegossener Pudding, lagen jetzt jeweils zwei absolut authentisch aussehende, voll entwickelte, atmende und, ja, blinzelnde Menschen. Nackt. Bera schaute auf ihre Kopie. Das Muttermal. Das konnte doch niemand sehen, sie trug einen vollständig den Körper bedeckenden Druckanzug. Und dennoch: das Muttermal. Es war da. Zweimal.

Zweimal Edian.

Zweimal Bera.

»Das ist doch … das geht doch …«, fehlten Edian die Worte. Er hatte unwillkürlich nach Beras Hand gefasst, als wollte er sich vergewissern, wer hier Original und wer Kopie war.

Die erste Bera richtete sich auf, blinzelte erneut, wirkte verwirrt, erblickte dann aber ihr Vorbild. Lächelte. Es war das absolut echte, das gewohnte Bera-Lächeln. Da war nichts, was anders schien, und das machte es so unheimlich.

»Hallo«, sagte Bera, hilflos, was man in so einem Moment sagen sollte. Edian stöhnte auf. Das war ein Erstkontakt, wie er in keinem verdammten Ratgeber stand.

Die Bera-Kopie formte etwas mit ihren Lippen, erst ohne Laut, dann aber, im zweiten Versuch:

»Hallo!«

Beras Stimme, ihr Tonfall, alles.

Jeweils zwei Kopien, nun alle aufgerichtet in den Kapseln, schauten ihre Vorbilder erwartungsvoll an. Bera und Edian wechselten einen Blick voller Ratlosigkeit. So einfach würde das mit der Prisenprämie nicht werden. Doch was galt es nun, stattdessen zu tun?

»Hunger!«, sagte die Bera-Kopie. »Energie!«

Das beantwortete die Frage für die unmittelbare Zukunft. Es musste etwas zu essen geben. Und wenn alte Militärrationen eines waren, dann waren sie das: Nahrhaft.

Kapitel 1

Die marmornen Stufen vor dem Hauptsaal im Palast des Großen Prinzipals, des Gesegneten Geneigten Orbal III., waren nicht aus irgendeinem Marmor. Minarel musste sich sehr anstrengen, den Blick von der breiten, sich zum Boden hin erweiternden Treppe abzuwenden. Die dunklen Schatten in dem ansonsten schneeweißen Stein bewegten sich, und das war keine optische Täuschung. In einem sehr komplexen und teuren Veredelungsprozess waren Brownsche Molekularbewegungen mit speziell präparierten halbfesten Stoffen in einer scheinbar festen Gesteinsfläche initiiert worden. Wie genau das funktionierte, war ein Geheimnis der Steinmetze von Ursal, und sie ließen sich ihre Arbeit wahrhaft königlich bezahlen. Da war es nur passend, dass der Große Prinzipal sich eine ganze Treppe aus diesem Material hatte bauen lassen: Er war eine Art König, nicht der einzige im Stellaren Status, aber ganz gewiss einer der reichsten.

Die Gläubigen und Patrioten von Ursal bezahlten gerne dafür. Die Ungläubigen und Vaterlandslosen taten es nicht so gern, was dazu führte, dass die Stimmung auf den sieben Planeten der Prinzipalität mitunter etwas gereizt war. Die Reizbarkeit hing auch damit zusammen, dass Orbal III. sich herzlich wenig darum kümmerte, ob jemand an seiner erlesenen Auserwähltheit Zweifel hegte.

Und heute würde der Auserlesene seine Rede zum zwanzigjährigen Amtsjubiläum halten. Es war eine schöne Rede, Minarel kannte sie bereits. Wohlgesetzte, gefällige Worte, mit einer schönen, stilistisch sauber herausgearbeiteten Mischung aus Demut und Selbstbeweihräucherung. Nicht zündend, nicht aufrüttelnd, das war nicht Orbals Art. Aber schön. Belanglos schön. Dem Anlass gewissermaßen angemessen, denn die Feiern waren verordnet und jubeln würden nur jene, denen es gut ging oder die dafür bezahlt worden waren.

Siebzehn Morddrohungen waren in den letzten Tagen eingegangen, und Minarel würde dafür sorgen, dass keine davon verwirklicht wurde, zumindest nicht am heutigen Tag und während dieser Feierlichkeiten. Erreichen würde sie das zusammen mit Isis, die diesmal die Mission übernahm, immer eifrig, immer neugierig auf die Person, deren Gestalt sie so perfekt annehmen würde, dass kein Scanner, kein DNS-Test den Unterschied bemerken konnte. Sie war vorbereitet. Sie hatte gelernt. Sie würde auch diese Rede halten, und das auswendig. Auf Isis war stets Verlass.

Minarel löste sich endgültig vom Anblick der Treppe, durchschritt einen daneben verborgenen, unscheinbaren Eingang, traf auf offizielle Wachen, zeigte ihnen umfassende Legitimationen und wurde überall vorgelassen. Mehrere Schichten an Wachkräften, alle sehr aufmerksam, wie eine Zwiebel mit vielen Schalen, die sich um die auserlesene Person des Prinzipals gelegt hatte. Minarel durchwanderte diese Schalen mit dem Selbstbewusstsein, dass sie die ultimative Sicherheitsvorkehrung repräsentierte, und betrat schließlich das Ankleidezimmer des Prinzipals.

Isis war schon bereit, stand neben dem Prinzipal vor einem wandgroßen Spiegel. Minarel schaute auf die eigene Reflexion. Sie war kleiner als Isis in ihrer Alltagskonfiguration, schmaler und trug einen Businessanzug, der hier gerade Mode war, unauffällig und angemessen. Ihr kurzes haselnussbraunes Haar lag sorgfältig drapiert auf dem Kopf. Sie fand immer noch, dass ihre Augen zu groß waren für ihren Kopf, zwei grüngraue Scheinwerfer in einem milchig braunen Antlitz. Niemand außer ihr war dieser Meinung, aber sie ließ es sich nicht ausreden. Sie lächelte sich zu, ein wenig aufmunternd. Sie war sehr angespannt und bedurfte des Zuspruchs. Vor jeder wichtigen Mission schien sie das Lampenfieber für das ganze Team allein zu empfinden. Alle waren eiskalt, nur ihr klopfte das Herz.

Isis wurde bewacht von zwei Leibgardisten, die genauso aussahen wie jene, die der Gesegnete Geneigte auch hier stets um sich hatte. Ra und Horus hatten ihre Gestalt angenommen und würden niemandem verraten, was im Zimmer vor sich ging. Minarel wollte unbedingt dabei sein, obgleich das im Grunde nicht nötig war. Sie nahm sich immer die Zeit, bei sehr wichtigen und sehr wohlhabenden Kunden persönlich zugegen zu sein. Minarel hielt guten Kundenservice für extrem wichtig. Orbal III. zahlte ihr ein Jahresbudget, und zwar bekam »Allgemeine Dienstleistungen«, wie Simipath Inc. offiziell hieß, um die Natur dieser Dienste für Uneingeweihte etwas besser zu verschleiern, ein sehr, sehr großzügiges Jahresbudget. Im letzten Jahr war es das größte gewesen, seit ihr Vater Edian die Firma gegründet hatte. Minarel wünschte sich, er könnte diesem besonderen Triumph beiwohnen, doch das Wagenmannsche Fieber hatte ihn dahingerafft, und dagegen war leider kein Kraut gewachsen.

Orbal III. zupfte an seinem Gewand, ein völlig unauffälliger Zweireiher, der so von Tausenden seiner Untertanen getragen wurde. Es war nicht das, was er normalerweise anzog. Das golddurchwirkte Festkleid mit dem langen Kilt und den breiten, mit Schärpen verzierten Schultern lag auf dem Bett, gefällig drapiert zum leichten Anziehen. Isis würde es gleich tragen. Jetzt aber stand die Simipathin scheinbar nackt vor Orbal, in der Gestalt eines jungen, muskulösen Mannes. Isis selbst nannte diese Erscheinungsform ihr »Wartezeichen«.

Simipathen waren geschlechtslos, aber alle vier machten sich eine Freude damit, sich immer wieder eines zuzuordnen, vielleicht auch, weil sie erwarteten, so leichter als Persönlichkeiten wahrgenommen zu werden. Jede beziehungsweise jeder – oder sollte man sagen: jedes? – hatte sich in gewisser Weise ein soziales Geschlecht ausgesucht, und ließ sich auch, zumindest im Privaten, so ansprechen. Im Einsatz wählte man natürlich das, was erforderlich war, und im Grunde war es ihnen allen egal, ob das eine, das andere oder, wie in manchen Fällen, sogar ein drittes.

Das war albern, aber es gab eben solche und solche, und allen ging es erst einmal um das Geschäft. Der Prinzipal hätte eine nackte Frau als irritierend empfunden. Orbal III. hatte klare Vorstellungen von dem, was ein Mann und eine Frau war und wo in der Gesellschaft diese ihren Platz hatten, klare und gleichermaßen etwas rückständige Vorstellungen. Aber er zahlte gut. Damit erübrigte sich jede weitere Diskussion.

»Wir wären dann so weit, geehrte Eminenz«, sagte Minarel und verbeugte sich vor dem Prinzipal.

Orbal, klein, dick, mit einem sorgfältig gepflegten Backenbart und stechenden Äuglein, richtete diese zweifelnd auf Isis, die ihn gelassen betrachtete. Sie würde nichts tun ohne Aufforderung, denn der Vorgang als solcher konnte durchaus irritierend sein und sollte daher vorher angekündigt werden.

»Wird das klappen? Ich kann es mir nicht vorstellen«, sagte Orbal mit seiner sonoren Stimme, das Resultat seines voluminösen Körpers und einer dezidierten Stimmbandoperation.

»Wir schaffen das Unvorstellbare«, erwiderte Minarel.

»Ich hoffe es sehr. Ich bin etwas nervös, ich will es nicht verhehlen. Es gab gerade wieder ein Briefing meiner Leute. Die Berichte meiner Sicherheitsdienste sind sehr beunruhigend. Mehrere Attentäter sollen sich in der Stadt aufhalten. Professionelle Attentäter. Das ist sehr, sehr beunruhigend.«

Minarel lächelte aufmunternd. Orbals Unruhe war ihm nicht anzusehen, er war ein guter Schauspieler. Aber sie nahm seine Äußerung ernst, denn deswegen zahlte er ja für ihre Dienste. Der Kunde hatte immer recht.

»Sehr wohl, geehrte Eminenz. Deswegen sind wir ja hier. Isis, wenn du den Prozess bitte beginnen würdest?«

Isis schenkte ihr ein warmes Lächeln, das, wie immer, von Herzen kam – und das, obgleich sie gar keines besaß. Wie genau sie ihre extrem anpassungsfähige Form am Leben erhielt, hatten damals weder Minarels Eltern noch seitdem sie selbst herausgefunden. Die vier Simipathen aber lebten, und sie taten ganz wunderbare Dinge. Vor allem aber hatten sie Edian und Minarel sehr reich gemacht.

Bera nicht. Aber das war nichts, an das ihre Tochter in diesem besonderen Moment denken wollte.

»Dann machen Sie mal!«, sagte Orbal zu Isis.

»Es ist ein ungewohnter Anblick.«

»Ich bin nicht so leicht zu erschüttern.«

Isis verwandelte sich. Ihre Haut blähte sich auf, ihr Gesicht, eben noch von markanter Männlichkeit, verwandelte sich in das plumpe Antlitz des Prinzipals, erst kraftlos und schlaff, dann aber mit Leben erfüllt, als würde jemand Lebenssaft in den Schädel gießen und ihn damit an den richtigen Stellen aufpumpen. Die Gliedmaßen passten ihre Länge und Form an, der ganze Körper schrumpfte etwas in sich zusammen, der Bauch wurde deutlich größer. Die Augenfarbe änderte sich von einem Wimpernschlag zum nächsten, die Haare wurden voller, dem Implantat des eitlen Gesegneten entsprechend, und am Ende lächelte Isis mit den vollen, sanft geschwungenen Lippen des Originals.

Aus der ersten Phase der Oberflächenbildung entwickelte sich die zweite: Der »Anzug«, der nun den Körper bedeckte, bestand ebenfalls allein aus dem Körper von Isis, in Konsistenz, Farbe und Form perfekt einem gut verarbeiteten Stoff ähnelnd. Das alles verlief völlig geräuschlos, und es war faszinierend zu beobachten, wie sich der flexible »Stoff« des Anzugs, dem Verwandlungsprozess anpasste. Jetzt spannte alles ein wenig, aber das war ja nur vorübergehend: Das Festgewand lag ja schon bereit. Gemeinhin trugen die Simis richtige Kleidung. Es war dann leichter, sich auf andere relevante Details zu konzentrieren.

»Verdammt! Ich musste es selbst sehen, um es zu glauben. Verdammt!« Orbal III. schaute fasziniert zu, wie Isis letzte Hand an sich selbst anlegte, Details verfeinerte, und als der neue Orbal fertig war, stand er als perfekte Kopie vor dem Original, gleiche Haltung, gleiche Gestik und Mimik und, als er sprach, gleiche Stimme.

»Ich bin fertig, Minarel. Bist du zufrieden?«

»Mit dir bin ich immer zufrieden, Isis. Edler Prinzipal?«

Der echte Orbal trat an den falschen Orbal und berührte ihn am Arm, als würde er sich seiner materiellen Existenz versichern müssen. Er beugte sich nach vorne und schnüffelte.

»Er riecht wie ich!«

»Wir legen Wert auf eine exakte Kopie«, bestätigte Minarel. »Isis ist sehr erfahren in diesen Dingen. Es dürfte ihr kein Detail entgangen sein.«

»Die Narbe!«, sagte Orbal. »Ich will die Narbe sehen!«

Isis drehte sich um und zog die Hose herunter, entblößte das etwas schlaffe Hinterteil und präsentierte dem neugierigen Prinzipal die blassrosa schimmernde Narbe auf dem Allerwertesten.

»Gut so?«, fragte sie amüsiert.

»Ich weiß es nicht. Ich sehe sie zum ersten Mal richtig – und nicht spiegelverkehrt!«

Minarel stellte sich vor, wie Orbal III. regelmäßig vor dem großen Wandspiegel stand und versuchte, einen Blick auf seinen Hintern zu erhaschen. Wenn man sich intensiver mit den Reichen und Mächtigen dieser Galaxis befasste, fiel einem schnell auf, wie profan sie doch im Grunde alle handelten und dachten.

»Die Narbe ist so, wie sie sein sollte, ich versichere es Ihnen. Isis, du hast die Instruktionen vollständig memoriert?«, fragte Minarel die Simipathin. Sie kannte die Antwort. Sie wollte nur, dass Orbal sie hörte.

»Ich werde eine sehr würdevolle und aufwühlende Rede halten, die den Segen des Prinzipals für all seine Untertanen ausstrahlen wird. Und wenn jemand auf mich schießen sollte, werde ich sterben.«

Orbal stieß ein entsetztes Grunzen aus. Der Pragmatismus eines Simipathen war nicht für jeden leicht nachzuvollziehen.

»Und anschließend durch fähige Ärzte wieder zum Leben erweckt«, ergänzte er dann hastig. Im Gegensatz zu anderen Kunden von »Allgemeine Dienstleistungen« wollte Orbal seinen Tod nicht vortäuschen, um Gläubigern, Erzfeinden oder Ehemännern zu entkommen. Er wollte weiterhin Amt und Würden als Prinzipal genießen, allerdings bedurfte es dazu seiner fortgesetzten Existenz. Und da er nicht bei allen seinen Untertanen gleichermaßen beliebt war, war sein Leben aktuell sehr bedroht. Es bedeutete aber auch, dass er auf überzeugende Weise überleben musste.

Aber dafür gab es Isis. Sie würde sich die Kugel einfangen, die sie nicht töten konnte, oder das Gas einatmen, den Laserstrahl aufnehmen, das Gift schlucken. Es würde ihr nichts anhaben können, und nach einem effektvollen Zusammenbruch und einer Phase aufgeregter Behandlung durch schauspielernde Ärzte würde Orbal III., o welch Wunder, wieder völlig unbehelligt an die Öffentlichkeit treten und das üble Attentat mit aufrichtiger Entrüstung verurteilen. Außerdem würde er selbstverständlich den Segen höherer Mächte für sich in Anspruch nehmen, was seine Anhängerschaft noch enger an ihn binden würde.

Und er würde es zum Anlass nehmen, gründlich unter jenen aufzuräumen, die seine Herrschaft über die sieben Systeme der Orsanischen Prinzipalität für nicht ganz so segensreich hielten wie er selbst. Eine klassische Win-win-Situation, sogar ein dreifacher Gewinn, denn Minarels Bankkonto würde sich explosionsartig füllen. Zudem würde ihre Reputation in gewissen Kreisen, wo sie ohnehin bereits ziemlich hoch war, geradezu mythische Dimensionen annehmen. Alles war gut und wurde immer besser. Minarel war sehr zufrieden mit ihrem Leben.

Sie lächelte Isis aufmunternd an.

»Ich gehe ins Kontrollzentrum, Isis. Sie, edelster Prinzipal, sollten sich in den Fluchtraum begeben und sich erst zum vereinbarten Zeitpunkt wieder blicken lassen. Es wäre sehr seltsam, wenn jemand Sie und Ihren Doppelgänger gleichzeitig erblicken würde.«

Orbal III. war nun überzeugt, die richtigen Vorkehrungen getroffen zu haben. Er war sehr kooperativ.

»Sehr seltsam. Natürlich. Wie vereinbart. Ich mache mich sogleich auf den Weg.« Einen letzten Blick warf Orbal auf seine Kopie, die ihm sanft lächelnd zuwinkte. Dann wandte sich Isis ab und legte das vorbereitete Festgewand an. Der echte Prinzipal schüttelte verwundert den Kopf und verschwand wie abgesprochen. Er würde sich alles auf den Schirmen in einer isolierten Residenz anschauen und dabei eine leichte Mahlzeit zu sich nehmen.

»Isis, wir bleiben in Kontakt.«

Die Simipathin nickte nur. Minarel wandte sich ab und ging. Erneut durchwanderte sie den Palast, beobachtete die organisierte Aufgeregtheit um sich herum, legitimierte sich das eine oder andere Mal, bis auch sie ihr Ziel erreicht hatte: die in einem unscheinbaren Lagerraum von ihren Leuten eingerichtete Missionszentrale. Von hier aus würden sie alles im Blick und hoffentlich auch unter Kontrolle haben.

Inmitten einer Batterie von Schirmen und Holografen saß Sahir McKinnon. Breitschultrig, grauhaarig, mit einem Backenbart, der irgendwo zwischen Urwald und Nikolaus rangierte, und mit wachen Augen, die nicht einen Moment von den Darstellungen wichen, als Minarel eintrat.

»Er ist so weit, Sahir.«

Sahir war der »Dispatcher«, so Titel, Anrede, Funktionsbeschreibung und Spitzname zugleich, ein ehemaliger Soldat, über dessen Vergangenheit Minarel vor allem wusste, dass er sie überlebt hatte. Er war für die eigentliche Operation zuständig, wusste, was getan werden musste, wenn es heiß wurde. Minarel konzentrierte sich meistens darauf, das Geld zu zählen und Kunden zu akquirieren. Sie verdienten beide an diesem Arrangement, wenngleich sie etwas mehr als er.

»Orbal ist zufrieden?«

»Er sah jedenfalls so aus. Er begibt sich in sein Schlupfloch.«

Sahir zeigte auf seine Schirme. »Er ist schon angekommen.«

»Dann kannst du Isis losschicken. Wir fangen an.«

McKinnon bedurfte keiner weiteren Anweisungen.

»Isis, du gehst jetzt auf Position 1. Ra, du gehst auf Position 2. Horus, du kannst zu uns kommen.«

Ra, der zweite Simipath im direkten Einsatz, hielt sich im Hintergrund, hatte weiterhin das Äußere einer normalen Leibwache angenommen. Er hatte mehrere Aufgaben, unter anderem war er der Spotter, der genau beobachten sollte, woher ein mögliches Attentat kam und wie es durchgeführt wurde. All dies waren Informationen, die nicht nur der Prinzipal haben wollte. Es gehörte zum Herrschaftswissen dieser Firma, solche Dinge zu analysieren, um sich auf sie vorzubereiten und beim nächsten Mal die Nase vorne zu haben. Es war gut, die potenziellen Gegner zu verstehen. Attentäter lernten manchmal auch voneinander. Was hier geschah, mochte woanders seine Nachahmer finden.

Keiner der Simipathen wurde gerne ermordet. Aber es gehörte zum Berufsalltag, und nach eigenem Bekunden fühlten sie wenig Schmerz dabei, mehr eine Art diffuses Unwohlsein, das zur Bewusstlosigkeit führte, bis die Rekonstruktion ein erneutes Erwachen mit sich brachte.

Minarel empfand eine tiefe Fürsorge für die vier Gestaltwandler, sie waren wie Geschwister für sie. Sie war mit ihnen aufgewachsen und hatte die Eigenheiten der Simipathen genau kennengelernt. Ihr gesunder Ehrgeiz und die starke Profitorientierung, die sie von ihrem Vater geerbt hatte, verhinderten nicht, dass sie mit ihnen fühlte. Ein Attentat zu verhindern war ihr im Zweifel lieber, als es bis zum scheinbar bitteren Ende durchzustehen.

Sie setzte sich neben McKinnon und betrachtete die Darstellungen auf den Schirmen. Ra trug eine Kamera im Helm seiner Wachmann-Rüstung, und die Übertragung reihte sich in die Vielzahl anderer, fast überall platzierter Kameras und Sensoren ein. Sie schwieg nun. Dies war jetzt die Arena des Dispatchers. Sie saß nur in der Loge.