Professor Zamorra 1276 - Thilo Schwichtenberg - E-Book

Professor Zamorra 1276 E-Book

Thilo Schwichtenberg

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Beschreibung

"Piraten!", schrie es aus dem Krähennest. "Ich sehe die schwarze Flagge! Äh, ein seltsamer Totenkopf ist das."
"An die Kanonen!", bellte der Steuermann. "Es ist zu schnell zum Ausweichen."
Das Segelschiff war, entgegen aller physikalischen Gesetzmäßigkeiten, so schnell herangekommen, dass nun auch Zamorra die seltsame Flagge ausmachen konnte. Allerdings war immer noch nicht genau zu erkennen, was für ein Totenkopf die Fahne zierte. Irgendwie schien er ... unscharf, haarig ...


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Seitenzahl: 151

Veröffentlichungsjahr: 2023

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Inhalt

Cover

Personenliste

Das Zeitgeschwür

Leserseite

Vorschau

Impressum

Die Hauptpersonen des Romans sind

Professor Zamorra deMontagne: Der Meister des Übersinnlichen, von Beruf Parapsychologe, von Berufung Dämonenjäger, Besitzer von Château Montagne

Nicole Duval: seine Sekretärin sowie Lebens- und Kampfgefährtin

Stygia: Herrin der Hölle; LUZIFER hat ihr vor seinem Weggang den Ort der Verdammten übertragen

Belial: Fürst der Finsternis, Erzdämon

Astaroth, Agares, Zarkahr und Melmoth III.: weitere Erzdämonen der Hölle

Berith: selbsternannte Königin der Hölle, stand unter LUZIFERs Schutz; seit seinem Weggang ist sie jedoch vogelfrei

sowie: einige Überraschungsgäste 😊

Das Zeitgeschwür

von Thilo Schwichtenberg

»Piraten!«, schrie es aus dem Krähennest. »Ich sehe die schwarze Flagge! Äh, ein seltsamer Totenkopf ist das.«

»An die Kanonen!«, bellte der Steuermann. »Es ist zu schnell zum Ausweichen.«

Das Segelschiff war, entgegen aller physikalischen Gesetzmäßigkeiten, so schnell herangekommen, dass nun auch Zamorra die seltsame Flagge ausmachen konnte. Allerdings war immer noch nicht genau zu erkennen, was für ein Totenkopf die Fahne zierte. Irgendwie schien er ... unscharf, haarig ...

Tendyke's Home, Florida

Die Sonne liebkoste ihren schlanken, jugendlichen Körper.

Monica Peters, Geschäftsführerin des weltumspannenden TI-Konzerns, lächelte mit geschlossenen Augen. Sie lag im Liegestuhl, am Pool. Jetzt war Faulenzen angesagt.

»Autsch!« Sie blinzelte verstört, fasste sich an den Hinterkopf, strich sich über die Innenseite der Oberschenkel. »Hat mich da etwas gestochen?«

Weder Blut noch Einstiche waren zu sehen. Auch die kurzen Pikser wiederholten sich nicht.

Monica Peters richtete sich im Liegestuhl auf und sah in den Pool.

Für einen kurzen Moment war ihr, als würde ein schwarzer Faden durch den Abfluss gezogen. Das konnte aber auch ein Trugschluss sein, denn Tendyke's Home war magisch gesichert.

Sie zuckte mit der Schulter. »Keine Schmerzen, kein Problem.« Sie schloss erneut die Augen. Der Tag in der Firma war echt hart gewesen.

Bermudadreieck, viele Seemeilen von Nassau entfernt

Das konnte doch alles nicht wahr sein! Blieb ihnen denn überhaupt nichts erspart? Oder gehörte das alles zu diesem arglistigen Spiel?

Professor Zamorra sah auf den fast schwarz gewordenen Glaswassertropfen. Das Abbild Nicoles, das sich darin befand, war beinahe nicht mehr zu erkennen.

Wenn es so weit war und die Glasperle in völliger Schwärze glänzte, würde Nicole sterben. Ruhe bewahren!, ermahnte er sich. Der Parapsychologe steckte den Tropfen zurück in die Tasche. Dann umklammerte er so kraftvoll die hölzerne Reling, dass ihm die Knöchel weiß hervortraten.

Ihm rann die Zeit davon!

Der Meister des Übersinnlichen lachte innerlich auf. Zeit! Er sah auf den rotfunkelnden Ring, den er am rechten Ringfinger trug. Normalerweise besaß er, dank des Artefaktes, genug von ihr.

Dieses Mal allerdings nicht. Denn das Ultimatum, das Schwarzwerden des Glaswassertropfens, galt durch die Zeit hinweg! Er konnte nicht einfach so zwischen Gegenwart und Vergangenheit hin und her springen, wenn er es beim ersten Mal vergeigte.

Er seufzte. Davon ab. Zeitreisen waren immer kompliziert und nur sehr schwer verständlich.

Theoretisch konnte er Nicole immer wieder retten. Gelang es ihm beim ersten Mal nicht, konnte er erneut in der Zeit zurückspringen und es nochmals versuchen. Tief in sich spürte er aber, dass es so einfach auch nicht war. Er konnte es fühlen, nicht aber erklären, dass es besser war, eine Person vor ihrem ersten Tod zu retten, es erst gar nicht so weit kommen zu lassen. Nicht dass am Ende mehrere Zeitlinien entstanden und das Chaos erneut ins Multiversum zurückkehrte. Nein, Zeitreisen und dementsprechende Experimente belasteten immer das Raum-Zeit-Kontinuum, sodass es besser war, gar keine temporalen Reisen zu unternehmen.

Der neuen Gegnerin allerdings, von der er noch nicht einmal ihren Namen kannte, schien das völlig egal zu sein. Sie hatte Nicole ins Jahr 1705 entführt. Dort wartete seine Gefährtin darauf, von ihm gerettet zu werden.

Zamorra sah nach oben. Jetzt war zwar das Segel wieder funktionsfähig, auch nahm die Sonnenkönigin bereits wieder Fahrt auf, allerdings hatte der Zauber wie immer ein paar unangenehme Folgen gehabt. Nicht nur, dass das übergroße Leinentuch jetzt regenbogenfarben leuchtete, nein, es hatte auch ein lautstarkes Feuerwerk mit anschließendem Kandisregen gegeben.

Das Feuerwerk hatte zudem jemanden auf sie aufmerksam gemacht.

»Schiff voraus!«, brüllte es aus dem Krähennest.

Und tatsächlich, vor dem mit Schäfchenwolken fast schon kitschig komponierten Horizont zeichnete sich eine Silhouette ab.

Verstörend zudem, dass das Segelschiff recht schnell fuhr. Viel zu schnell für diese Epoche!

Zamorras Nebenmann, gleichzeitig der Kapitän der Sonnenkönigin, brummte in den weißgrauen Vollbart, der nur noch vereinzelte und ausgeblichene rote Strähnen enthielt. Nur kurz hoben sich die Mundwinkel des Parapsychologen zu einem Lächeln. An den Anblick musste er sich erst gewöhnen.

»Dies Schiff dort, dünkt mich, fährt durch Zauberei.«

Der Meister des Übersinnlichen nickte.

Schon bellte der Steuermann Befehle: »Alle Mann auf ihre Posten! Das Schiff darf nicht auf die Luvseite!«

Innerhalb weniger Augenblicke schwenkte die Sonnenkönigin herum.

»Wenn es dies Schifflein schafft, auf die vom Wind zugewandte Seite zu gelangen, dann kann es nach Belieben manövrieren und das Gefecht erzwingen«, sprach der ehemalige Rotbart. »Allerdings können wir uns so besser von ihm entfernen. Doch diesmal, so fürchte ich, hat das alles keinerlei Bedeutung.«

»Da Magie im Spiel ist.« Zamorra nickte.

»Piraten!«, schrie es aus dem Krähennest. »Ich sehe die schwarze Flagge! Äh, ein seltsamer Totenkopf ist das.«

»An die Kanonen!«, bellte der Steuermann. »Es ist zu schnell zum Ausweichen.«

Das Segelschiff war, entgegen aller physikalischen Gesetzmäßigkeiten, so schnell herangekommen, dass auch Zamorra die seltsame Flagge ausmachen konnte. Allerdings war immer noch nicht genau zu erkennen, was für ein Totenkopf die Fahne zierte. Irgendwie schien er ... unscharf, haarig.

»Einen Motor hat es nicht. Und doch pflügt es durch die Wellen, als wenn es von irgendetwas angetrieben wird, das nichts mit dem Wind zu tun hat.« Der Kapitän sah ihn durchdringend an. »Ist's Zufall, deMontagne, was ich nicht recht glauben kann oder eher ein Teil der Intrige?«

Der Meister des Übersinnlichen zuckte mit der Schulter. »Wir sind noch nicht bei den Koordinaten.«

»Wir werden es sehen«, brummte der ehemalige Rotbart. »Es ist heran!«

»Feuer!«, schrie der Steuermann. »Wir haben nur den einen Versuch.«

Schon donnerten die Kanonen – und verfehlten allesamt das feindliche Schiff!

Der Grande hieb die Faust auf die Reling. »Wahrlich! Es ist verteufelt schnell.«

Unwillkürlich fasste sich Zamorra an die Brust. Dort hing Merlins Stern, sein magisches Amulett. Die stärkste Waffe, wenn es um die Ausgeburten der Hölle ging. Doch hier, in diesem Abenteuer, war es bisher nicht wirksam geworden. Aber war es denn ein Wunder? Die Magie seiner Gegnerin war weitaus älter als die des Amuletts. Allerdings erwärmte es sich jetzt ebenfalls nicht. Also doch ein Zeichen, dass sie es nicht mit der Hölle, sondern mit der unbekannten Gegnerin zu tun hatten?

Der Dhyarra, der Sternenstein, der seine Kraft aus den Tiefen des Alls bezog, stand Zamorra ebenfalls nicht zur Verfügung. Den trug, wie immer in den letzten Jahren, Nicole an einer Kette um den Hals.

Blieb ihm einzig die Strahlenpistole aus dem Arsenal der DYNASTIE DER EWIGEN, einer sternenfahrenden Invasionsnation, die zum Glück gegen alles und jeden einsetzbar war. Allerdings gab es hier ebenso Grenzen. Denn auch die Blaster waren irgendwann leergeschossen und mussten sich erst wieder regenerieren.

»Merde!«, zischte der Kapitän. Das Piratenschiff war heran. Schon schabte Holz gegen Holz, und obwohl beide Schiffbugs nicht in dieselbe Richtung wiesen, blieb das andere Schiff an der Sonnenkönigin haften.

Rotbart schnaubte. »Niemand an Bord? Ist's am Ende gar wieder ein Geisterschiff?«

»In Verteidigung gehen!«, schrie der Steuermann, der wohl der eigentliche Kapitän des Schiffes war.

Würde sich jetzt alles entscheiden? Würden sie hier und jetzt in ein Gefecht verwickelt werden? Würde Nicole jetzt wegen des Zwischenfalls sterben müssen?

Professor Zamorra hätte in diesen Augenblicken gern die ganze Welt zusammengeschrien.

Da zupfte es an seiner Hose, und eine hohe Stimme quiekte: »Honignebel!«

Ehe sich der Parapsychologe versah, wurde ihm ein Stück Pergament in die Hand gedrückt. Er entrollte es. Tatsächlich. Er hielt einen Zauberspruch in den Händen!

»Wenn das schiefgeht«, knurrte der Kapitän, »ersäufe ich Ihn eigenhändig im Honigtopf!« Doch da war die kleine und verwachsene Gestalt schon wieder auf und davon.

Drei Tage zuvor, Südfrankreich, im Jahre des Herrn 2023, Saint-Tropez

Oh ja. Erst mal ein Eis!

Nicole Duval, noch allein auf der Promenade unterwegs, spürte, wie ihr das Wasser im Munde zusammenlief. Sie stand vor einem Eiscafé und betrachtete all die herrlichen Eissorten hinter dem gläsernen Tresen! Rum-Krokant, Tiramisú, Cappuccino, Cocos Cabana ... Sie spürte in sich eine helle Vorfreude auf das Gaumenerlebnis aufsteigen, wie damals, als kleines Mädchen, als sie zum ersten Mal vor solch einer riesigen Auswahl gestanden hatte. Und wenn es auch noch so schmeckte wie damals ...

Sie seufzte innerlich. Nein, bei diesen glorifizierenden Vorschusslorbeeren, da konnte das Eis hier sicherlich nicht mithalten.

Egal. »Probieren geht über studieren«, murmelte sie, trat an den Eisstand heran und versank fast in den eisgrauen Augen des Verkäufers. Das war doch Zamorra in jung! Also in noch jünger, als er aktuell aussah.

Obwohl der Meister des Übersinnlichen mittlerweile achtzig Jahre alt geworden war, sah er noch immer wie ein Enddreißiger aus.

Und sie wie Ende zwanzig, obwohl sie in zwei Jahren siebzig wurde.

Ihre Langlebigkeit hatten sie dem Wasser aus der Quelle des Lebens zu verdanken. Sie waren zwar relativ unsterblich, konnten aber durch Gewalteinwirkung jederzeit getötet werden.

Vor ihr stand also der junge Zamorra. Der vielleicht Zwanzigjährige trug ein rotes Shirt und ein weißes, offenes Hemd. Er schien ebenso sportlich wie der Meister des Übersinnlichen. Lächelnd sah er sie an.

»Ein ... Erbereis.«

Echt jetzt? Hatte sie jetzt wirklich wie ein debiles Mädchen gelallt?

Der junge Mann lächelte. »Ein Erdbeereis. Kommt sofort. Oder darf es noch eine weitere Kugel sein?«

»Darf es«, entschied die schöne Französin spontan.

Oder ... hatte Zamorra etwa einen Sohn, von dem sie nichts wusste? Sie waren mittlerweile seit fast 49 Jahren ein Paar! Hatte er vielleicht solcherlei Geheimnisse vor ihr? Immerhin hatte der Meister des Übersinnlichen in seiner studentischen Sturm- und Drangzeit – wenn auch unbewusst – sogar schon eine wilde Nacht mit Stygia erlebt, aus der ein gefährliches Dämonenbalg hervorgegangen war.

Doch Asael war tot. Mausetot. Geköpft von seinem eigenen Vater.*

»Soll ich das Eis noch einmal kühlen?« Der junge Verkäufer lächelte wieder. Oder immer noch? Offensichtlich schien er Gefallen an Nicole zu finden.

Sie starrte verdattert auf das Eis. »Äh, Malaga. Und eine Kugel Malaga.«

»Sehr wohl.«

Moment. Malaga mochte sie doch gar nicht. Warum hatte sie nicht auf Limette gestarrt? Ach, war ja auch egal. Sollte sie ein Foto von ihm machen und es Zamorra senden?

Nein! Zamorra war ihr absolut treu. Das wusste sie. Sie zahlte und bedankte sich und nahm erst einmal Abstand.

Eine Weile flanierte sie stirnrunzelnd auf der Promenade entlang.

Was war das denn jetzt gewesen?

Natürlich wusste sie, dass es Zufälle gab. Und jeder Mensch auf der Welt sollte auch mindestens einen Doppelgänger haben, hieß es.

»Also gut«, seufzte sie, drehte sich um – und bekleckerte sich. »Na wunderbar«, knurrte die schöne Französin, »was ist denn das für ein Tag heute? Da kann ich mich doch gleich wieder hinlegen.«

Sie schleckte noch den Rest Erdbeereis, warf den Becher in den Abfallkorb und machte sich ans Putzen.

Super, der Fleck blieb hartnäckig. Gut, dann eben anders. Sie schloss ihren mintgrünen Blazer, der das rosafarbene Kleidchen fast vollständig versteckte. Dann lieber in der Sonne schwitzen, als mit Fleck herumlaufen.

Kurz darauf stand sie wieder vor dem Eiscafé. Eine junge Frau bediente.

Nicole erkundigte sich nach dem jungen Mann. Doch der hatte bereits Feierabend.

Wenigstens hatte man ihr jetzt nicht erklärt, dass es ihn gar nicht gab.

Das TI-Gamma meldete sich.

»Hi.« April Hedgeson, Nicoles älteste Freundin, zog auf dem Display einen Flunsch. »Tut mir leid, ich werde wohl heute nicht mehr nach Saint-Tropez kommen können.«

»Lass mich raten, man hat dir dein Auto geklaut.«

»Na so schlimm ist es jetzt auch wieder nicht, aber so ungefähr schon.« April zuckte mit der Schulter. Sie sah optisch wie ihre Freundin aus, allerdings hatte das andere, nichtsdestotrotz ebenfalls magische Gründe.

»Also, was ist es?«

Das Bild schwenkte herum.

»Du hast einen Platten«, stellte Nicole fest.

Das Bild schwenkte abermals.

»Noch einen.«

April seufzte. »Kürzen wir es ab: Es betrifft alle vier Reifen.« Sie schüttelte den Kopf. »Das ist mir echt noch nie passiert. Ich war nur mal kurz für kleine Königskobras und einen Espresso trinken. Jetzt komme ich so schnell nicht weiter. Keiner Ahnung, wer das war und warum er das getan hat. Der Abschleppdienst ist aber gleich da.«

»Bist du noch in Italien?«

Die Freundin nickte. »In der Nähe von Turin.«

»Mir scheint, heute ist nicht unser Tag. Mir passieren hier auch seltsame Dinge.«

»Inwiefern?«, hakte April nach. »Oh, die Jungs vom Abschleppdienst sind da.«

»Okay, machen wir erst mal Schluss. Ich erzähle dir alles, wenn du da bist. Melde dich, wenn du weiterfahren kannst.«

»Alles klar. Bis später.« April lächelte noch einmal entschuldigend, dann erlosch das Bild.

»Hm«, machte Nicole, drehte sich um und schaute aufs Wasser. Der Jachthafen strotzte nur so von sündhaft teuren Schiffen. Sie dümpelten alle mit dem Heck vertäut an der Kaimauer.

Die beiden Freundinnen wollten ein paar entspannte Tage in Saint-Tropez verbringen. Mädchentage, mit shoppen und shoppen und shoppen und Männer schauen und Männer lästern und jede Menge Drinks konsumieren. Ach, und shoppen natürlich.

Nicole freute sich, dass sie April so schnell nach dem letzten Abenteuer wiedersah.

Die Freundin war Ende letzten Jahres in Indien mit dem Ssacah-Keim infiziert worden und hatte sich sogleich zur Hohepriesterin des Königskobrakultes aufgeschwungen. Ja, sie hatte sogar Ssacah, den Kobradämon, höchstpersönlich von der Spitze entfernen wollen.*

Am Ende war alles relativ gut ausgegangen. Sogar Ssacah hatten sie mal wieder töten können. Nicole hoffte inständig, dass es jetzt eine Weile dauern würde, bis die dicke Schlange wieder auftauchte.

Jedenfalls würde sie wohl noch eine Weile auf April verzichten müssen.

Was also war zu tun?

»Hallo!«

Nicole sah sich um. Hatte der Ruf ihr gegolten?

Immerhin waren jede Menge Menschen auf der Promenade unterwegs.

Sie wollte weiterlaufen.

»Bitte! Nicht weglaufen. Hier sind wir!«

Aus den Augenwinkeln sah sie auf einer der Jachten schnelle Bewegungen.

In der Tat. Da saßen zwei junge Männer und winkten ihr zu.

Sie zeigte auf sich.

»Ja, genau!« Sie winkten sie heran.

Nicole zuckte mit der Schulter. Warum nicht? Mal hören, was die Männer zu sagen hatten. Da war sicher nichts Verwerfliches dabei.

Als sie vor der Jacht stand, kam einer der beiden bereits wieselflink die Trittleiter nach unten. »Bitte schön.« Er machte eine einladende Geste und hielt ihr die Hand hin.

Nicole konnte nicht anders. Da sie Gedanken lesen konnte, stöberte sie kurz in seinen Gedanken. Normalerweise versuchte sie das zu vermeiden. Aber heute war ein seltsamer Tag. Also hatte sie flüchtig nachgeforscht. Nein, da waren wirklich keine verwerflichen Gedanken. Die beiden wollten sie nur kennenlernen.

Also tat sie ihnen den Gefallen.

Die Männer saßen gemütlich auf dem Heck, für jedermann sichtbar.

Was also konnte schon passieren?

Ihre Gastgeber, sie mochten Mitte zwanzig sein, stellten sich vor. Jules und Louis waren Brüder, Halbbrüder, wie sie gleich einschränkten. Das war die Jacht ihres gemeinsamen Vaters. Der hatte zwei Frauen. Eine richtige Ehefrau und eine Chefsekretärin. Und was dem Ganzen noch die Krone aufsetzte: Die Ehefrau wusste noch immer nichts von der ganzen Sache. Und so sollte es auch bleiben.

Nicole zuckte mit der Schulter. Was ging es sie an.

»Möchtest du vielleicht einen Prosecco?«

Die schöne Französin lächelte und schüttelte den Kopf. »Eine eisgekühlte Cola aus der Dose wäre nicht schlecht.« Sie zwinkerte ihnen zu.

»Glaubst du etwa, dass wir dich betäuben wollen?«

Sie hob die Hände und präsentierte ihnen die leeren Handflächen. »Das habt ihr gesagt.«

Sie erhielt jedoch, was sie begehrte. Diesmal war Jules in der Kajüte verschwunden. Mit leicht zitternder Hand hatte er die Dose und ein Glas hingestellt und sie angelächelt. Oder wohl besser: angehimmelt.

Eine halbe Stunde war sie geblieben. Doch Jules konnte seine Gedanken nicht im Zaum halten. Er schien sich ehrlich in Nicole zu verlieben!

Sie bedankte sich artig für das Getränk. »Es tut mir leid, aber mein Gefährte wartet bereits auf mich.«

Jules wurde blass.

Während sie die Sprossen nach unten stieg, hörte sie noch ein paar Wortfetzen der Brüder.

»Was hast du denn erwartet?«, flüsterte Louis, »dass sie ungebunden ist und nur auf dich gewartet hat?«

»Aber einen Versuch war es doch wert gewesen«, maulte der andere.

»Junge, du verliebst dich ständig in die Falschen. Außerdem hast du doch eine Freundin! Sei zufrieden.«

»Bei Dad hat es aber auch geklappt.«

Sie rollte mit den Augen. Äpfel fielen also noch immer nicht allzu weit vom Stamm.

Eine Stunde später, und noch immer ganz von dem Gefühl erfüllt, dass dies ein seltsamer Tag war, stand Nicole in der Umkleidekabine einer äußerst noblen Modemarke. Zwölf Kleider hatte sie lediglich im Geschäft gezählt. Und eines davon trug sie am Leibe. Sie wand sich und drehte sich vor dem Spiegel.

Weitere Kundschaft musste den Laden betreten haben. Die Verkäuferin unterhielt sich leise.

Nicole zupfte hier und da und fand sich schick. Sie strich sich kokett eine Strähne aus der Stirn und lächelte.

Es zischte.

Die Verkäuferin schrie auf.

Jemand plumpste zu Boden.

Nicole riss den Vorhang zur Seite und griff sich bereits an die Kette, an der ihr Dhyarra hing. Sie trug den blauen Sternenstein wie ein Schmuckstück um den Hals. So hatte sie jederzeit Körperkontakt und konnte sich gedanklich Dinge vorstellen, die der Dhyarra dann in die Tat umsetzte. So lange, wie sie sich eine Sache dachte, blieb diese existent. Schwanden ihr die Sinne oder schwand die Konzentration, war es vorbei mit der Illusion. Trotzdem konnte sie mit dem Stein Staumauern zerstören oder Flugzeuge vom Himmel holen, was sie natürlich nicht tat. Der Dhyarra war für sie eine Defensivwaffe. Sie setzte ihn nur zum Schutz und zur Abwehr ein. Niemals zum gezielten Töten.

Allerdings sah sie keine Gefahr. Sie sah nur die Verkäuferin am Boden. Und dann roch sie es: Chloroform! Noch ehe sie mit den Dhyarra Gegenmaßnahmen einleiten konnte, schwanden ihr die Sinne. Die Konzentration war weg. Mechanisch rief sie noch Merlins Stern zu sich. Augenblicklich erschien das Amulett in ihrer Hand. Allerdings baute sich kein grüner Schutzschild um sie auf. Also war es kein dämonischer Angriff?

Sie schlug auf dem Boden auf und rührte sich nicht mehr.

Was dann folgte, entzog sich ihrer Kenntnis.

Und das war wohl besser so.

Irgendwann, im Laufe der Zeit