Professor Zamorra 1266 - Thilo Schwichtenberg - E-Book

Professor Zamorra 1266 E-Book

Thilo Schwichtenberg

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Beschreibung

"Ist er nicht herrlich, unser diesjähriger Weihnachtsbaum?"
Nicole schmiegte sich an Zamorra und betrachtete glücklich die wohlgewachsene Tanne. "Das wird das schönste Weihnachten seit vielen, vielen Jahren. Doch vorher", sie gab ihrem Partner einen dicken Schmatzer auf die Wange, "vorher verbringen wir unseren Urlaub im Weihnachtsland Erzgebirge. Und diesmal garantiert ohne Trubel und Dämonenpack."
Zamorra sah sie skeptisch an. "Du willst nichts tun?"
"Och", Nicole winkte ab, "du wirst schon sehen. Wir werden eine grandiose Zeit haben."


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Inhalt

Cover

Der Zwergenmacher

Leserseite

Vorschau

Impressum

Der Zwergenmacher

von Thilo Schwichtenberg

»Ist er nicht herrlich, unser diesjähriger Weihnachtsbaum?«

Nicole schmiegte sich an Zamorra und betrachtete glücklich die wohlgewachsene Tanne. »Das wird das schönste Weihnachten seit vielen, vielen Jahren. Doch vorher«, sie gab ihrem Partner einen dicken Schmatzer auf die Wange, »vorher verbringen wir unseren Urlaub im Weihnachtsland Erzgebirge. Und diesmal garantiert ohne Trubel und Dämonenpack.«

Zamorra sah sie skeptisch an. »Du willst nichts tun?«

»Och«, Nicole winkte ab, »du wirst schon sehen. Wir werden eine grandiose Zeit haben.«

»Ich freue mich jetzt schon auf die vielen Schwibbögen in den Fenstern. Und aufs Ausspannen und Nichtstun«, schwärmte Nicole weiter.

Zamorra sah sie skeptisch an. »Du willst nichts tun? Das sieht dir doch gar nicht ähnlich.«

»Och«, Nicole winkte ab, »du wirst schon sehen. Wir werden eine grandiose Zeit haben und pünktlich und ausgeglichen zum Weihnachtsfest mit allen wieder vereint sein.«

Schneetal (Sachsen), Erzgebirge

Der ältere Herr schob bedächtig den Einkaufswagen durch den Euroschmal.

Hin und wieder hielt er an, rückte die Brille ein Stück den Nasenrücken hinauf und schaute auf das jeweilige Regal vor sich. Stets sah er prüfend von oben nach unten. Dann nahm er etwas heraus und betrachtete die Packung oder das Glas sehr genau, las das Kleingedruckte und stellte es wieder an den Platz zurück oder aber legte es in den Korb.

Waltraud verdrehte die Augen. »Meine Güte«, flüsterte sie, »der kauft hier doch nicht zum ersten Mal ein.« Nur wenige Dinge waren bisher im Korb zusammengekommen: Zwei Himbeerjogurt, eine frische, fettarme Milch, ein knuspriges Walnussbaguette, ein Netz mit mehlig kochenden Kartoffeln, ein Stück irische Butter sowie acht Beutelchen mit Katzennahrung: Pute, Lachs, Rind und Huhn. Gerade legte er eine Frischepackung mit dreißig Prozent vergünstigtem Schnittkäse aus Österreich hinzu, gefolgt von einem Stück um die Hälfte vergünstigter grober Leberwurst.

»Als wenn der das nötig hätte!«, zischte nun auch Heidi neben ihr.

Waltraud nickte. »Es scheint ihm nicht zu reichen, dass er abgewetzte Kleidung trägt. Wobei das Jackett aus feinsten englischen Tweed besteht und auch die Cordhose einmal richtig teuer gewesen sein muss.«

Heidi überlegte kurz. »Ist der nicht schon achtzig?«

»Nächsten Monat«, wusste Waltraud von ihrer Cousine.

»Ach egal. Jedenfalls: Was will der denn noch sparen? Glaubt wohl, der hat das ewige Leben?« Heidi schüttelte sich leicht. »Weißes, wirres Haar, grüne stechende Augen, große Tränensäcke und ein blutroter Schal. Ich sag's ja immer wieder: Künstler sind verschroben.«

»Und unheimlich. Irgendwie«, pflichtete ihr Waltraud bei.

Heidi nickte. »Und unheimlich, genau. Könnte mir gut vorstellen, dass es bei dem nicht mit rechten Dingen zugeht.«

»Ja!«, Waltrauds Augen funkelten plötzlich, »wie bei dem Hand!«

Heidi sah sie verständnislos an. »Bei welcher Hand?«

»Na dem Doktor! Dem sein Busenfreund,« übergangslos begann sie noch leiser zu sprechen, »der Teufel war.«

Die Freundin kniff die Augenlieder zusammen. »Jetzt sag nicht, du meinst den Faust.«

Waltraud winkte ab. »Hand, Faust, Fuß – egal. Ich sage es dir, bei dem geht es ganz bestimmt nicht mit rechten Dingen zu. Los, hinterher!«

Tanner verschwand um die nächste Biegung.

Sie fanden ihn an den Sonderpostentischen kurz vor der Kasse.

Hier stapelte sich billiger Weihnachtsramsch aus chinesischer Produktion.

Gerade zog er einen gut dreißig Zentimeter großen Holzzwerg aus dem Sammelsurium hervor. Kritisch hielt er ihn sich vor die Nase.

»Da fehlt ein Arm«, meinte Waltraud, als der Alte mit der freien Hand im Plunder eintauchte.

Er lächelte kurz, zog sie heraus, hielt den abgebrochenen Arm an den Zwerg und nickte.

»Eh!«, rief die Wiemer von der Kasse. »Wenn Sie ihn kaputt gemacht haben, müssen Sie ihn auch bezahlen!«

Tanner sah sie nur an. Die Wiemer senkte den hochroten Kopf und kassierte weiter. »Ist doch so!«, zischte sie zur Wasmeier, die gerade an der Kasse stand.

Bedächtig legte der Alte den Zwerg in den Wagen. Und natürlich schob er den Wagen an die Kasse der Wiemer.

Die zog es vor zu schweigen.

Endlich hatte Tanner den Laden verlassen.

Heidi, Waltraud und die Wiemer waren allein.

»Wie gruselig doch der Alte ist.« Die Kassiererin sah die beiden Frauen an. »Ich sag es euch: Der hat den bösen Blick!«

»Der ist so wortkarg«, bestätigte Heidi.

»Man erfährt überhaupt nichts über ihn, obwohl er doch schon an die vierzig Jahre hier lebt«, vollendete Waltraud.

»Achtunddreißig«, bestätigte die Freundin.

»Wo der wohl hergekommen sein mag?«, sinnierte die Wiemer. »Der war damals einfach da. Und ist nie wieder weg.«

Waltraud machte große Augen. »Der ist bestimmt vor der Stasi geflüchtet.«

»Oder!«, Heidi hatte die Hand gehoben, wie in der Klasse, wenn der Klassenbeste unbedingt etwas sagen wollte. »Oder der hat jemanden angezeigt und wurde deswegen hierher versetzt. Zeugenschutz und so.«

»Das ist es!« Waltraud lächelte zufrieden. Das runde, rotwangige Gesicht, das von glatten schwarzen Haaren umrahmt wurde, glänzte im Schein der Lampen. »Der war sicher mal Stasioberst!«

»Und jetzt lebt er völlig unbehelligt unter rechtschaffenden Leuten!« Die Wiemer presste die Lippen fest aufeinander.

»Ich sage es euch!« Heidi griff sich an den blonden Dutt und drückte ihn sanft. »Der hat sicher seine Leichen im Keller, so wie der aussieht.«

»Was der sich alles leisten könnte.« Waltraud nicke und presste dabei das Doppelkinn immer wieder ein, sodass es rhythmisch hervorquoll. »Der verkauft doch eine Unmenge an Zwergen.«

Heidi grübelte. »Wieso der überhaupt den Chinazwerg mitgenommen hat.«

»Na, den hat er doch kaputt gemacht«, meinte die Wiemer.

»Nee«, korrigierte sie Waltraud, »der Hampelmann war schon kaputt.«

»Oh je«, die Kassiererin schlug sich die Hand vor den Mund. »Dann wird er mich verhexen.«

Heidi grinste. »Der hetzt seine Zwerge auf dich.«

Waltraud winkte ab. »Das ist alles nur Tarnung. Der will nicht auffallen.«

»Wisst ihr«, Heidi lächelte, »ich glaube, der ist schon plemplem. Den ganzen Tag nur Zwerge und Katzen um sich. Da muss man doch meschugge werden.«

»Der hat nie eine Frau gehabt!«, wusste Waltraud von ihrer Cousine.

»Richtig.« Heidi prustete los. »Am Ende treibt er's noch mit ihnen. Hat sich eine Zwergenfrau geschnitzt.«

»Oder einen Zwergenmann.« Auch die Wiemer lachte.

Waltraud schrie auf. »Grundgütiger!« Sie sah auf die Uhr und schrie abermals auf. »Ihr Lieben, ich muss los. Ihr wisst ja: Wenn mein Walter Punkt zwölf nicht sein Essen auf dem Tisch stehen hat ...«

»Dann rutscht ihm schon mal die Hand aus.« Heidi schob ihre Freundin aus dem Laden.

»Nichts für ungut.« Die Wiemer seufzte und widmete sich dem nächsten Kunden.

Château Montagne, Frankreich

Ein Kreuz wurde gesetzt.

»Du glaubst wohl, ich merke das nicht?«

Im Hintergrund flimmerte eine Nachrichtensendung aus Indien.

»Was denn?«

Ein Kreis entstand daneben.

»Du denkst wohl, ich bin ein dummer Hund?«

Und noch ein Kreuz.

»Du bist doch ein Wolf.«

Ein Kreis.

»Ach, auf einmal bin ich ein Wolf?«

Die Szenerie auf dem Bildschirm wechselte, zeigte ein farbenfrohes Fest.

»Natürlich bis du ein Wolf! Ein Schelm der anderes denkt.«

Kreuz.

»Du lenkst ab, weil du glaubst, wenigstens so gewinnen zu können!«

Kreis.

»Ich? Niemals nicht! Ich bin doch kein schlauer Höllenhund.«

»Ha!« Ein dürrer, fast schon ausgemergelter Finger wies auf das Gegenüber. »Jetzt hast du dich verraten!«

Kreuz.

Die Menschen trugen farbenfrohe Tücher und bewarfen sich lachend mit bunten Farben. Ein Brautpaar wurde eingeblendet.

»Wieso? Ein Höllenhund ist eher ein Wolf denn ein Hund. Da steckt nur das Wort Hund drin.«

»Fang jetzt nicht an, mich zu verwirren! Ich bin ein Hund! Ach, quatsch. Ein Wolf!«

Kreis.

Grinsen. Kreuz. »Tja.«

»Mann!« Faolan, der ehemalige höllische Archivar, warf seinen Kuli in Richtung Mensch. »Das war Absicht! Nur weil du mich nicht besiegen kannst, hast du es mit einer List versucht.«

»Niemand hat die Absicht, es mit einer List zu versuchen.« Pascals Grinsen blieb wie eingefroren auf dem Gesicht. Er verschränkte die Arme und lehnte sich lässig nach hinten. »Das große Stygia-Dämonenversenken habe jedenfalls ich gewonnen.«

»Ja doch«, knurrte Faolan. »Los, ich will eine Revanche, du Meegh.«

»Verschieß doch nicht gleich dein ganzes Pulver. Jetzt geht es doch um nichts.«

Der Wolf zog die Lefzen nach oben.

»Hörst du auf! Sei ein braves Hundchen.«

»Ich bin ein Wolf!«

»Oder so. He, Moment.« Pascal Lafitte wies mit dem ausgestreckten Arm auf den Fernseher.

Faolan kniff die Wolfsaugen zusammen, sodass die buschigen Brauen eine Linie ergaben. »Was denn?«

»Warte, vielleicht kommt er wieder.«

»Wer? Wer ist er?«

»Da!« Pascal hielt das Bild an und zoomte es größer.

»Ein bunter Mensch«, kommentierte der Wölfische.

»Ja, Moment.« Lafitte ließ das Programm rückwärts laufen. Plötzlich wich die Farbe vom Menschen, verschwand aus dem Sichtfeld der Kamera. »Erkennst du ihn?«

Faolan betrachtete ausgiebig das Portrait eines jungen Mannes.

Er besaß ein längliches Gesicht, kurze schwarze Haare, leicht abstehende Ohren, hellblaue Augen und eine »Römernase«, da diese mittig einen kleinen Huckel auf dem Nasenrücken trug. Links und rechts am Hals befanden sich kleine Tattoos, die wie Blätter, Flammen oder gar Flügel aussahen.

Pascal spulte weiter vor, und der ganze Mensch erschien auf dem Bildschirm.

Er schien Ende zwanzig, war ungefähr so groß wie Zamorra und auch wie der Professor schlank und sportlich-muskulös.

»Was nicht ganz passt«, Faolan wiegte den Kopf hin und her, »ist sein doch eher indisches Aussehen, die schwarzen Haare, die volleren Lippen, der dunkle Teint. Bisher sah er immer etwas, hm, blass und deutsch aus.«

»Das haben wir gleich.« Pascal kopierte das Bild und öffnete die Datenbank. Er schob das Bild nach rechts und entfaltete links den Datenbaum. Nach ein paar Klicks ploppte ein weiteres Portrait auf. Er schob das rechte über das linke. »Na bitte.« Er strahlte. »Sechsundachtzig Prozent Übereinstimmung.«

»Wir sollten«, begann Faolan kleinlaut, »bei aller Ablenkung, die sicher auch nötig ist, bei all dem langweiligen Beobachtungskram hier, doch wieder ein wenig mehr auf unseren Job achtgeben. Wir sind hier, um mysteriöse Fälle aus dem Netz zu fischen. Und nicht, um Dämonenversenken zu spielen.«

»Es ist ja noch einmal gut gegangen«, murmelte Pascal und drückte eine weitere Taste.

Kurz darauf erschien der Kopf einer wunderschönen Französin. »Bei der Arbeit!«, sagte Nicole, doch die beiden Bibliothekare sahen sofort, dass auch Nicole Duval gerade bei etwas völlig anderem gestört worden war.

»Wir haben«, begann Pascal, »allem Anschein nach ein Lebenszeichen von Michael Rahlen gefunden.«

Die schöne Französin zog die rechte Augenbraue nach oben. »Ihr spielt Dämonenversenken im XXL-Format?«

Zwei Finger wiesen blitzschnell gegeneinander. »Er war's.«

»Schon klar.« Nicole unterrückte ein Grinsen. »Ich muss euch eh bewundern. So ein Sitzjob wäre echt nichts für mich. Ich muss mich bewegen und nicht nur Dinge sichten und schlichten und konservieren.«

»Ich bewege mich ausreichend in der Nacht.« Faolan sah Pascal herausfordernd an.

»Und, und, und ich fahre mit dem Fahrrad ins Schloss. Wenn es nicht regnet«, entgegnete Pascal.

Faolan sah hinaus. »Dann scheint es ja fast immer zu regnen.«

»Gut, kürzen wir das ab.« Nicole wies auf das Bild vor sich. »Ein indischer Michael Rahlen also.« Sie betrachtete ein paar Bilder, die sie auf der SEASTAR IV von ihm und April Hedgeson aufgenommen hatte.

Michael galt nach dem letzten Abenteuer erneut als verschollen.

Bisher waren sie zweimal auf den seltsamen jungen Mann gestoßen, von dem Asmodis behauptete, er wäre mehr als nur ein einfacher Michael.

Kurz erinnerte sich Nicole an die Begegnungen mit ihm im Harz und auf Aprils Hochseeyacht, der SEASTAR IV.

Eigentlich für tot gehalten, war Michael Rahlen auf der SEASTAR IV ohne Erinnerungen an sein voriges Leben wieder aufgetaucht. Zamorra war bei dessen Opfertod in einem Harzer Bergwerk dabei gewesen. Obwohl ... Hinübergang hätte es wohl treffender formuliert. Denn Michael hinterließ keine sterbliche Hülle, sondern nur einen in den Fels gebrannten Schatten. Der Schatten war zwar menschlich gewesen, doch hatte er zusätzlich zwei gewaltige Flügel besessen. Feinfiedrige Engelsflügel und keine Lederschwingen wie sie Dämonen zur Schau stellten.

War Michael ein Engel? Gar DER ERZENGEL? Zumindest hatte Asmodis damals im Bergwerk den Gedanken ins Spiel gebracht. Immerhin besaß der ehemalige Fürst der Finsternis ein gewaltiges Hintergrundwissen, was derlei Dinge betraf. Dass Michael DER ERZENGEL war, das mochten weder Zamorra noch Nicole ganz glauben. Michael haftete zwar eine heilsbringende Aura an, denn alle Menschen in seiner Umgebung fühlten sich in seiner Gegenwart sichtlich wohl, doch so gewaltig war die Aura nun auch wieder nicht, dass sie zu solch einem sphärischen Wesen gepasst hätte.

Nicoles Gedanken kehrten zu den Abenteuern mit April und Michael zurück. Der junge Mann hatte die LEVIATHAN, die vom Erzdämon Agares freigelassen worden war, wieder in ihr Gefängnis gebannt und war, zur Freude der Schiffseignerin, auf der Yacht geblieben.

April Hedgeson, die seit dem Tode ihres langjährigen Lebensgefährten Bjern Grym keine feste Beziehung mehr eingegangen war, fühlte sich zu Michael hingezogen. Sie hatte dem jungen Mann angeboten, bei ihr auf der Jacht zu bleiben, und da sich Michael an sein vorheriges Leben im Harz nicht mehr erinnern konnte, hatte er dankend angenommen.

Die LEVIATHAN war vorerst gebannt, doch Agares hatte auch BEHEMOTH und ZIZ, die Züchtiger der Menschheit, aus ihren Gefängnissen freigelassen.

In einem finalen Kampf, bei dem sich auch die Wissenschaftlerin der SEASTAR IV, Roshanara Tharavadu, obwohl sie einen eigennützigen Pakt mit Agares eingegangen war, für Michael geopfert hatte, waren alle drei biblischen Wesen durch den jungen Mann wieder ein für alle Mal gebannt worden.

Doch Michael war aus den Fluten des Atlantik nicht wieder zurückgekehrt. Selbst Sara Moon hatte ihn nicht finden können.

April wollte sich mit dessen Tod nicht abfinden und suchte weiter nach dem geheimnisvollen jungen Mann.

»Habt ihr schon mal die Sequenzen mit Ton ablaufen lassen? Was wird über ihn ausgesagt?«

»Äh«, Pascal kratzte sich im lichten Haar, »jetzt, wo du es sagst.« Er legte sofort den Übersetzer über die Nachrichtensequenz.

Im kurzen Beitrag ging es um eine Hochzeit zwischen zwei in der lokalen Presse bekannten Großgrundbesitzerfamilien.

Und der, der dem Hochzeitspaar den Segen gab, war kein Geringerer als Michael, von dem im Bericht behauptet wurde, dass er ein Prophet und Wunderheiler sei.

Nicole sah nachdenklich vom Bildschirm auf und die beiden Bibliothekare an. »Das passt zu Michael.«

Sie zückte das TI-Gamma und wählte eine Nummer.

»Nicole?«, kam es überrascht und hocherfreut aus dem technischen Alleskönner von Tendyke Industries. Dann erschien April Hedgeson auf dem Display. Sofort wurde Nicoles älteste Freundin ernst. »Arbeit oder shoppen?«

Die schöne Französin grinste. »Kommt drauf an.« Sie zwinkerte belustigt.

»Nun sag schon«, drängte die dunkelhaarige Engländerin mit italienischem Hauptwohnsitz am Gardasee, einer Villa in Strandnähe, ungefähr zwei Kilometer südlich von Bardolino.

Nicole und April kannten sich seit ewigen Zeiten. Schon damals, als die schöne Französin in New York studierte, hatten sie in einer Wohngemeinschaft zusammengelebt. Später, als Nicole den Job als Zamorras Sekretärin annahm, hatten sie sich aus Zeitmangel zwar immer seltener gesehen, doch umso fester war ihrer beider Freundschaft geworden.

April war die einzige Tochter des verstorbenen Industriellen und Multimillionärs Sir Francis »the great« Hedgeson. Sie studierte in Telford, Oxford, Paris und Harvard sowie an der New Yorker Columbia-Universität und lernte dabei ihre Studienfreundin Nicole kennen.

Lange Zeit war sie die Lebensgefährtin von Bjern Grym gewesen, einem genialen Erfinder und Konstrukteur von außergewöhnlichen Schiffen, die in der Grym-Werft, die er von seinem Vater geerbt hatte, gebaut wurden. Bis er unter Leonardo deMontagnes Bann geriet, der ihm heimlich Para-Kräfte aufoktroyierte, um ihn als Geheimwaffe gegen die Zamorra-Crew zu verwenden. Als Bjern Grym aber zum Mörder werden sollte, nahm er sich lieber selbst das Leben, anstatt seinen Freunden Schaden zuzufügen.

Die von ihrem Vater gegründete Hedgeson-Firma vermarktete jetzt die Yachten der Grym-Werft, die April nach Bjern Gryms Tod geerbt hatte.

Durch einen fortschreitenden Verjüngungszauber des aus der Andromeda-Galaxis stammenden Dämons Airam Lemak erhielt sie erneut das Aussehen und das biologische Alter einer Achtzehnjährigen. Nachdem Zamorra den Zauber gerade noch rechtzeitig hatte stoppen können, alterte April wieder normal weiter.

»Sieh dir mal den kleinen Film an, den ich dir gerade weitergeleitet habe.«

April nickte. »Ist angekommen.« Ihre Augen wurden groß. Schnell stahl sich ein Lächeln auf ihre Lippen. »Michael«, flüsterte sie glücklich. »Ja, er ist es.« Sie sah auf. »Ich kann sogar seine Aura spüren. Von wann ist das Video?«

»Von heute«, erwiderte Nicole. »Die Spur ist also noch ganz frisch.«

April verzog schmerzhaft das Gesicht. »Ausgerechnet heute.«

Nicole zog die rechte Augenbraue nach oben.

»Ein wichtiger Termin bezüglich der SEASTAR V.«

Die schöne Französin lächelte. »Du hast dich also entschieden, weiterzumachen?«

»Was sollte ich sonst tun?« April zuckte mit der Schulter. »Das ist das, was ich am besten kann. Meine Yacht für wissenschaftliche Untersuchungen und Experimente freizugeben, unter der Bedingung, dass die Forschungsergebnisse dann größtenteils der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden.«

»Und wie wird die SEASTAR V so?«

Die Engländerin grinste. »Fulminant.«

»Und was wird die neue können, was die früheren nicht konnten?«

April blinkerte belustigt. »In den Weltraum springen.« Sie winkte ab. »Lasst euch überraschen. Das dauert alles noch eine Weile. Die Situation auf dem Weltmarkt ist gerade sehr angespannt. Und deswegen«, sie lächelte glücklich, »werde ich nach dem Termin unbedingt nach Indien fliegen und mit der Suche nach Michael beginnen.« Ihre Augen wurden groß. »Vielleicht könntet ihr in der Zwischenzeit noch herausbekommen, in welchem Bundesstaat, in welcher Gegend, die Sequenz aufgenommen wurde.«

»Wird erledigt«, bestätigte Pascal Lafitte.

»Möchtest du oder vielmehr möchtet ihr, Zamorra und du, mitfliegen? Ihr könnt sicher auch mal einen Urlaub vertragen. Auf meine Kosten natürlich.« Die Engländerin war in den letzten Minuten sichtlich aufgeblüht, sie sah gleich noch schöner aus, fand Nicole.