Professor Zamorra 1267 - Thilo Schwichtenberg - E-Book

Professor Zamorra 1267 E-Book

Thilo Schwichtenberg

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Beschreibung

Das Foto hielt einen äußerst glücklichen Moment fest: Ein optisch junger Mann und eine optisch junge Frau lächelten in die Kamera.
April Hedgeson seufzte leise.
Nun war er endlich wieder aufgetaucht. In Indien.
Sie wischte über das Foto und legte das Handy beiseite.
Die Suche konnte beginnen.
Nach der Person, die sie so innig liebte.
Und die ... ihre Liebe nicht erwiderte.

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Inhalt

Cover

Personenliste

Im Bann der Königskobra

Leserseite

Vorschau

Impressum

Die Hauptpersonen des Romans sind:

Professor Zamorra deMontagne: Der Meister des Übersinnlichen

Nicole Duval: seine Lebens- und Kampfgefährtin

April Hedgeson: Nicole Duvals älteste Freundin

Ssacah: Der Kobra-Dämon, Erzfeind von Zamorra und Nicole

Michael Rahlen: Ein mysteriöser junger Mann, auf den die Zamorra-Crew bereits zweimal gestoßen ist. Er scheint kein Mensch zu sein, da er bereits zweimal gestorben ist, ohne jedoch einen Leichnam zu hinterlassen. Asmodis behauptet gar, Michael könnte DER MICHAEL sein, was aber Professor Zamorra etwas weit hergeholt scheint, zumal sich der junge Mann an seine vorigen Leben nicht erinnern kann. In Indien wird er Nilay Rahul (»himmlischer Kämpfer für das Gute«) genannt.

Jaspal (»Der Rechtschaffende«) und Santosh (»Der Zufriedene«): Jünger und Leibwächter von Nilay Rahul

Im Bann der Königskobra

von Thilo Schwichtenberg

Das Foto hielt einen äußerst glücklichen Moment fest: Ein optisch junger Mann und eine optisch junge Frau lächelten in die Kamera.

Er zurückhaltend.

Sie überglücklich, weil sie sich in seiner Nähe befand! Die Haut des Begehrten spürte, die Wärme, die er ausstrahlte, die positive Energie, die von ihm ausströmte.

April Hedgeson seufzte leise.

Nun war er endlich wieder aufgetaucht. In Indien.

Sie wischte über das Foto und legte das Handy beiseite.

Die Suche konnte beginnen.

Nach dem Mann, den sie so innig liebte.

Und der ... ihre Liebe nicht erwiderte.

Italien. Gardasee, eine Villa unweit von Bardolino

Sie konnte sich einfach nicht sattsehen, wohl niemals sattsehen.

April Hedgeson stand auf ihrer mehr als großzügigen Terrasse. Hinter sich den Pool und dahinter ihre Luxusvilla wissend.

Sie betrachtete ganz einfach das Wasser ihres Lieblingssees. Seit Jahrzehnten wohnte sie nun schon hier. Wann immer sie von ihren Reisen auf den Weltmeeren nach Hause kam, wann immer sie traurig war oder glücklich, wenn sie nachts nicht schlafen konnte oder einfach über etwas – wie gerade jetzt – nachdenken musste: Der Gardasee war immer für sie da. Er war ihr Freund, wie der Mond, den die Menschen ansahen, mit ihm Zwiesprache hielten, mit ihm, dem Geduldigen, dem Ewigen, dem sie alles erzählen konnten. Alle Probleme, und der zunächst still blieb und schließlich meist unverhofft die lang herbeigesehnten Antworten lieferte.

Das Wasser und sie. Das war eine mehr als geistige Beziehung.

Betrachtete sie es rein von der philosophischen Seite, konnte sie vielleicht schon als eine Chimäre durchgehen. War sie nicht halb Mensch und halb Fisch? So oft, wie sie sich im Wasser tummelte.

Nun, das Wort Fisch traf es nicht ganz.

Wohl eher Nixe oder noch besser: Wasserfrau.

Ja, der Begriff Wasserfrau traf es ziemlich genau.

April Hedgeson schmunzelte bei diesen Gedanken.

Im Wasser und im Wasser ... das waren nämlich durchaus zwei völlig unterschiedliche Begriffe.

Die dunkelhaarige Engländerin, die seit Jahrzehnten ihren Wohnsitz in Italien am Gardasee besaß, kniff die Augenlider leicht zusammen und sah unverwandt auf den See.

Die Wasseroberfläche glitzerte im Schein der Sonne wie ein Sternenteppich oder jetzt, am Tage, funkelnd wie ein Diamant. Auf jeden Fall ein magischer Augenblick.

Im Wasser ... das bedeutete Baden, Schwimmen, Tauchen und Plantschen, Herumtollen. Wie die Fische, wie die Nixen.

Im Wasser bedeutete aber auch, durchs Wasser zu schwimmen, sich dadurch zu bewegen, ohne sich ihm direkt auszusetzen Und zwar in einer tiefseetauglichen Jacht. Als Eignerin der luxuriösen SEASTAR. Quasi als Wasserfrau.

Als trockengelegte Wasserfrau, verbesserte sich April, die jahrmäßig genauso alt wie ihr Freundin Nicole Duval war und optisch genauso jung wie sie aussah.

Die SEASTAR IV, eine technisch aufgerüstete Luxusjacht und ihre zweite Heimat, war vor fünf Jahren zerstört worden. Lange hatte sie sich nicht entschließen können, eine Nachfolgerin in Auftrag zu geben.

Zum einen, weil sie jemanden suchte, zum anderen, und das war der eigentliche Hauptgrund, weil sie nicht schon wieder ihr Leben verlieren wollte.

Und Leben verlieren bedeutete für sie zwar nicht den eigenen Tod zu erleben, aber so gut wie alles, was sie im Leben aufgebaut und erreicht hatte, war mit einem Schlag ausgelöscht worden.

Ihr Schiff, ihre geliebte SEASTAR, war vom Erzdämon Agares vernichtet worden. Und mit ihm, was weitaus schlimmer war, fast die gesamte Crew. Einzig der Chefingenieur Oleg Iwanowitsch Droski und die Schiffsärztin Doktor Albertina Kreutzer hatten damals das Ende der SEASTAR IV überlebt.*

April Hedgeson atmete tief durch, lächelte schmerzverzerrt und nickte dem Wasser zu. Die Toten waren noch immer bei ihr. Tief in ihrem Herzen.

Den Abstand hatte sie für die innere Auseinandersetzung benötigt. Sie musste ihr Leben ordnen, Klarheit erhalten und eine Entscheidung treffen, denn das Leben, ihr Leben, verlief weiter.

Was wollte sie in Zukunft tun? Was erreichen?

Wie hieß es so schön? Einmal Wasserfrau, immer Wasserfrau. Die Entscheidung war endlich gefallen. Auch um sich vom anderen Thema abzulenken.

Jetzt stand sie also, noch trocken und nicht auf See, in einen kuschelig-warmen, bis auf die Knie reichenden Pullover gehüllt auf der großzügigen Terrasse, hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt und ließ den Blick schweifen.

Rechterhand erhoben sich auf beiden Seiten des Ufers die Berge, allen voran der Monte Baldo. Linkerhand entließen die Berge den See in die Weite.

Zypressen, Palmen und Pinien säumten die Hänge, Olivenhaine und Zitronenplantagen waren terrassenartig angelegt worden, damit die Sonne die Früchte bestens zum Reifen brachte. Ja, selbst Weinberge und Weingüter wusste sie in ihrem Rücken. Und ein Glas leichten spritzigen Rotweins auf einem Tischchen neben sich.

Sie nahm das Getränk in die Hand und prostete den Wellen zu. »Auf euch«, flüsterte sie, »auf die beste Crew der Welt!«

Ohne Wasser ging es wohl in ihrem Leben nicht mehr.

Abermals ließ sie den Blick schweifen. Überall lugten die terrakottafarbenen Dachziegel der Häuser aus dem Grün.

Am gegenüberliegenden Ufer sah sie Moniga di Garda sowie weiter links die nadelspitze Landzunge von Sirmione.

April schloss die Augen und sah in die Sonne. Auf Stirn und Wangen spürte sie ein leichtes Prickeln. Ja, auch die Dezembersonne konnte wärmen.

Noch schöner wäre es gewesen, diese fast sphärischen Momente zu zweit zu genießen.

Sie atmete tief durch, zog das TI-Gamma aus der Hosentasche und betrachtete wohl zum hundertsten Male das kleine Video, das neue Lebenszeichen.

»Michael«, flüsterte sie, und auf ihre Lippen stahl sich ein Lächeln.

Die Szenerie auf dem Bildschirm zeigte ein farbenfrohes Fest.

Die Menschen trugen bunte Tücher und bewarfen sich lachend mit leuchtenden Farben. Ein Brautpaar wurde eingeblendet. Und eine Art Priester, der den beiden den Segen gab.

Sie betrachtete ausgiebig dessen Bild, das Portrait eines jungen Mannes.

Er besaß ein längliches Gesicht, kurze schwarze Haare, leicht abstehende Ohren, hellblaue Augen und eine »Römernase«, da sie mittig einen kleinen Huckel auf dem Nasenrücken trug. Links und rechts am Hals befanden sich kleine Tattoos, die wie Blätter, Flammen oder gar Flügel aussahen.

Im kurzen Beitrag ging es um eine Hochzeit zwischen zwei Großgrundbesitzerfamilien.

Und der, der dem Hochzeitspaar den Segen gab, war kein Geringerer als Michael, von dem im Bericht behauptet wurde, dass er ein Prophet und Wunderheiler sei.

Sicher, er sah etwas verändert aus, indischer sozusagen, mit dunklerer Haut, schwarzen Haaren und leicht wulstigen Lippen.

Trotz der Entfernung, und obwohl es nur ein Video blieb, fühlte sie sich einmal mehr von ihm angezogen.

Ihr Herz schlug schneller.

Die TI-Watch piepte.

»Au Backe«, murmelte sie. »Den Termin hätte ich jetzt fast vergessen.« War das der Grund, warum sie Italien noch nicht in Richtung Indien verlassen hatte?

Sicher, sie hätte die Besprechung auch im Flugzeug abhalten können oder im Hotelzimmer, aber April kannte sich. Da würde sie sicher noch mehr abgelenkt sein, als sie es jetzt schon war. Und so hieß es, die Besprechung abzuwarten und sich dann in die Lüfte zu begeben.

Ein letzter Blick auf den Gardasee ... ja, sie hatte genug Energie tanken können. Sie kehrte ins Innere der Villa und in ihr Arbeitszimmer zurück.

Sie sah auf den Bildschirm. »Projekt V« lautete der schlichte, in Arial gehaltene und eher nichtssagende Titel der Besprechung. Alle hatten sich bereits eingewählt. Nur die Konzernchefin und Geldgeberin fehlte noch.

April war die einzige Tochter des verstorbenen Industriellen und Multimillionärs Sir Francis »the great« Hedgeson. Sie studierte in Telford, Oxford, Paris und Harvard sowie an der New Yorker Columbia-Universität und lernte dabei ihre Studienfreundin Nicole kennen.

Lange Zeit war sie die Lebensgefährtin von Bjern Grym gewesen, einem genialen Erfinder und Konstrukteur von außergewöhnlichen Schiffen, die in der Grym-Werft, welche er von seinem Vater geerbt hatte, gebaut wurden. Bis er unter den Bann von Leonardo deMontagne geriet, der ihm heimlich Para-Kräfte aufoktroyierte, um ihn als Geheimwaffe gegen die Zamorra-Crew zu verwenden.

Als Bjern aber zum Mörder werden sollte, nahm er sich lieber selbst das Leben, anstatt seinen Freunden Schaden zuzufügen.

Die von ihrem Vater gegründete Hedgeson-Firma vermarktete von nun an die Jachten der Grym-Werft, die April nach Bjerns Tod geerbt hatte.

Durch einen fortschreitenden Verjüngungszauber des aus der Andromeda-Galaxis stammenden Dämons Airam Lemak erhielt sie erneut das Aussehen und das biologische Alter einer Achtzehnjährigen. Nachdem Zamorra den Zauber gerade noch rechtzeitig hatte stoppen können, alterte April fast wieder normal weiter und sah nun optisch so jung wie ihre Freundin Nicole Duval aus. Im Prinzip so um die dreißig. Obwohl sie beide straff auf die siebzig zugingen.

»Na denn.« Sie holte tief Luft, atmete bedacht wieder aus und klickte sich in die Besprechung ein. »Guten Tag, zusammen.«

Sechs Abteilungsleiter, vier Männer und zwei Frauen sowie die beiden Geschäftsführer der Grym-Werft befanden sich in der Leitung. Und ... Rossolini, der »Projekt V»-Verantwortliche.

April mochte ihn nicht, musste ihn auch nicht mögen. Dafür war er der Beste seines Faches. Ihm oblag es, die Gimmicks oder besser die Juwelen der neuen SEASTAR in eine atemberaubende und kostbare Verpackung zu integrieren. Er war der Schiffsdesigner. Der Beste, wie gesagt, und das wusste er auch. Dementsprechend arrogant war sein Auftreten.

Übergangslos ploppte die erste Folie auf. »Projekt V«, diesmal in GOOD TIMES-Schrift, samt einer geschwungenen Linie. Wahrscheinlich das inoffizielle Logo.

»Meine Damen und Herren«, sprach er mit einer viel zu hohen und vor allem recht dünnen Männerstimme, »wir leben im Zeitalter der Reduktion. Alles wird teurer, alles wird knapper. Man zeigt nicht mehr in opulenten Formen, was man kann oder hat. Nein, man reduziert sich von selbst. Das ist angesagt. Danach werden auch Sie sich richten.«

April wollte schon dazwischenfunken, dass es immer noch sie war, die am Ende das Sagen hatte. Sie allein entschied, wie die SEASTAR V aussehen würde. Auf Grund seiner Empfehlungen. Und nicht umgekehrt. Wie gut, dass sie die kleine Kamera nicht eingeschalten hatte. So konnte sie die Augen verdrehen und am Rotwein nippen. Und ansonsten Ruhe bewahren. Sie war selbst gespannt auf seine Vorschläge.

April sah kurz auf und aus dem Fenster. Ja, auch ihr Freund, der See, lag ruhig und glitzernd vor der Villa. Also, alles bestens.

»War die IV noch ganze achtundsechzig Meter lang«, Rossolini lachte abfällig, wie April fand, »was für eine Verschwendung, wenn Sie mich fragen, so werden wir es jetzt mit einer Zweiundvierzig-Meter-HochseeJacht zu tun bekommen. Auf Komfort verzichten müssen Sie trotzdem nicht. Keine Bange. Die Technik wird kompakter und vor allem smarter, Akkumulatoren statt Dieselmotoren, Glasfaser statt Kupferkabel, na ja, ich will Sie damit nicht langweilen. Auf jeden Fall wird das Schätzchen jetzt bis sechstausend und nicht mehr bis viertausend Meter Wassertiefe ohne Probleme absinken können.«

»Ein Bild wäre jetzt schön«, klinkte sich April nun ein.

Stille in der Runde. Jemand sog die Luft zwischen den Zähnen ein.

Wahrscheinlich musste Rossolini erst einmal checken, wer sich da gerade frevelhaft eingeklinkt hatte.

»Miss Hedgeson«, sprach er mit kaum unterdrücktem Tadel in der Stimme. »Wenn Sie sich nur noch eine Sekunde geduldet hätten.«

»Hab ich aber nicht«, grätschte sie abermals dazwischen, »und jetzt bin ich ganz Auge. Also bitte.«

»Wie ... Sie ... wünschen.«

Die nächste Folie ploppte auf.

Ein Raunen ging durch das Off. Auch April, und das musste sie sich eingestehen, war positiv beeindruckt.

»Sie ist ... knuffig«, flüsterte sie fast tonlos. »Wohlproportioniert. Sie wirkt wie ein energisches Torpedo. Sie ist schnittig und stromlinienförmig. Sie ist ein Raumschiff. Sie ist einfach«, nun, es musste raus, »geil. Der Oberhammer!«

»Dürfte ich ... jetzt auch wieder ... etwas sagen?«, presste Rossolini nur mühsam beherrscht zwischen den Zähnen hervor.

Was entwirfst du auch so ein geiles Ding, dachte April, dann musst du dich nicht wundern, wenn wir es loben. Aber sie schwieg.

Rossolini wartete ein paar Augenblicke, bevor er fortfuhr. Die Bühne gehörte ihm.

Folie auf Folie entfaltete sich wie ein Höhenfeuerwerk, und April musste sich eingestehen, dass dies in der Tat mehr Raumschiff denn Jacht war. Natürlich, die SEASTAR V sah durchaus wie eine moderne Jacht aus, doch wenn es um die Tiefseeeinsätze ging, veränderte sie gänzlich ihr Aussehen.

Einmal mehr zahlte sich die Zusammenarbeit zwischen dem Hedgeson-Grym-Konsortium und der Tendyke Industries aus.

»Würde mich nicht wundern«, meinte sie später äußerst beeindruckt, »wenn die V direkt aus dem Weltmeer in den Kosmos springen kann.«

Einer der Abteilungsleiter hüstelte dezent. »Versprechen können wir es natürlich noch nicht. Aber Dank des, scheinbar auch posthum, nicht versiegenden Ideenreichtums von Mister Grym, könnte es im Bereich des Möglichen liegen. Wir arbeiten mit Hochdruck an der Sache.«*

»Bleibt ein Fass Wermut«, brachte sich Rossolini wieder in das Gespräch ein.

»Eine Flasche würde reichen«, kommentierte April.

»Ich meine das umgangssprachlich.« Rossolinis Stimme klang etwas pikiert. »Es bleiben mehrere Wermutstropfen, die den fortschreitenden Prozess der V hemmen oder schlechtestenfalls ausbremsen können.«

»Es gibt«, erläuterte eine der beiden Abteilungsleiterinnen, »starke Verzögerungen bei manchen Baugruppen und Legierungen, da die Lage auf dem Weltmarkt derzeit sehr angespannt ist.«

Erneut ebbte das Gespräch ab.

»Nun gut.« April schaltete ihre Kamera ein, damit sie alle sehen konnten. Im Nu, waren auch die anderen Gesichter zugeschaltet. Selbst Rossolinis, selbst wenn er anscheinend gerade auf eine Zitrone gebissen hatte. So missmutig, wie er dreinsah.

»Ich gebe trotzdem hiermit den Startschuss zum Bau der neuen SEASTAR V. Mister Rossolini, Sie haben meine Erwartungen bei Weitem übertroffen. Sicher ist noch Luft nach oben, aber Sie erhalten hiermit freie Hand. Ihnen wird es an Ideen sicher nicht fehlen.« Die Spitze konnte sie sich nicht verwehren.

Der Gelobte verzog abermals das Gesicht. »Ich bin eine Koryphäe auf dem Gebiet des noblen und zeitlosen Designs. Was haben Sie denn erwartet?«

April grinste. »Genau das, Mister Rossolini, genau das.«

Sein Kopf wackelte. Er versuchte ihn starr zu halten. Aber jeder konnte es deutlich sehen: Der Stardesigner fühlte sich geschmeichelt.

»Na dann«, April lächelte in die Runde, »frisch ans Werk, meine Damen und Herren. Ich weiß, dass ich mich auf Sie verlassen kann. Ich schlage vor, dass wir die nächste Besprechung genau in einem Monat abhalten. Irgendwelche Einwände?«

Leichtes Kopfschütteln war die Folge.

»Nun gut. Dann wünsche ich bestes Gelingen und ... Frohe Weihnachten. Entspannen Sie sich für ein paar Tage, tanken Sie Kraft und kommen Sie gut über den Jahreswechsel.« April Hedgeson unterbrach die Verbindung.

Die zeitliche Verzögerung hätte ihr normalerweise nicht gepasst. Sicher, sie hatte sich in Bezug auf die neue SEASTAR sehr lange Zeit gelassen, aber jetzt, wo sie endlich den Startschuss gegeben hatte und merkte, wie sie der künftigen Zeit mit der SEASTAR V bereits entgegenfieberte, da konnte es ihr nicht schnell genug gehen.

Zum Glück bremste sie ein anderes Thema aus. Etwas viel Wichtigeres: nämlich das eigene Glück, das eigene Seelenheil!

Vor nicht einmal drei Stunden hatte Nicole Duval sie kontaktiert, um ihr freudestrahlend mitzuteilen, dass Pascal Lafitte und Faolan stichhaltige Hinweise im Netz gefunden hatten, die das erneute Auftauchen von Michael bestätigten.

Abermals sah sie sich das alte Foto von ihnen an.

Sie verglich das Bild mit der Videosequenz. Der Mann in dem Video war eindeutig Michael!

Ihre Gedanken kehrten zu den Abenteuern mit ihm zurück. Der junge Mann hatte die LEVIATHAN, die vom Erzdämon Agares freigelassen worden war, wieder in ihr Gefängnis gebannt und war zur Freude der Schiffseignerin auf der Jacht geblieben.

April, die seit dem Tod ihres langjährigen Lebensgefährten Bjern Grym keine feste Beziehung mehr eingegangen war, fühlte sich zu Michael hingezogen. Sie hatte dem jungen Mann angeboten, bei ihr auf der Jacht zu bleiben, und da sich Michael an sein vorheriges Leben im Harz nicht mehr erinnern konnte, hatte er dankend angenommen.

Die LEVIATHAN war vorerst gebannt, Agares hatte indes auch BEHEMOTH und ZIZ, die Züchtiger der Menschheit, aus ihren Gefängnissen entlassen.

In einem finalen Kampf, bei dem sich auch die Wissenschaftlerin der SEASTAR IV, Roshanara Tharavadu, obwohl sie einen eigennützigen Pakt mit Agares eingegangen war, für Michael geopfert hatte, waren alle drei biblischen Wesen durch den jungen Mann, diesmal wohl für immer, gebannt worden.

Michael war aus den Fluten des Atlantiks wie auch die SEASTAR IV nicht wieder zurückgekehrt. Selbst Sara Moon hatte ihn nicht finden können.

April wollte sich mit dessen Tod nicht abfinden und suchte weiter nach dem geheimnisvollen jungen Mann, in dessen Gegenwart sich ein jeder so unglaublich wohlfühlte.

Am liebsten hätte sie sich nach Indien gebeamt.

Nein, sie musste sich zusammenreißen. Sie hatte sich gerade für ihr neues Baby entschieden! Für ihr Lebenswerk, Bjerns Vermächtnis.

Damals hatte Michael ihre Liebe nicht erwidert, obwohl er sie immer freundlich und ehrlich behandelt hatte. Sie sollte sich also keine allzu großen Hoffnungen machen.

Die SEASTAR allerdings war ihre Lebensaufgabe, ihr Vermächtnis: »Das ist das, was ich am besten kann«, flüsterte sie mit Blick auf den Gardasee. »Meine Jacht für wissenschaftliche Untersuchungen und Experimente freizugeben, unter der Bedingung, dass die Forschungsergebnisse dann größtenteils der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden.«

April straffte sich. Sie musste es wenigstens versuchen. Wenn Michael allerdings auch diesmal nichts für sie empfinden würde, dann ... dann würde sie ihn ein für alle Mal freigeben, so schwer ihr das auch fallen würde. Denn wahre Liebe, die konnte man nicht einfach so abstellen.

Indien! Indien war groß, um nicht zu sagen riesig. Und Michael eine Nadel im Heuhaufen. Sollte sie einfach drauflossuchen? Nein, sie musste schlichtweg abwarten, bis Pascal und Faolan den Ort herausfanden, an dem das Video gedreht worden war.

Allerdings war Warten jetzt auch nicht ihre Stärke.