Ren Dhark – Weg ins Weltall 84: Tekaros Schicksal - Manfred Weinland - E-Book

Ren Dhark – Weg ins Weltall 84: Tekaros Schicksal E-Book

Manfred Weinland

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Beschreibung

Auf Babylon spitzt sich die Lage weiter zu. Präsident Appeldoorn sieht sich gezwungen, zu teils drastischen Maßnahmen zu greifen, um die öffentliche Ordnung wenigstens teilweise aufrechterhalten zu können, auch wenn ihm und den anderen Verantwortlichen das nicht behagt. Derweil kämpfen die Wächter Simon und Arlo in einer lange Zeit vergessenen Station des Wächterordens gegen eine unbekannte Macht, die nichts Gutes im Schilde führt. Doch die Wächter geben nicht auf, um nicht nur sich, sondern auch den Rateken, der ihnen unerwartet zu Hilfe geeilt ist, aus dieser Lage zu befreien. Dabei mobilisieren sie ihre letzten Kräfte, denn es geht nicht zuletzt auch um Tekaros Schicksal... Jan Gardemann, Nina Morawietz und Manfred Weinland verfassten diesen dramatischen SF-Roman nach dem Exposé von Ben B. Black.

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Seitenzahl: 364

Veröffentlichungsjahr: 2020

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Ren Dhark

Weg ins Weltall

 

Band 84

Tekaros Schicksal

 

von

 

Nina Morawietz

(Kapitel 1 bis 7 und 10)

 

Jan Gardemann

(Kapitel 8 und 9 sowie 21 bis 24)

 

Manfred Weinland

(Kapitel 11 bis 20)

 

und

 

Ben B. Black

(Exposé)

Inhalt

Titelseite

Vorwort

Prolog

1.

2.

3.

4.

5.

6.

7.

8.

9.

10.

11.

12.

13.

14.

15.

16.

17.

18.

19.

20.

21.

22.

23.

24.

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Impressum

Vorwort

Ich weiß nicht, wie es Ihnen geht, liebe Leser, ich für meinen Teil bin jedenfalls weltlichen Genüssen gegenüber nicht abgeneigt, was man auch an der kleinen Wohlstandskugel sieht, die sich etwa in der Mitte meines Körpers befindet. Alle Ausreden helfen nichts, das Teil habe ich mir rechtschaffen angefuttert, das hat also nichts mit einem »langsamen Stoffwechsel« oder ähnlichem zu tun, ich trage die alleinige Schuld daran, dass mein BMI nicht ganz so ist, wie er eigentlich sein sollte.

Ich komme jetzt gerade auf dieses Thema, weil meine Frau und ich demnächst mit Freunden zu einem speziellen Schokoladen-Dinner gehen, das uns empfohlen wurde. Dieses Dinner besteht aus verschiedenen Gängen, und bei jedem davon spielt offenbar Schokolade in irgendeiner Form eine Rolle. Ich bin schon sehr gespannt darauf, was uns dort erwarten wird. Was meine Waage dann anschließend dazu meint, will ich erst einmal gar nicht wissen, diese »Diskussion« führe ich später.

Generell ist das mit den Essen ja so eine Sache. Erst einmal darf sich jeder Mensch glücklich schätzen, dem genug davon zur Verfügung steht, was ja keine Selbstverständlichkeit darstellt, wenn man sich in der Welt mal ein wenig umschaut. Betrachtet man dann die Regionen ein wenig genauer, in denen die meisten Leute genügend Lebensmittel zur Verfügung haben, fallen rasch ein paar interessante Unterschiede in dem auf, was dort mit Vorliebe – oder überhaupt – konsumiert wird.

Diese Unterschiede sind sicherlich zu einem nicht unerheblichen Teil den jeweiligen klimatischen Bedingungen der Regionen geschuldet, denn wo zum Beispiel viel Reis angebaut wird beziehungsweise angebaut werden kann, da wird vermutlich auch bevorzugt Reis gegessen. Ebenso verhält es sich mit Mais, Kartoffeln und sonstigem, was eben so als Grundnahrungsmittel gilt. Das ist alles sehr logisch und von daher auch recht unspektakulär. Deutlich interessanter sind da schon die Ernährungsunterschiede, deren Wurzeln in der jeweiligen Kultur liegen. So werden in manchen Teilen der Welt mit Genuss Hunde verspeist – etwas, das für uns undenkbar erscheint. Andererseits finden wir Käse lecker, für andere ist das wiederum eklig, da es sich aus deren Sicht um verschimmelte Milch handelt.

Diesen Faden könnte man vermutlich noch eine ganze Weile weiterspinnen, ich möchte das jedoch in einer anderen Richtung tun: Unsere Welt wächst durch die fortschreitende Vernetzung und die immer besseren Reisemöglichkeiten zunehmend zusammen. Wie gehen wir dabei mit den teils doch recht erheblichen Unterschieden in der Ernährungsweise um? Diese Frage ist vor allem dann interessant, wenn der Bereich der Ethik berührt wird.

Und jetzt gehen wir noch einen Schritt weiter, nämlich in die Zukunft, wie wir sie von unser aller Lieblingsserie her kennen, wo die Menschheit längst die Nationalstaaten überwunden hat und gemeinsam ins All aufgebrochen ist. Löst dann Kunstnahrung all die Probleme, die beim Aufeinandertreffen von teils doch sehr unterschiedlichen Essgewohnheiten durchaus auftreten können? Oder ist die Menschheit an diesem Punkt weit genug gereift, damit man gemeinsam eine Lösung findet, die alle akzeptieren können? Ich hoffe ja immer auf letzteres, auch wenn das aktuelle Tagesgeschehen in der realen Welt manches Mal eher anderes vermuten lässt.

Jetzt aber genug des Philosophierens, denn die Menschen auf Babylon haben derzeit handfestere Sorgen. Aber nicht nur sie befinden sich in einer prekären Situation, sondern auch die Wächter Simon und Arlo sowie der Rateke, der ihnen zu Hilfe geeilt ist. Bei den dreien geht es derzeit um nichts Geringeres als Tekaros Schicksal …

 

Stuttgart, im Mai 2019

Ben B. Black

Prolog

Im Herbst des Jahres 2067 scheint sich das Schicksal endlich einmal zugunsten der Menschheit entwickelt zu haben. Deren Hauptwelt heißt längst nicht mehr Terra, sondern Babylon. 36 Milliarden Menschen siedelten auf diese ehemalige Wohnwelt der Worgun um, als die irdische Sonne durch einen heimtückischen Angriff zu erlöschen und die Erde zu vereisen drohte. Mittlerweile konnte die Gefahr beseitigt werden, und das befreundete Weltallvolk der Synties hat den Masseverlust der Sonne durch die Zuführung interstellaren Wasserstoffgases wieder ausgeglichen. Die Erde ist erneut ein lebenswerter Ort, auf dem allerdings nur noch rund 120 Millionen Unbeugsame ausgeharrt haben. Die neue Regierung Terras unter der Führung des »Kurators« Bruder Lambert hat es sich zur Aufgabe gemacht, den Planeten nach dem Vorbild Edens in eine Welt mit geringer Bevölkerungsdichte, aber hoher wirtschaftlicher Leistungskraft zu verwandeln, und ist deshalb nicht bereit, die nach Babylon Ausgewanderten wieder auf die Erde zurückkehren zu lassen.

Noch im selben Jahr nimmt Ren Dhark das Angebot des Industriellen Terence Wallis an und lässt seinen Körper mit Nanorobotern behandeln, die ihn und sieben von ihm Auserwählte unsterblich machen. Doch anstatt sich mit seiner nun vollständig veränderten Lebensperspektive beschäftigen zu können, muss sich Ren Dhark einer neuen Aufgabe stellen: Eine unbekannte Macht namens Kraval sorgt dafür, dass der Hyperraum nicht länger zugänglich ist.

Als man diese Herausforderung endlich gemeistert hat, tauchen die Wächter mit einer neuen Hiobsbotschaft auf: Im Zentrum der Milchstraße hat sich scheinbar aus dem Nichts ein Miniaturuniversum gebildet, das allerdings exponentiell wächst und schon in wenigen Jahren den Untergang unseres Universums herbeiführen könnte. Mithilfe der Nomwarun – nur etwa 50 Zentimeter große Nachfahren der Worgun – gelingt es schließlich, der Gefahr zu begegnen. Allerdings spielen die Nomwarun nicht mit offenen Karten und zerstören das Miniuniversum, anstatt es wie versprochen in ein anderes Kontinuum zu versetzen, weil das anscheinend nicht möglich gewesen ist. Ren Dhark macht dieses Resultat sehr zu schaffen, doch es gelingt ihm nicht, die Nomwarun entsprechend zur Rede zu stellen.

Knapp zwei Jahre später, im Sommer des Jahres 2072, scheint endlich die Normalität in der Milchstraße zu herrschen, die sich jedermann wünscht. Da werden Arc Doorn, Chris Shanton und Amy Stewart durch ein Lichtphänomen aus einer uralten Einrichtung der Wächter unterhalb des Titicacasees in die Galaxis Voktar verschlagen. Ren Dhark eilt seinen Freunden zu Hilfe, und nach einer kleinen Odyssee gelingt es den Raumfahrern im Sommer 2073 schließlich, wieder in die Milchstraße zurückzukehren.

Kaum zu Hause, bekommen es die Raumfahrer mit jemandem zu tun, der offenbar bewohnte Planeten mit tödlichen Seuchen überzieht. Auf der Suche nach Hinweisen auf den Verbleib des geheimnisvollen Fremden dringt die POINT OF ins Hoheitsgebiet des Telin-Imperiums vor. Dort gelingt es schließlich, Kharamak zu stellen, doch der Krayn lässt Ren Dhark und seinen Begleitern keine andere Wahl, als ihn zu töten.

Die Terraner befinden sich bereits wieder auf dem Heimweg, als sie von den Tel dazu aufgefordert werden, bei der Aufklärung einer Reihe bestialischer Morde auf der Forschungswelt Reshaf zu helfen. Der Täter entpuppt sich als ein Teil des Bakterienmannes, dem Ren Dhark und seine Getreuen bis Babylon folgen, wo dessen Large jedoch bereits von der BF abgeschossen wurde.

Während die Besatzung der POINT OF ihren wohlverdienten Urlaub auf der neuen Zentralwelt der Menschen genießt, kommt es immer wieder zu Störungen in der bis dato reibungslos arbeitenden Technik. Diese Störungen nehmen mehr und mehr zu, die Regierung erweist sich als machtlos, sodass sich Babylon zunehmend zum Hexenkessel entwickelt, und das mit weitreichenden Folgen …

1.

»Ich fürchte, Sie verwechseln mich«, erklärte Jos Aachten van Haag mit ruhiger Stimme, jedoch laut genug, damit es auch die Umstehenden mitbekamen. Bis vor wenigen Sekunden hatte ein politischer Redner gegen die Regierung Appeldoorn gewettert und damit einen Nerv bei der unzufriedenen Menge getroffen. Die suchte nun garantiert nach einem Ventil, um Druck abzulassen. Dass ihn dieser Kerl nun bedrängte, kam höchst ungelegen.

»Das glaube ich nicht«, widersprach dieser. »2071 auf Sahara, weißt du noch?« Demonstrativ spannte er den mitgebrachten Strick zwischen seinen Händen. Mit winzigen Schritten näherte er sich Jos Zentimeter für Zentimeter. Offenkundig traute er sich nicht, den Agenten anzugreifen, solange er die Meute nicht hinter sich wusste.

»Keine Ahnung, wo soll das sein?«

»Stell dich nicht dumm, van Haag! Deine Visage würde ich überall wiedererkennen.« Der Anschuldiger wandte sich an die Umstehenden: »Dieser Mann hier ist ein Agent der Galaktischen Sicherheitsorganisation. Sein Auftrag lautet, uns auszuspionieren, zu denunzieren und gegebenenfalls zu töten.«

Unzählige Augenpaare huschten zwischen ihm und dem Beschuldigten hin und her.

»Ich bin Grundschullehrer«, verteidigte sich Jos.

Die Menge kaufte ihm die Behauptung jedoch ganz offensichtlich nicht ab.

Er sah sich nach einem Fluchtweg um, doch die Menschen standen zu dicht beieinander.

»Beim letzten Mal warst du noch Investor«, rief ihm der Anschuldiger in Erinnerung. Dann wandte er sich erneut ans Publikum: »Er hat meine Tochter ermordet. Im Auftrag der Regierung!« Ein aufgeregtes Raunen ging durch die Menge. »Jetzt steht dieser GSO-Agent mitten unter uns. Ein Zufall? Wohl kaum. Wir müssen ihn töten, bevor er uns tötet.«

»Wovon zum Teufel reden Sie?« Jos hätte ihn gerne bezüglich des Vorfalls von damals korrigiert, doch damit würde er automatisch die Anschuldigung bestätigen. Wenn jeder seine Identität kannte, würde er höchstens noch für den Innendienst taugen. Einem solch erbärmlichen Ende zog er den Strick vor, auch wenn er gewiss nicht kampflos aufgab.

»Tu nicht so blöd!«, schnauzte der Anschuldiger. »Darauf fällt sowieso keiner rein.«

»Ich tue nicht blöd, ich habe einfach keine Ahnung, wovon Sie sprechen. Sie werfen mir hier ungeheuerliche Dinge an den Kopf. Wo sind Ihre Beweise?«

»Ich habe dich wiedererkannt. Das reicht.«

»Und weshalb sollte Ihnen irgendjemand glauben? Wer sind Sie überhaupt?«

»Lenk nicht vom Thema ab! Es geht um dich. Glaubst du, deine Taten bleiben ohne Konsequenzen? Heute ist der Tag der Abrechnung.«

Jos hielt nach Ibrahim und Ömer Ausschau, konnte die beiden jedoch nirgendwo entdecken.

Verflucht noch eins!, dachte er grimmig. Dass mir Pierce Bramson ausgerechnet jetzt und hier über den Weg laufen muss! Ich hätte dieses Arschloch damals im Abwasserkanal ausschalten sollen.

Die umstehenden Leute hatten einen Kreis um Jos und Bramson gebildet. Sie standen jetzt so dicht, dass es kein Entkommen gab. Sensationslüstern verfolgten sie das Spektakel. Wenn Jos nicht bald etwas einfiel oder ein Wunder geschah, würde die Stimmung in Kürze zu seinen Ungunsten kippen.

*

Ömer versuchte, sich durch die Menge nach vorne zu drängeln, doch zwei Meter vor dem Ziel blieb er stecken. Er wagte nicht, sich durchzuboxen, denn Gewalt würde womöglich weiteres Öl ins Feuer gießen – und das schien momentan in der provisorischen Arena zu lodern. Dank seines künstlichen linken Auges konnte er dennoch genug erkennen, sofern kein Kopf ihm die Sicht blockierte. Notfalls würde er einen Weg zu Jos finden.

Empört wies sein Kollege die Anschuldigungen, ein GSO-Agent zu sein, zurück. Er unterrichte Sport sowie Angloter und nehme an der Veranstaltung aus demselben Grund wie alle anderen teil: Weil er unzufrieden mit der Regierung sei, die sich nicht schnell genug um die zahlreichen Fehlfunktionen kümmere und am falschen Ende spare.

Jos spielte den Überrumpelten gewohnt überzeugend, doch seinen ehemaligen Partner und Freund konnte er nicht täuschen. Ömer merkte, dass Jos den Anschuldiger kannte.

»Es reicht!«, brüllte plötzlich eine Wasserstoffblondine aus dem Publikum. »Ich habe genug gesehen!«

»Der lügt doch wie gedruckt!«, schrie ein Schwarzhaariger von der gegenüberliegenden Seite des Kreises.

»Stopft ihm endlich das Maul!«

»Ich habe etwas viel Besseres!«, rief der Anschuldiger und hielt den Strick für alle sichtbar hoch.

»Knüpft das Schwein endlich auf!«

»Nein!« Jos schüttelte den Kopf. »Ich bin unschuldig!«

»Das behaupten sie alle«, entgegnete die Blondine. »Hört nicht auf ihn!«

»Er versucht, uns hinzuhalten«, behauptete der Schwarzhaarige.

Der Anschuldiger nickte gewichtig. »Das glaube ich auch.«

Ömer hegte den Verdacht, dass die drei zusammengehörten. Haben sie die Aktion gezielt gegen Jos geplant oder haben sie ihn nur zufällig gesehen und als Opfer auserkoren?, wunderte er sich. Auf der gegenüberliegenden Seite des Kreises entdeckte er Ibrahim beziehungsweise dessen krauses Haar. Zwei große, fleischige Gestalten blockierten Jos’ Partner, der vergeblich den Hals reckte, um etwas zu sehen. Die Frisur versuchte, nach rechts zu wandern, doch auch dort gab es kein Durchkommen. Von Liv fehlte nach wie vor jede Spur.

»Worauf warten wir noch?«, kreischte die Blondine. »Töten wir diese Systemhure endlich!«

Prompt stürzten sich drei Männer aus dem Publikum auf den Beschuldigten.

*

Jos boxte dem ersten Angreifer gezielt auf die Nase, woraufhin dieser mit einem lauten Aufschrei zurücktorkelte. Dem nächsten rammte er beim Zurückziehen seines Arms den Ellenbogen gegen das Brustbein.

Auf den dritten hätte er ebenso schnell reagieren können, doch als angeblicher Grundschullehrer durfte er nicht allzu kampferfahren wirken. Er wehrte den Schlag halbherzig ab und ließ es zu, an der Schulter erwischt zu werden. Erst als der zweite Mann sich neuerlich näherte, packte er den dritten am Kragen und rammte diesem das Knie zwischen die Beine.

Die Wasserstoffblondine hüpfte aufgeregt auf der Stelle. »Nur ein Agent kann es mit drei Männern gleichzeitig aufnehmen.«

»Haltet ihn fest!«, befahl Bramson. »Wir erteilen ihm eine Lektion!«

Das ließ sich die Meute nicht zweimal sagen. Während Jos noch mit dem dritten Angreifer beschäftigt war, lösten sich weitere aus dem Publikum. Zwei davon klammerten sich an seine Arme.

Bevor er sich gegen sie wehren konnte, trat ihm jemand von hinten gegen die Oberschenkel. Er stürzte nach vorne und riss die beiden Männer mit sich. Den beiden gelang es jedoch, auf den Beinen zu bleiben, während er selbst halb zwischen ihnen hing. Ein Schatten huschte vor seinem Gesicht entlang. In der nächsten Sekunde schnürte ihm etwas den Hals ab.

»Auf diesen Moment habe ich mich schon lange gefreut«, verkündete Pierce Bramson hinter ihm.

»Tötet das Schwein! Tötet das Schwein!«, skandierte das Publikum.

Jos spürte, wie sich das Blut in seinem Kopf staute. Er zerrte an seinen Armen, versuchte nach hinten auszutreten, doch er erwischte niemanden. Seine Peiniger behielten ihn fest im Griff. Er dachte an seinen Paraschocker, den er unter seiner Jacke trug. Wenn er nur dort herankäme!

Vor seinen Augen begannen schwarze Kreise zu tanzen. Seine Zunge schwoll an. Bramson stand hinter ihm, genau zwischen seinen Beinen. Deshalb konnte er ihn nicht treten. Er warf den Kopf vor und zurück, aber selbst das nützte nichts. Der Mann zog das Seil bloß noch fester an.

»Stirb endlich, du elender Hund!«, spie jemand dem Agenten ins Gesicht.

»Nein, er soll leiden!«, widersprach ein anderer. »Wir müssen ein Exempel an dieser Systemhure statuieren.«

Die Stimmen klangen mittlerweile verzerrt. Das Einzige, was Jos noch verstand, war »Tötet ihn«. Jemand tanzte als verschwommener Schemen vor seinem Gesicht herum. Er spürte einen dumpfen Schlag gegen die Wange. Im nächsten Moment fiel sein linker Arm herunter.

Bevor Jos in die Bewusstlosigkeit absinken konnte, durchzuckte ihn ein Gedanke. Er konnte ihn noch gar nicht recht begreifen, da schickte sein Gehirn bereits die nötigen Nervenimpulse an seine Gliedmaßen.

Mit der freien Hand griff er nach dem Seil um seinen Hals. Plötzlich konnte er auch seinen linken Arm wieder bewegen. Weil sich der Strick nicht lockern ließ, griff er hinter sich. Er bekam Bramsons Handgelenke zu fassen, in die er seine Finger grub.

Sein Peiniger stöhnte auf, ließ jedoch nicht locker.

Jos versuchte, nach dessen Gesicht zu schlagen. Er spürte einen brennenden Schmerz am Hals, als das Seil mit einem Mal nach links wegrutschte.

Der Druck in seinem Gesicht ließ schlagartig nach. Ein Schwindelgefühl ließ ihn nach vorne fallen. Er stützte sich auf dem Boden ab. Luft strömte in seine Lunge. Er zwang sich, sie nicht zu gierig einzuatmen.

Allzu viel Zeit blieb ihm jedoch nicht. Jemand griff ihm unter die Arme.

»Steh auf!«, schrie ihm eine weibliche Stimme ins Ohr.

Er blinzelte, um die dazugehörige Person besser sehen zu können. Stattdessen stachen ihm brünette Haarsträhnen in die Augen und die Nasenlöcher. »Mach schon!«

Mit wackeligen Beinen erhob sich Jos. Die Frau zog ihn sofort mit sich mit. Vor ihr tauchte ein schwarzer Mann auf, Ibrahim, der ihnen beiden den Weg durch die gaffende Menge freimachte. Fäuste prasselten auf Jos ein, doch keine verletzte ihn ernsthaft.

»Systemhure!«, rief manch einer der Umstehenden. »Systemhure!«

Wo befand sich Pierce Bramson?

Mit jedem Atemzug und Schritt kehrte die Kraft in Jos zurück. Seine Helferin hielt mit der linken Hand die Jacke an seinem Oberarm fest, während sie mit der rechten Leute beiseiteschob oder ihren Ellenbogen sprechen ließ.

Unter anderen Umständen hätte der Agent sich über diese Rollenverteilung geärgert, doch im Augenblick war er einfach bloß froh, dem Strick entkommen zu sein. Er hoffte, es auch noch durch die Menge zu schaffen, die ihn nach wie vor tot sehen wollte. Zum Glück kannten längst nicht alle sein Gesicht, sondern nur die, die sich in unmittelbarer Nähe des Kreises befunden hatten.

»Wo ist er hin?«, hörte er einige Meter hinter sich. »Lasst ihn nicht entkommen!«

»Er hatte Helfer!«

»Appeldoorns Häscher sind überall.«

»Findet den Agenten!«

Als Jos hinter sich schaute, sah er Ömer, der ihm offenkundig den Rücken freihielt.

Mittlerweile schlug niemand mehr auf ihn oder seine Kollegen ein. Einen Grund für Erleichterung gab es allerdings nicht. Mehrere Männer stierten ihn aus wenigen Metern Entfernung wütend an. Sie versuchten, ihm nachzusetzen, doch die versammelten Menschen verlangsamten sie. Dass sie die im Weg stehenden beiseiteschlugen und -boxten, änderte nichts daran. Im Gegenteil brach nun Panik aus. Die Menge wollte ausweichen, doch stattdessen stießen die Leute gegeneinander. Manche stürzten und brachten andere zum Stolpern. Sie rempelten einander an. Die Stärksten unter ihnen begannen nun ebenfalls, sich mit Gewalt Platz zu verschaffen, was lediglich für noch mehr Chaos sorgte.

Als die vier GSO-Agenten dem unmittelbaren Gefahrenbereich entkamen, ließ Liv Jos los. »Geht es?«, erkundigte sie sich.

Die Sorge in ihrem Gesicht befremdete und amüsierte ihn zugleich. Da seine malträtierte Kehle nach wie vor schmerzte, nickte er bloß. Bevor die ehemalige Polizistin noch auf die Idee kam, ihn tröstend in die Arme zu nehmen, eilte er an ihr vorbei zu Ibrahim. Sein Partner gab ihnen in einigen Metern Entfernung mit einer ungeduldigen Geste zu verstehen, dass sie sich besser beeilen sollten.

Jos wagte einen weiteren Blick über seine Schulter. Pierce Bramson war mittlerweile wieder aufgetaucht und hatte ihn natürlich prompt entdeckt.

»Da drüben ist er!«, schrie er und zeigte mit ausgestrecktem Arm in Jos’ Richtung. »Schnappt euch das Schwein!«

»Die brünette Schlampe gehört zu ihm!«, kreischte die Wasserstoffblondine. Geschickt schlüpfte sie zwischen mehreren Personen hindurch und wollte Liv von hinten angreifen. Kurz bevor sie sie erreichte, fuhr diese herum und verpasste ihr einen Kinnhaken, der die Blondine zurückschleuderte.

Das hat gesessen, schoss es Jos durch den Kopf, und er verspürte eine gewisse Befriedigung.

Die Agentin kümmerte sich nicht weiter um die Frau, sondern half Ömer, sich gegen einen übereifrigen Fettsack zu verteidigen. Der Kampf dauerte nur wenige Sekunden. Anschließend schlossen die beiden zu Jos und Ibrahim auf.

Ohne zu zögern, rannten die vier in Richtung Rampe, die ins Erdgeschoss der Ringpyramide führte. Sie durchquerten die riesige Eingangshalle.

Obwohl Jos kaum atmen konnte, gönnte er sich keine Verschnaufpause. Ein kleiner Mob, angeführt von Pierce Bramson, war ihm dicht auf den Fersen. Er verspürte wenig Lust, ihnen ein zweites Mal in die Hände zu fallen.

*

Endlich gelangten die vier GSO-Agenten keuchend ins Freie. Sie blieben nicht stehen, sondern hielten auf die benachbarte Pyramide zu. Lichtpfeiler leuchteten ihnen den Weg.

»Wir werden immer noch verfolgt«, stellte Ibrahim beim Laufen fest.

Liv bemerkte, wie Jos’ Bewegungen nach wenigen Hundert Metern immer träger, wenn auch nicht wesentlich langsamer wurden.

Der beste Agent der GSO will sich wohl nichts anmerken lassen, dachte sie spöttisch. Wahrscheinlich bricht er jeden Moment bewusstlos zusammen. Sie wollte dem stolzen Mann jedoch nicht vor seinen Kollegen blamieren, deshalb sprach sie das nicht an. »Ich fürchte, wir werden diese Typen nicht ohne Weiteres los.«

»Was schlägst du vor?«, erkundigte sich Ömer.

»Sie mit unseren Waffen in die Flucht zu schlagen.«

»Auf offener Straße?«

»Hast du eine bessere Idee?«

»Hier würden wir wenigstens keine Unbeteiligten treffen«, brachte Ibrahim ein.

Einer weiteren Diskussion bedurfte es nicht. Die vier Agenten blieben stehen und drehten sich um. Als sie ihre Paraschocker gezogen und entsichert hatten, befanden sich die Verfolger nur noch rund einhundertfünfzig Meter von ihnen entfernt. Es schienen gut zwei Dutzend Personen zu sein, doch Liv konnte in dem Getümmel nicht viel erkennen.

»Stehen bleiben oder wir schießen!«, schrie Ibrahim dem Mob entgegen.

»Sie sind bewaffnet!«, warnte Ömer seine Kollegen. Mit seinem künstlichen linken Auge konnte er deutlich mehr sehen als seine Kollegen. Er riss Liv beiseite – keine Sekunde zu spät. Ein glühender Plasmastrahl zischte knapp an ihrem Arm vorbei. Sie konnte die Hitze durch ihre Jacke spüren.

Die Agenten flohen in den Park, der zwischen den Pyramiden lag, und suchten Deckung hinter den dortigen Skulpturen. Liv kontrollierte die Energieanzeige sowie die Dosiseinstellung ihres Paraschockers. Sie hoffte, dass beides ausreichen würde, um die Gegner außer Gefecht zu setzen. In Situationen wie diesen wünschte sie sich einen Nadelstrahler zur Hand. Leider widersprach dies den GSO-Vorschriften.

Der Mob tauchte wenige Sekunden später auf. Liv visierte den erstbesten Kerl an, schoss und traf. Er fiel wie ein Baum um. Sein Kollege folgte ihm. Einen weiteren Schuss konnte sie nicht abfeuern, denn ein lauter Knall ließ sie sich instinktiv hinter den Betonplastsockel zurückziehen. Staub rieselte auf sie nieder. Neben ihr spritzte Erde auf, als weitere Kugeln dort einschlugen.

Liv sah zu der Statue hinüber, hinter der sich Ibrahim versteckte. Mehrere Salven Plasmastrahlen trafen funkensprühend das Material.

Verflucht!, schoss es ihr durch den Kopf. Wo haben diese Typen so schnell solch schweres Geschütz herbekommen? Die ganze Aktion in der Pyramide muss gut geplant gewesen sein. Wahrscheinlich wollten sie irgendwelche Polizisten aufknüpfen. Dann jedoch hat dieser eine Typ Jos entdeckt. Jetzt geben sie nicht eher Ruhe, bis wir zu viert von einem Geländer baumeln.

Sie lugte kurz ums Eck, um sich einen Überblick zu verschaffen. Die Angreifer hatten sich nun ihrerseits hinter Bäumen und Bänken verschanzt – alles Hindernisse, gegen die ihr Paraschocker nichts ausrichten konnte. Als sich ein Gesicht zeigte, schoss sie zwei Ladungen darauf ab und zog sich sofort wieder zurück. Die wütende Antwort in Form von Plasmastrahlen und Kugeln kam sofort. Zum Glück scheint keiner von denen über einen Nadelstrahler zu verfügen.

Liv schaute zu Ömer hinauf, mit dem sie sich den spärlichen Platz teilte. Er zielte durch die Aussparungen in der Statue auf seine Gegner und duckte sich wieder. »Was zum Geier tust du da?«, fauchte sie.

Er schaute sie verdutzt an.

»Fordere gefälligst Verstärkung an!« Sie hatte eigentlich nicht so aggressiv klingen wollen, doch um seine Gefühle konnte sie sich im Augenblick nicht kümmern. In den vergangenen Jahren hatten sie beide sich so arrangiert, dass er sich in brenzligen Situationen um einen Ausweg bemühte, während sie ihm den Rücken freihielt. Vielleicht hätte ich ihn in letzter Zeit nicht so oft mit ›Mister Pazifist‹ aufziehen sollen, überlegte sie. Jetzt wirkt es fast so, als ob er der Welt das Gegenteil beweisen wolle.

Vorsichtig erhob sich Liv, um den Platz ihres Partners einzunehmen und ebenfalls über den Sockel zu linsen. Im Augenwinkel sah sie eine Bewegung. Ibrahim gestikulierte in ihre Richtung und gab ihr zu verstehen, dass der Feind näherrückte. Durch die Lücken in der Statue hindurch entdeckte sie tatsächlich eine bewaffnete Frau, die sich geduckt von rechts hinter den Bäumen heranschlich. Da Liv im schummrigen Licht ihr Ziel nur schwer erkennen konnte, schoss sie zweimal daneben, ehe sie traf.

Etwas weiter entfernt schwebte ein glühender Kreis wie ein dämonisches Auge über einem Busch: die Mündung eines Blasters, der sich just entlud.

Hitze schlug Liv ins Gesicht. Sofort ließ sich die Agentin fallen. Ein Knirschen erklang über ihr, dann regneten Funken auf sie nieder. Glücklicherweise hatte die Statue die Plasmastrahlen abgefangen, doch wahrscheinlich würde sie nicht mehr lange standhalten. Ihr fehlte bereits ein Arm.

Ömer beendete das Gespräch auf seinem Vipho. »Schlechte Nachrichten«, knurrte er. »Es befinden sich derzeit keine anderen Agenten in der Nähe. Die nächste Gruppe braucht mindestens eine Viertelstunde hierher.«

»Wollen die uns verarschen?«, entfuhr es Liv. »Bis dahin können sie unsere verschmorten Leichen vom Boden aufkratzen!«

Er hielt nach weiteren Gegnern Ausschau. »Ich zähle achtzehn, die ich sehen kann. Irgendwie werden es nicht weniger. Jos’ Kumpel hat wohl die halbe Pyramide mobilisiert.«

»Wo steckt er eigentlich?«

»Den haben wir schon zu Anfang erwischt.«

»Ich meinte Jos.«

»Wahrscheinlich bei Ibrahim.«

»Da ist er nicht.«

»Sag bloß, du machst dir Sorgen um ihn!«, staunte Ömer.

Sie schoss einen giftigen Blick auf ihn ab, der ihm das Grinsen aus dem Gesicht vertrieb. Jetzt ist ein denkbar schlechter Zeitpunkt, mich zu provozieren, dachte sie grimmig und lockerte ihre Finger, die sich um den Griff ihrer Waffe krampften.

Insgeheim machte sie sich Sorgen um Jos. In der Pyramide hatte sie keine Sekunde gezögert, ihm zur Hilfe zu eilen. Im Eifer des Gefechts hatte sie ihm versehentlich ihren Ellenbogen durch das Gesicht gezogen, was ihr immer noch leidtat. Nun fühlte sie sich, als hätte sie einen verletzten Welpen am Straßenrand aufgelesen, um den sie sich nun kümmern musste. Armer Jos!

»Es sind zu viele«, stellte Ömer fest. »Wir sollten uns verteilen, um ein weiteres Schussfeld abzudecken.«

»Gute Idee«, pflichtete Liv ihm bei.

»Ich laufe zu den Bäumen. Gib mir Rückendeckung!«

Sie nickte und machte sich bereit. »Los!«

Er machte gerade einmal einen Schritt, als mehrere Schüsse brachen. Die Kugeln verfehlten ihn. Mit einem Sprung zurück hinter die Statue entging er denen, die folgten. Mehrere Plasmastrahlen zischten vorbei.

»Bist du verletzt?«, erkundigte sich Liv.

Rasch tastete er sich ab und schüttelte den Kopf. »Noch mal Glück gehabt.«

»Munition und Energie scheinen ihnen einfach nicht auszugehen. Was nun? Allzu lange werden wir diesem Ansturm nicht mehr standhalten können. Ich kann mir ein besseres Ende vorstellen, als irgendwo am Strick zu baumeln.«

»Wieso? Dann hängen wir wenigstens mal wieder zusammen ab.«

Sie rollte mit den Augen. »Deinen Galgenhumor kannst du dir schenken.« Als sie sich wieder ihren Gegnern widmete, erlaubte sie sich ein verstohlenes Grinsen. Zwar behauptete ihr Kollege immer, sie besäße gar keinen Humor, doch diesmal hatte sie ihm eindeutig das Gegenteil bewiesen. Damit wollte sie ihn später noch aufziehen – ein Grund mehr, sich nicht von diesem schießwütigen Mob umbringen zu lassen!

Sie feuerte auf alles, was sich bewegte.

Da Paraschocker nahezu lautlos schossen, bemerkten die Gegner sie nicht sofort. Sie beschäftigten sich mit einem anderen Ziel, das sich einige Meter hinter ihr befand. Dort vermutete Liv Jos, der gefälligst auch überleben sollte. Mit dem hatte sie nämlich noch eine Rechnung offen!

Obwohl die Angreifer mächtigere Waffen als die Agenten besaßen, gab es einen großen Nachteil für sie: das Mündungsfeuer, das ihre Position verriet. Sie versuchten, ihn durch Dauerattacken auszugleichen, doch zwischendurch mussten sie nachladen oder im Falle der Blaster warten, bis die Waffe wieder ausreichend abgekühlt war.

Das kurze Zeitfenster nutzten die Agenten, um möglichst viele von ihnen auszuschalten.

Liv stellte sich vor, sie wäre in einem Arcade-Spiel. Das half ihr, sich nicht von der Übermacht einschüchtern zu lassen. Sie analysierte die Umgebung, merkte sich die Positionen ihrer »Zielscheiben« und arbeitete dann ruhig und zügig den Pfad ab.

Leider herrschten sehr ungünstige Lichtverhältnisse im Park. Nicht immer befand sich jemand direkt hinter seinem Blaster, sodass ihr Schuss manches Mal ins Leere ging. Davon ließ sie sich jedoch nicht unter Druck setzen. Sie blieb konzentriert.

Plötzlich blockierte der Abzug und mit ihm für einen Augenblick ihr Herz. »Scheiße!«, stieß sie zwischen den Zähnen hervor. Die Energieanzeige ihres Paralysators stand mit einem Mal auf null. Sie stierte auf die Waffe, um sie mit der Kraft ihrer Wut aufzuladen. Natürlich funktionierte es nicht. Das hatte es noch nie.

Verärgert und enttäuscht steckte Liv sie weg und schaute sich nach Dingen um, die man auf die Meute werfen konnte. Mit dem Fuß zog sie die abgebrochenen Teile der Statue an sich heran. Als sie nach der Stange greifen wollte, deren eines Ende in einem Stein steckte, zog sie ihre Hand erschrocken wieder zurück. Das Metall war heiß.

Verdammte Blaster!, fluchte Liv innerlich. Der Waffenbesitz von Privatpersonen sollte endlich verboten werden, aber natürlich traut sich kein Politiker da ran, der wiedergewählt werden will.

Aus Erfahrung wusste sie allerdings, dass ein Verbot nicht viel bringen würde. Treffen würde es hauptsächlich die friedlichen Bürger, die ihr Arsenal vorschriftsgemäß in entsprechenden Schränken in ihren Wohnungen bunkerten und höchstens zum Putzen herausholten. Kriminelle hingegen fanden immer einen Weg, um an Waffen zu gelangen.

Liv packte die Stange mit dem Ärmel und schleuderte sie samt Aufsatz in Richtung der Angreifer. Sie bildete sich nicht ein, irgendjemanden mit diesem Blindwurf zu treffen, doch vielleicht sorgte sie für ein wenig Ablenkung, um ihren Kollegen einen Vorteil zu verschaffen.

Sowohl Ömer als auch Ibrahim schossen fleißig weiter, allerdings würde auch ihnen bald die Energie ausgehen.

Genau wie Liv schien auch Jos keine mehr zu haben, jedenfalls hielt er seinen Paraschocker nicht mehr in der Hand, als er von seiner halb zerstörten Statue zur nächsten hinüberhuschte. Eine Salve aus Kugeln und Plasmastrahlen folgten ihm, durchsiebten ihn jedoch nicht.

»Liv!«, flüstere Ömer.

Sie sah ihn an.

»Falls ich keinen übersehen habe, sind noch acht Gegner übrig. Sie rücken immer näher, und ich habe nur noch drei Schuss übrig.«

»Verringere die Strahlendosis!«

»Das habe ich bereits.«

»Was jetzt?«

»Ich dachte, du hättest vielleicht eine Idee.« Er sah kurz zu Ibrahim hinüber. »Unser Nachbar ist auch fast am Ende. Wo steckt Jos?«

»Er läuft dort drüben irgendwo herum. Vielleicht verfolgt er einen Plan.«

»Dann sollte er sich besser beeilen.«

Liv griff sich einen Stein. »Wo befindet sich der nächste Gegner?«

»Auf ein Uhr. Er steht allerdings hinter einem Baum.«

»Trägt er einen Blaster? Falls ja, könnte ich versuchen …«

»Vergiss es! Die Typen haben uns im Visier. Du kämst keinen halben Meter weit.«

»Jos hat es geschafft.« Sie warf einen Blick auf ihr Armbandvipho. Seit Ömers Anruf waren gerade einmal sieben Minuten vergangen. Würden sie lange genug überleben, bis die Verstärkung eintraf?

Die Angreifer ließen Ibrahim mittlerweile keine Gelegenheit mehr, überhaupt hinter dem Sockel hervorzulugen. Er schaute zu ihr herüber. Da die Beleuchtung mittlerweile zerstört war, verschwamm seine Hautfarbe mit dem Schatten zu einem diffusen Dunkel. Seine Augen und seine Zähne hingegen stachen weiß daraus hervor. Er hob vier Finger und deutete danach auf seinen Paraschocker.

Liv bezweifelte, dass es ihm und Ömer gelingen würde, sieben Gegner zu betäuben. Dazu müsste nämlich jeder Schuss treffen. Ömer konnte dank seines künstlichen linken Auges auch bei schlechten Lichtverhältnissen sehen. Ibrahim verfügte ihres Wissens über keinerlei Implantate oder Hilfsmittel.

Ihr Partner stieß sie an. »Ich habe noch einen Schuss übrig.«

»Und?«

»Du bist der bessere Schütze von uns beiden. Nimm!« Er reichte ihr seine Waffe.

Liv nahm sie und streckte ihren Kopf hinter ihrer Deckung hervor. Gleich auf Anhieb entdeckte sie vier Personen, die auf Ibrahim und Jos schossen. Sie zog sich wieder zurück. »Es sind zu viele«, informierte sie Ömer.

»Egal. Zumindest einem verpassen wir zum Abschied eine schmerzvolle Woche.«

»Vorausgesetzt, ich treffe.«

»Da!«, schrie Ibrahim mit einem Mal. Er deutete neuerlich zur Baumgruppe hinüber.

Durch die Löcher in der Statue hindurch suchte Liv nach dem Angreifer. Sie konnte ihn nirgendwo entdecken. »Wo?«

»Hinter den Bäumen.«

»Ja, aber wo?«

»Er hat ein freies Schussfeld auf mich.«

»Ich behalte ihn im Auge«, versprach sie, obwohl sie noch immer niemanden sehen konnte. Allmählich begannen ihre Finger zu schwitzen. Sich selbst zu verteidigen war das eine, für die Sicherheit eines Kollegen verantwortlich zu sein, das andere. Sie wagte kaum zu blinzeln.

Plötzlich leuchtete es blassblau vom Himmel her auf. Im nächsten Moment bestrichen zwei Strahlenfächer die Meute der Angreifer. Ein Mann, der sich hinter einem der Bäume versteckt hatte, kippte in einen Busch und rührte sich nicht mehr.

»Strich-Punkt?«, stellte Ömer verblüfft fest.

Liv war so überrumpelt von der Wendung, dass sie vergaß, dem Fliehenden am Ende des Parks ihren letzten Parastrahl hinterherzuschicken.

2.

Zwei Flash senkten sich auf die freie Wiese zwischen den Statuen im Park herab.

Die Luke des einen öffnete sich.

Ein Mann stieg aus. Er sah sich um. In seinem Gesicht stand Zufriedenheit. »Da haben wir wohl in letzter Minute eingegriffen, was?«

In diesem Moment trat Jos Aachten van Haag hinter einer der Statuen hervor. »Das sind Sie wohl«, bestätigte er und strich sich Kleidung und Frisur zurecht. Anschließend ging er zu seinem Partner und half ihm auf die Beine. »Alles klar bei dir?«

Ibrahim ben Dorrha reckte sichtlich erschöpft einen Daumen in die Höhe.

Nun erhoben sich auch Liv Sanders und Ömer Giray.

Misstrauisch blickte sich die Agentin im Park um. Sie konnte immer noch nicht fassen, was soeben geschehen war. Lauerte dort drüben in den Schatten möglicherweise noch ein Angreifer, der ihr gleich einen Plasmastrahl in den Rücken jagen würde?

Liv spürte eine Berührung an ihrem Arm. Ömer sah sie fragend an. Sie schenkte ihm ein schwaches Lächeln.

Auf leicht wackeligen Beinen begaben sie sich zu dem Flashpiloten, wo bereits ihre beiden Kollegen standen.

»Vielen Dank für Ihr Eingreifen«, übernahm Jos das Wort. »Dürfen wir erfahren, wem wir die Rettung zu verdanken haben?«

»Meinem Kollegen Rul Warren und mir, Mike Doraner«, stellte sich der Held vor.

»Sie sind von der POINT OF.«

Doraner hob erstaunt die Augenbrauen. »Woher wissen Sie das?«

»Sollte nicht jeder die Besatzungsmitglieder des legendären Ringraumers kennen?«, erwiderte Jos.

Was für ein Schleimbeutel!, dachte Liv. Sie ließ sich ihre Abscheu jedoch nicht anmerken.

»Die meisten Leute kennen bestenfalls Ren Dhark«, merkte Doraner an. Er kniff die Augen zusammen. »Sie kommen mir übrigens vage bekannt vor. Sind wir uns schon einmal begegnet?«

»Nicht dass ich wüsste«, entgegnete Jos. »Was verschafft uns die Ehre, ausgerechnet von Ihnen gerettet zu werden?« Offenkundig wollte er sich nicht mit Dankbarkeit begnügen, sondern musste den Piloten unbedingt aushorchen.

»Wir sind gerade von einem Rettungseinsatz zurück zur POINT OF geflogen, als wir auf das Waffenfeuer aufmerksam wurden. Normalerweise mischen wir uns nicht in die Angelegenheiten der Zivilbevölkerung ein. Dann allerdings bemerkten wir, dass hier vier GSO-Agenten von einem wütenden Mob beharkt werden, und griffen ohne zu zögern ein.«

»Wie kommen Sie darauf, dass wir GSO-Agenten sein könnten?«, fragte Jos verwundert.

»Nun ja, genau genommen weiß ich es nur bei zweien genau«, korrigierte sich Doraner. Er wandte sich an Liv und Ömer. »Sie sind doch Miss Sanders und Mister Giray, oder?«

»Die sind wir in der Tat«, bestätigte Ömer.

Liv hätte ihm dafür gerne den Ellenbogen in die Seite gerammt. Sie kannten ihren Retter nicht. Lautete nicht eine der wichtigsten Regeln der Galaktischen Sicherheitsorganisation, nicht jedem Dahergelaufenen die eigene Identität auf die Nase zu binden?

Der Flash-Pilot grinste. »Wusste ich’s doch! Mein Kollege wollte mir ja nicht glauben.«

»Sind wir uns schon mal begegnet?«, hakte Liv nach.

»Nicht persönlich. Sie brachten damals diesen Kalamiten nach Voktar, wo er mithilfe eines Controllos verhört wurde. Seine Geschichte überzeugte die Abtrünnigen Wächter davon, dass uns Terraner keine Schuld an der Aktivierung der grünen Technologie trifft. Ohne Sie stünde in der Milchstraße womöglich kein Stein mehr auf dem anderen. Beim anschließenden Bericht des Commanders gab es Bilder. Von daher kenne ich Ihre Gesichter.«

»Das erklärt einiges. Ich hoffe, meine Frage klang nicht allzu abweisend.«

»Keine Sorge, ich verstehe Ihr Misstrauen. Das ›geheim‹ in ›Geheimagent‹ dient ja nicht nur als Deko.« Er schaute auf sein Armbandvipho. »Und nun entschuldigen Sie mich bitte. Wir müssen dringend weiter. Der nächste Auftrag wartet bereits auf uns.«

Der Abschied fiel kurz aus. Keine Minute später stieg Doraner wieder in das fensterlose Beiboot. Die Luke schloss sich hinter ihm. Dann hoben die beiden Flash auch schon ab und verschwanden so schnell, wie sie gekommen waren, im Nachthimmel.

Liv stieß einen erleichterten Seufzer aus. Es rankten sich viele Legenden um die POINT OF und ihre Besatzung. Leider würde sie niemandem davon erzählen können, wie sie einmal von Mike Doraner und Rul Warren gerettet worden war – außer vielleicht ihren Kollegen bei der GSO. Den Abend hätte sie als erfolgreich bezeichnet, hätte sich Jos in diesem Moment den abfälligen Seitenblick in ihre Richtung erspart. Natürlich gibt der Blödmann mir die Schuld dafür, dass unsere Identität aufgeflogen ist, dachte sie verärgert. Wem sonst?

*

Nachdem die Flash verschwunden waren, verließen die vier Agenten den Park und setzten ihren Weg zur benachbarten Pyramide fort, bevor sie womöglich noch ein weiterer Mob überraschte. Um die Bewusstlosen brauchten sie sich keine Sorgen zu machen, denn die würden noch eine Weile schlafen. Zudem dürfte auch die Verstärkung jede Sekunde auftauchen. Auf diese wollten sie allerdings nicht warten.

»In der Pyramide brauchen wir uns nicht mehr blicken zu lassen«, hielt Ibrahim fest. »Dort sind wir jetzt verbrannt.«

Liv nutzte die Gelegenheit, um Jos darauf aufmerksam zu machen, dass nicht sie dafür verantwortlich war, sondern er. Sie vermied jedoch eine direkte Beschuldigung, denn sie wollte sich nicht auf das Niveau von Mister Superagent herabbegeben. »Wer war eigentlich der Kerl, der deinen Namen hinausposaunt hat?«

Missmutig verzog Jos das Gesicht. »Unwichtig.«

»Er hat behauptet, du hättest seine Tochter getötet. Ist das wahr?«

»Und zwei seiner Geschäftspartner. Leider habe ich es versäumt, auch ihn zu beseitigen.«

»Wir sind keine Auftragsmörder«, stellte Ömer klar.

»Eben deshalb habe ich ihn schwer verletzt in jenem Abwasserkanal liegen lassen«, entgegnete Jos. »Ich ging davon aus, dass eine Sepsis den Rest erledigen würde, aber ich habe leider die Medizin auf Sahara unterschätzt. Ihr könnt mir glauben, dass ich ziemlich überrascht war, als er hier plötzlich vor mir stand.«

»Hat er auch einen Namen?«

»Pierce Bramson. Ein ausgemachtes Arschloch. Er hat auf verschiedenen Planeten Kinder entführt und Lösegeld von den Eltern erpresst. Zahlten diese nicht, verkaufte er die Kleinen weiter. Die schmutzigen Details könnt ihr in meinem Bericht nachlesen. Eines Tages meinte er, auf Külá sein Unwesen treiben zu müssen, um weitere Credits aus der terranischen Botschaft zu quetschen. Der dortige Botschafter Danog ut Keltris zahlte zwar, um einen galaktischen Skandal zu verhindern, kontaktierte jedoch auch die GSO. Daraufhin schickte mich Bernd …«

Liv prustete los.

Jos funkelte sie böse an. »Was gibt es da zu lachen?«

»Ich wusste gar nicht, dass du unseren Chef duzt.«

»Wie kommst du darauf, dass ich ihn duze?«

»Du hast ihn ›Bernd‹ genannt.«

»Ich wusste gar nicht, dass er überhaupt einen Vornamen hat«, mischte sich Ömer grinsend ein.

Als Antwort boxte Jos ihm gegen die Schulter. »Wollt ihr nun die Geschichte hören oder lieber darüber diskutieren, wie ich unseren Chef nenne?«

»Er nennt ihn Bernd«, wusste Ibrahim.

»Fang du nicht auch noch an!«

Liv beschloss, dem armen Jos Beistand zu leisten. »Wir würden gerne deine Geschichte hören.«

»Schön. Wo war ich stehengeblieben? Bei Bernd, glaube ich. Bernd hat …«

Ömer gluckste. »Noch ein ›Bernd‹ und ich …«

Liv stieß ihn an und zischte: »Unterbrich ihn nicht!«

Jos schien mit so viel Humor auf einem Haufen nichts anfangen zu können. Sein Gesicht sprach Bände. Er wartete, bis Ruhe einkehrte, und noch ein bisschen länger, ehe er einen neuen Versuch wagte.

3.

Frühjahr 2071

 

Nachdem unser Chef vom Botschafter auf Külá erfahren hatte, dass eine kriminelle, gut vernetzte Bande den galaktischen Frieden riskierte, um Credits zu scheffeln, zitierte er mich in sein Büro. Dort stand ein junger Mann, von dem ich bereits ahnte, dass ich ihn in nächster Zeit an der Backe haben würde. Ich bevorzugte es eigentlich, mit Ibra, Ömer oder wahlweise alleine zu arbeiten, aber unser Chef hielt es anscheinend für eine gute Idee, mich als Babysitter für Jérôme Bowman einzuspannen.

Bowman war gerade einmal fünf Jahre dabei, einschließlich der Ausbildung, und hatte bislang lediglich kleinen Fischen nachgejagt. Keine Ahnung, wie Bernd darauf gekommen war, mir ausgerechnet dieses Milchgesicht zuzuweisen. Ich muss dazusagen, dass Bowman mindestens zehn Jahre jünger aussah, als er tatsächlich war.

Bernd bot mir weitere Verstärkung an, die ich jedoch dankend ablehnte. Ich wollte schließlich nicht Gefahr laufen, mir einen Kindergarten ans Bein zu binden.

Bowman und ich begaben uns zunächst nach Külá. Das dortige Volk, die Gorm, waren traditionell nicht gut auf uns Terraner zu sprechen. Ständig demonstrierten welche vor der terranisch-babylonischen Botschaft, wo wir uns als Geschäftsmänner ausgaben und mit Danog ut Keltris treffen wollten. Er ist übrigens kein Mensch, sondern ein Walfe, wusstet ihr das?

Vor dem Botschaftsgebäude fing uns dieser seltsame Typ ab, von dem ich auf den ersten Blick sagen konnte, dass wir niemals Freunde werden würden. Normalerweise schätze ich es, wenn sich Leute körperlich nicht gehen lassen, doch der Kerl hat es eindeutig übertrieben: Gewaltige Beulen klebten an den unmöglichsten Stellen an seinem Körper, sodass ich mich im ersten Moment fragte, ob ein Schwarm Riesenmücken über ihn hergefallen war. Erst beim Näherkommen erkannte ich, dass es sich lediglich um Muskeln handelte.

Der Muskelprotz baute sich mit erhobener Hand vor uns auf. »Halt! Wer sind Sie und was wollen Sie hier?« Eine penetrante Mischung aus Deo und Minze schlug mir entgegen. Ich konnte meinen Blick kaum von den gewaltigen Brüsten losreißen, die sich mir unter dem viel zu engen, ärmellosen weißen Hemd entgegenwölbten.

»Hallo, ich heiße Jean Knievel«, stellte sich Jérôme Bowman vor. »Und das hier ist mein Partner Eugen Backhan. Wir haben gleich einen Termin bei Danog ut Keltris.«

Mit misstrauisch zusammengekniffenen Augen musterte uns unser Gegenüber von Kopf bis Fuß. Sein buschiger Oberlippenbart zuckte leicht. Am Gürtel seiner Jogginghose hingen zwei Holster. Sie waren leer. Grunzend trat der Kerl beiseite und gab den Weg frei. »Ich behalte Sie im Auge!«

Im Inneren des Botschaftsgebäudes begegneten uns zum Glück keine weiteren Unikate, sondern normale Menschen. Draußen hatte ich wirklich befürchtet, dass sich der Walfe einen kleinen Menschenzoo mit den kuriosesten Exemplaren unserer Art auf Külá hielt.

Ein bulliger Mann mit wettergegerbtem Gesicht und sauber geschnittenem rötlichen Backenbart kam uns entgegen. Er stellte sich als Uwe Feddersen, Sicherheitsleiter der Botschaft, vor. Natürlich kannte ich ihn längst aus den Akten, und auch er wusste, dass uns Bernd Eylers geschickt hatte. Er führte uns die Treppe hinauf.

»Warum hängen bei Ihnen Quallen unter der Decke?«, wollte Bowman von ihm wissen.

»Quallen?« Für einen Moment wirkte Feddersen verdutzt. »Ach die! Die gehören zur Alarmanlage. Wir haben sie von den Gorm, die Biotechnik in Perfektion beherrschen. Bei denen sieht einfach alles irgendwie lebendig aus, was es möglicherweise auch ist – schwer zu sagen.«

»Draußen ist uns ein Mann begegnet.«

»Wie sah er aus?«

»Äh, ungewöhnlich.«

»Den ignorieren Sie am besten.«

»Arbeitet er hier?«

»Das weiß man nicht genau.«

»Wie meinen Sie das?«

»Dazu möchte ich lieber nichts sagen.«

»Das klingt nicht sehr begeistert.«

»Ich drücke es mal so aus: Der Botschafter versucht schon seit Monaten, ihn loszuwerden.«

*

Das Büro des Botschafters befand sich in der obersten Etage. Danog ut Keltris begrüßte uns, dann wandte er sich an seinen Sicherheitsleiter: »Bitte sorgen Sie dafür, dass uns niemand stört.«

Uwe Feddersen nickte, verließ den Raum und schloss die Tür hinter sich.

»Danke, dass Sie so schnell gekommen sind. Bitte nehmen Sie Platz!« Der Walfe deutete mit seiner schuppigen Hand auf die beiden merkwürdig anmutenden Sessel.

Ich setzte mich und wollte sofort wieder aufspringen, als ich spürte, wie etwas mein Gesäß zu kneten begann. Der Walfe entblößte seine zahnlose Kauleiste. Seine hämische Grimasse ließ mich befürchten, dass er uns in eine Falle gelockt hatte und nun verspeisen wollte.

Dann jedoch offenbarte er uns: »Ich hätte Sie vermutlich warnen sollen. Das gormsche Mobiliar ist ziemlich lebhaft.«

Ich lächelte gequält. Für gewöhnlich lasse ich mich nicht von Möbelstücken befummeln, doch aus Respekt vor dem Botschafter beschwerte ich mich nicht. Bowman hingegen schien die ungebetene Massage zu genießen – etwas zu sehr für meinen Geschmack.

Danog ut Keltris beschrieb uns noch einmal in aller Ausführlichkeit, wie er von der Entführung der Gormkinder erfahren und mit den Kriminellen über eine verschlüsselte Verbindung kommuniziert hatte. »Sie verlangten Lösegeld in Höhe von zehntausend Credits und in Form von unmarkierten Chips. Ich musste es persönlich in zwei großen Koffern in einem Wald fünfhundert Kilometer von hier abliefern. Zwei Tage später waren die Kinder wieder bei ihren Eltern.«

»Wieso haben Sie die GSO kontaktiert und nicht die örtlichen Behörden?«, erkundigte ich mich.

»Wir haben hier auf Külá ein ziemliches Problem mit einer kleinen, aber lautstarken Minderheit, die sich Berella nennt. Sie hassen die Terraner. Einen Skandal können wir uns daher nicht leisten.«

»Woher wissen Sie, dass es sich bei den Entführern um Menschen handelt?«