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Amanda Marker ist eine sparsame Hausfrau. Sparsam? Wohl eher nicht...In Wirklichkeit ist sie eine pathologisch geizige Frau, welche ihren Göttergatten nachts zum Pinkeln in den Garten schickt, um Spülwasser zu sparen. Dies ist nur eine von zahlreichen Demütigungen, welcher ihr Mann Dieter ertragen muss. Doch dann stirbt er völlig unerwartet bei einem Unfall. Und damit erreichen Amandas Sparzwänge einen neuen Höhepunkt: Selbst dem Bestatter bleibt die Luft weg: Da Dieter teilweise in seinem Auto verbrannt ist, möchte die Witwe einen "Mengenrabatt" aushandeln, da die Leiche ihres Verblichenen ja nicht mehr "vollständig" vorhanden ist... Klaus Enser-Schlag, Autor von zahlreichen Krimi-Kurzhörspielen der Schweizer Kultserie "Schreckmümpfeli", beweist in seiner neuen Short-Story wieder einmal, dass ihm Kriminelles, gepaart mit schwarzem Humor, das liebste Genre ist. Lassen Sie sich also von den "Spartipps" einer höchst sonderbaren Witwe inspirieren. Es wird sich "auszahlen"...
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Seitenzahl: 55
Veröffentlichungsjahr: 2017
Ruhe in Unfrieden
Amanda Marker war das, was man eine sparsame Hausfrau nennt. Wenn ihr zum Beispiel beim Bäcker die Brötchen nicht mehr knusprig genug erschienen, kämpfte sie mit allen Mitteln um einen Rabatt. Dabei ließ sie keine Manipulation aus.
„Machen Sie sich keine Gedanken um Ihre Kunden?“, sagte sie leise und wirkte erschüttert. (Das war die Taktik mit den Schuldgefühlen)
„Ihre Ware war doch bisher immer frisch, naja, meistens. Aber jetzt… Da werden in Zukunft sicher viele Kunden wegbleiben“. (Das war die Taktik mit der Existenzangst).
In „Eddies Supermarkt“ suchte sich gezielt nach Produkten, welche bereits abgelaufen, oder kurz vor dem Verfallsdatum waren. Mit jedem „abgelaufenen“ Produkt wurde ihr Lächeln strahlender. Meist ergatterte sie eine richtig fette Beute.
„Könnte ich bitte mal den Geschäftsführer sprechen?“, fragte sie anschließend einen Angestellten in süßlich-lauerndem Ton.
Amanda suchte seit knapp einem Jahr besagten Supermarkt in der Werderstraße 29 auf. Herr Bekker, der Geschäftsführer, war in diesen 12 Monaten ergraut. Er hatte seine Angestellten mehrmals ins Gebet genommen.
„Herrgott nochmal, rede ich eigentlich mit Hornochsen?“, tobte er. „Wenn das verrückte Marker-Weib kommt, muss alles picobello sein, kapiert? Vor allem dürfen keine abgelaufenen Waren im Geschäft rumstehen! Auch keine, die bald ihren Geist aufgeben, verstanden? Jedes Mal droht sie mir mit einer Anzeige, wenn ich ihr das ganze Zeug nicht umsonst gebe! Ihr müsst jetzt endlich mal die Augen offenhalten, sonst sitzen wir bald alle auf der Straße!“
Doch Amanda hatte gar nicht vor, ihre „Geschäftsbeziehungen“ mit Herrn Bekker zu beenden. So einen billigen Supermarkt würde sie bestimmt nicht wieder finden. Sie hatte den Trick schon mal bei einem anderen Geschäft probiert, aber in diesem Drecksladen keine abgelaufenen Lebensmittel gefunden.
„Pingelige, überkorrekte Schweine!“, rief sie laut und rauschte ohne Waren an der verdutzten Kassiererin vorbei.
Doch nicht nur beim Einkaufen zeigte Amanda eine geradezu beängstigende Sparsamkeit. In ihrem Haushalt kalkulierte sie jeden Tag messerscharf, was zu tun und was zu lassen war.
Das Geschirr spülte sie mit der Hand. Beim Wäschewaschen wählte sie grundsätzlich das Sparprogramm und verzichtete generell auf das Schleudern. Tropfnass baumelte die Wäsche anschließend auf dem kleinen, rostigen Wäscheständer, welcher wie ein Wackelpudding auf Amandas Terrasse hin und her schaukelte. Energieverschwender wie Wäschetrockner oder Spülmaschinen kamen ihr nicht ins Haus. Am Abend machte es sich Amanda mit ihrem Mann Dieter vor dem Fernseher gemütlich. Genau zwei Stunden sah sich das Ehepaar den „abendlichen Schwachsinn“ an, wie Amanda das Fernsehprogramm generell betitelte. Dann schaltete sie das Gerät ab und zog den Stecker aus der Dose. Es war ganz egal, ob der Spielfilm noch nicht zu Ende war, oder das Fußballspiel in die zweite Verlängerung ging – das Ende der Sendung abzuwarten bedeutete vor allem: höhere Stromkosten! Und die konnte man sich nun wirklich sparen! Dieter war ein ruhiger Mann, der im Laufe seiner Ehe noch stiller geworden war. Er hatte nicht im Entferntesten Amandas Energie. Auch was ihre Streitlust betraf, konnte Dieter seiner Frau nicht das Wasser reichen. So ertrug er ihren krankhaften Geiz mit stoischer Ruhe und hatte sich an die strengen Haushaltsregeln im Laufe der Jahre gewöhnt.
Wenn das Ehepaar zu Bett ging, zog Amanda sämtliche Stecker aus den Steckdosen, mit Ausnahme des Kühlschrankes. Den drehte sie allerdings von Stufe 3 auf Stufe 1 herunter.
„Nachts ist es ja immer kälter, deshalb muss das Ding nicht auf Teufel komm raus kühlen“, erklärte sie ihrem stummen Gatten.
Das Wasser in der Toilette wurde abgestellt. Seit Dieter Probleme mit der Prostata hatte und mindestens viermal pro Nacht pinkeln musste, hatte ihn Amanda zum Urinieren in den Garten verbannt.
„Deine ständige Pisserei“, schimpfte sie. „Die macht uns ja noch arm! Bei einem Toilettengang gehen Dutzende von Litern „den Bach runter“! Stell Dir mal vor, bei Deiner Pinkelei kämen ja in einer Nacht mehrere Hektoliter Wasser zusammen! Das geht so nicht, der zuständige Sachbearbeiter von den Stadtwerken würde uns doch umgehend die Abschlagszahlung erhöhen!“
So verschwand Dieter regelmäßig im Garten und verrichtete am Grenzzaun seine Notdurft. Amanda hatte ihm natürlich verboten, zwischen die Blumen oder an die Obstbäume zu pinkeln.
„Wenn die eingehen, so müssten wir uns neue anschaffen. Hast du eine Ahnung, was Pflanzen heute kosten?“
Nein, Dieter hatte keine Ahnung. Er tappte sich im Dunkeln mit Hilfe einer Taschenlampe die Treppe vom Schlafzimmer in den Flur hinunter, weil sein geliebtes Weib jeden Abend vor dem Schlafengehen die Glühbirnen sämtlicher Lampen herausdrehte.
„Bei deinem ständigen, nächtlichen Pinkeln würden wir ja so viel Licht verbrauchen, da könnte man eine Stadt wie Frankfurt komplett beleuchten!“
Im Winter waren die nächtlichen Gartenbesuche besonders unangenehm. Dieter war sehr kälteempfindlich und musste sich immer erst eine warme Fleecehose und einen gefütterten Parka über den Pyjama ziehen, damit er seine „Urinproben“ abgeben konnte. Seine Füße zwängte er in dicke Wollsocken und zog Moonboots an. Das An- und Auskleiden im Funzellicht der schäbigen Taschenlampe war so zeitaufwendig, dass Dieter manchmal beinahe in seine Pyjamahose gepieselt hätte. Zum Glück ging dieser Kelch bisher noch an ihm vorbei.
Doch Amanda hatte überhaupt kein Einsehen für die Nöte ihres Gatten. Im Gegenteil: Jedes Mal, wenn die Batterien der Taschenlampe verbraucht waren, nörgelte sie missmutig herum.
„Wechsel doch endlich mal den Urologen!“, zischte sie böse. „Dieser Idiot versteht doch eh nichts! Und deshalb müssen wir ständig teure Batterien kaufen. Nur weil Herr Doktor so beschränkt ist, geht uns das Geld flöten. Der soll dir endlich mal Kürbistabletten oder so was verschreiben! Das würde bestimmt was bringen!“
Als der „beschränkte“ Arzt dann tatsächlich ein entsprechendes Medikament verschrieb, stürzten neue Probleme auf Amanda ein.
Dieter entwickelt eine Kreuzallergie mit Zucchini und klagte zudem über starken Juckreiz.
„Mein Gott, du machst mich wirklich noch ganz krank!“, schrie Amanda. „Und was machen wir jetzt? Die Tabletten wegwerfen? Die Zuzahlung war horrend und jetzt bekommt der hohe Herr Juckreiz! Ich kann doch nicht bares Geld in den Mülleimer kippen!“
Dieter wollte seine ohnehin schon sehr geplagte Frau nicht noch mehr schikanieren und nahm geduldig die restlichen der 150 Tabletten ein. Mittlerweile hatte er Pickel und Pusteln und ein Gesicht wie ein schlesischer Streuselkuchen bekommen.
Doch dann, nach drei weiteren Jahren mit endlosen Streitereien und nächtlichen Pinkelpausen im Garten, hatte der liebe Gott, oder wer auch immer „da oben“ sein Unwesen trieb, ein Einsehen.
Dieter kam mit dem Wagen aus einer Werkstatt und fühlte sich verdammt unbehaglich. Die Rechnung war so hoch, dass Amanda sicher ausrasten würde. Andererseits hatte sie sich vehement gegen die Anschaffung eines Neuwagens gewehrt, weil Autos heutzutage ja „unerschwinglich“ waren. So ratterten beide immer noch in ihrem uralten Renault Twingo durch die Gegend. Zudem führte Amanda ein Fahrtenbuch. Mehr als 100 Kilometer durften pro Monat nicht gefahren werden.
„Die Benzinpreise fressen einem ja noch die letzten Haare vom Kopf“, jammerte sie und rechtfertigte so ihren Entschluss.
Dieter war an jenem Tag, als er mit flauem Gefühl seiner Amanda entgegenfuhr, sehr müde. In der letzten Nacht hatte er verdammt wenig geschlafen. Erstens hatte er sechsmal in den Garten gehen müssen. Zweitens wollte er nach gefühlten 1000 Jahren wieder einmal mit Amanda schlafen, doch die hatte ihn eiskalt abblitzen lassen.