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Dr. Herbert Schwenk ist ein angesehener Psychiater mit mehr als 25 Jahren Berufserfahrung. Das, was ihm die Patienten in dieser Zeit alles anvertrauen, lässt nicht nur dem smarten Arzt oftmals die Haare zu Berge stehen. Auch Sie können sich dadurch eine neue Frisur zulegen...Egal, ob Satansopfer, Muttermörder, Dünnbrettbohrer, oder Kannibale: Dr. Schwenk hat für jeden Patienten ein offenes Ohr. Doch wie verhält es sich eigentlich mit den seelischen Abgründen des Psychiaters? Steht er wirklich uneingeschränkt über allen Dingen zwischen Himmel und Erde? Seine Frau Hilda wird es eines Morgens erfahren... Klaus Enser-Schlag, Hörspiel- und Short-Story-Autor mit einem starken Hang zum schwarzen Humor, hat wieder einmal in der Kiste menschlicher Abgründe gestöbert. Was er dabei alles an Tageslicht befördert hat, wird Sie verwundern, amüsieren und erschrecken. Immerhin ist das Interessanteste stets das Verborgene. Und selbst ein Kannibale hat mitunter etwas Liebenswertes an sich...
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Seitenzahl: 39
Veröffentlichungsjahr: 2017
Schwarze Seelen
Bettina D. 20 Jahre. (Identitätsstörung)
Erste porbatorische Sitzung vom 02.09.1983
Bevor ich geboren wurde, hatten sich meine Eltern schon intensiv auf mich vorbereitet. Himmelblaue Strampelhöschen, ein Teddybär und drei zur Auswahl stehende Vornamen warteten bereits sehnsüchtig auf mich. Klaus-Dieter, Karl-Heinz und Hans-Peter kämpften um den Sieg, den schließlich Hans-Peter davontrug. Doch alle Vorbereitungsmaßnahmen waren umsonst. Schließlich konnte man 1963, dem Jahr meiner Geburt, ja noch nicht wissen, welches Geschlecht das Ungeborene haben würde.
Und so waren meine Eltern ziemlich enttäuscht, als Hans-Peter ohne Pimmel geboren wurde. Meine Mutter zerriss vor lauter Wut die himmelblauen Strampelhöschen, mein Vater machte dem Teddybären durch Enthauptung den Garaus.
Da war ich also: Unerwünscht, unverhofft, ungeliebt…
Als sich meine Eltern wenigstens teilweise von ihrem Schock erholt hatten, beschlossen sie, mein vorhandenes Geschlecht einfach zu ignorieren. Sie nannten mich Robin, ein geschlechtsneutraler Name. Da es damals in unserem Land noch verboten war, Namen zu tragen, die keine eindeutige Geschlechtsspezifizierung erlaubten, mussten meine Eltern, wohl oder übel, einen Mädchennamen anhängen. Sie entschieden sich für Andrea, welcher z.B. in Italien auch als Männername verwendet wird. Als Robin-Andrea erhielt ich eine pädagogisch angemessene Erziehung. Zuerst bekam ich einen neuen Teddybären, mit 4 Jahren eine Märklin-Eisenbahn, mit 6 eine Schreckschusspistole. Meine erste Hose trug ich mit Stolz und im Gegensatz zu gleichaltrigen Mädchen baumelten keine albernen Zöpfe um meinen Kopf herum, nein: Die raspelkurze Bubikopffrisur war mein Ein und Alles. Zu meinem 8. Geburtstag bekam ich Indianer- und Cowboyfiguren und fühlt mich in der Welt des Wilden Westens sofort heimisch. Winnetou und Old Shatterhand wurden für viele Jahre meine absoluten Vorbilder, später waren es Rambo, der Terminator und Alice Cooper.
Meine Mutter legte absoluten Wert auf geschlechtsspezifische Manieren, welche sie mir seit frühester Kindheit eintrichterte, manchmal auch mit Hilfe eines Teppichklopfers. So konnte ich schon mit zwei Jahren im Stehen pissen und mit vier wie ein Bierkutscher rülpsen. Als ABC-Amazone prügelte ich mich mit sämtlichen Jungs in der Klasse.
Überhaupt war mein Testosteronspiegel sehr hoch, denn ich fiel während meiner gesamten Schulzeit unangenehm aggressiv auf. Niemand konnte den Lehrern so vollendet seinen Stinkefinger zeigen. Als immer mehr blaue Briefe nach Hause flatterten, machte mir Paps mit seinem Ledergürtel klar, dass ich mich gefälligst an die gesellschaftlichen Normen zu halten hätte. Dabei wollte ich doch nur, dass er auf seinen „Jungen“ stolz ist…
Mit 16 Jahren merkte ich, wie sich ein zarter Flaum über meiner Oberlippe breit machte. So kaufte mir von meinem Taschengeld eine Dose Rasierschaum und einen Nassrasierer, um mit einem täglichen Ritual zu beginnen, welches ich bis heute pflege.
Zu meinem 17. Geburtstag schenkten mir meine Eltern eine Stereo-Anlage, auf welcher ich sämtliche Heavy-Metal-Band-Hits rauf und runter spielte.
Splattermovies fand ich toll und die auf dem Index stehenden Filme kannte ich fast alle auswendig. Wenn das Blut literweise aus den doofen Tussis herausschoss, war das doch nur ausgleichende Gerechtigkeit. Meist waren die so hohl, dass es brummte, so jemand muss nicht unbedingt die Erde verpesten, oder?
Trotzdem verliebte ich mich mit 18 unsterblich in die Tochter unseres Nachbarn. Sie hieß Corinna Abendschein, hatte langes, brünettes Haar und Beine wie Rita Hayworth. Wenn ich die scharfe Maus sah, grüßte ich sie immer besonders nett und Corinna lächelte vielversprechend zurück. Meine Eltern fanden es, genauso wie ich, ganz normal, dass ihr „Junge“ auf Frauen abfuhr. Dass mich die Otto Normalverbraucher als Lesbe bezeichnen, ist mir scheißegal. Doch eines Tages brach eine Welt für mich zusammen. Ich sah Corinna zusammen mit einem Kerl. Sie saß auf seinem Schoss und beide knutschten, was das Zeug hielt. Enttäuscht „entliebte“ ich mich, denn ich spürte, dass sie und ich niemals zusammenkommen würden.
Als ich wenig später mein erstes Motorrad bekam, fühlte ich mich frei und abenteuerlustig. In einer Fernsehsendung hatte ich eine Reportage über die Lesben-Szene in Frankfurt am Main gesehen. Also nahm ich mein Motorrad und allen Mut, den ich hatte, zusammen und fuhr direkt hinein ins Vergnügen. Mit meinen superkurzen Haaren, (damals pechschwarz gefärbt), den herben Gesichtszügen, einer tiefen Stimme und meiner knabenhaften Figur, schaffte ich es in kürzester Zeit, sämtliche Mädels dort aufs Kreuz zu legen. Ich nannte mich „Master Robin“ und war in der Szene bald genauso bekannt wie die unglückliche Hure Rosemarie Nitribitt, welche man in Frankfurt 1957 kalt gestellt hatte.
Doch dann passierte etwas, was ich niemals erwartet hätte. Eines Abends, ich verließ gerade eine einschlägige Bar, stürzten drei Männer auf mich zu: eindeutig Heteros. Sie schlugen mich zu Boden und riefen immer wieder verächtlich: „Scheiß Lesben, euch müsste man alle vergasen, ihr seid doch nicht normal, ihr dreckigen Weiber!“
Mit zahlreichen Prellungen, einer mittleren Gehirnerschütterung, sowie einem Kieferbruch wurde ich in die Uniklinik eingewiesen, wo ich mehrere Wochen zubrachte. Der Stationsarzt, Dr. Ibrahim Moussa, ein wirklich beeindruckender Ägypter, schenkte mir, neben seiner Kompetenz, ein hohes Maß an Aufmerksamkeit und menschlicher Zuwendung. Er war ein ungemein toleranter Araber, störte sich nicht im Mindesten an meiner sexuellen Orientierung.