Schattenchronik - Gegen Tod und Teufel 15: Doktor Luzifere - Michael Mühlehner - E-Book

Schattenchronik - Gegen Tod und Teufel 15: Doktor Luzifere E-Book

Michael Mühlehner

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Beschreibung

Gibt es sie wirklich, die Frauen, die Männern dermaßen den Kopf verdrehen können, dass diese alles andere um sich herum vergessen? Als sich Martin Anderson diese Frage stellt, ist es bereits zu spät. Der Schattenchronik-Agent gerät in den Bann einer modernen Circe. Die Printausgabe des Buches umfasst 156 Seiten. Die Exklusive Sammler-Ausgabe als Taschenbuch ist nur auf der Verlagsseite des Blitz-Verlages erhältlich!!!

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SCHATTENCHRONIK – GEGEN TOD UND TEUFELBand 15

In dieser Reihe bisher erschienen:

2901 Curd Cornelius Die andere Ebene

2902 Curd Cornelius Die Riesenwespe vom Edersee

2903 Curd Cornelius & D. J. Franzen Die Ruine im Wald

2904 Curd Cornelius & Astrid Pfister Das Geistermädchen

2905 Curd Cornelius & G. G. Grandt Killerkäfer im Westerwald

2906 Andreas Zwengel Die Stadt am Meer

2907 Michael Mühlehner Gamma-Phantome

2908 Curd Cornelius & A. Schröder Dunkles Sauerland

2909 Andreas Zwengel Willkommen auf Hell-Go-Land

2910 Andreas Zwengel Tempel des Todes

2911 Andreas Zwengel Flussvampire

2912 Andreas Zwengel Die Barriere bricht

2913 Andreas Zwengel Die vier Reiter der Hölle

2914 Michael Mühlehner Der Voodoo-Hexer

2915 Michael Mühlehner Doktor Luzifere

2916 Michael Mühlehner Im Bann des Bösen

Michael Mühlehner

DOKTOR LUZIFERE

Als Taschenbuch gehört dieser Roman zu unseren exklusiven Sammler-Editionen und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt.Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.© 2022 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Jörg KaegelmannTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogo: Mark FreierSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-526-5

Kapitel 1

Es geschah nicht oft, dass Martin Anderson so von einer Frau abgelenkt wurde, dass er darüber seine Aufgabe vergaß. Aber die junge Frau, die am Ende des Tresens saß, hatte diese Wirkung auf ihn. Martin schätzte sie auf Mitte zwanzig, etwa einsachtundsiebzig groß und mit den melancholischsten Augen ausgestattet, die es auf der Welt gab. Ihr Gesicht war so ebenmäßig wie das einer griechischen Statue und von einer ungewöhnlichen Blässe, was nicht nur ihre dunkle Augenfarbe verstärkte, sondern auch das mitternachtsblaue Haar zum Leuchten brachte. Zu dem klassischen Cocktailkleid trug sie dezenten Schmuck. Silber, kein Gold. Ihre Figur gereichte Da Vincis Goldenen Schnitt zu aller Ehre, wohlproportioniert, mit langen, schlanken Gliedern und festen Brüsten. Sie war alleine, doch so manch begehrlicher Männerblick taxierte sie sehnsüchtig. Martin erging es ähnlich. Innerlich rief er sich zur Ordnung, obwohl sich seine Gedanken nach wie vor um die geheimnisvolle Schönheit drehten. Sie verfügte über eine beinahe magische Anziehungskraft.

„Entschuldigung, was sagten Sie gerade, Jerome?‟ Der blondhaarige Top-Agent der Schattenchronik konzen­trierte sich auf sein Gegenüber. Dabei wischte er sich fahrig über die Stirn, als wolle er einen Geist verscheuchen.

Jerome West verbiss sich einen Kommentar zu Martins unkonzentriertem Verhalten. Der junge Farbige beugte sich über den schmalen Tisch. Seine Augen wirkten in der gedämpften Beleuchtung des Clubs unnatürlich groß. „Es wird heute passieren. Und zwar bald!‟

„Können Sie das Ereignis zeitlich näher eingrenzen, Jerome?‟

Der schlaksige Mann schüttelte bedauernd den Kopf. Hilflos hob er die Hände. Jerome West arbeitete als Nachrichtenagent und Medium für die Schattenchronik-­Organisation. Er verfügte über hellseherische Fähigkeiten, die er allerdings nicht bewusst einsetzen konnte. Wohl einer der Gründe, dass er die Angriffe aus dem Jenseits vor einiger Zeit unbehelligt überstand. Seine Visionen kamen ungesteuert. Als Heranwachsender hatte er unter dieser Begabung gelitten. Er lebte ein paar Jahre in einem Heim, da seine Eltern nicht mehr mit seinem Verhalten zurechtkamen. Erst als er Mick Bondye kennen­lernte und dieser ihm half, seine Fähigkeiten differenzierter einzuschätzen, wurde es etwas besser. Jerome würde niemals ein ganz normales Leben führen können, seine Traumsichten waren zu unkontrolliert und passierten oftmals abrupt und ohne Vorwarnung. Durch diese Gabe bedurfte es einer gewissen Anstrengung, seinen Alltag zu organisieren. Jerome versuchte das Beste daraus zu machen.

Offiziell arbeitete er als Streetworker für die Stadt New York. Auf diese Weise war Jerome West immer am Pulsschlag der Zeit. Er kannte die Strömungen der Unterklasse, wusste um die Ängste und Sorgen der einfachen Leute. Außerdem konnte er sofort reagieren, wenn sich Gerüchte über unheimliche Erscheinungen oder ­Vorgänge verbreiteten. Dadurch war die Schattenchronik-­Organisation in der Lage, schnell einzugreifen.

„Heute ist Freitag‟, sagte Jerome West langsam. „Seit Montag komme ich jeden Tag an diesem Club vorbei und sehe die Anzeichen einer großen Gefahr. Jeden Tag wird die Empfindung intensiver, und Schwärze legt sich wie eine Wolke über die Bar. Ich weiß, dass etwas Schlimmes passieren wird, Martin. Heute. Ich sehe nur noch bodenlose Schwärze.‟

Unauffällig sah sich Martin um. Es war nach neunzehn Uhr, die Bar gut besucht. Der Club gehörte nicht zu den In-Lokalen der Stadt. Das Publikum setzte sich aus allen Schichten der Gesellschaft zusammen. Handwerker, Büromenschen und Selbstständige. Seinen Platz hatte der Club im Souterrain eines Geschäftshauses. Über dem Club Barnum gab es eine Wäscherei und einen kleinen Blumenladen. Die restlichen Stockwerke wurden von Büros belegt.

Martin fiel auf, dass die Schwarzhaarige noch immer alleine war. Einsam am Ende des Tresens, ein Margarita stand vor ihr auf der blank polierten Holztheke. Hat sie zu mir rüber geschaut? Der Schattenchronik-Agent verspürte das dringende Bedürfnis, sich zu erheben und der unbekannten Schönen Gesellschaft zu leisten. Er verscheuchte den Gedanken, musterte kurz den schräg stehenden Spiegel hinter der Bar, die Leute an den Tischen. Die Einrichtung orientierte sich an den Achtzigern und Neunzigern, dunkles Mobiliar, schummriges Licht. Ein Teil der Wände war mit Stoff bezogen. Bilder aus acht Jahrzehnten hingen daran. Vornehmlich drehte es sich dabei um Aufnahmen und Porträts von Schaustellern, Zauberkünstlern, Varieté-Leuten. Ein Porträt von P.T. Barnum hing neben dem von Harry Houdini. Martin entdeckte die siamesischen Zwillinge Chang und Eng Bunker. Ein Foto der Fidschi-Meerjungfrau und eine Schwarz-Weiß-Fotografie des American Museums, das im Jahre 1865 spektakulär abbrannte.

Der Wirt und Besitzer des Barnum hatte ein Faible für Schausteller und Zauberkünstler. Jeden Abend gab es Live-Acts im Club. Künstler, die noch unbekannt in der Theater- und Showszene waren. Vertreter aus allen Bereichen der Kunst. Und besonders Bühnenzauberer und Illusionisten, Fakire und Hypnotiseure. Die Liste der Akteure war so bunt und illuster wie das Publikum selbst.

Heute Abend trat Danny Fortune auf, ein nicht erfahrener Bühnenzauberer, der die Tradition seines Vaters fortführte. Die kleine Bühne lag der Bar direkt gegenüber, ein schwerer Samtvorhang bildete den Hintergrund. Die Requisiten des Zauberers standen schon auf der Bühne. Ein runder Spot auf der Lichttraverse unter der Decke leuchtete auf und projizierte einen Lichtkreis auf den Vorhang.

Die Musik, die von einer alten Hi-Fi-Anlage kam, wurde leiser. Ein Tusch ertönte und im aufwallenden Nebel erschien Danny Fortune. Im roten Glitzer-Frack, den obligatorischen Zylinder auf dem grinsenden Gesicht und in schwarzen Hosen. Ein Zauberstab wirbelte durch seine Finger.

Beim ersten Ton hatte sich Jerome West umgedreht. Danny Fortune zauberte bereits. Das bekannte Repertoire des Bühnenmagiers. Er war nicht schlecht, aber auch nicht wirklich gut. Martins scharfen Augen entgingen nicht die Tricks und Kniffe, mit denen Fortune sein Publikum erstaunte.

„Bühnenartist in zweiter Generation‟, raunte Jerome West dem Agenten zu. „Er tingelt mit seiner Assistentin die Ostküste auf und ab. Für einen abendfüllenden Auftritt in Las Vegas hat es bisher nicht gereicht.‟

„Sie sind erstaunlich gut informiert, Jerome‟, meinte Martin anerkennend. „Ich wusste gar nicht, dass Sie ein Freund von Zaubershows sind.‟

„Bin ich auch nicht‟, erwiderte Jerome leise. „Aber ich wollte mich für heute Abend so gut wie möglich vorbereiten.‟

„Spüren Sie irgendetwas, Jerome? Können Sie etwas wahrnehmen?‟

„Ich sehe nur diese abgrundtiefe Finsternis, Martin. Sie ist kalt und fest wie Stein. Es gibt nichts außer dieser Schwärze.‟

Martin Anderson fühlte eine steigende Beunruhigung. Es gab keine Anzeichen für eine Gefahr. Das Publikum folgte dem Programm des Magiers. Der Vorhang hinter Fortune bewegte sich und eine schwarze, mannshohe Kiste wurde auf die Bühne geschoben. Daneben tauchte die blondhaarige Assistentin des Zauberers auf. Sie trug ein knappes Kostüm, was ihre Figur und ihre Silikonbrüste besonders zur Geltung brachte.

„Die Nummer mit der zersägten Jungfrau‟, flüsterte Jerome West. „Seine Assistentin wird in die Kiste steigen und Fortune perforiert sie mit Schwertern.‟

Martin verkniff sich eine Bemerkung. Offenbar war Jerome doch ein Fan der Bühnenzauberei. Stattdessen warf er erneut einen kurzen Blick zu der geheimnis­vollen Schönen am Tresen. Der Platz war leer. Wie ein Geist war sie verschwunden. Dann passierte es.

Die Kiste auf der Bühne zerplatzte mit einem donnernden Krachen, ein urwelthaftes Gebrüll erfüllte den Raum. Ein Aufschrei ging durch das Publikum. Eine archaische Gestalt entstieg den Trümmern des Zauberkoffers. Eine Mischung aus Neandertaler und Affenmensch. Kantig, grobschlächtig, groß. Nur mit einem Lendenschurz bekleidet. Mit riesigen Muskeln und Pranken. Fell­büschel wucherten auf der dunklen Haut, in dem primitiven Gesicht funkelten die animalischen Augen voller Wildheit und Wut. Um den Hals hing ein Lederband mit einem blau glitzernden Kristall.

Martin stand schon und stürmte nach vorne, doch der affenartige Riese war schneller. Die schwere Holzkeule in seiner Faust sauste durch die Luft.

„Das ist für die Sünden der Väter, Danny Fortune!‟, klirrte die Stimme des Affenmenschen. Sie klang künstlich, beinahe wie das Scheppern eines zornigen Windspiels.

Martin konnte die grauenvolle Tat nicht verhindern. Fortune wurde von der Keule mit einem vernichtenden Hieb getroffen. Wie eine Puppe flog er über die Bühne und riss dabei seine Zauber-Utensilien zu Boden. Der Schrei der Assistentin verstummte abrupt, als auch sie von einem Hieb getroffen wurde. Knochen brachen wie morsche Äste. Längst war hinter Martin Anderson das Publikum in Panik verfallen. Er sprang mit einem weiten Satz auf der Bühne. Der Affenmensch wirbelte auf den nackten Sohlen herum und führte einen barbarischen Schlag gegen den Schattenchronik-Agenten. Im letzten Moment konnte Martin zur Seite ausweichen, mit seinem ganzen Gewicht warf er sich gegen den Riesen und hatte das Gefühl, gegen eine Steinmauer zu stoßen. Der Aufprall erschütterte ihn bis in den letzten Nerv. Eine kopfgroße Pranke packte ihn an der Schulter und schleuderte ihn zur Seite. Das Gebrüll des Steinzeitwesens brachte das Mobiliar zum Beben. Mit einem Satz sprang es von der Bühne. Die Keule zertrümmerte Tische und Stühle, Glassplitter und Getränkereste spritzten nach allen Seiten.

Martin wühlte sich aus den Überresten von Fortunes Equipment und zog die Laserpistole aus dem Schulterholster. Aber in dem Chaos war es unmöglich, die Waffe zielsicher einzusetzen. Wie leicht hätte ein verirrter Laserschuss die Wandbezüge in Brand stecken können.

Der rasende Unhold wütete wie ein Berserker. Ziellos schlug er auf die Leute ein, der riesige Spiegel hinter dem Bartresen zerplatzte. Martin steckte seine Waffe wieder weg und ergriff das Metallbein eines zertrümmerten Tisches. Mit diesem stürmte er vor, von der Seite erhielt er von Jerome West Unterstützung. Als hätte es der Riese geahnt, fuhr er herum, und die mörderische Keule traf Jerome West mit voller Wucht. Zugleich krachte Martin gegen die harten Muskeln des Wütenden. Er schlug mit dem Tischbein auf jede freie Stelle, die sich ihm bot. Es war, als würde er mit einem Zahnstocher eine Mauer bearbeiten. Ein Prankenhieb warf ihn nach hinten. Er flog weit zurück und rutschte über alkoholnassen Boden. Scherben zerschnitten Jackett und Hose. Splitter drückten sich ins Fleisch. Schwarze Nebel tanzten vor seinen Augen.

Martin breitete die Arme aus und versuchte, wieder Kontrolle über seinen Körper zu erlangen. Überall war Bewegung. Gellende Schreie erklangen. Der Boden vibrierte unter schweren, stampfenden Schritten. Mit schmerzenden Muskeln rollte sich Martin Anderson herum und kam auf die Füße. Er sah gerade noch, wie das affenartige Monstrum durch den Vorhang hinter der Bühne verschwand. Ohne nachzudenken nahm der Schattenchronik-Mann die Verfolgung auf, hechtete über umgestürztes Mobiliar und achtete darauf, auf dem nassen Boden nicht auszurutschen. Ein gewagter Sprung brachte ihn auf die ramponierte Bühne, ein weiterer und er war durch den Vorhang. Dahinter lag ein kurzer Korri­dor mit abzweigenden Türen und an dessen Ende eine Treppe, die nach oben führte. Er sah einen Schatten, der im Treppenhaus verschwand. Als Martin Anderson die unterste Stufe erreichte, hielt er die Laserpistole in der Hand. Diesmal würde er nicht mehr zögern, die Waffe einzusetzen. Mit fliegendem Atem und angespannten Muskeln jagte er die Treppe hoch. Oben führte ein langer Korridor zu einer Hintertür ins Freie. Der Affenmensch trat sie mit einem einzigen Tritt aus den Angeln. Martin nutzte die Gelegenheit und gab einen Schuss ab. Der hochenergetische Laserstrahl bohrte sich ins Schulterblatt des Monstrums.

Der Steinzeitmensch wirbelte herum und schleuderte noch aus der Bewegung seine Keule. Wie eine Rakete zischte sie auf Anderson zu. Er handelte rein instinktiv. Für ein Ausweichmanöver war der Platz zu eng, daher ließ er sich einfach fallen. Die Keule wischte über seinen Blondschopf hinweg und krachte schmetternd gegen die Rückwand. Verputz und Ziegel brachen aus der Wand. Kaum auf den Beinen, nahm Martin die Verfolgung wieder auf, doch der Affenmensch war schon im Freien untergetaucht. Auf der anderen Seite eines asphaltierten Hinterhofs mündete ein offenes Tor auf eine schmale Gasse hinaus. Ohne nachzudenken, schlug Martin diese Richtung ein. Eine einzige Lampe verbreitete etwas Hellig­keit unter den Hausfassaden, die trutzig wie eine Wehrmauer zu beiden Seiten den Weg flankierten. Jenseits des Hinterhofs gab es eine Straße. Ein schwarzer Lieferwagen scherte gerade aus einer Parklücke und jagte mit kreischenden Reifen davon. Auf der anderen Seite des Bürgersteigs bewegten sich Schatten. Ein Schrei ertönte. Im Licht einer Laterne sah Anderson einen flüchtigen Moment lang ein bekanntes Gesicht. Die Schöne aus dem Club Barnum! Sie wurde von zwei Männern bedrängt. Martin hetzte über die unbelebte Straße. Bisher hatte niemand von ihm Notiz genommen.

Die zwei Männer wollten die junge Frau packen und in eine Gasse zerren, doch sie wehrte sich verzweifelt.

„Lassen Sie die Frau los!‟, brüllte Martin. Zwei Sekunden später war er bei ihr, schickte den einen mit einem Faustschlag zu Boden, der andere bekam seinen Ell­bogen zu spüren. Die Frau machte zwei Schritte zurück, während einer der Räuber in seine Jacke griff und ein Messer zog. Mit einem Karatetritt brach Martin Anderson dem Verbrecher das Handgelenk. Aufheulend wankte der Mann zurück, raffte sich auf und tauchte in der dunklen Gasse unter. Sein Kompagnon wollte ihm folgen, schaffte aber nur drei Schritte. Schüsse ertönten laut und wummernd, es handelte sich um ein schweres Kaliber. Noch während das Mündungsfeuer verlosch, schleuderten die Einschläge der großkalibrigen Projektile beide Männer zu Boden. Leblos blieben sie liegen. Martin zögerte einen kurzen Moment, die Situation war völlig unklar, dann fuhr er herum. Er sah, wie die junge Frau den Bürgersteig hinab rannte, schnell und ohne sich umzudrehen. Ihr Ziel war ein silberfarbenes Mercedes-Coupé. Kaum hatte sie es erreicht, heulte der Motor auf, kurz darauf jagte der Sportwagen davon. Ohne fahrbaren Untersatz machte eine Verfolgung für den Schattenchronik-­Agenten keinen Sinn. Die geheimnisvolle Schöne hatte die Chance genutzt und sich in Sicherheit gebracht.

Mit klopfendem Herzen und jeder Menge Adrenalin im Blut stützte sich Martin an der Hauswand ab und ­konzentrierte sich auf die Vorgänge in der dunklen Gasse. Vorsichtig spähte er um die Ecke. Die Gasse war ein Verbindungsweg zur nächsten Straße. Die beiden Männer lagen wie hingeworfene Lumpenpuppen in ihrem Blut. Martin lauschte auf verdächtige Geräusche. Doch nach den Pistolenschüssen herrschte nur eine lähmende Stille in der tief in die Schatten getauchten Gasse. Der Killer war bereits über alle Berge. Er hatte zwei Leichen zurückgelassen. Missmutig steckte Anderson die Walther M 3 Laser in sein Schulterholster. Aus der Ferne erklangen Polizeisirenen.

Kapitel 2

Lieutenant Denninger hatte das Gebäude großflächig absperren lassen. Es gab zu viele Tatorte, als dass ein dezentes Auftreten Sinn gemacht hätte. Spurensicherungsteams und Forensiker arbeiteten im Club, im Treppen­haus, dem Hinterhof und an der Straße, wo die zwei Männer erschossen worden waren. Die Fahndung nach einem schwarzen Lieferwagen und einem silbernen Mercedes Sport-Coupé lief. Die toten Räuber waren bereits identifiziert. Es handelte sich um bekannte Kriminelle, die meist für ein Syndikat arbeiteten. Eine ellenlange Liste von Vorstrafen, angefangen von Körper­verletzung bis hin zu schwerem Einbruch, laut Daten der Polizei.

Steve Mayo und Bill Curlington würden die Straßen der Stadt nicht länger unsicher machen. Dafür hatte ein anderer gesorgt und sie mit einem schweren Kaliber niedergestreckt. Das war ein Aspekt des Falles. Wie die Zusammenhänge mit dem Geschehen im Club Barnum in Verbindung standen, musste noch geklärt werden.

Es gab ein Dutzend Zeugenaussagen über die grausigen Geschehnisse im Club. Alle Bar-Besucher beschrieben den Täter als Steinzeitmenschen. Selbst dann wäre Lieutenant Denninger noch skeptisch gewesen, doch da ein Agent der SSI in den Fall involviert war, nahm er die Beschreibung ernst. Martin Andersons Bericht war ausführlich und präzise. Zusammen mit dem Kriminal­beamten überwachte er die Spurensicherungsarbeiten in der Bar. Vor zehn Minuten hatte man Jerome West in einem Zinksarg hinausgetragen, genauso wie den Bühnen­magier und dessen Assistentin. Ihr Name lautete Gail Linnecker, einunddreißig Jahre jung und jetzt mausetot.

Denninger beobachtete den Agenten aus den Augenwinkeln. In Andersons Zügen arbeitete es, die Haut spannte sich fest über die Wangenknochen. In den stahlblauen Augen lag ein trauriger Schimmer. Denninger hatte den Eindruck, als würde sich der europäische Spezialist Vorwürfe machen.

„Jerome hat seinen eigenen Tod vorausgesehen‟, sagte Martin Anderson leise.

Denninger wusste nicht, ob er ihn direkt ansprach oder einfach nur so redete.

„Warum ist mir das nicht bewusst geworden? Er sprach von einer allumfassenden Schwärze. Der Tod wird immer mit Dunkelheit in Verbindung gebracht. Wieso habe ich den Zusammenhang nicht erkannt?‟

Denninger schwieg. Was sollte er auch sagen. Er war ein analytisch denkender Mensch. Das Übernatürliche und Paranormale existierte für ihn nicht. Paranormale Phänomene, Wahrsagerei, Telepathie, das gab es in Denningers Welt nicht. Und er war überrascht, dass ein Top-Agent der SSI das offensichtlich anders beurteilte. Der Lieutenant kannte die Special Service International. Seine Behörde hatte schon mit Kräften dieser Organisation zusammengearbeitet. Kalte, effektive Profis. Die SSI verfügte über unglaubliche Kontakte und Verbindungen. Anderson hatte sich kurz mit einem Spezialausweis vorgestellt, der ihm alle Rechte eines Ermittlungsbeamten einräumte.

Dass Jerome West ein Medium war, das über parapsychische Fähigkeiten verfügte, akzeptierte Denninger zwar, spielte in seinen Überlegungen ansonsten aber keine große Rolle.

Ein Ruck schien durch den SSI-Agenten zu gehen. „Wie läuft die Fahndung nach den beiden Fahrzeugen? Gibt es bereits Ergebnisse?‟

„Wir arbeiten daran. Die Auswertung der Verkehrsüberwachung hat nichts erbracht. New York verfügt zwar über Zehntausende von Kameras auf allen Plätzen und Kreuzungen, aber sechzig Prozent sind entweder kaputt oder nur Attrappen. Dieser Teil von Queens ist nur an den großen Kreuzungen mit funktionierenden Kameras ausgestattet.‟

Martins Kiefermuskeln mahlten. Man musste abwarten, vielleicht würde die Auswertung doch noch einen Treffer ergeben.

---ENDE DER LESEPROBE---