Schattenchronik - Gegen Tod und Teufel 16: Im Bann des Bösen - Michael Mühlehner - E-Book

Schattenchronik - Gegen Tod und Teufel 16: Im Bann des Bösen E-Book

Michael Mühlehner

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Beschreibung

Auch Agenten der Schattenchronik müssen langweilige To-do-Listen abarbeiten. Doch mit dem Grauen, das Martin Anderson und Leila Dahlström im Benson-House auf der namenlosen Insel inmitten des Deep Lake erwartet, haben die beiden Spezialagenten nicht gerechnet. Gegen die Kräfte der Hexe Lilith Benson ist jeder Sterbliche machtlos. Die Printausgabe des Buches umfasst 142 Seiten. Die Exklusive Sammler-Ausgabe als Taschenbuch ist nur auf der Verlagsseite des Blitz-Verlages erhältlich!!!

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SCHATTENCHRONIK – GEGEN TOD UND TEUFELBand 16

In dieser Reihe bisher erschienen:

2901 Curd Cornelius Die andere Ebene

2902 Curd Cornelius Die Riesenwespe vom Edersee

2903 Curd Cornelius & D. J. Franzen Die Ruine im Wald

2904 Curd Cornelius & Astrid Pfister Das Geistermädchen

2905 Curd Cornelius & G. G. Grandt Killerkäfer im Westerwald

2906 Andreas Zwengel Die Stadt am Meer

2907 Michael Mühlehner Gamma-Phantome

2908 Curd Cornelius & A. Schröder Dunkles Sauerland

2909 Andreas Zwengel Willkommen auf Hell-Go-Land

2910 Andreas Zwengel Tempel des Todes

2911 Andreas Zwengel Flussvampire

2912 Andreas Zwengel Die Barriere bricht

2913 Andreas Zwengel Die vier Reiter der Hölle

2914 Michael Mühlehner Der Voodoo-Hexer

2915 Michael Mühlehner Doktor Luzifere

2916 Michael Mühlehner Im Bann des Bösen

Michael Mühlehner

IM BANN DES BÖSEN

Als Taschenbuch gehört dieser Roman zu unseren exklusiven Sammler-Editionen und ist nur unter www.BLITZ-Verlag.de versandkostenfrei erhältlich.Bei einer automatischen Belieferung gewähren wir Serien-Subskriptionsrabatt.Alle E-Books und Hörbücher sind zudem über alle bekannten Portale zu beziehen.© 2022 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Jörg KaegelmannTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerLogo: Mark FreierSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-527-2

Kapitel 1

Wie das Auge eines Zyklopen leuchtete die runde Scheibe des Vollmondes vom sternenlosen Firmament. Dunkle Wolken trieben über den Himmel, brodelnde, schwarze Schatten, die kommendes Unheil verkündeten.

Greg Banner fröstelte. Ein Schauder lief über seinen Rücken. Ein Traum, dachte er. Alles nur ein Traum. Es muss einer sein! Aber die Stimme hinter ihm belehrte ihn eines Besseren.

„Keine Dummheiten, Junge! Sieh´s ein, das Los ist nun mal auf dich gefallen!“

Greg wollte schreien, brüllen – aber da war etwas, das seine Stimmbänder lähmte. Er konnte nichts tun, nur in hilfloser Verzweiflung die Fäuste ballen.

Wieder klang die Stimme auf, seltsam gedämpft unter der Kapuze und bar jeglicher Gefühle. „Diesmal hat es eben dich erwischt!“

Greg schloss die Augen und presste die Lippen zusammen. Warum er? Was hatte er getan?

Fast geräuschlos glitt der dunkle Nachen über das Wasser des Deep Lake. Wie eine feste, geschlossene Fläche erschien dem jungen Mann der See. Das Wasser war fast schwarz, tief und unergründlich. Viele Geheimnisse rankten sich um den See, und ebenso viele grauenhafte Rätsel barg auch das düstere Haus auf der Insel inmitten des Lake.

„Ich … Ich …“, flüsterte Greg. Er wusste nicht, was er sagen sollte.

„Sei still, es ist das Beste für dich und uns!“ Wie die Stimme eines Automaten. Kein Mitleid drang aus den Worten.

Greg Banner starrte der Insel entgegen, die sich aus der Dunkelheit des Sees schob. Undeutlich konnte er in der Finsternis, verdeckt von den Zweigen, Ästen und Stämmen der Weiden und Birken einen kastenähnlichen Bau ausmachen. Benson-House! So wurde es genannt, davon gesprochen wurde nur flüsternd und mit vorgehaltener Hand. Für die Dorfbewohner war Benson-House die Personifizierung des Bösen. Auf der kleinen Insel geschahen grauenvolle Dinge, über die man schwieg.

Ein Zittern durchlief Gregs Körper als er daran dachte. Er versuchte seine Gedanken zu zügeln. Dennoch sprang ihn neuerliche Angst mit der Wucht eines Tieres an. Eisige Klauen schienen sein Herz zu umkrallen. „Nein, ich will nicht …!“ Jemand schlug ihm die Faust in den Rücken. Er schrie auf, Tränen traten in seine Augen. Fast wäre er über Bord gefallen, hätte sich nicht eine schwere Hand auf seine Schulter gelegt und ihn zurückgerissen. Dicht vernahm er die Stimme an seinem Ohr, und sie flüsterte nur ein einziges Wort. „Schweig!“

Greg wimmerte. Näher und näher kamen sie der unheimlichen Insel. Einsetzender Wind rauschte in den Kronen der Bäume, wisperte von geheimnisvollen, abscheulichen Dingen. Es erschien Greg wie eine Verhöhnung aus der Hölle. Das Plätschern der Ruderschläge verstummte als sie den schmalen Holzsteg erreichten. Das Boot legte längsseits an. Zwei Männer sprangen auf die alten Planken des Stegs und machten den Nachen fest. Sie trugen dunkle Kutten und hatten rote Kapuzenmasken über die Köpfe gezogen. Es waren Bewohner des Dorfes, aber Greg hätte nicht zu sagen vermocht, wer sich hinter den Masken verbarg. Sie zündeten Fackeln an, während ein Dritter Greg aus dem Boot stieß. Greg handelte wie ein willenloser Roboter. Das Haus, das zwischen dem Geäst hervorschimmerte, schien einen unheimlichen Einfluss auf ihn zu haben. Er wurde über den Steg geführt und spürte dann festen Boden unter den Füßen. Die Flammen zuckten im heftiger werdenden Wind. Die Männer drängten ihn vorwärts, geleiteten ihn einen schmalen Pfad entlang, der durch die Schatten der Bäume führte, weg vom Ufer. „Halt!“

Greg Banner verharrte. Sein Herz schlug wild. Die nächsten Worte kosteten ihn unglaubliche Überwindung. „Und jetzt?“, krächzte er. Keine Antwort.

Eine Faust krachte gegen seinen Nacken. Er verlor das Bewusstsein. Die zwei Männer wandten sich um und liefen zum Steg zurück. Sie hatten es eilig, die Insel zu verlassen.

Kapitel 2

„Sehen Sie sich das an, Josh!“, sagte Professor Peter Blandale und zog sich weiter in den Schatten des Zimmers zurück. Mit der rechten Hand deutete er aus dem Fenster im ersten Stock der Pension. „Sie haben sich maskiert und streben Richtung Deep Lake!“

Josh Connors schreckte aus einem Halbschlaf in einem unbequemen Stuhl auf und erhob sich.

„Vorsichtig, dass man Sie nicht sieht“, mahnte der Professor.

Josh, noch halb verschlafen, machte einen Schritt zurück vom Fenster. Er stellte sich seitlich, schob den Vorhang etwas zurück und konnte auf dem Marktplatz eine Gruppe von vermummten Leuten ausmachen, die sich dort versammelt hatten. „Unglaublich“, flüsterte der junge Mann. „Was hat das zu bedeuten?“ Er blinzelte hinter der Nickelbrille.

Professor Blandale war siebzig Jahre alt. Sein Beruf als Historiker mit Spezialgebiet der folkloristischen Tradition hatte ihn hergeführt. Seine Kenntnisse darüber waren enorm, an den Universitäten der Ostküste galt er als Kapazität der folkloristischen Geschichte Amerikas. Trotz seines Ruhmes und seiner Bekanntheit war er stets ein umgänglicher Mann geblieben. Ein Umstand, der ihn bei seinen Studenten besonders beliebt machte. „Wir erleben hier ein Gemeinschaftsritual“, flüsterte Blandale. Er war nicht überrascht, als aus einem Haus gegenüber eine Gestalt von zwei Männern geführt wurde.

„Das ist doch der junge Greg Banner!“, rief Josh Connors leise aus.

Bewegung kam in die wartenden Kuttenträger. Alles geschah beinahe lautlos, nur der Mond warf sein gespenstisches Licht über den Marktplatz.

„Wir sollten die Polizei verständigen“, sagte Josh Connors. „Das ist eine Straftat!“

Blandale schüttelte den Kopf. „Die Aktion ist bestimmt mit den örtlichen Behörden abgesprochen. Dieses Ritual bezieht sich auf das Dorf und seine Bewohner. Sehen Sie doch nur, der junge Banner ist nicht gefesselt und ihm wird auch keine Gewalt angetan. Das ist ein kultisches Passionsspiel. Kommen Sie, Josh, wir folgen ihnen zum See.“

„Sie wollen ihnen folgen, Professor?“ Josh schien nicht begeistert.

„Natürlich. Und jetzt kommen Sie!“

Der Student griff nach seiner Jacke und folgte dem Professor auf die Treppe hinaus. Als sie unten auf dem Marktplatz hinaustraten, war die Prozession zwischen den Häusern verschwunden. Für seine siebzig Jahre war Professor Blandale noch sehr rüstig. Mit raumgreifenden Schritten lief er über das Kopfsteinpflaster, ungeachtet der hallenden Schritte, die von den Hauswänden widergeworfen wurden. Aber nichts regte sich hinter den Fenstern der dunklen Hausfassaden. Man konnte den Eindruck gewinnen, Deep Lake wäre ausgestorben. Sie benutzten eine parallel verlaufende Gasse zum See. An deren Ende verlangsamten sie ihr Tempo und schlichen dann weiter. Auf der freien Fläche vor dem See standen die maskierten Dorfbewohner in stiller Eintracht. Ein paar führten den jungen Greg Banner über einen gemauerten Kai zu einem länglichen Boot. Blandale und sein Assistent wurden Zeugen, wie die Maskierten Banner in den Nachen verfrachteten. Kurz darauf legte das Boot mit drei Kuttenträgern ab.

„Was haben die vor?“, flüsterte Josh Connors.

„Sie bringen Banner zur Insel im See. Die Insel und das Haus darauf sind Bestandteil dieser kultischen Handlung. Sie erinnern sich, was ich Ihnen über Benson-House erzählt habe?“

Josh gab keine Antwort. Einerseits hatte er den Ausführungen des Professors am Tage nicht zugehört, zu groß war seine Verärgerung darüber, dass in diesem Kaff weder Internet noch Smartphone funktionierten. Er musste alle Notizen des Professors von Hand ordnen und gegebenfalls ergänzen. Blandale hatte irgendetwas von Spuk- und Geistergeschichten erzählt.

Josh wurde einer Antwort enthoben, als sich die übrigen Kuttenträger umdrehten und zurück ins Dorf gingen. „Kommen Sie, Professor. Wir müssen hier weg, ehe man uns entdeckt!“

Blandale wurde aus seinen Gedanken gerissen. Die Dorfbewohner waren schon nah.

„Schnell doch!“, drängte sein Assistent.

Sie hörten das leise Gemurmel der Leute. Blandale richtete sich aus seiner gebückten Stellung auf und gemeinsam tauchten sie in den Schattengrund der Gasse. Sie rannten den Weg zurück, eilten auf ihr Zimmer und beobachten vom Mansardenfenster aus mit funkelnden Augen, wie die Dorfbewohner sich auf dem Marktplatz trennten als wäre nichts gewesen.

„Können Sie das verstehen, Professor?“, fragte Josh Connors mit kratziger Stimme.

Auch Blandale wirkte etwas mitgenommen, er hoffte, dass dem jungen Greg Banner nichts passierte. „Wir sind Augenzeugen eines Teils des Rituals geworden. Offenbar spielt sich das weitere auf der Insel ab.“ Er kratzte sich am Kinn. „Auf alle Fälle machen wir morgen einen Ausflug, mein lieber Josh!“

„Wohin, Professor?“

„Zum Benson-House. Dort finden wir die Antworten auf diesen folkloristischen Brauch.“

Kapitel 3

Im Morgengrauen kam Greg Banner zu sich. Sein Schädel brummte, der Nacken schmerzte, ihm war kalt. Nebel hing über dem nassfeuchten, wadenhohen Gras. Die klamme Kleidung hatte die Feuchtigkeit der frühen Morgenstunden aufgesaugt. „Wa-as …?“, stammelte Greg. Nur langsam brachte er Ordnung in das wirbelnde Chaos seiner Gedanken. Dann aber erinnerte er sich. Sie hatten ihn zur Insel gebracht, da das Los diesmal auf ihn gefallen war. Als Opfer auserkoren, das Schicksal hatte ihm grausam mitgespielt.

„Mein Gott“, flüsterte Greg Banner entsetzt, obwohl die wahre Tragweite dieser Entscheidung sich ihm noch verschloss. Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht, wischte Blätter, Laub und Erdklumpen weg. Als er auf den Füssen stand, verschränkte er die Arme vor der Brust und quetschte die Hände unter die Achseln, um sich etwas zu wärmen. Aber die Kälte wollte nicht weichen. Missmutig blickte er sich um. Was er sah, stimmte ihn nicht gerade fröhlich. Die Bäume erschienen im Morgennebel wie graue Schatten. Äste und Gestrüpp erweckten den Eindruck, als seien sie schwebende Gespenster, die sich mit ausgestreckten Krallenfingern langsam dem jungen Mann näherten. Eisig rann es über Gregs Rücken. Er wollte hier nicht länger bleiben, also folgte er dem schmalen Pfad zwischen den Bäumen. Von Nebelschleiern umtanzt wirkte das alte Landhaus wie ein düsterer, unheimlicher Klotz. Frierend und mit klopfenden Herzen blieb Greg stehen. Er wusste nicht, was er machen sollte. Ins Haus gehen? Bloß nicht! Der Gedanke daran ließ ihn alleine schon das Blut in den Adern gefrieren. Wenn er erst einmal das Haus betreten hatte, war er verloren. Das sagten alle. Nein, bloß weg hier, zurück zum Ufer. Über den See ins Dorf.

Als hätte es nur dieser Eingebung bedurft, fuhr Greg herum. Seine Füße setzten sich fast selbstständig in Bewegung. Er bahnte sich einen Weg durch das feuchte Gras, den Pfad entlang. Äste und Zweige peitschten auf ihn hernieder, als wollten sie ihn mit Gewalt zurückhalten. Seine Hosenbeine waren vom dornigen Gestrüpp aufgerissen. Greg biss die Zähne zusammen. Vor ihm breitete sich plötzlich der Deep Lake aus. Keuchend blieb der junge Mann stehen. Unheimlich war der See, und dennoch ging von ihm eine Faszination aus, der sich kein Mensch entziehen konnte. Das Wasser wirkte in der Bewegung erstarrt, als wäre ein eisiger Hauch darüber hinweg gestrichen. Dunkel und undurchdringlich präsentierte sich die Oberfläche, ließ die Tiefen des Gewässers nur erahnen. Keine Welle bewegte sich, obwohl der Wind über den See blies.

Wie ein Spiegel, dachte Greg Banner. Ein schwarzer Spiegel, der die Blicke des Betrachters in die Tiefe hinabzog. Einem gefräßigen Moloch nicht unähnlich. Greg schüttelte sich. Das jenseitige Ufer wurde von Nebelbänken verschluckt. Mit zaghaften Schritten näherte sich Greg dem Ufer. Dicht am Wasser wuchsen Weiden und Erlen, deren Wurzeln teilweise unterspült waren. Das Wurzelgeflecht gemahnte an Knochenfinger, die sich aus dem Grab streckten. Von den Blättern tropfte Feuchtigkeit. Er zuckte jedes Mal zusammen, wenn er von den Tropfen getroffen wurde. Eine unheimliche Stille lastete über der Szenerie. Das Schweigen des Todes umhüllte die Insel, nur unterbrochen vom kalten Flüstern des Windes.

Was passiert, wenn ich ins Wasser springe? Es hieß, der Deep Lake berge ein furchtbares, tödliches Geheimnis. Die Dorfbewohner badeten nur auf der anderen Seite, nahe am Ufer darin. Niemand wagte sich weit hinaus zu schwimmen. Wer es versuchte, kam nie zurück. Selbst die Leichen der Unglücklichen wurden nicht an Land gespült. Greg überlegte, ob er dieses Wagnis trotz aller Warnungen eingehen sollte. Bis zum anderen Ufer waren es über zweitausend Yards. Bei der Kälte, dem Nebel und dem tristen Wetter war das eine große Entfernung. Greg bezeichnete sich als guten Schwimmer, aber die Temperatur des Wassers war gefährlich. Spätestens nach der Hälfte der Distanz würden seine Muskeln paralysiert sein. Wie ein Stein würde er untergehen und ertrinken. Und die Alternative?

Zurück zum Landhaus, sich der alten Schrecken stellen, die in dem verfluchten Gebäude wohnten? Ohne Boot würde er von hier nicht wegkommen. Die Verzweiflung drohte ihn zu übermannen. Er wurde sich seiner Hilflosigkeit bewusst. Was sprach für ihn? Er war jung und kräftig, vielleicht sollte er doch zum Landhaus gehen. Es müsste schon mit dem Teufel zugehen, wenn es ihm nicht gelang, das Geheimnis von Benson-House zu lüften. Je mehr er darüber nachdachte, umso logischer erschien es ihm. Es war doch nur ein Haus, alt und mit unheimlichen Geschichten behaftet. Doch Geister und Gespenster existierten nicht.

„Schwarze Magie.“ Greg lachte, um sich selbst Mut zu machen. „So etwas gibt es nicht! Wir leben in einer Welt der Technik und des Fortschritts. Nur die Vernunft hat Bestand, keine Schauergeschichten!“ Mit diesen Worten festigte er sein Vorhaben. Er drehte sich um, obwohl seine Hände zitterten und sein Nervenkostüm zerrüttet war. Er sagte sich, dass die Bedrohlichkeit des Waldes nur Einbildung sei, dass im Haus nichts Dämonisches umging. Das waren nur Geschichten aus den alten Tagen, ein uralter Ritus, dem die Menschen in Deep Lake folgten. Aber mit jedem Schritt wurde das seltsame Gefühl größer. Der Nebel um ihn herum pochte wie der Schlag seines nervösen Herzens. Das Landhaus tauchte auf. Es war alt und halb verfallen. Ein Teil der Dachschindeln zerborsten. Die Farbe abgeblättert, sie erschien jetzt in einem hässlichen Grau. Über die Vorderfront zog sich eine Holzveranda. Das alte Holz knackte und knirschte, schuf schaurige Töne, als mache das alte Haus einen tiefen Atemzug, erfreut über menschlichen Besuch, den es zu verschlingen galt. Greg musste all seinen Mut ­aufbringen, um weiterzugehen. Seltsamerweise waren die Fensterscheiben noch intakt, obwohl Tür und Fenster schief im Rahmen hingen. Über der Eingangstür verlief ein Relief aus Stein. Mit pochenden Herzen stieg Greg die drei Stufen zur Veranda hoch und blieb dann stehen. Das Holz knackte unter seinem Gewicht. Unsinn, redete er sich ein. Das Haus bestand aus Holz und Stein. Es konnte nicht leben.

Um sich abzulenken, versuchte Greg Banner das Relief näher in Augenschein zu nehmen. Staub und Dreck nisteten in den Furchen und Rillen, der Zahn der Zeit hatte den Konturen der Darstellung die Schärfe genommen. Stein war in Folge von Kälteeinbrüchen abgesplittert. Greg wischte den Staub und den Dreck weg, einer dunklen Faszination erliegend. Mit bloßen Fingern pullte er den Schmutz aus den Rillen und Ritzen, spürte seltsam vertraute Formen und Muster unter den Händen. Er trat einen Schritt zurück, seine Finger brannten von winzigen Schnitten und Kratzern. Mit zusammengekniffenen Augen versuchte er das Relief zu deuten. Nur langsam gelang es ihm, einen Sinn hinter die Linien und Striche aus Stein und Stuck zu bringen, aber je mehr er es betrachtete, desto deutlicher schälte sich das Bild heraus. Die Formen und Strukturen bildeten den Körper einer Frau. Greg riss die Augen auf. Blinzelte, weil er nicht glauben konnte, was er da sah. Aber das Bild blieb. Eine Frau, nackt und wunderschön, geformt für die Ewigkeit von einem namenlosen Künstler. Lebensgroß präsentierte sich die Darstellung, mit jedem Atemzug wurde das Relief plastischer. Als würde es sich aus einer Zwischenwelt in die Wirklichkeit schieben. Lebendig. Die dargestellte Frau hatte lange, wallende Haare, einen sinnlichen Mund und Augen, aus denen unverhohlene Wollust strahlte. Der Kopf war leicht zur Seite gedreht, den Blick auf die andere Seite der Tür gerichtet. Der rechte Arm war angehoben und zur Seite gestreckt, verlief über den Türrahmen bis zur Mitte.

---ENDE DER LESEPROBE---