Schwarzer Mond - Bettina Auer - E-Book
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Bettina Auer

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Beschreibung

Niemals hätte Tarae gedacht, dass sie eines Tages in der Lebensschuld eines Elben stehen würde, der noch dazu alle Menschen als Abschaum bezeichnet. Doch Rhéyd ist an der tödlichen Elbenkrankheit Schwarzer Mond erkrankt und braucht Taraes Hilfe, um ein Heilmittel dagegen zu finden. Zusammen machen sie sich auf, die sagenumwobene Drachenquelle zu finden, und dabei ahnt keiner von ihnen, dass sie auf ihrer Suche nicht nur die entdecken ...

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Bettina Auer

Schwarzer Mond

BookRix GmbH & Co. KG81371 München

Impressum

 

 

 

© Juli 2022 Seidl, Bettina

Rosenstraße 2

93086 Wörth an der Donau

[email protected]

www.bettinaauer.com

 

Lektorat/Korrektorat: Teja Ciolczyk - Lektorat Gwynnys Lesezauber, www.gwynnys-lesezauber.de

Umschlaggestaltung: Ria Raven Coverdesign, www.riaraven.de

Illustration: Herzkontur - Linda Grießhammer, www.herzkontur.de

 

eBook-Vertrieb: BookRix

Tarae

 

»Tarae!«

Der Klang ihres Namens ließ sie den Kopf heben. Ihre kleine Schwester Neila stand nicht unweit von ihr entfernt in der Nähe eines Busches und winkte ihr aufgeregt zu.

»Tarae! Kannst du das gebrauchen?«, rief sie und deutete auf die goldenen Beeren, die kaum in dem Dickicht des Strauches zu erkennen waren.

Tarae zog die Stirn kraus und wischte sich die dreckigen Hände an ihrer Hose ab. »Das sind Goldmädchen. Ich würde sie an deiner Stelle nicht anfassen - sie sind hochgiftig.«

Neila zog sofort ihre Hand weg und sprang sogar vor Schreck einen Schritt zurück. Hinter sich konnte Tarae das helle Lachen ihrer älteren Schwester Samah vernehmen, die neben sie trat und ihr leicht mit den Ellenbogen in die Seite stieß.

»Hör auf, das Kind jedes Mal so zu erschrecken«, neckte die Mittlere der drei Schwestern und zwinkerte ihr verschwörerisch zu.

Neila hatte das natürlich gehört, sie streckte ihr frech die Zunge raus. Die Schwestern sahen sich daraufhin für einen kurzen Augenblick stillschweigend an, ehe sie in Gelächter ausbrachen.

Samah, Tarae und Neila glichen sich nicht nur rein äußerlich durch das goldblonde Haar und die tiefgrünen Augen, die fast schon smaragdfarben leuchteten, sondern teilten auch die gleiche Art Humor. Die Schwestern waren seit dem plötzlichen Tod ihrer Mutter vor fünf Jahren unzertrennlich und hatten fortan, neben ihrer artistischen Arbeit im Zirkus ihres Vaters, noch viele häusliche Aufgaben übernehmen müssen.

Samah zählte mit ihren zweiundzwanzig Jahren als die Älteste und war für das Kochen und Kontrollieren der Sauberkeit zuständig.

Tarae, gerade achtzehn geworden, kümmerte sich um all die Verletzungen, die in einem Zirkus passieren konnten, da sie das Talent ihrer Mutter für Heilkunde geerbt hatte. Außerdem fiel zusätzlich die Tierversorgung in ihren Zuständigkeitsbereich.

Neila war mit ihren dreizehn Jahre die Jüngste, sie hatte bisher nur die Aufgabe erhalten, ihre Schwestern tatkräftig zu unterstützen, was ihr nicht immer sonderlich leicht von der Hand ging.

Dennoch schlugen sich die Mädchen tapfer. Selbst wenn sie zusammen aufbrachen, um Heilkräuter, Feuerholz und Essbares in der Umgebung zu suchen, vergaßen sie gerne, wie beschwerlich ihr Leben eigentlich war.

Samah hatte einen Stapel Feuerholz an ihre Brust gedrückt. Mit einem Schmunzeln sagte sie an ihre kleine Schwester gewandt: »Was das angeht, solltest du besser immer auf Tarae hören, Neila. Sie weiß von uns allen am besten darüber Bescheid.«

Plötzlich war ein Rascheln zu hören, unweit entfernt von Neila. Diese zuckte merklich zusammen und blickte hastig in die Richtung, aus der das Geräusch kam.

»Ähm ...«, brachte sie zögernd hervor, »Was denkt ihr, ist das?«

»Bestimmt nur ein Hase oder ein Fuchs.« Tarae verdrehte die Augen. »Wir sind im Wald, schon vergessen?«

»Ja! Das ist mir bewusst, aber es gibt doch auch Wölfe im Wald und … Bären«, setzte die Jüngste nach und selbst Samah konnte ein genervtes Aufstöhnen nicht unterdrücken.

»Neila! Hör auf, ständig irgendwo einen Dämon an die Wand zu malen! Du kennst doch sicher noch die Geschichte mit dem Mädchen, dass immer Drache schrie, bis man ihr irgendwann nicht mehr glaubte, mhm? Dir wird es eines Tages genauso ergehen«, schimpfte die Älteste und warf Tarae einen genervten Blick zu.

»Aber…«, weiter kam Neila nicht. Im Unterholz ertönte ein gewaltiges Knacken, ein riesiger, dunkler Schatten sprang daraus hervor. Sie kreischte entsetzt auf, lief zu ihren Schwestern und krallte sich an Samahs Rockzipfel fest, als der große Schwarzbär vor ihnen zum Stehen kam.

»Wie war das noch gerade eben?« Neila plärrte, und Tarae gab ihr mit einem Wink zu verstehen, dass sie ruhig sein sollte. Panik verschlimmerte die Sache nur.

»Hast du ein Messer dabei?«, flüsterte Tarae ihrer älteren Schwester zu.

Sie nickte. Mutige Entschlossenheit spiegelte sich in Samahs Blick wider. Sie würde den Bären auch mit bloßen Händen angreifen, um ihre Schwestern zu schützen. Sie übergab Tarae das kleine Messer, deren Mut sofort wieder sank. Ein Buttermesser. Mit dem würde sie nicht weit kommen.

Aber vielleicht, wenn ich es werfe ...

Bevor der Bär reagieren konnte, der geifernd die Lefzen zurückgezogen hatte, steckte das Messer bereits in seinem linken Auge. Er brüllte vor Schmerzen auf und ein Gemisch aus Blut und klarer Flüssigkeit rann aus der Wunde. Unbeholfen versuchte das Raubtier, mit seinen riesigen Pranken die Klinge herauszuziehen.

»Lauft!«, brüllte Samah, die zuerst wieder aus ihrer Starre erwachte.

Das ließen sie sich die Schwestern nicht zweimal sagen und rannten davon. Obwohl sie ihre eigenen Herzen laut pochen hörten und ihr Atem gehetzt ging, vernahmen sie bald, dass ihnen der Bär folgte.

»Wir müssen uns aufteilen!«, rief Tarae panisch und warf einen Blick über die Schulter zurück. »Nur so können wir…«

Ein Pfeil zischte an ihr vorbei, so dicht, dass ihr die Federn des Schaftes in die Wange schnitten. Das Silbergeschoss traf genau zwischen die Augen des Bären. Allerdings drang es nicht tief ein, denn das Tier brüllte seine Frustration hinaus und rannte noch schneller. Nur noch zwei Armlängen, dann würde er sie und ihre Schwestern packen!

Ein dunkler Schemen sprang unverwandt von einem der Bäume herab, und Tarae meinte schon, ihr letztes Stündlein hätte endgültig geschlagen, als das diffuse Sonnenlicht auf die silberne Klinge eines Schwertes traf.

»Duck dich!«, zischte der fremde Mann, ganz in Schwarz gehüllt.

Tarae gehorchte ihm. Unmittelbar darauf sauste das Schwert über sie hinweg, genau in die Brust des Bären.

Das Tier brüllte auf, wand sich. Blut troff aus dessen Wunde, spritzte umher und benetzte sie. Schnell rollte sie sich weg und kam flink wieder auf die Beine, weil das Untier drohte, sie unter sich zu zerquetschen. Mit einem dumpfen Aufprall blieb es schließlich regungslos am Boden liegen.

Tarae atmete schwer, hob den Blick von dem toten Schwarzbären und wandte ihn ihrem Retter zu. Obwohl er eine Kapuze über den Kopf trug, war er eine außergewöhnliche Erscheinung.

Der Mann war komplett in Schwarz gekleidet - zum Teil war seine Ausstattung von solch edlem Leder, wie es Tarae bisher nur selten zu Gesicht bekommen hatte. Selbst bei den reichen Zuschauern war so etwas ungewöhnlich. Auch das silberne Schwert, von dessen Spitze noch das Blut des Bären tropfte, und der Bogen mitsamt Köcher, waren von edler Machart.

»Ich … danke«, würgte Tarae endlich hervor, noch unter Schock und abgelenkt durch den Fremden.

»Tarae!« Sie wandte den Kopf nach rechts, Neila stürmte auf sie zu. »Samah ist zum Zirkus gelaufen, um …« Plötzlich verstummte sie und sah auf den toten Bären. »Oh. Wie hast du das denn geschafft?«

»Ich? Er war es doch«, entgegnete Tarae und deutete auf den Fleck, auf dem der Krieger stand – allerdings war der nicht mehr da.

Neila runzelte die Stirn und warf ihrer Schwester einen skeptischen Blick zu. »Geht es dir gut? Bist du hingefallen?«

»Nein, da war gerade noch ein Mann! Er hat mich gerettet.«

»Tarae, da ist aber niemand. Vielleicht solltest du deine kleinen Heilmittelchen einmal bei dir selbst ausprobieren, sobald wir wieder zurück sind.«

»Sieh dir das Biest an, Neila! Ich habe ihn nicht getötet! Zuerst ein Pfeil und danach ein sauberer Stich mit dem Schwert. Wie hätte ich das mit einem Buttermesser bewerkstelligen sollen?!«, echauffierte sie sich und pustete eine störende Strähne aus ihrer Stirn.

Plötzlich erklang ein Geräusch; es war nicht dasselbe, das der Bär verursacht hatte, als er aus dem Unterholz gestürmt war. Vielmehr klang es nach …

Tarae schob Neila hastig beiseite und eilte davon. Ihre kleine Schwester schrie ihr nach, doch sie ignorierte sie. Sie rannte an mehreren Bäumen vorbei, bevor sie zu einer Stelle mit dichtbewachsenen Brombeersträuchern kam – und genau hinter dem dornigen Gestrüpp fand sie ihn.

»Was ist passiert?«, fragte sie atemlos, als sie ihren Retter erreichte. Er hatte das Schwert fallen lassen, atmete heftig, unkontrolliert und zitterte wie Espenlaub. Er hielt sich mit beiden Händen am Stamm einer Fichte fest, seine Kapuze war verrutscht. Hastig hob er den Kopf, wandte ihn in Taraes Richtung. Sie stockte, als sie den hasserfüllten Ausdruck in seinen dunkelbraunen Augen sah.

Nein …

Die Züge ihres Gegenübers waren viel zu fein für einen Menschen, die Haut ungewöhnlich bleich und die Ohren liefen oben leicht spitz zu.

»Du bist ein Elb!«, entfuhr es ihr laut, Tarae riss vor Erstaunen die Augen auf. So weit in den Nordwesten, in die Menschenreiche, wagten sich die Spitzohren in der Regel nicht.

Sie hassten die Menschen!

Zwar beruhte dies nicht auf Gegenseitigkeit, aber Taraes Rasse war den Langlebigen gegenüber auch nicht gerade aufgeschlossener, da es vieles gab, worum sie die Elben beneideten.

Dennoch, er hatte ihr das Leben gerettet.

»Was ist mit dir?«, fragte sie und machte einen Schritt auf ihn zu.

Der Elb jedoch antwortete mit einem Knurren. »Bleib da stehen, Abschaum!«, presste er schmerzerfüllt zwischen zusammengebissen Zähnen hervor.

»Bist du verletzt? Hat dich der Bär…«

Er schrie so laut auf, dass es Tarae jedes Härchen am Körper aufstellte. Sie überlegte nicht lange, rannte zu ihm und kniete sich zu ihm auf den Boden.

Seine Atmung ging inzwischen heftiger, das Zittern war unkontrollierbar geworden und sie bemerkte, wie er krampfhaft versuchte, die Hände an seinen Hals zu legen.

»Warte, ich helfe dir!« Tarae suchte in ihrer Umhängetasche, die sie bis eben vergessen hatte, ein kleines Fläschchen mit einer grüngoldenen Flüssigkeit. Sie entkorkte es und zwang den Elben, daraus zu trinken. Sobald der erste Tropfen seine Lippen benetzte, wurde er ruhiger und in seinen Augen vermischten sich seine Emotionen zu einem Wirbel aus Erstaunen, Flehen und Zorn.

»Was … war das?«, fragte er heiser, doch die Antwort erfuhr er nicht mehr, denn im nächsten Augenblick sackte sein Kopf zur Seite und er fiel in die rettende Bewusstlosigkeit.

»Tarae!«, rief Samah erleichtert. Keine fünf Sekunden später war sie bei ihr und dem Fremden angekommen, zusammen mit drei Männern, die bei ihnen im Zirkus arbeiteten.

»Tarae, geht es dir gut? Was ist … AH!« Der Redeschwall ihrer Schwester wurde von deren hohem Schrei beendet. Erschrocken schlug sie sich die Hand auf den Mund. »Das ist ein Spitzohr!«

»Ja«, erwiderte Tarae ruhig und starrte den Elben an. »Er hat den Bären getötet und uns somit das Leben gerettet.«

»Was? Ist er nicht ganz bei Trost?! Einer wie er hätte sich doch freuen müssen, wenn uns das Vieh erwischt hätte.«

Tarae musste wegen Samahs fehlendes Feingefühl kurz die Augen verdrehen. Sehr schnell wurde sie wieder sachlich. »Samah, er ist krank.« Sie wandte ihr den Kopf zu, die nächsten Worte waren für ihre Zunge so schwer wie Blei. »Er leidet am Schwarzen Mond.«

»Woher weißt du das?« Plötzlich flüsterte ihre ältere Schwester ängstlich, sie warf einen verwirrten Blick in die Runde.

Tarae seufzte tief. »Die Anzeichen dafür sind eindeutig. Der krampfartige Anfall, das Zittern, die heftige Atmung, die Art und Weise, wie er versucht, die unsichtbaren Hände von seinem Hals zu nehmen. Es gibt keinen Zweifeln daran. Er trägt die tödliche Elbenkrankheit in sich.«

Samah blies sich eine störende Strähne aus dem Gesicht. »Na gut, ich weiß, worauf das hinausläuft! Er hat uns zumindest das Leben gerettet. Außerdem ist es ohnehin egal, was ich sage, mhm?«, stichelte sie und Tarae warf ihrer Schwester einen zornigen Blick. Samah gab den Männern mit einem Wink zu verstehen, näher zu kommen. »Na los! Packt mit an!«

Tarae schenkte ihr ein dankbares Nicken. »Gut. Zuhause werde ich mich um ihn kümmern.«

Rhéyd

 

Seinen Lungen brannten, als hätte er Lava eingeatmet. Der Schmerz fraß sich bis in den hintersten Winkel seines Seins und beraubte ihn jeglicher Fähigkeit. Sein Bewusstsein stürzte immer wieder in die Tiefe, um einem reißenden Strom gleich hin und her geworfen zu werden.

Schaffte Rhéyd es, seine Augen zu öffnen, nahm er nichts als dunkle Schemen und helles Licht wahr. Er hörte Stimmen, verstand jedoch nicht, was sie sagten. Er konnte die Sprache der Menschen, die so hart und unnatürlich in seinen Ohren klang, dennoch war sein Kopf nicht imstande, mit den einzelnen Worten sinnvolle Sätze zu bilden.

Stöhnende und schmerzerfüllte Laute gab er von sich, mehr gelang ihm nicht. Eine Stimme jedoch sprach oft zu ihm, sie war ruhig und sanft. Wenn seine Sinne wieder kurz davorstanden, in der Tiefe zu verschwinden, glaubte er, eine Elbin würde mit ihm reden.

Doch das konnte nicht sein. Sein Verstand belog ihn.

Nein – falsch.

Schwarzer Mond hieß das Übel, das in seinem Inneren lauerte. Eine heimtückische Krankheit, die nur die Elben befiel und ihre Träger unbarmherzig in die Knie zwang.

Der Ausgang war stets tödlich.

Man starb daran allerdings nicht sofort, nein – der Prozess des Dahinsiechens dauerte mehrere Jahre. Woher die Krankheit stammte, war seit ihrem rätselhaften Ausbruch vor rund tausend Jahre noch immer nicht bekannt; es gab nur Vermutungen. Eine Theorie besagte, dass dieses Gebrechen gesandt worden war, um die Elben für ihre Überheblichkeit zu strafen, die unter anderem darauf beruhte, dass sie sich von all den Völkern auf Katós für das überragende hielten.

Allerdings fand Rhéyd das schwachsinnig. Er glaubte eher daran, dass irgendein fremdes Tier oder eine verunreinigte Wasserstelle die Seuche eingeschleppt hatte.

Abermals überrollte ihn der Schmerz und er schaffte es nicht mehr, den Aufschrei zu unterdrücken.

»Alles ist gut!«, vernahm er sofort den Klang der beruhigenden Stimme.

Plötzlich fiel ihm ein, dass er sie schon einmal gehört hatte. Sie stammte von der jungen Frau, die er vor dem Schwarzbären gerettet hatte.

Ich hätte sie dem Vieh überlassen sollen. Dann würde es mir jetzt nicht so beschissen gehen, dachte er verbittert und versuchte erneut, seine Augen für längere Zeit offen zu halten; und dieses Mal gelang es ihm.

Er starrte an eine dunkle Holzdecke. Zuerst nahm er den bittersüßen Geruch von Kräutern wahr, die sich überall in Hängetöpfen befanden. Aus dem Augenwinkel bemerkte er schwaches Kerzenlicht, und als er den Kopf nach links wandte, blickte er aus einem niedrigen runden Fenster. Die Sonne ging bereits unter. Rhéyd biss sich auf die Unterlippe.

Wie lange habe ich geschlafen?

Er fasste sich an den Kopf und seufzte erleichtert auf. Kein Fieber, das hätte ihm gerade noch gefehlt. Vorsichtig richtete er sich auf und ließ abermals den Blick schweifen.

Ein … Wagen?

Rhéyd blinzelte verwirrt. Ja, er befand sich in einem aus Holz gefertigten, länglichen und überdachten Wagen – der so wirkte, als würde jemand darin wohnen. Überall sah er unnötigen Tand an den Wänden. Das Bett, in dem er lag, stand in der hinteren Ecke des Wagens. Sobald er sein Augenmerk nach vorne richtete, fand er noch mehr: eine Essecke, eine kleine Feuerstelle, unzählige Regale mit allerhand Töpfen, Tiegeln und … die Menschenfrau.

Gedankenversunken stand sie mit dem Rücken zu ihm und hielt ein abgegriffenes Notizbuch in der Hand. Sie summte und tippte sich immer wieder gegen das Kinn.

»Mhm. Ob Mutter damit recht hat?«, hörte er sie murmeln.

Rhéyd runzelte die Stirn. Sie war zwar nicht die erste Frau ihrer Art, der er begegnete, dennoch war irgendetwas anders an ihr. Er konnte nicht genau sagen, was sie unterschied, aber tief in sich spürte er, dass dort etwas war.

»Wo bin ich?«

Die Fremde erschrak und er selbst auch. Seine Stimme klang ungewöhnlich kratzig, er unterdrückte ein Husten.

»Warte!« Die Frau nahm sofort ein Glas Wasser zur Hand und reichte es ihm. Rhéyd betrachtete sie misstrauisch. Ihre Finger wiesen unzählige Schnittwunden auf und er bemerkte, wie stark sie zitterte. »Hier«, sagte sie aufmunternd und schenkte ihm ein zögerliches Lächeln.

Der Elb entriss ihr förmlich das Gefäß. Nach einem vorsichtigen Schluck stellte er erleichtert fest, dass es wirklich nur reines, klares Wasser war. Die Unbekannte nahm ihm das leere Glas ab und stellte es auf einen kleinen Tisch unweit des Bettes.

»Wie geht es dir?«, fragte sie ihn mit einem zaghaften Lächeln.

Rhéyd unterdrückte ein abfälliges Lachen, kein Mensch interessierte sich für das Befinden eines Elben. »Wo bin ich? Und wie lange habe ich geschlafen?«, fragte er abermals mit Nachdruck und legte so viel Zorn hinein, dass die junge Frau kurz zusammenzuckte.

»Du befindest dich im Wanderzirkus Phantasta. Du hast mich und meine Schwestern vor dem Bären gerettet, ehe du … zusammengebrochen bist. Das war vor knapp vier Stunden, und genauso lange hast du geschlafen«, erklärte sie leise.

Rhéyd runzelte die Stirn. »Ein … Wanderzirkus? Und du bist?«

»Tarae. Ich bin eine der Töchter des Zirkusdirektors. Ich kümmere mich um die Verletzten, aber ich habe auch selbst eine kleine Akrobatiknummer…« Sie brach ab, als sie bemerkte, dass der Blick des Elben immer finsterer wurde.

»Redest du immer so viel? Ich habe dich nur gefragt, wie du heißt, nicht, was du machst oder wer du bist.« Er seufzte und verdrehte die Augen. »Mich nennt man übrigens Rhéyd, um der Höflichkeit Genüge zu tun, und …« Der Elb holte tief Luft und musste sich sehr beherrschen, um nicht zu würgen. »Ich…«

»Tarae!« Der Eingang zum Wohnwagen wurde aufgerissen und der Kopf einer nur wenigen Jahren älteren Version der jungen Frau vor ihm erschien in der Tür. »Die Vorstellung beginnt gleich und Vater möchte, dass du unverzüglich zu ihm kommst! Deine Nummer soll heute das Programm eröffnen.«

»Was? Aber Samah, ich habe heute doch noch gar nicht trainiert, außerdem muss ich mich um … Rhéyd kümmern.«

Der Neuankömmling runzelte die Stirn. »Ach, ist er erwacht? Dann scheinbar nur für kurze Zeit; jetzt schläft er wieder.«

Der Elb schlief nicht wirklich - er stellte sich nur schlafend. Rhéyd kam diese Unterbrechung sehr gelegen. Er wollte, dass diese Tarae ging, damit er endlich von hier verschwinden konnte.

»Aber…«, begehrte diese abermals auf, wurde jedoch genervt von der Älteren zurechtgewiesen.

»Tarae! Sofort!«

»Gut. Ich komme.«

Rhéyd hörte erst Schritte, danach das Schließen der Wagentür. Erleichtert atmete er aus, endlich war er alleine!

Er versuchte, aufzustehen, doch seine stark zitternden Beine machten ihm dieses Vorhaben unmöglich. Der Elb fluchte genervt und ließ sich wieder zurück in das Bett fallen. »Mist«, knurrte er und starrte an die Decke.

Der Anfall hatte ihm doch mehr zugesetzt, als gedacht.

Plötzlich fielen ihm die Worte der Menschenfrau wieder ein.

Sie sagte, sie sei so etwas wie eine Heilerin.

Er runzelte aufs Neue die Stirn, und obwohl er wusste, dass er am Ende seiner Kräfte war, fühlte er sich anders, nicht wie nach seinen bisherigen Anfällen. Sein Kopf war inzwischen wieder klar, ein Umstand, der in der Regel erst nach Tagen wieder eintrat.

Rhéyds Blick schweifte zu dem anderen Fenster, durch das er das riesige, grüngoldene Zelt erkennen konnte, das unweit des Wohnwagens stand. Ein gehässiges Grinsen schlich sich auf seine Züge.

Ich habe da eine gute Idee.

Tarae

 

Tarae atmete heftig, während sie sich tief vor der klatschenden Menge verbeugte. Das Lächeln auf ihren Lippen war echt, sie bedankte sich abermals mit einer tiefen Verneigung bei ihrem Publikum und verließ unter tosendem Applaus die Manege.

Kaum fiel der Vorhang hinter ihr, stieß sie einen Seufzer aus.

»Das war großartig!«, lobte Ty ihren Auftritt, er war nach ihr dran.

Tarae nickte ihm schnell zu. »Danke. Und dir viel Glück!«

Sie ging weiter, vorbei an den anderen Artisten, die noch ein letztes Mal ihre Auftritte und ihr Aussehen prüften. Es war ein wildes, lautes Durcheinander. Tarae wusste genau, dass dieser Anblick und der Geräuschpegel jeden überwältigten, der das erste Mal hinter die Manege blickte.

Dennoch liebte sie diesen bunten Wirbel der verschiedenen Sinneseindrücke. Seit ihrer Geburt war sie ein Teil von diesem Zirkus. Nachdem sie ihre ersten Schritte alleine gegangen war, hatte sie angefangen, für kleinere Auftritte zu üben. Sie kannte es nicht anders, stand schon immer in der Manege.

Tarae schlängelte sich an zwei Mädchen vorbei, die ein letztes Mal ihren gemeinsamen Zaubertrick übten, und ließ sich laut seufzend auf den Platz vor einem der Frisiertische nieder.

Bevor sie begann, sich die Farbe aus dem Gesicht zu wischen, ließ sie den Kopf in den Nacken fallen und schloss für einen Moment die Augen.

Ihr heutiger Auftritt hatte sie sehr geschlaucht. Eigentlich sollte dies nicht der Fall sein. Die Akrobatiknummer war seit zwei Jahren dieselbe, und genau genommen musste sie nicht einmal mehr dafür üben, dennoch hätte sie vor ihrem Auftritt vor Publikum gern noch Zeit dafür gehabt. Im Großen und Ganzen bestand ihre Aufführung darin, sich geschickt in einigen Metern Höhe im Dach des Zirkuszeltes durch verschiedene große Ringe zu winden.

Für sie war es nichts Besonderes, doch das Publikum war jedes Mal hellauf begeistert.

»Na?« Samah setzte sich auf den freien Platz neben sie und zwinkerte Tarae zu. Ihre Schwester trug, im Gegensatz zu allen anderen im Zirkuszelt, normale Kleidung aus Wolle und Leinen. Sie war kein Teil des Programms. Samah war für den Kartenverkauf zuständig, worüber sie insgeheim sehr froh war. Ihre ältere Schwester war in derlei Dingen nicht sonderlich begabt, jedoch störte sie das nicht.

»Du siehst müde aus, Tarae.« Mit ihren grünen Augen taxierte sie ihre jüngere Schwester. »Du solltest dich etwas hinlegen.« Samah prüfte mit einem kurzen Blick über ihre Schulter, ob jemand in direkter Hörweite stand, dann beugte sie sich nach vorne. »Tarae, Vater…«

»Ah! Da sind sie ja!«

Die beiden Schwestern zuckten zusammen und hoben hastig die Köpfe. Ihr Vater Kárlos, der Direktor des Zirkus, war zu ihnen getreten. Ein großer, bulliger Mann, mit Stiernacken und Händen, so riesig wie Wagenräder. Er trug eine Glatze, die in den Lichtern der Fackeln glänzte.

Tarae wusste, dass jeder vor Angst erzitterte, der ihn das erste Mal erblickte.

»Vater! Was tust du hier? Du musst doch die nächste Nummer ankündigen«, rügte Samah ihn und zog missmutig die Stirn kraus.

Er winkte ab. »Das habe ich doch schon längst. Tarae, dein Auftritt war heute sehr gut!«, lobte er seine Tochter, und diese nickte dankbar. »Samah, ich glaube, du solltest einmal nach Zara sehen. Sie wirkte vorhin recht durcheinander, ich möchte nicht, dass sie einen Fehler in ihrer Tiernummer begeht. Beruhige sie, bitte.«

Seine älteste Tochter nickte ergeben, erhob sich, und warf ihrer Schwester beim Hinausgehen einen verstohlenen augenrollenden Blick zu. Tarae riss sich im letzten Moment zusammen, um ein Kichern zu unterdrücken.

Nachdem sie gegangen war, setzte sich Kárlos auf Samahs Platz. Der Stuhl knarrte, dennoch hielt das Möbelstück seinem erheblichen Gewicht stand.

»Tarae«, begann er, seine tiefe Stimme war noch dunkler geworden. Diese Tonlage bedeutete nie etwas Gutes. Sie nahm eines der Tücher zur Hand, die auf dem Frisiertisch lagen, und wischte sich abwartend die grelle Farbe aus dem Gesicht.

»Ja?«, fragte sie unbeschwert, fest auf ihr Spiegelbild fixiert.

»Du hättest das nicht tun sollen.«

»Was denn?«, hakte sie nach, auf ihr Bild versteift und mit angestrengt gerunzelter Stirn.

»Du hättest ihn liegen lassen sollen. Er ist ein Elb! Sie hassen uns Menschen. Was ist, wenn er uns alle tötet, sobald er wieder zu Kräften kommt?«, flüsterte Kárlos unheilvoll und entlockte Tarae damit ein Seufzen. Sie hatte befürchtet, dass es ihrem Vater um den Kranken ging.

»Ich denke nicht, dass er das tun wird. Hätte er uns sonst vor dem Schwarzbären gerettet? Vater, ich glaube nicht, dass er gefährlich ist. Außerdem ist er krank. Ich muss mich also um ihn kümmern. Mutter hat mir vor ihrem Tod das Versprechen abgenommen, mich um jeden zu kümmern, der meine Hilfe braucht. Ich …«

»Tarae!« Ihr Vater legte ihr seine riesigen Pranken auf die Schultern und drückte zu. Für ihn war es sanft, das wusste sie, jedoch spürte sie ein leichtes Ziehen an den Stellen und lächelte gequält. »Er ist ein Elb! Egal ob er am Schwarzen Mond erkrankt ist oder nicht! Ich weiß, dass dich deine Mutter darum bat, allerdings glaube ich nicht, dass sie damit alle Lebewesen meinte. Pflege ihn so schnell wie möglich gesund, dann sorge dafür, dass er wieder verschwindet.«

»Nein, im Gegensatz zu dir gehe ich stark davon aus! Wieso sollte ich einen Unterschied zwischen Menschen, Elben oder Zwergen machen? Kannst du mir das sagen? Wenn jemand Hilfe braucht, gewähre ich sie ihm. Und ich werde ihn nicht einfach so vor die Tür setzen!«

Tarae wollte aufstehen, doch ihr Vater ließ sie nicht. In seinen blauen Augen sah sie das Spiegelbild ihres wutverzerrten Antlitzes.

»Du bist ihr viel zu ähnlich, weißt du das?« Er seufzte, ein trauriges Lächeln wanderte über seine Lippen. »Gut, pflege ihn so lange, wie es nötig ist, aber dann sorge dafür, dass er verschwindet. Bisher wissen nur wir vier und die drei Tierpfleger von ihm. Und so soll es auch bleiben. Sei vorsichtig, ja?« Er klopfte ihr auf die Schultern, erhob sich und ging davon.

Tarae sah ihrem Vater eine Weile nachdenklich hinterher.

 

*

 

Die Vorstellung war zu Ende. Die letzten Zuschauer verließen den Festplatz, der sich ein Stück außerhalb der Stadt befand, in der sie gerade verweilten.

Tarae warf gerade einen unsicheren Blick in Richtung des nahen Waldes, da hörte sie ein lautes Rascheln. Sie verabschiedete sich schnell und machte sich auf dem Weg zu ihrem Wagen. Vorsichtig öffnete sie die Tür und lugte ins Innere.

Der Elb namens Rhéyd schlief, zumindest hörte es sich so an. Langsam schloss Tarae die Tür, nachdem sie sich hineingeschlichen hatte. Auf leisen Sohlen ging sie zu ihm und spähte zu ihm hinab. Er schlief wirklich.

Tarae sah enttäuscht drein. Sie hatte gehofft, er wäre wach, wenn sie zurückkam. So viele Fragen schwebten ihr durch den Kopf, die hinauswollten.

Tja, die müssen jetzt warten.

Sie trat einen Schritt näher an das Bett, im selben Moment fiel ihr plötzlich ein, dass sie sich noch nicht überlegt hatte, wo sie heute Nacht schlafen sollte.

»Na ganz toll«, murmelte sie. Sie würde wohl oder übel bei Samah unterkommen müssen. Hoffentlich hatte deren Verlobter heute Nacht nicht dieselbe Idee. Tarae mochte Feuerspucker Ty zwar, doch sie hatte nicht das geringste Interesse daran, die zwei zu stören.

Wenn alle Stricke reißen, gehe ich zu Neila. Hoffentlich schnarcht sie nicht wieder so laut. Bei dem Gedanken zog Tarae eine Grimasse.

Plötzlich hörte sie ein Stöhnen; Rhéyd hatte sich im Schlaf bewegt, er lag nun mit seinem Gesicht direkt in ihre Richtung. Seine Stirn zuckte unaufhörlich und glänzte vor Schweiß.

»Rhéyd?«, fragte sie vorsichtig. Sie streckte die Hand aus, wollte ihn berühren, doch soweit kam sie gar nicht.

Blitzschnell zuckten seine Finger nach vorne und umschlossen ihr Handgelenk. Sie schrie vor Schreck kurz auf. In seinen schwarzbraunen Augen loderte der Zorn.

»Was?«, keifte er sie an, mit einem solch tiefen Grollen in der Stimme, dass sich Taraes Nackenhärchen aufstellten.

»Du … Ich wollte nur …«, stammelte sie, während Schmerz durch ihr Handgelenk zuckte. Hastig wich sie zurück, rieb sich die schmerzende Stelle und starrte den Elben entsetzt an.

Ihr Herz hämmerte dabei schmerzhaft in ihrer Brust und sie brauchte einen Moment, um sich zu sammeln. Sein Verhalten erschreckte sie. Sie kannte es nicht, dass man so ungern ihre Hilfe annahm, aber sie konnte nicht anders. Sie musste ihm helfen. Tief in ihrem Inneren wusste sie das. Und sie kannte auch die passende Arznei.

Tarae holte schnell Luft, straffte entschlossen ihre Schultern und stand hastig auf. »Du … Warte!«

Sie eilte zu ihrem Heilschränkchen, suchte die passende Phiole und ging damit zu Rhéyd zurück. »Hier, trink, danach wird es dir besser gehen!«

Er lachte kalt auf. »Was ist das? Gift?«

»Nein. Ein Trunk aus Schafgarbe, Holunderblüten, Weidenrinde…«

»Schon gut!«, zischte er zornig und fasste sich an den Kopf. »Mein Schädel bringt mich um!«

»Das hier ist gegen das Fieber«, entgegnete sie leise, noch immer hielt sie ihm die Phiole hin.

Ohne ein weiteres Wort entriss er ihr das Fläschchen, entkorkte es und trank daraus. Als es leer war, ließ er es achtlos zu Boden fallen. Rhéyd sank erschöpft zurück ins Bett und schloss die Augen.

Tarae verharrte mit dem prüfenden Blick einer Heilkundigen auf ihm. Seine Atmung ging noch flach und schnell, jedoch sah sie ihm an, dass sich seine Züge allmählich entspannten.

»Danke.«

Tarae glaubte, sich verhört zu haben. »Bitte?«, fragte sie höflich nach, konnte den zweifelnden Unterton jedoch nicht aus ihrer Stimme verbannen.

Rhéyd öffnete langsam die Augen. »Ich habe Danke gesagt. Und ich werde es nicht noch einmal wiederholen.«

»In Ordnung, gern geschehen«, erwiderte Tarae nickend und hob die leere Flasche auf.

»Wieso weißt du, was gegen Schwarzer Mond hilft?«, fragte der Elb, während sie die Phiole zu den anderen leeren stellte.

»Meine Mutter hat mir vieles beigebracht. Sie arbeitete einst als Apothekerin und Heilerin, ehe sie meinen Vater kennenlernte. Sie hat mir unzählige Notizen hinterlassen. Unter anderem ein Rezept, dass die Symptome für eine Weile unterdrückt. Auch weiß ich von ihr, dass Schwarzer Mond eine Nervenkrankheit ist, die irgendwann dazu führt, dass man jegliche Kontrolle über sich verliert. Woher sie genau kommt, konnte sie mir nicht sagen. Nur die Vermutung, dass es vielleicht von verunreinigendem Wasser herrührt. Was … weißt du darüber?«

Der Elb schwieg und es breitete sich eine Stille aus, die Tarae nicht behagte. »Sag, wieso bist du so weit von den Elbenlanden entfernt?«, wagte sie abermals einen Vorstoß.

»Ich würde mich gerne ausruhen«, wiegelte er die Frage sofort ab und zeigte Tarae damit, dass dieses Gespräch für ihn beendet war.

Sie nickte langsam. »Ja, natürlich. Ich werde morgen wieder nach dir sehen.« Er sagte darauf nichts, wandte ihr nur den Rücken zu. »Gute Nacht«, flüsterte sie dennoch leise. Mit einem tiefen Seufzer verließ sie ihren Wohnwagen und machte sich auf den Weg, einen Schlafplatz bei Samah oder Neila zu bekommen.

 

Rhéyd

Wie versprochen, kam Tarae am nächsten Morgen wieder, um nach ihm zu sehen. Dabei fiel ihm auf, dass sie tiefe Ringe unter den Augen hatte und ununterbrochen gähnte. Er jedoch fühlte sich ausgeruht und erholt wie schon lange nicht mehr. Das Mittel, das sie ihm verabreicht hatte, half wirklich – und das spielte seiner Idee sehr gut in die Karten.

Ohne Umschweife eröffnete er ihr seine Forderung: »Du wirst mich begleiten.«

Tarae unterbrach ihr erneutes Gähnen und warf ihm einen überraschten Blick zu. »Wie bitte?«

»Du wirst mir helfen, ein Heilmittel zu finden.«

Die Zirkusfrau starrte ihn an, als wäre er nicht mehr ganz richtig im Kopf. Sie wollte etwas erwidern, doch er redete weiter, bevor sie die Chance dazu hatte. »Ich habe dir dein kümmerliches Leben gerettet, daher verlange ich von dir, dass du nun im Gegenzug meines rettest.«

»Was?«