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Wir sind in der Unternehmensberatung. Jeder denkt dabei an die Wirtschaftswelt, dunkle Anzüge, Business Outfit und Projekte auf Managementlevel. Vielleicht sind Ihre Gedanken auch konkreter. Sie denken an Gruppen von Consultern, den ganzen Tag vor dem Notebook in ihrem Besprechungsraum, den sie War Room nennen. Sie denken an Tageshonorare, wovon jeder Festangestellte im Unternehmen nur träumen kann, denn reflexartig rechnet jeder mit einem Faktor 20 auf ein Monatsgehalt hoch. Aber wie ist es wirklich? Wie funktioniert Unternehmensberatung und was ist alles erforderlich, bis es zu einem Beratungsprojekt kommt? Ich hatte mich der Snowball Consulting GmbH angeschlossen. Mit rund 50 Beratern gehörten wir schon zu den größeren Beratungsgesellschaften. Mir gefiel die Idee des vernetzten Arbeitens in Beratungsprojekten zusammen mit erfahrenen Spezialisten unterschiedlicher Disziplinen. Die Snowball Consulting hatte eine Besonderheit. Das Durchschnittsalter der Berater lag über 50 Jahren und die Senior Consultants waren keine 30 Jahre alt, sondern echte Senioren mit der dazugehörigen Erfahrung. Und da ist noch Gordon Schlendinger, der Gründer, der Erfinder, der geschäftsführende Gesellschafter der Snowball Consulting GmbH mit Sitz in Düsseldorf. Der Mann verkauft Illusionen und bekommt viel Geld ganz ohne Beratung. Jedem, der an einem Insider-Bericht aus der deutschen Unternehmungsberatungslandschaft Interesse hat, wird dieses Buch Kurzweil bereiten.
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Seitenzahl: 323
Veröffentlichungsjahr: 2018
Dr. Max. S. Justice
Die Erfolgsidee des Gordon Schlendinger
© 2018 Dr. Max. S. Justice
Verlag und Druck: tredition GmbH, Hamburg
ISBN
Paperback:
978-3-7469-2719-0
Hardcover:
978-3-7469-2720-6
e-Book:
978-3-7469-2721-3
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Die Leser meiner Bücher „Manager Attentat“ und „Deadzone 50 plus“ kennen mich bereits.
Ich schreibe über das, was ich erlebe, und hier beginnt ein neues Kapitel, das sich eigenständig lesen lässt.
Ich hatte mich der Snowball Consulting GmbH angeschlossen, einem Unternehmensberaterverbund. Ein Jahr hatte ich nach einer neuen Festanstellung in einer Firma gesucht, aber mit Mitte 50 nichts bekommen, obwohl mein Profil mit den ausgeschriebenen allzu oft übereinstimmte.
Meine Sichtweise der Beratungsbranche war und ist durchaus differenziert. Ich hatte meine Erfahrungen aus Beratungsprojekten in meiner Industriezeit. Jeder kann sich als Berater versuchen. Es braucht keine Formalqualifikation, um mit einer eigenen Beraterflagge los zu segeln. Das macht es den seriösen durchaus schwerer, denn nicht immer sind die Piraten schnell zu entlarven.
Das Durchschnittsalter unseres Snowball Beraterverbundes lag über 50 Jahren. Das war die Grundidee des Gründer und geschäftsführenden Gesellschafters Gordon Schlendinger und ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zu anderen Beratungen, denn unsere Senior Consultants waren keine 30 Jahre alt, sondern auch wirklich Senioren mit der dazugehörigen Erfahrung.
Mit rund 50 selbständigen Beratern im gesamten Bundesgebiet gehörten wir schon zu den größeren Beratungsgesellschaften. In dem wachsenden Markt waren in diesem Jahr rund 100.000 Menschen als Berater unterwegs, die ein breites Spektrum von Beratungsdienstleistungen auf unterschiedliche Arten anboten.
Mein Verständnis als Berater ist, auf dem Gebiet, in dem man berät, mehr Wissen und Erfahrung zu haben, als die zu Beratenden. Jeder andere Ansatz ist für mich unseriös. Der Wissens-Fluss fließt von der Quelle zur Mündung, nicht anders herum, auch wenn viele davon träumen.
Aber was ist ein Unternehmensberaterverbund?
Was macht ein Unternehmensberater?
Wie geht Beratung überhaupt?
Und was war die Erfolgsidee von Gordon Schlendinger?
Und hier beginnt diese Insidergeschichte, dieses Buch.
Wie eingangs erwähnt, sind wir in einem Unternehmensberaterverbund. Aber was heißt das genau?
Um zusammen zu kommen, hatte ich mich auf eine bei Stepstone geschaltete Stellenanzeige beworben. Die Snowball Consulting GmbH in Düsseldorf suchte für ihr kontinuierliches Wachstum Management Consultants für ihren Beraterverbund. Interessenten konnten ihre Unterlagen direkt an den geschäftsführenden Gesellschafter Herrn Gordon Schlendinger senden.
Damit hatte es begonnen. Nachdem der Geschäftsführer des Beraterverbundes quasi mit mir fein war, hatte er mich zu einer Infoveranstaltung eingeladen, zusammen mit anderen Beitritts-Interessenten. Danach folgten intensive, lange Einzelgespräche, die mit dem Abschluss eines Vertrages endeten. Dieser Vertrag beinhaltete auch eine Aufnahmegebühr, die ich mit meinem Beitritt zu dem Verbund zu zahlen hatte.
Ich war damit frischer Management Consultant der Snowball Consulting GmbH mit Sitz in Düsseldorf. Ein monatliches Gehalt oder Regelungen zur Arbeitszeit oder ein bestimmter Dienstsitz waren nicht Bestandteil des Vertrages. Grundsätzlich arbeitete jeder Berater von zu Hause bzw. bei dem jeweiligen Kunden vor Ort und rechnete mit diesem seine Beratungsdienstleistung nach Auftragsabschluss ab.
Zu dem zu erwartenden Einkommen und der Einkommensentwicklung hatte es in der Infoveranstaltung klare Aussagen mit Grafiken gegeben. Das Gehaltsband der Snowball Berater war auf 5 Jahre nach Beitritt in den Verbund gezeigt und auch die, die nicht so erfolgreich starteten, konnten noch gut davon leben.
Wir hatten einheitliche Visitenkarten, mit einem hübschen farbigen Logo, eine gemeinsame Internetseite, einen Fundus an Präsentationen und Vorlagen und Zugriff auf eine Firmendatenbank. Dies alles wurde zentral gepflegt und dafür bezahlten alle Berater einen Monatsbeitrag. Die Berater agierten als selbständige Unternehmer, nur eben unter gemeinsamer Flagge.
Es ändern sich einige Dinge elementar, wenn man nicht mehr angestellt ist. Hier mag jeder Selbständige schmunzeln, der dies schon lange kennt und diesen Schritt vor Jahren für sich entschieden hat.
Sie haben keine feste oder gleitende Arbeitszeit mehr, die im weitesten Sinne erfasst wird. Wann Sie arbeiten und wann Feierabend ist, bestimmen Sie selbst. Sie brauchen auch keinen Urlaubsschein mehr ausfüllen und sich diesen von einem Vorgesetzten unterschreiben lassen, nachdem dieser Sie zu Recht gefragt hat, ob Ihr Urlaub mit den Kollegen abgestimmt ist.
Es wird kein Vorgesetzter mehr zu Ihnen kommen, ein paar Tage vor Urlaubsbeginn, und Ihnen mehr oder minder wortreich eröffnen, dass er an Ihrer Stelle jetzt nicht in Urlaub gehen würde, da die Firma Sie ja braucht.
Es gibt keine irrwitzigen Eilaufträge von Vor-Managern mehr, die nichts als die eigene Karriere im Kopf haben, und nach 3 bis 5 Jahren wieder aus dem Unternehmen weg sind.
Sie brauchen sich auch mit keiner Arbeitnehmervertretung mehr auseinander zu setzen, auf deren Befindlichkeiten eingehen oder sich eine 20-Wochenstunden-Propaganda mit vollem Lohnausgleich oder anderen Blödsinn anhören, der nun gerade über die Gewerkschaft reingedriftet ist.
Nein, das ist alles Geschichte. Den Ärger haben Sie nicht mehr. Den Aufwand brauchen Sie nicht mehr betreiben.
Sie brauchen auch keine Renten- und Arbeitslosenversicherung mehr bezahlen. Rücklagen für den Lebensabend können Sie aufbauen, wie Sie es für richtig halten.
Aber, na klar, es geht ja noch weiter. Die private Krankenkasse bezahlen Sie jetzt alleine, ohne Arbeitgeberzuschuss, jeden Monat. Sie sind umsatzsteuerabzugsberechtigt und können berufliche Aufwendungen steuerlich geltend machen. Steuern bezahlen Sie natürlich weiterhin. Aber nur, wenn Sie Einnahmen haben, das heißt Arbeit haben. Denn jeden Monat starten Sie im Minus aus Monatsbeitrag für den Verbund, Auto und Telefon, KV und Pflegeversicherung und dem, was Sie für Ihr Wohnen und den Lebensunterhalt brauchen.
Damit beginnt alles. Sie wollen Ihre Arbeitsleistung anbieten. Dies ist bei einem Berater eine intellektuelle Dienstleistung, die jeder formulieren und darstellen muss, bevor es losgehen kann. Als studierter und promovierter Maschinenbau Ingenieur waren meine beruflichen Stationen Projektmanager, Technischer Leiter und Werkleiter, in nur 2 Firmen. Große Stückzahlen, hochautomatisiert, wirtschaftlich zu produzieren und mit den Mitarbeitern die Prozesse permanent zu verbessern, das war meine Welt, dort konnte ich 1a Ergebnisse vorweisen und dort wollte ich mich als Berater anbieten.
Daran hatte ich die letzten Wochen massiv gearbeitet, sehr viel Zeit und Energie reingesteckt, ewig lange am Rechner gesessen und Charts bzw. Präsentationen aufgebaut, ganz ohne auch nur einen Euro dafür zu bekommen.
Ich hatte mein Angebot für produzierende Unternehmen in Deutschland zusammen, Release 1.0. Da wollte ich mich als Management Consultant positionieren, mit dem Anspruch so, auf diese Art und Weise, einen Beitrag für die deutsche Industrie und damit unsere Gesellschaft zu leisten.
In diesem ersten Schritt liegt es an Ihnen allein, was Sie und wie zusammenbringen. Dabei ist für mich Authentizität eines der wichtigsten Kriterien. Neben vermeintlich theorielastigen Darstellungen hatte ich eine Reihe von konkreten Praxisbeispielen aus meinem Berufsleben in einer standardisierten Form in MS PowerPoint aufbereitet. Damit wollte ich in Kundengesprächen punkten.
Denn nun folgt Step 2, das Suchen nach möglichen Interessenten für Ihre Dienstleistung. Für welches Unternehmen bzw. für welchen Geschäftsführer oder Werkleiter eines Unternehmens kann ihr Angebot von Nutzen sein? Und wie kommen Sie an diese Entscheider heran? Diese Personen sind deutlich schwerer zu finden, als von den Unternehmen ausgeschriebene freie Stellen für eine Festanstellung auf den entsprechenden Internetplattformen. Und auch hier gibt es eine Flut von Mitbewerbern.
Als letzten Punkt vorab, und auch dies bedeutet ein massives Umstellen seiner persönlichen Arbeitsweise, heißt es, alles, wirklich alles, jeden Fackelkram, alleine und selber zu machen. Denn für den Start, wo Sie eh schon das eigene Sparschwein deutlich belasten, stellen Sie nicht gleich eine Assistenz ein. Ich habe es zumindest nicht getan.
Aber gehen wir in die Live Berichterstattung, wie es im Fernsehen heißt.
Donnerstag, 2. Januar
Wir sind in einem Verbund von selbständigen Gleichberechtigten, in dem Themen und Entscheidungen gemeinsam, ganz basisdemokratisch diskutiert und getroffen werden.
Seit einiger Zeit war ein Termin für ein Treffen aller in der Mitte Deutschlands fixiert, Freitag und Samstag Ende Februar sollte es sein. Jetzt ging es unserem Gesellschafter, nicht Chef, darum, die Themen einzusammeln. Was war seit dem letzten Treffen passiert, welche Wünsche hatten die Berater und wie konnte man zusammenarbeiten, um an Beratungsaufträge zu kommen. Das waren die Themen für die Tagesordnung, die jeder weiter ergänzen durfte.
Nachmittags, ich war gerade unterwegs, kam eine Information eines Kollegen über ein Interim Mandat herein. Es wurde ein Projektleiter im Bereich erneuerbare Energien gesucht, Start sofort, Laufzeit 3 Monate, in Hamburg. Die Wunderwerke der Technik aus dem Hause Apple machen es möglich, quasi ortsunabhängig online zu sein und ggf. schnell reagieren zu können.
Es klang interessant. Dennoch antwortete ich nicht darauf. Es wurde wohl ein Jüngerer gesucht und die erforderlichen exzellenten Excel-Kenntnisse standen zu sehr im Vordergrund. Meine waren dies nicht, oder nicht mehr, denn die vergangenen
15 Jahre als Industriemanager lag mein Fokus auf der Verbesserung der Unternehmensergebnisse und der Mitarbeiterführung. Die Aufgabenstellung, Daten in Excel zu verarbeiten, um gegebenenfalls hilfreiche Ansätze ableiten zu können, wurde von meinen Mitarbeitern erledigt. Wenn man es nicht selber macht, verlernt man es.
Freitag, 3. Januar
Mittags schrieb ein Berater Kollege aus München, der wohl noch eine eigene Firma hatte, die Maschinen für die Logistikbranche baute. Er bot eine Verpackungsmaschine und eine spezielle Kartonöffnermaschine an, die Ausschnitte in Kartons schneiden konnte. Hoffentlich tat sie dies, ohne die darin verpackte Ware zu beschädigen. Die Mail endete mit:
…Bitte lassen Sie mich wissen, welche Ihrer Kontakte für Projekte in Frage kommen, ich entscheide dann, mit welchen Snowball KollegInnen wir wie vorgehen werden.
Auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit…
Ich kannte den Mann noch nicht persönlich, dachte aber reflexartig, ups, ich schicke meine Kundenkontakte, und du willst entscheiden, wen du ansprichst. Nee, so läuft das nicht.
Ich öffnete die beigefügte Pdf Datei. Es war die Preisliste für den Kartonöffner. Leistungsdaten über die Maschine waren nicht mit dabei, nur das maximal zu verarbeitende Format. In der Textilbranche wurden solche Maschinen benötigt.
Mein ganzes Berufsleben war ich in der Massenfertigung mit großen Stückzahlen und niedrigen Stückkosten unterwegs gewesen. Insbesondere in Deutschland versuchte jeder dort zu automatisieren, wo es sinnvoll war, denn die Lohnkosten drücken hier immer. Ich kannte mich mit derartigem Equipment aus.
Als ich den Preis für das Gerät in kompletter Ausstattung aus der Liste im Kopf zusammenrechnete, kam ich auf 230.000.- €. Dafür stand es noch nicht in der Werkhalle, Betriebskosten waren nicht mit drin und die Mitarbeiter des Unternehmens, das das Gerät haben wollte, waren auch noch nicht darauf geschult.
4 bis 5 Hilfsarbeiter sollte die Maschine schon ersetzen können, wenn die Wirtschaftlichkeitsrechnung im Investitionsantrag für das Gerät Spaß machen sollte. Und wenn es sich in Deutschland nicht rechnet, verkaufst du das Ding in ganz Europa nirgendwo.
Ein weiteres Indiz des zu teuer waren die Kilometersätze von 1,60 €/km, wenn die Monteure ohne Gerät fuhren, und 1,90 €/km, wenn sie einen Kartonöffner an Bord hatten, als ob das das Auto interessieren würde.
Das war schon edel und wenn der Textilbereich nun was haben wollte, wird er das sicher schon von seinen asiatischen Produzenten für ganz schmales Geld extra bekommen können, wie es im Detail auch aussah. Da jeder kostenbewusste Profi reflexartig diese Gedanken im Kopf hatte, war die Wahrscheinlichkeit hoch, dass der automatische Kartonöffner hoffnungslos zu teuer und damit am Markt vorbeientwickelt worden war.
Wer jetzt sein Interesse für das Gerät noch nicht vollends verloren hatte, tat dies spätestens beim Besuch der Internetseite, die den ersten Gedanken des unangemessenen Preises untermauerte. Auf der Startseite war ein altes Palais in sehr gutem Zustand gezeigt. Sowas kostet richtig Geld. Das weiß jeder. Und es war eben nicht der moderne Funktionsbau in einem Gewerbegebiet, der einer kleinen Firma gerecht wird, die Automatisierungsequipment baut.
Der erfahrene technische Manager wird sich dieses Gerät nicht vorstellen lassen.
Ich war gespannt, den Kollegen einmal kennen zu lernen.
Montag, 6. Januar
Für dieses neue Jahr hatten wir vor, alle 14 Tage montags ein Webmeeting durchzuführen, um den Kontakt untereinander zu intensivieren. Es fing gut an. Gleich das erste wurde verschoben, verschoben in eine unbestimmte Zukunft ohne neuen Termin.
Am frühen Abend schickte ich 2 Mails an unseren Gesellschafter. Für kommenden Donnerstag war unser nächstes Regionaltreffen terminiert und natürlich wollte ich den Kollegen dort mein Beratungsangebot vorstellen.
Die 2. Mail beinhaltete, was mir für unser Bundestreffen Ende Februar thematisch am Herzen lag.
…Als Neuling ist mir am meisten am Kennenlernen der Kollegen gelegen.
Generell ist für mich die Frage, wie wir mehr zusammenarbeiten können, um mit vernetzter Snowball-Expertise den Beratungs-Mitbewerb zu toppen, eine ganz zentrale.
Daran gekoppelt ist, untereinander zum gegenseitigen Vorteil Kundenkontakte zu nutzen….
Die Kollegen kennen, wissen, wer was anbietet und sich gegenseitig bei Kundenterminen empfehlen, um zu Mandaten zu kommen. Deshalb war ich doch in den Verbund eingetreten.
Ich freute mich sehr, am selben Abend noch Antworten zu bekommen. Das war gerade im Managementkreis in meiner Industriezeit nicht überall eine Selbstverständlichkeit gewesen.
Mittwoch, 8. Januar
Die erste Mail des Tages, morgens 7.15 Uhr, von unserem Gesellschafter. Unser nächstes Bundestreffen war nun auch örtlich fixiert. In Mainz sollte es stattfinden, Freitag und Samstag, Ende Februar in einem Hotel. Von mir aus über 400 km, eine Strecke, die im Winter zäh werden kann. 184.- € sollte die Hin- und Rückfahrt in der Bahn kosten, gut das Doppelte wie der Diesel. Also doch mit dem Auto fahren, zumal der Hauptbahnhof noch 6 km vom Hotel entfernt lag.
Ich rief die genannte Dame im Hotel an und bestellte ein ruhiges Nichtraucherzimmer für mich. Nach 1,5 Stunden kam meine Reservierungsbestätigung. Ich las sie und freute mich besonders über die eingebaute preisliche Hintertür mit evtl. on top dazu kommenden lokalen Steuern.
…Alle resultierenden Preise gelten pro Zimmer und Nacht und verstehen sich inklusive der jeweils geltenden Umsatzsteuer und kommunalen Zusatzabgabe bzw. -steuern. Bei eventueller Änderung der gesetzlichen Umsatzsteuer oder bei Erhebung von kommunalen Zusatzabgaben bzw. -steuern für Hotelbetriebe (z.B. "Kulturförderabgabe für Übernachtungen" bzw. "Bettensteuer") werden die Preise entsprechend automatisch angepasst….
Seit einiger Zeit war es in Deutschland in Mode gekommen, dies beschäftigte mittlerweile die Gerichte, dass die lokalen Kommunalpolitiker-Fürsten für Übernachtungs-Besucher Sondersteuern einkassierten, die dann von den Hotels erhoben und abgeführt werden mussten, eine Kurtaxe ohne Kurort und Kur, einen Schlaf-Ablass, ein Rückschritt in die Kleinstaaterei oder gar ins Mittelalter.
Und wenn die Fürsten von Mainz dies bis zu meiner Übernachtung beschließen würden, hätte ich es zu bezahlen. Das ist gelebte Gastfreundlichkeit.
Donnerstag, 9. Januar
Für heute war das Treffen der Kollegen aus dem Raum Hamburg, Berlin, Hannover und dazwischen mit unserem Gesellschafter terminiert. Im City Center Hannover, dicht beim Hauptbahnhof, gegenüber von Kaufhof, hatten wir einen Tagungsraum angemietet.
Ich hatte damit ein Heimspiel und fuhr mit Bus und Straßenbahn in die Innenstadt. Um 9.30 Uhr war ich als Zweiter in unserem Raum. Ein Hamburger Kollege war 9.10 Uhr aus dem ICE gestiegen. Natürlich kamen die Hamburger und Berliner mit der Bahn. So schnell war es mit dem Auto, auch bei staufreier Fahrt, nicht zu machen.
10.00 Uhr ging es los. Unsere Gruppe war nicht vollständig. Unser Gesellschafter begann mit aktuellen Informationen. Ein Kollege hatte sich von unserem Verbund getrennt. Er wollte es zukünftig allein versuchen. Ein anderer war an Krebs erkrankt, frisch operiert worden, kurz vor der Chemo-Therapie, hatte ganz andere, viel größere Sorgen. Ein Dritter arbeitete in einem Interim Management Mandat in Freiburg, der Vierte, keiner wusste es. Er war nicht da.
Erster Punkt auf unserer Agenda war eine Idee zu einer veränderten Organisation unseres Verbundes, um noch schlagkräftiger den Markt angehen zu können. Ich kannte die in Präsentationsform aufbereiteten Gedanken dazu bereits aus unserem letzten Webmeeting vom Ende letzten Jahres, aber nicht alle hatte teilgenommen oder teilnehmen können.
Stellt man sich dieser Thematik, sollte man eine Weisheit selbstkritisch im Kopf haben: größere bis große Unternehmen bzw. Organisationen neigen dazu, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Dieser Beschäftigungsdrang wird stärker, wenn das Geschäft nicht läuft und ist in den meisten Fällen völlig kontra produktiv. Im Rückschluss bedeutet dies, jedes Treffen sollte einen klaren Sinn und Zweck haben und ein Ergebnis bringen. Sonst ist es in Konsequenz letztendlich nur Zeitverschwendung gewesen.
Ich hatte darum gebeten, den Kollegen meine Beratungsexpertise, die auf bald 30 Jahren Berufserfahrung basierte, als einen Agenda Punkt zu präsentieren. Eine Quasi Vorstellungs-Präsentation.
…Wir sind in der Massenfertigung, dort wo große Mengen in kurzer Zeit bei niedrigen Stückkosten hochpräzise produziert werden. Werke mit einer jährlichen Produktionsmenge, die in Milliarden Stück angegeben wird, jedes Stück auf die zweite Nachkommastelle bei der Einheit mm genau. Dort, wo sie oftmals ein Stroboskop brauchen, um durch die Synchronisation der Blitzfrequenz mit der Maschinengeschwindigkeit ein stehendes, sichtbares Bild einer Produktionsmaschine zu haben. Wir sind dort, wo kleine Änderungen oftmals große Auswirkungen haben….
Beim Vortragen sagte ich mir innerlich mehrfach, pass auf, du bist der einzige Techniker und Produktions-Manager hier. Mach es nicht zu technisch, das sind alles Diplom Betriebswirte und Diplom Kaufleute. Erzähl ihnen deinen Inhalt so, dass sie was verstehen können, denn das ist deine Aufgabe als Vortragender.
Bei einem meiner Charts merkte ich, wie ein Kollege sich fleißig Notizen machte. Nachdem ich mit meinen 45 Minuten durch war, wusste ich warum. Er war morgen mit dem Inhaber eines mittelständischen Unternehmens zu einem zweiten Akquise Gespräch verabredet und stand kurz vor einem Mandat. Der Inhaber hatte ihm im ersten Gespräch sein Leid geklagt, wie schlecht er die Zusammenarbeit seiner Mitarbeiter in seinem Unternehmen einschätzte. Er das aber nicht in den Griff bekam.
Ein Teil meines Beratungsangebots war genau dies: die Verbesserung der innerbetrieblichen Zusammenarbeit. In unserer oftmals so technikgläubigen Welt können Sie die Betriebsergebnisse genau dadurch steigern, ohne Geld für neue Maschinen auszugeben, im weitesten Sinne. Sie brauchen nur mit ihren Mitarbeitern zusammen zu arbeiten.
Diese Botschaft lässt sich gut transportieren. Im Fußball-Land Deutschland eignen sich Vergleiche zu diesem Sport oftmals am besten, da sie von allen leicht verstanden werden. Die Mannschaft auf dem Platz hat ein gemeinsames Ziel: Erfolg zu haben. Der Erfolg misst sich beim Fußball daran, in der klar begrenzten Spielzeit mehr Tore als der Gegner zu schießen.
Im Unternehmen wird der Erfolg am Betriebsergebnis gemessen. Im Unternehmen ist es für die meisten leichter, als auf dem Fußballplatz. Niemand braucht in harte Zweikämpfe zu gehen, zumindest kein Werker, die Chefs schon. Er muss nur exzellent seinen Job im Team machen, mit den Mitspielern, den Kollegen. Es spielt keine Rolle, ob einer Staplerfahrer oder Werkleiter ist. Nur das Team kann gemeinsam gewinnen. Wenn jemand keine Funktion hat oder nicht mitspielen möchte oder gar foult, gehört er nicht auf das Spielfeld, nicht in das Team.
Und das die Fußball-Vereine Unternehmen mit hohen Umsätzen und hochbezahlten Mitarbeitern, den Fußball-Profis, sind, das weiß jeder. Wenn der Fußball-Profi keine Leistung bringt oder sich nicht an die Regeln auf dem Platz oder die seines Unternehmens, seines Arbeitgebers, seines Vereins, hält, wird das Unternehmen ihn rausschmeißen. Klar wie Kloßbrühe.
Das versteht jeder. Für die Umsetzung im Betrieb braucht man Konsequenz und einen langen Atem. Dann bringt es Erfolg und mehr Spaß für alle.
In Ergänzung dazu: Führungskräfte sollten mit der aus Japan stammenden Kaizen-Philosophie bzw. Strategie vertraut sein, um ihre Aufgabe nicht aus den Augen zu verlieren. Es meint Veränderung zum Besseren. Wer sich hier auskennt weiß, dass die Japaner zumindest in einigen Fachbüchern so weit gehen, dass es vielen deutschen Managern schwindelig werden würde. Die oberste Aufgabe der Manager ist, dafür zu sorgen, dass die Mitarbeiter in der Werkhalle optimale Arbeitsbedingungen haben, denn die sind die Wertschöpfenden des Unternehmens, und eben nicht die Manager.
Im Fußball-Bild heißt das, sich als Spieler-Trainer zu sehen, der bei Bedarf selber mitspielt, und für den Zustand des Platzes und der Stimmung in der Mannschaft verantwortlich ist.
Ich war gespannt, ob mich der Kollege in den nächsten Tagen anrufen würde, ob der Unternehmer sich zum Thema Zusammenarbeit extern unterstützen lassen wollte.
Sonntag, 12. Januar
Mittags meldete sich unser Gesellschafter für 2 Wochen in den Urlaub ab. Nächste Woche Donnerstag sollte es losgehen. An seinem letzten Arbeitstag hatten wir vorher noch einen gemeinsamen Termin, den ich für uns arrangiert hatte. Also, nur nach einem Akquise-Erfolg würde ich seinen Urlaubsschein unterschreiben. Ein bisschen Spaß darf sein.
Montag, 13. Januar
Es war ein Montag, ein von mir seit jeher ungeliebter Montag. Daran hatte auch mein Start in eine noch undefinierte Selbständigkeit nichts geändert. Der Morgen ging gleich mies los.
Ich hatte mir in der Adressenliste unseres Beraternetzwerks eine Telefonnummer von einem Kollegen rausgesucht und dabei gesehen, dass meine eigenen Nummern dort nicht aktuell waren. Die Mobilenummer war eine alte, die zur Zeit nicht in Betrieb war, da die SIM-Karte im Schreibtisch lag. Natürlich hatte ich mich Ende letzten Jahres telefontechnisch mit einem iPhone auf den Stand der Gegenwart gebracht und damit eine neue Nummer erworben. Auch beim Festnetz war noch eine private Sammelnummer gelistet und nicht die speziell für die Beratungsaktivitäten installierte. Also, schnell eine kleine Mail an die Zentrale mit der Bitte, spätestens beim nächsten Release der Adressenübersicht ein Update durchzuführen.
Nach 5 Minuten kam die Meldung über einen Zustellungsfehler. Das war sehr ungewöhnlich. Ich las nochmal die Mailadresse. Alles war richtig, kein Fehler meinerseits. 2. Versuch. Wieder kam nach kurzer Zeit eine Fehlermeldung.
Wenn die eigene Agenda für den Tag bereits etliche Lästigkeiten enthält, nervt es, wenn so ein Kleinkram auch noch Zeit fressen will. Ich schickte mir von einem Rechner zum anderen eine Testmail, von der einen zur anderen Mailadresse. Alles war einwandfrei.
Die Aufklärung zu dem Thema gab es nachmittags. Das Mail Postfach war voll gewesen. Und wie bei einem richtigen Briefkasten hatte nichts weiter mehr reingepasst, war damit unkontrolliert runter- und weggefallen. Also nochmal senden.
Einige Kollegen hatten wohl ein ähnliches Fragezeichen-Erlebnis gehabt wie ich und gleich hinterher telefoniert.
Mittags rief ich den Berliner Kollegen an. Es war ihm letzten Freitag gelungen, ein Mandat bei dem inhabergeführten Mittelständler zu vereinbaren. Es ging um ein Projekt, den Wissensstand in seinem Unternehmen zu verbessern.
An der Verbesserung der innerbetrieblichen Zusammenarbeit hatte der Mann immer noch großes Interesse, aber mehr als ein Thema konnte er nicht zur selben Zeit handhaben, denn es lag bei ihm persönlich. Wir vertagten uns auf April.
Am späten Nachmittag telefonierte ich mit unserem Gesellschafter. Am kommenden Mittwoch wollten wir gemeinsam einen Altkontakt von mir besuchen. Unser Gesprächspartner würde der Inhaber einer anderen Beratungsgesellschaft sein, die ein komplett anderes Angebotsspektrum abdeckte, als wir es taten. Die Agenda hatte ich ihm bereits vorher zugeschickt. Wir stimmten unser Vorgehen ab.
Es wirkte für mich desillusionierend zu hören, dass die in der Vergangenheit unternommenen Versuche, Beratungsgesellschaften mit einem sich nicht überschneidenden Themenangebot zu vernetzen, keinen nennenswerten Nutzen gebracht hatten. Es gab auch kein existentes Modell dazu, das man hätte ausrollen können.
Ich wusste, dass eine dauerhafte Auftragsflaute das Kernthema unseres Gastgebers war. Dies hatte er mir bei meinem Besuch letztes Jahr im September gesagt. Er versprach sich seinerseits vermehrte Kundenkontakte von uns. Wir würden ihm unsere Unterstützung bei verbesserten Akquise-Methoden anbieten, eventuell einen 1 bis 2 Tages-Workshop offerieren. Das Ganze als Auftrag für uns. Wir wollten alles live entwickeln. Zum Start würde ich unsere Standard-Präsentation über unser Netzwerk und unsere Beratungsfelder halten.
Es war fast 20.00 Uhr. Der Tag mit einigem Nerv-Kram ging zu Ende, wie er angefangen hatte, mit Eigenleben der PC-Welt. Es war der 13., aber doch gar kein Freitag.
Und wie bereits geschrieben: Sie machen eben alles selbst.
Mittwoch, 15. Januar
Kurz vor 7.30 Uhr startete ich nach Westen zu meinem Termin in Lingen. Als ich nach 2 Stunden die 200 km hinter mir hatte und parkte, sah das Auto wieder aus wie S.. Die Wagenwäsche gestern war bei dem leichtem Regen heute Morgen nur für den Umsatz der Waschstraße gut gewesen, ohne nachhaltige Sauberkeit, aber man fährt nicht mit einem dreckigen Wagen zu einem Termin.
Mein Kollege war schon da. Nachdem er aus dem Düsseldorfer Verkehrs-Geknuddel raus war, lief es für ihn gut. Und es war tatsächlich von dort rund 20 km näher.
10 Minuten vor unserer vereinbarten Startzeit gingen wir hinein.
Ob wir schon gemeldet worden waren, wussten wir nicht. Auf jeden Fall kam uns unser Gastgeber entgegen. Wir gingen zusammen in die obere Etage, in sein Büro im ersten Stock. Seine freundliche Assistentin versorgte uns mit Cappuccino, Wasser stand auf dem Tisch.
Wir waren zu dritt, 3 Herren in den 50ern, alle mit einem gut bestückten 5er BMW unterwegs, ein leichter Anknüpfungspunkt für das Warm Up. Es wurde ein gutes Gespräch, sachlich, offen, konstruktiv, in dem Bemühen, Aktivitäten zu definieren, die allen Beteiligten nützlich waren. Um diese zu steuern, hatte ich angeboten, ein Ergebnis-Protokoll zu erstellen. Wer macht was bis wann, nur so geht es.
Letztendlich lief es auf eine Zweier-Arbeitsgruppe hinaus. Ich wollte mit Frau Sanden, der Geschäftsführerin einer weiteren GmbH, die unserem Gesprächspartner gehörte, ihre Bestandskundenlisten durchsehen und an diese mit einem gemeinsamen Angebot herantreten. Ein gemischtes Doppel kommt bei einem Kundenbesuch doch immer gut.
Es gab noch einige weitere Kleinigkeiten, so wie sich gegenseitig auf den Internetseiten zu nennen und natürlich bot ich dem Hausherrn einen Workshop als direkten Auftrag für mich an.
Noch vor Ort verabschiedete ich meinen Kollegen und Gesellschafter unseres Verbundes nach den Wünschen für eine sichere Heimfahrt in den Urlaub. Er wollte morgen mit seiner Frau für 2 Wochen nach Fuerteventura fliegen. Schön!
Bevor ich losfuhr hatte ich schon von einer Vollsperrung der A 30 bei Osnabrück gehört, für mich glücklicherweise in Gegenrichtung. Als ich eine halbe Stunde später an der Unfallstelle vorbeifuhr, sah ich 2 Lkw, einer vorne total aufgerissen, einen um 180° gedrehten schwarzen S Mercedes und 4 Pkw auf dem Standstreifen. Dann war ich vorbei. Es kam die übliche lange Schlange Autos aus denen die Menschen schon ausgestiegen waren.
Wie war es passiert? Es ist immer wieder dieselbe Frage.
Wieder in Hannover war die A 30 immer noch gesperrt, der Stau mittlerweile 9 km lang.
Donnerstag, 16. Januar
Die erste Firmenadressenrecherche stand auf meinem Programm. Wem wollte ich zusammen mit Frau Sanden meine bzw. unsere Dienstleistung anbieten? Ich loggte mich in die Hoppenstedt Firmen Datenbank ein. Dort sind mehrere Selektionsmöglichkeiten vorhanden so wie Branche, Umsatz, Bundesland und Personalstärke, um nur einige zu nennen. Im Fokus hatte ich Unternehmen mit 100 bis 250 Mitarbeitern, ggf. bis 500 Mitarbeitern. Aus den Produktportfolios der Unternehmen versuchte ich, Ansatzpunkte für unser gemeinsames Dienstleistungsspektrum abzuleiten, um dann bei diesen Unternehmen vorstellig werden zu können.
Ich war wirklich gespannt, was sich daraus machen lassen würde.
Dienstag, 21. Januar
Nachmittags surfte ich noch mal durch die Firmendatenbank von Hoppenstedt. Ich hatte meine Vorauswahl letzten Donnerstag getroffen, eben durch meine Brille gesehen und beurteilt. Die Dame in Lingen sollte, genauso wie ich, die volle Auswahl haben. Sie würde sicher nach anderen Kriterien für sie interessante Unternehmen auswählen. Danach konnten wir eine Schnittmenge suchen bzw. definieren.
Es stellte sich die banale Frage, wie ich denn möglichst schnell die rund 60 selektierten Firmen via Mail transportieren konnte. Mein Beraterverbund verfügte nicht über den Premiumzugang zur Firmendatenbank, der einen Daten-Export in Excel oder als PDF ermöglichte. Das sollten wir zeitnah ändern, zumal es nur schmales Geld mehr kostete.
Es gelang die Selektion in ein Word Dokument zu kopieren. Bis auf den jeweiligen Link auf die Firmen Homepage schienen alle Angaben heile geblieben zu sein. 75 Seiten auszudrucken und dann einzeln von Hand einzuscannen, hätte genervt und sicher mindestens eine Stunde Blödsinns Arbeit bedeutet.
Das gewohnte, professionelle Firmen-Büro-Equipment und die Assistenz fehlten manchmal doch sehr. Man ist als Ein-Mann-Show unterwegs und macht alles selber. Aber das hatten wir ja schon.
Späten Nachmittag hatte ich einen Geistesblitz, eine Idee. Ich brütete seit Tagen daran herum, wie ich möglichst plastisch ein Thema in einer Präsentation darstellen konnte. Einige Skizzen dazu hatte ich in PowerPoint schon erstellt, war aber nicht zufrieden damit. Und jetzt war es da, vom wohl brodelnden Unterbewusstsein ins Bewusstsein gelangt. In 2,5 Stunden wurden aus einigen Skizzen 8 gute, neue Charts. Das war sehr zufriedenstellend.
Mittwoch, 22. Januar
Morgens versuchte ich Frau Sanden zu erreichen, um unsere gemeinsamen Aktivitäten anzugehen. Ihre wache Assistentin teilte mir mit, ich könne sie heute ab 14.00 Uhr oder morgen vor 8.30 Uhr erreichen. 14.45 Uhr hatte ich die Geschäftsführerin am Draht.
Das erste, was ich von ihr hörte, war, dass sie letzten Freitagmittag von meinem Protokoll überrascht worden war. Es war wie der berühmte Schlag mit dem Brett vor den Kopf gewesen. Mein Gesprächspartner vom letzten Mittwoch hatte sich nicht an unsere Vereinbarung gehalten. Er sollte und wollte seine Geschäftsführerin vorab über unser Gespräch informieren.
Ich fühlte mich, als ob ich gerade mit beiden Füßen und richtig mit Schwung in einen großen Fettnapf gesprungen war. Ich sah es sinnbildlich nach allen Seiten wegspritzen. Glücklicherweise war die Dame trotz zierlicher Gestalt robust genug, um nicht gleich zu Tode beleidigt zu sein. Ich berichtete ihr über unser Gespräch am letzten Mittwoch, wie es motiviert war und wie wir zu den Vereinbarungen gekommen waren. Soll der Dialog gelingen, heißt es, auf den anderen zuzugehen, ihn abzuholen und mitzunehmen.
Nach 20 Minuten waren wir beide auf einem Stand und konnten über das Wie unserer gemeinsamen Arbeit reden. Es ist immer so, wenn man mit einem neuen Thema beginnt: Beim gemeinsamen Nachdenken sind ruck zuck viele offene Fragen da. Wir verabredeten uns für Mittwoch in 2 Wochen in Lingen. Sie würden ihren Gesellschafter für eine Zeit mit dazu bitten, um bei Entscheidungen mit involviert zu sein.
Es waren sehr gute 45 Minuten am Telefon. Wir hatten uns an der Sache orientiert und waren deshalb auch in der Sache weiter gekommen. Eine endlose, von eigenen Befindlichkeiten getriebene, politische Diskussion, warum denn der eine den anderen nicht vorinformiert hat und so weiter, hätte nur unsere Zeit verschwendet. Denn letztendlich wollten wir durch die Umsetzung unserer Ideen Geld verdienen. Das kommt eben nicht von allein.
Direkt danach schickte ich der Dame die Datei mit den Firmendaten in Niedersachsen, produzierendes Gewerbe, Metallverarbeitung, 100 bis 500 Mitarbeiter. Die wenigen großen Unternehmen in Niedersachsen anzugehen, hatten wir für uns ausgeschlossen. Wir hatten keinen großen Namen und waren im Mittelstand zu Hause. Die ganz großen haben außerdem oftmals ihre hausinternen Fachgruppen, die eben auch unsere Arbeitsleistung anbieten.
Sie hatte vor einiger Zeit ein Projekt für Volkswagen gemacht und als Universitäts Ingenieurin 60.- € die Stunde bekommen. Das war geradezu eine Frechheit, wenn man bedenkt, dass eine Monteurstunde in einer VW Werkstatt dem Kunden mit mehr als dem Doppelten in Rechnung gestellt wird.
Also keine Großunternehmen.
Montag, 27. Januar
In dem Wissens- und Vorlagenfundus unseres Beraternetzwerkes existierten Fragebögen zur Unternehmensanalyse. Es gab einen kurzen mit knapp 30 Fragen und einen langen mit über 260 Fragen. Über den kurzen Fragebogen konnte es gelingen, in ein Mandat einzusteigen.
Ich hatte den sogenannten Quick Check schon mehrfach gelesen. Er gefiel mir nur zur Hälfte. Es war mir klar geworden, dass er auf einen Beratungsauftrag im Vertriebs- oder Finanzbereich abzielte. Das war nichts für mich. Damit ich ihn sinnvoll für mich einsetzen konnte, wollte ich ihn von Grund auf umbauen.
Natürlich blieben elementare Fragen nach Umsatz- und Ergebnisentwicklung mit enthalten. Aber ich ergänzte Fragen zum Produktionsstandort, nach Fertigungskennzahlen und zu den Mitarbeitern. Für mich gehörte in den kompakten Fragebogen auch die Qualität der Zusammenarbeit mit dem Betriebsrat hinein.
Mit einem Paket aus 34 Fragen fühlte ich mich komfortabel. Je nach Gesprächigkeit des Interviewpartners würde das 1 bis 2 Stunden dauern. Der Trick war die Selbsteinschätzung des Unternehmens durch den Unternehmer. Und niemand gibt sich überall 100%. Also sollte doch die Lücke aus der Eigenbewertung innerhalb eines Auftrags zu schließen sein.
Mein großer Rechner zickte mächtig rum, mit fehlerhaften Meldungen und zeitweiser Leistungsverweigerung im MS Excel. Um ihn wieder zu beruhigen, installierte ich die neue Version von Norton Internet Security, satte 3 Tage vor Ende der letzten. Jetzt sollte er ja wohl wieder zufrieden sein.
Donnerstag, 30. Januar
Mein Verdacht, dass mein PC auch nur ein Mensch war, hatte sich die beiden letzten Tage bestätigt. Toi, toi, toi, alles war wieder in Ordnung. Es gab keine Zickereien mehr.
Morgens kurz nach 7.00 Uhr schickte ich die vorbereitete Agenda für das Arbeitstreffen in einer Woche an Frau Sanden. Ich wollte weiterkommen und dies gelingt am besten, wenn alle gut vorbereitet sind.
Ich hatte meinen im ersten Gespräch vereinbarten Part erfüllt und die Adressenauswahl möglicher Neukunden vor einer Woche übersandt. Im Gegenzug hatte ich noch keine Stammkundenadressen aus Lingen zurückbekommen. Natürlich ärgerte es mich, dass ich im Moment der einzige zu sein schien, der konstruktiv an einer Kooperation arbeitete. Ich hatte mich jedoch entschieden, meinen Unmut über die Trägheit der anderen nicht zu zeigen.
Zuerst brauchte ich die Kontaktpersonen in der geschuldeten Stammkundendatei. Außerdem hatte ich schon weiterführende Ideen im Kopf. Das wollte alles entwickelt werden und ich puschte das Ganze.