Sorgen sind wie Nudeln, man macht sich immer zu viele - Sabine Bode - E-Book
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Sorgen sind wie Nudeln, man macht sich immer zu viele E-Book

Sabine Bode

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Beschreibung

Egal, wie alt wir werden, unsere Sorgen werden nicht weniger. Wir weinen wegen unserer zusätzlichen Pfunde, weil wir verdrängt haben, dass wir als Teenies mit Möchtegern-Kim-Wilde-Frisur, blauem Lidschatten und Knoten-T-Shirt auch nicht viel besser aussahen. Wir glauben, TikTok sei das mit den zwei Kalorien. Unsere Punk-Helden von damals machen jetzt Werbung für die Deutsche Bahn oder Rollkoffersets. Wir kriegen regelmäßig cholerische Anfälle, weil wir es nicht schaffen, ein Stück Frischhaltefolie unfallfrei aus der Packung zu friemeln. Die Kinder werden flügge, und die eigene Hüfte war auch schon mal weniger porös. Im Job fühlen wir uns nicht mehr wertgeschätzt, obwohl wir eine 3,5-Zoll-Diskette perfekt formatieren können. Und zu allem Übel werden wir noch ständig genötigt, unser Liebesleben aufzupimpen. Bestsellerautorin Sabine Bode ist sich zu schade für noch mehr Alterssorgen und verweist diese mit neuen, aber gewohnt unverblümt-charmanten Storys in ihre Schranken. Denn Humor lässt uns gelassener älter werden und bietet für alles eine Lösung – außer für das mit der Frischhaltefolie.

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Seitenzahl: 188

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Die Autorin

Sabine Bode arbeitete nach dem Studium der Anglistik, Germanistik und Pu-blizistik als Journalistin und Übersetzerin sowie als Gagschreiberin für das Who’s who der deutschen Comedyszene. Inzwischen ist sie selbst als Komi-kerin und Autorin erfolgreich und hat mit ihrem Buch »Älterwerden ist voll sexy, man stöhnt mehr« einen Megabestseller geschrieben. Sie zählt sich zur Randgruppe »verheiratet, zwei Kinder, kein Weber-Grill« und lebt mit ihrer Familie in Bochum.

Infos und Termine: fraubode.de

Sabine Bode

Sorgen sind wie Nudeln, man macht sich immer zu viele

Noch mehr Lesekonfetti für problemgebeutelte Postjugendliche

Dieses Werk ist ein humoriges Sachbuch und beruht auf Erfahrungen und teils satirisch überhöhten Erlebnissen. Die Autorin gibt hier ihre persönliche Sicht wieder, die keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit hat. Alle Inhalte wurden von der Autorin und dem Verlag sorgfältig geprüft.

Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Originalausgabe Oktober 2022

Copyright © 2022 by Wilhelm Goldmann Verlag, München, ein Unternehmen der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH

Neumarkter Straße 28, 81673 München

Copyright © 2022 by Sabine Bode

Umschlaggestaltung: UNO Werbeagentur, München, unter Verwendung eines Fotos von © FinePic®

Illustrationen im Innenteil: © FinePic® und Shutterstock/chrupka; Shutterstock/natalia yur; Shutterstock/NotionPic; Shutterstock/lesyauna; Shutterstock/yod 67; Shutterstock/Wonder-studio

Redaktion: René Stein & Dr. Marion Preuß

MP · Herstellung: CF

Satz: Uhl + Massopust, Aalen

E-Book Produktion: Satzwerk Huber, Germering

978-3-641-29519-6

www.goldmann-verlag.de

Inhaltsverzeichnis

Einmal Sorgen mit alles, bitte!

Karma-Check in der Halbzeit: Auf das, was nicht mehr kommt

Sorgenfrei in zwei Minuten #1

Change Management: Altern wie im Bilderbuch

Sorgenfrei in zwei Minuten #2

Salt ’n’ Preppa: Ich hab da mal was vorbereitet

Sorgenfrei in zwei Minuten #3

Betriebsklimakterium: Rita, wo sind denn die Disketten?

Sorgenfrei in zwei Minuten #4

Spice up your Sex-Life? Öööh … nein.

Sorgenfrei in zwei Minuten #5

Nestfluchtpanik: Ich lass los, lass jetzt looos

Sorgenfrei in zwei Minuten #6

Don’t like to move it, move it: Tag der deutschen Einheitsgröße

Sorgenfrei in zwei Minuten #7

Tech? No! Wenn Mikrowellen morden wollen

Sorgenfrei in zwei Minuten #8

Tatsächlich … Liebe? Beziehungswaisen

Sorgenfrei in zwei Minuten #9

Kleinhirn an Großhirn: Fertigmachen zum Vergessen

Sorgenfrei in zwei Minuten #10

Rebellen mit Rollkoffern: Wir sind Helden … gewesen

Sorgenfrei in zwei Minuten #11

Top 12 der partiell-provokanten Psycho-Tipps gegen prekäre Alltagsirritationen

Sorgenfrei in zwei Sekunden

Ausgesorgt in 3, 2, 1 …

Anhang: Listige Lebenshilfe

Für P.

Einmal Sorgen mit alles, bitte!

Neulich habe ich einen Werbespot gesehen, in dem es hieß: »In diesem Auto können fünf Leute ohne Problem Platz finden.« Der erste Gedanke, der mir durch den Kopf schoss, war: »Alles klar, aber wo finde ich diese fünf Leute ohne Problem?«

Okay, der war ein bisschen sehr flach, aber ich dachte, so ein locker flockiger Einstieg in das vorliegende Sammelsurium der Seelenqualen kann in diesen konfliktbeladenen Zeiten nicht schaden. Denn es ist ja so: Sorgen und Nöte haben wir in allen Lebensphasen. Als Teenager fühlen wir uns erst wertgeschätzt und wahrgenommen, wenn wir die Türen knallen lassen, bis die Erde bebt. Als junger Mensch fragen wir uns ständig, ob der Partner, die Ausbildung oder die Wohnungseinrichtung adäquat unsere Persönlichkeit matcht. Ab dreißig sind wir entweder genervte Kinderlose in einem Meer von glückstrunkenen Kleinfamilien oder dauergestresste Jungeltern, die anderen die Glückstrunkenheit nur vorspielen. Mit vierzig fragen wir uns langsam, ob wir alles richtig gemacht haben oder noch mal anders durchstarten wollen: neue Liebe, doch noch ein Kind oder vielleicht lieber ein Axolotl, Umschulung vom Postbeamten zum Pilateslehrer, oder doch vom Hunsrück nach Helgoland umziehen? Ja, und kaum haben wir ein halbes Jahrhundert hinter uns, hätten wir endlich die Zeit, das zu tun, worauf wir Bock haben: Die Kinder können sich eigenständig ankleiden, der Hauskredit rückt immerhin langsam in die Nähe von »abbezahlt«, wir wissen, wer wir sind, was wir wollen und wie man eine Dose Hugo ins Kino schmuggelt. Man könnte jetzt anfangen, ein sorgenfreies Leben zu führen, wenn man sich nicht ständig neue Bürden aufladen würde: Wir ärgern uns über unseren Hallux valgus, von dem wir bis vor Kurzem noch geglaubt haben, das sei eine Mittelalter-Rockband. Wir schämen uns ein bisschen, weil wir mit der Neuzeit immer weniger klarkommen und glauben, TikTok sei das mit den zwei Kalorien. Wir stehen kurz vor einem Nervenzusammenbruch, wenn der Partner mal wieder zehn einzelne Spaghetti in der Packung zurücklässt. Wir fragen uns, was wir in der Erziehung falsch gemacht haben, weil das Kind FDP wählen will. Wir trauen uns nicht, den Job zu wechseln, weil wir fürchten, dass wir mit unseren Word für Windows 3 Kenntnissen nicht weit kommen. Die Zeit wird knapp, der Lieblingspulli auch, und den Satz »Machen Sie mal langsamer!« hören wir nicht mehr von der Polizei, sondern von unserem Hausarzt.

Kurz, es gibt so vieles, worüber man sich ab der Lebensmitte Gedanken und Sorgen macht. Aber wie wäre es, den »Was war diese Woche doch für ein beschissenes Jahr!«-Modus mal auf Pause zu stellen und die Dinge, die wir nicht ändern können, einfach hinzunehmen und zu sagen: Isso. Machste nix. Schließlich ist noch nicht aller Tage Abend, auch wenn jeden Tag der Abend ein bisschen eher zu kommen scheint. Also: Nicht jammern, dass wir im Freizeitpark schon die Seniorenkarte kriegen, sondern freuen, dass die eben auch 20 Euro weniger kostet. Zu COREGA Tabs stehen – denn schließlich kann man damit super seine alten Nietengürtel sauber kriegen! Oder sich wenigstens für jede Lebenslage einen Notfallplan parat halten. Ich schaue zum Beispiel immer, wenn es mir schlecht geht, konzentriert auf den Einkaufswagenchip-Anhänger, der fest am Reißverschluss meiner Handtasche baumelt. Zumindest für eine kurze Zeit habe ich dann das Gefühl, ich hätte mein Leben im Griff.

Und wenn das mal nicht klappt, habe ich immer noch meine Gejammer-Austauschliste, die ich neben Bachblüten und Notfall-Snickers immer in der Jackentasche habe und die vielen altbekannten Denkmustern Paroli bietet:

Statt …

… lieber:

»Wäääh, ich bin zu dick, zu dünn, zu klein, zu papayaförmig …«

»Ich bin NICHT wie Erika Steinbach. Alles andere kann man ertragen.«

»Mein Nachbar fährt einen Lamborghini!«

»Mein Nachbar glaubt, dass es Lambordschini heißt!«

»Früher hat man noch nicht so viel Geschiss um die Kinder gemacht!«

»Ja, stimmt. Wir sind auf der Autobahn auf dem Rücksitz des Audi 80 eingepennt. Ohne Gurt, denn den hat man wegen des Zigarettenqualms eh nicht gefunden!«

»Ich habe meinem Partner nichts mehr zu sagen.«

Der Satz »Du kannst das Shirt gerne anlassen. Wenn es DICH nicht stört.« geht immer!

»Alle fahren in den Skiurlaub, nur wir zum siebten Mal nach Spiekeroog!«

»Tja, aber in Ischgl kann man nicht unauffällig ins Wasser pinkeln!«

»Mein rechtes Bein tut weh.«

»Aber das linke nicht.«

»Mein Kind zieht aus, wir haben als Eltern versagt!«

»Endlich ein extra Zimmer, das ich mit schalldichten Wänden versehen und ungehemmt Boney M. hören kann!«

»Alle meine Arbeitskollegen sind mindestens zehn Jahre jünger als ich!«

»Ist doch toll, denn spätestens nach dem dreizehnten ›Zieht euch endlich Socken an die Füße, Kinder, es ist Winter!‹ hat man das Büro für sich allein.«

»Meine Haare werden immer dünner.«

»Föhnen dauert nur noch 30 Sekunden.«

»Es regnet schon seit Wochen!«

»Tja, da kann ich wohl keine Fenster putzen. Schaaade!«

»Jetzt bin ich zu alt, um mich noch großartig zu verändern.«

»Nicht vergessen: Man kann aus KARTOFFELN Wodka machen.«

Wenn das nicht reicht: Seien Sie ruhig kreativ! Setzen Sie auf den Wäschestapel im Bad zu Weihnachten einfach eine funkelnde Christbaumspitze drauf! Sagen Sie Ihrem Bankberater mit heruntergelassener Sonnenbrille: »Ich weiß, ist gerade schlecht, aber ich bastle gerade an einem bombensicheren Geschäftsmodell in der Import-Export-Branche!« Legen Sie Ihrem Partner einfach mal gelbe Post-its statt Käsescheiben auf das Büro-Sandwich oder lesen Sie dieses Buch. Sie werden sehen, wie viele absurde Alltagsirritationen das Leben bereithält und wie unendlich viele Möglichkeiten es gibt, diese demütig anzunehmen, meisterhaft zu analysieren oder sie unter einem misslungenen Maulwurfkuchen zu begraben.

Wenn Sie inmitten Ihres Sorgen-Cocktails partout keine Muße für die Lektüre haben, dann ist auch das natürlich in Ordnung. Man kann sie nicht alle retten, sagt immer meine Freundin Tine vom lokalen Katzenschutzverein. In diesem Fall machen Sie einfach den Ass-kicking-Crashkurs und nehmen sich den folgenden heiligen Spruch zu Herzen, den mir mal nach einer Überdosis Edle Tropfen in Nuss ein schamanischer Heiler namens Horst-Heiner ins Ohr gehaucht hat:

Träume nicht dein Leben, leg dich wieder hin.

Karma-Check in der Halbzeit: Auf das, was nicht mehr kommt

Kennen Sie noch Herrn Schober? Jenen bemitleidenswerten Spießer im kotzbraunen Anzug von der Stange aus einem legendären Sparkassenwerbespot der Neunziger, der von einem breit grinsenden »Schröööder« mit fiesem Robert-Geiss-Habitus nach einer offensichtlich längeren Zeit des Nicht-Aufeinandertreffens in einem Restaurant großspurig mit hingeknallten Fotos begrüßt wird: »Mein Haus, mein Auto, mein Boot!« Das war 1995 die Messlatte dafür, »es im Leben zu etwas gebracht zu haben«, abgesehen natürlich vom Reitpferd und den damals von mittelalten weißen Männern heißbegehrten blonden Pferdepflegerinnen.

Ja, auch damals war das natürlich alles Satire, trotzdem ist das immer noch so ein Ding, dieser habituelle Leistungsabgleich in der Lebensmitte. Auch wenn für viele das Lastenfahrrad der neue Porsche ist und die erfolgreiche Reise zum inneren Kind die Kreuzfahrt abgelöst hat, irgendwann stellt man sich die großen Fragen des Lebens: Habe ich ein Haus gebaut, einen Baum gepflanzt oder wenigstens ein auf dem Rücken liegendes Schaf wieder umgedreht? Ab wann genau kann man sich zurücklehnen und beim Resümieren auf seine Lebensleistung stolz sein? Wenn man genug Anschaffungen im Produkt-Leporello hat, die man ungefragt seinen zufällig den Weg kreuzenden Schulfreunden unter die Nase reiben kann?

Wenn die Kinder zweimal im Monat sonntags zum Kaffee kommen? Wenn der Sparkassenleiter einen persönlich begrüßt? Oder wenn man es endlich schafft, seine eigenen Fehler zu machen und nicht die der anderen?

Fragen über Fragen, die natürlich reflexartig in Gedanken den altbekannten Apothekenkalenderspruch aufploppen lassen: Es sind die kleinen Dinge des Lebens, die das Leben als gelungen ausweisen. Das haben ja, wenn man Facebook glaubt, auch schon Konfuzius, Rosamunde Pilcher und Wiltrud Fiepenkötter aus Quakenbrück für gut und richtig befunden. Und das stimmt natürlich, das Gute im Leben ist immer klein, ich sage nur: Toffifee, Katzenpfötchen, Aspirin. Ich gehe aber noch weiter. Mit fortschreitendem Alter gelange ich langsam zu der Ansicht: Am Ende zählen nicht die Dinge, die man gemacht hat, sondern die, die man nicht gemacht hat.

Schauen wir uns doch mal um, überall heißt es, Minimalismus sei der heiße Scheiß: Man soll seine Bude am besten so steril leerräumen, als ob jeden Moment der Gerichtsvollzieher klingeln würde, und in seinem Kleiderschrank maximal fünf »Essentials« aufbewahren, von denen drei Socken sind.

Warum nicht noch weitergehen? Sollten wir nicht vielleicht besser stolz sein auf das, was wir nicht gekauft, gemacht, erreicht haben? Schließlich sorgt das am Ende für die besten Erinnerungen.

Nie werde ich zum Beispiel den Berlinbesuch vor ein paar Jahren vergessen, als ein paar Freundinnen und ich dem Touri-Trick aufgesessen waren, dass ein Städtetrip ohne Musicalkarten wie ein Ikea-Besuch ohne Köttbullar ist, und wir dachten: »Okay, dann Tanz der Vampire, ist ja immerhin ein bisschen gothic und so, lass mal angucken.« In aller Seelenruhe schön gestylt erreichten wir um kurz vor acht das Musical-Theater, posierten gechillt am Eingang für Selfies, um uns kurz zu wundern, warum hier nix los ist – bis ein Blick auf die Karten Gewissheit brachte: Beginn war bereits um 19.30 Uhr. Mit hochrotem Kopf hechteten wir zur Kasse, wo wir von einer dezent ihre Schadenfreude überspielenden Mitarbeiterin in einen Raum mit circa zwanzig anderen verpeilten Zuspätkommern geschickt wurden, die auf einem Bildschirm das Geschehen auf der Bühne gerade so gut verfolgten, wie es mit vor Scham herunterhängendem Kopf ebenso ging. Noch mal zwanzig Minuten später wurden wir zwischen zwei Akten wortlos in einen Seitengang reingeschleust und auf unbequemen Holz-Ausklappsitzen geparkt, auf denen wir uns die nächsten zwei Stunden vor Lachen angesichts dieser hochnotpeinlichen Situation in die Hand bissen und kaum noch Luft bekamen.

Wenn mich heute, einige Jahre später, jemand nach meiner Meinung zu diesem Musical befragt, fallen mir keine tollen Gesangspassagen, spektakulären Bühnenumbauten oder Special Effects ein, obwohl da wirklich der ganze Beißzahn-Bombast aufgefahren wurde. Das Einzige, woran ich mich erinnere, sind diese unwürdigen Holzklappstühle und die schamesroten Gesichter der Schicksalsgemeinschaft der Late Arrivals in der Loser-Lounge. 

Fazit: Das, was wir nicht gesehen haben, nämlich den Großteil der ersten Hälfte, ist der Grund, dass wir uns heute noch darüber totlachen. Eine noch stärkere Erinnerung wäre wohl nur entstanden, wenn wir es komplett verbaselt hätten und einen Tag später gekommen wären, aber damals waren wir ja noch absolute Anfängerinnen im Bereich Erlebnisverweigerung. Kurz: Die Dinge, die man nicht macht, sind oft im Nachhinein wichtiger als die, die man gemacht hat. Und das ist doch irgendwie befreiend. Denn spätestens in der Mitte des Lebens fällt einem ja oft ein, dass man noch niemals in New York oder auf Hawaii war und inseltechnisch noch nicht mal über Borkum hinausgekommen ist. Muss man in Paris Souvenirverkäufer mit klimpernden Mini-Eiffeltürmen abgewimmelt haben, in Dubrovnik die Game-of-Thrones-Drehorte abgelaufen haben, im Disneyland Florida feststellen, dass die Fahrgeschäfte im Phantasialand in Brühl wesentlich besser organisiert sind? Kann man nicht einfach mal auf der Couch liegen, ohne durch dreckige Fenster, herumliegende T-Shirts und unerfüllte Lebensträume ein schlechtes Gewissen zu haben, was man in dieser Zeit alles hätte erledigen können – und die Erlebnisse feiern, die man NICHT gehabt hat? Wahrscheinlich hätte Karl May niemals ein so eindrückliches Bild des Wilden Westens zeichnen können, wenn er jemals dort gewesen wäre.

Ich war noch nie auf einer Mittelmeer-Cruise, bin noch nie Ski gefahren, habe noch nie einen Escape Room betreten und bereue nichts! Und mal unter uns: Was ist das überhaupt für ein doofes Konzept? Wenn ich in einer Rumpelkammer mit komischem Mobiliar eingeschlossen sein möchte, werfe ich einfach den Schlüssel aus dem Schlafzimmerfenster!

Ich bin im Leben noch nicht so besoffen gewesen, dass ich nicht mehr wusste, wie ich nach Hause gekommen bin, vielmehr finde ich schon nüchtern nach Einbruch der Dunkelheit kaum nach Hause. Keine Ahnung, was daran erstrebenswert sein soll, um vier Uhr in der Früh in einer Karaokebar »You could have had it aaaaaall!« zu schmettern und dann mit dem Gesicht flach in seinem Erbrochenen zu landen … Wenn man das zur Ausgestaltung eines interessanten Individuums mal gemacht haben muss, kann ich nur sagen: Sorry, dann isses jetzt wohl zu spät.

Ich habe auch kein einziges Tattoo … Okay, das könnte auch daran liegen, dass ich mit dem hippen Stecher in dem Studio in Essen-Kray eine Diskussion geführt habe, deren letzter Satz lautete: »Das ist Michael Landon, du Voll-Gonzo, nicht Che Guevara!« Dann bin ich unsanft vor die Tür gesetzt worden.

Aber ich bleibe dabei, weniger machen und weniger wollen ist ein sehr befriedigendes Prinzip, auch wenn es ziemlich spaßbremsig daherkommt.

Man hat zum Beispiel immer eine gute Entschuldigung für seine eigene Faulheit. Zum Beispiel im Garten: »Wie, Kraut und Rüben? Das ist eine naturbelassene Wiese für die Bienen, und der fünf Meter hohe Laubhaufen ist ein Biotop für Kleintiere!« Und ich kann auch immer wieder meine gute Seele raushängen lassen, wenn ich Besuchern meine muntere Meerschweinchensippe präsentiere. Die sagen dann meistens: »Was willst du denn damit? Mit denen kann man gar nix machen! Halt dir doch ein paar Hühner, dann hast du wenigstens Eier!« Wenn diese Leute wüssten, wie viel einem »nutzlose« Tiere geben. Ja, es ist wahr, die Viecher wollen einfach nix: Nicht gestreichelt werden, keine Tricks lernen, einfach nur ein paar Möhrchen mümmeln und aus einem gut geschützten Versteck die Welt beobachten, was sie zu 1A-Seelenverwandten qualifiziert. Allein das Beobachten dieser kleinen Wusel, die aussehen wie Riesenerdnüsse mit Fellummantelung, lässt einen herrlich runterkommen. Wenn ich eine hippe Selfcare-Jüngerin wäre, würde ich sagen: Ich praktiziere die Kunst des Keyif. So nennt man auf Türkisch die Kunst des stillen, zufriedenen In-sich-Ruhens, für das es auf Deutsch leider keine Übersetzung gibt (warum nur?). Ich finde, wenn man von Tieren ständig was zurückerwartet, sollte man sich besser keine anschaffen. Das Gleiche gilt für Kinder.

Auf den Nachwuchs ist das Weniger-ist-mehr-Prinzip übrigens auch gut anwendbar: Wahrscheinlich haben Kinder im Nachhinein entwicklungstechnisch mehr von den Tagen profitiert, an denen sie NICHT von der Schule abgeholt wurden. Kein Mama-Taxi kann lehren, was ein gnadenlos überfüllter Mittagsbus kann, denn nur hier haben Heranwachsende die Möglichkeit, die im Anti-Gewalt-Training gelernten Sätze anzubringen: »Halt! Stopp! Ich fühle mich bedroht! Bitte respektiere meine Grenzen!« (Was seine Wirkung allerdings erst so richtig entfalten kann, wenn man ein lautstarkes »Lass mich los, du Pisser!« hinterhergeschoben hat.)

Und seien wir mal ehrlich: Der Beziehung hilft jede NICHT gestellte Frage vielleicht mehr als alles andere, vor allem, wenn sie gelautet hätte: »Und? Woran denkst du gerade?« Das soll natürlich keine Aufforderung sein, sein ganzes Leben in Lethargie zu versinken. Es gibt da draußen echt viel, für das man auf die Straße gehen muss. Aber Erlebnisse sammeln wie Trophäen ist einfach anstrengend.

Und man kann ja auch im Kleinen sehr viel bewirken. Wenn mich etwa ein Cold Caller anruft und mir ein Tageszeitungs-Abo oder streng limitierten Einhornkot zum Vorteilspreis anbietet, dann quatsche ich zwei Stunden freundlich mit diesem Telefondrückerkolonnenzombie und heuchle Interesse vor, weil ich weiß, dass er zumindest in dieser Zeit keine einsame alte Dame übern Tisch ziehen kann. Und am Ende schließe ich den Kaufvertrag unter dem Namen unseres Nachbarn ab, der jeden Samstag seinen Laubbläser im Hellfest-Modus laufen lässt. Außerdem habe ich mir einen Spinnen-Retter gekauft, mit dem ich an der Decke hockende Langbeiner unversehrt nach draußen befördern kann, statt sie gnadenlos einzusaugen. Mehr Karmapunkte kann es doch nicht geben, oder?

Und wenn ich irgendwann mal eine alte Schulfreundin in einem Café treffen sollte, freue ich mich schon darauf, mein PVC-Flip-Fotoalbum aus der Tasche zu ziehen und prahlerisch durch den Raum zu blöken: »Nein, die Bääääääääärbel! Hier, guck mal: mein Sitzkissen, meine Wärmflasche, meine Meerschweinchen.«

Was ich im Leben NICHT mehr brauche:

Autofahren im Dunkeln

Nach 20 Uhr das Haus verlassen

Menschen, die schon morgens gute Laune haben

Hotels mit Frühstück von 7.00 bis 9.00 Uhr

Autofahren

Wingsuit-Cliff-Jumping mit Overhead-Flip-Landung auf glühenden Kohlen auf La Gomera

Vorbands

In Plastik verpackte Avocadohälften

Menschen

Wenn ich sage »Ich will mal wieder rausgehen«, dann meine ich inzwischen meistens »auf die Terrasse«.

Sorgenfrei in zwei Minuten #1

Nehmen Sie sich eine Weltkarte – für die Jüngeren: Google Maps analog – und markieren Sie mit bunten Stecknadeln, wo Sie überall noch hinmöchten.

Rechnen Sie dann durch, was das kosten würde.

Legen Sie dann einen Bindfaden um die Orte, sodass diese ein Motiv ergeben, und lassen Sie es sich auf die Wade tätowieren. Darunter den Satz: Aim high, fly low.

Change Management: Altern wie im Bilderbuch

Eltern, Tanten, Onkel und Gelegenheits-Sitter kennen es: Da plumpst ein neues Erdenwesen auf die Welt, hat keine Ahnung von Menschen, Tieren oder Reißverschlüssen, will aber die Welt begreifen. Was nimmt man da zur Hand? Na klar, ein Bilderbuch. Dieses bietet, da sind sich Pädagogen einig, wertvolle Handlungsmuster zur Bewältigung des Alltags und Identifikationsfiguren zur Herausbildung der eigenen Persönlichkeit.

Aber für jene Zielgruppe, die es am dringendsten nötig hätte, dass ihr mal einer die Welt erklärt, gibt’s überhaupt keine lustigen bunten Bücher: für die Frau in der Lebensmitte. Denn die ist im Gegensatz zu Kindern, deren Festplatte ja noch relativ leer ist, wirklich in einer merkwürdigen Situation, in der sie rein gar nichts mehr versteht.

Weshalb liest man plötzlich Zeitschriftenartikel mit dem Titel »Was Ihr Stuhlgang über Darmgesundheit verrät«? Warum muss man feststellen, dass das Haar, das man sich von der Bluse streifen möchte, am Kinn festhängt? Und wieso suchen wir plötzlich Marmelade nicht mehr nach Geschmack aus, sondern danach, wie gut sich das Glas als Garnrollen-Aufbewahrungsbehälter oder Seedbomb-Geschenkgefäß eignet?

Vielleicht sollte man ab vierzig schon mal Fühlbücher zur Hand nehmen, um sich auf diese Schreckensmomente vorzubereiten. Jene pädagogisch wertvollen Anfass-Dinger,in denen vierzehn Monate alte Babys über ein bisschen schwarzbraunen Polyacrylstoff streichen, damit sie schon mal wissen, wie es sich anfühlt, im Zoo einen Leoparden zu streicheln, während Papa neben dem Raubtiergehege steht und Candy Crush Saga spielt. Warum gibt’s nicht auch eine Midlife-Buchedition, bei der die Leserin langsam und sinnlich über ein Stück Schmirgelpapier streichen muss, um schon mal ein Gefühl dafür zu kriegen, wie sich ein weibliches Schienbein ab 39++ halt so anfühlt? Auch so ein sprechender Bilderbuch-Stift, mit dem sich moderne Eltern das lästige Vorlesen ersparen, wäre für dieses Marktsegment sicher der Knaller: Die in die Jahre gekommene Frau könnte damit auf ihre eigenen Körperteile drücken und bekommt von der Stimme gesagt, für was diese noch mal gut waren.

Oder vielleicht doch lieber diese tollen Aufklappbücher, mit denen man Kleinkindern monatelang den verblüffenden Wegzauber-Trick nahebringen kann? So wie die kleine Katze Pauline, die eben noch da war, auf einmal hinter einer Pappklappe verschwunden ist. Das wäre doch auch was für uns, nur dass sich das mantramäßig wiederholte »Ja, wo sind sie denn auf einmal?« auf unser schwindendes Haupthaar beziehen würde.

Ich fürchte allerdings, dass der Megaseller in diesem Segment »Ronja Regenbogen kommt in die Wechseljahre« heißen würde und in etwa so ginge: