Süße Magnolien - Ein neuer Tag beginnt - Sherryl Woods - E-Book
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Süße Magnolien - Ein neuer Tag beginnt E-Book

SHERRYL WOODS

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Beschreibung

Es gibt immer einen neuen Tag, es gibt immer ein neues Glück – der zweite Band der Reihe um die große Liebe, Familienbande und drei unzertrennliche Freundinnen!

Die Trennung von ihrem Ex-Mann warf Dana Sue aus der Bahn – doch seither hat sie neue Kraft geschöpft und ihren großen Traum verwirklicht: ein eigenes Restaurant im Herzen ihrer Heimatstadt Serenity. Ihr Leben scheint perfekt – doch dann wird ihre Tochter Annie krank und Dana Sue droht, zwischen familiären und beruflichen Verpflichtungen unterzugehen. Aber ihre zwei besten Freundinnen machen ihr klar: Sie muss sich auch um sich selbst kümmern, um für andere da sein zu können. Und als Dana Sues Ex wieder auftaucht, erkennt sie, dass man manchmal die Vergangenheit in sein Leben lassen muss, um in die Zukunft zu blicken …

Unvergleichliche Wohlfühlatmosphäre Atmosphäre von »New York Times«-Nr. 1-Bestsellerautorin Sherryl Woods: Lesen Sie auch Band 1 der Reihe »Süße Magnolien. Ein Traum wird wahr«.

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Buch

Es gibt immer einen neuen Tag, es gibt immer ein neues Glück – der zweite Band der Reihe um die große Liebe, Familienbande und drei unzertrennliche Freundinnen!

Die Trennung von ihrem Ex-Mann warf Dana Sue aus der Bahn – doch seither hat sie neue Kraft geschöpft und ihren großen Traum verwirklicht: ein eigenes Restaurant im Herzen ihrer Heimatstadt Serenity. Ihr Leben scheint perfekt – doch dann wird ihre Tochter Annie krank, und Dana Sue droht, zwischen familiären und beruflichen Verpflichtungen unterzugehen. Aber ihre zwei besten Freundinnen machen ihr klar: Sie muss sich auch um sich selbst kümmern, um für andere da sein zu können. Und als Dana Sues Ex wieder auftaucht, erkennt sie, dass man manchmal die Vergangenheit in sein Leben lassen muss, um in die Zukunft zu blicken …

Unvergleichliche Wohlfühlatmosphäre von »New York Times«-Nr. 1-Bestsellerautorin Sherryl Woods: Lesen Sie auch Band 1 der Reihe »Süße Magnolien. Ein Traum wird wahr«.

Alle Bände der »Süße Magnolien«-Reihe:

Süße Magnolien 1. Ein Traum wird wahr

Süße Magnolien 2. Ein neuer Tag beginnt

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SHERRYL WOODS

Süße Magnolien

Ein neuer Tag beginnt

ROMAN

Ins Deutsche übertragen von Michael Krug

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel »A Slice of Heaven« bei Mira Books, Toronto 2007.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen. Sollte diese Publikation Links auf Webseiten Dritter enthalten, so übernehmen wir für deren Inhalte keine Haftung, da wir uns diese nicht zu eigen machen, sondern lediglich auf deren Stand zum Zeitpunkt der Erstveröffentlichung verweisen.

All rights reserved including the right of reproduction in whole or in part in any form. This edition published by arrangement with Penguin Workshop, an imprint of Penguin Young Readers Group, a division of Penguin Random House LLC.

Copyright © der deutschsprachigen Ausgabe 2022 by Blanvalet Verlag, in der Penguin Random House Verlagsgruppe GmbH, Neumarkter Straße 28, 81673 München

Redaktion: Jennifer Jäger

Covergestaltung: © bürosüd, München Coverillustration: www.buerosued.de

LO Herstellung: sam

Satz und E-Book-Konvertierung: GGP Media GmbH, Pößneck

ISBN 978-3-641-28542-5V001

www.blanvalet.de

Liebe Freunde,

ich freue mich sehr, dass der zweite Roman der Reihe Süße Magnolien wieder erhältlich ist, rechtzeitig zur neuen Netflix-Serie Süße Magnolien mit JoAnna Garcia Swisher, Brooke Elliott und Heather Headley in den Hauptrollen. Als ich ursprünglich auf die Idee für eine Reihe über drei lebenslange Freundinnen kam, die zusammen durch dick und dünn gegangen sind, hatte ich noch keine Ahnung, wie viele Frauen im Verlauf der Jahre hinzukommen würden. Ebenso wenig hätte ich gedacht, dass die Leserinnen und Leser so begeistert von diesem Zusammenhalt und der gesamten Gemeinde von Serenity in South Carolina sein würden. Ich hoffe, die Netflix-Zuschauer werden ähnlich empfinden.

Ich denke, als Frauen ist uns allen bewusst, dass Freundinnen neben der Familie die wichtigsten Menschen in unserem Leben sind. Und die besten Freundschaften sind über Jahre bewährte Bande mit Frauen, die unsere Geschichte, unsere Fehler, unsere schmutzigen kleinen Geheimnisse kennen und uns trotzdem lieben. Freundinnen sind da, um uns aufzumuntern, egal, ob wir einfach einen schlechten Tag hatten oder eine gewaltige Lebenskrise zu meistern haben. Sie bringen uns zum Lachen, feiern mit uns, weinen mit uns und erinnern uns daran, dass selbst der schlimmste Tag noch lebenswert ist.

Wenn Sie Maddie, Dana Sue und Helen gleich zum ersten Mal begegnen, hoffe ich, es bereitet Ihnen Freude, sie kennenzulernen. Wenn Sie Ihre Freundschaft mit ihnen erneuern, hoffe ich, es zaubert das ein oder andere Lächeln in Ihr Gesicht. Vor allem aber hoffe ich, dass Sie herzliche, wunderbare Freundinnen in Ihrem Leben haben und jede Minute mit ihnen schätzen.

Alles Gute,

Sherryl

Kapitel 1

Der Geruch von verbranntem Toast erregte Dana Sues Aufmerksamkeit, kurz bevor der Rauchmelder losging. Sie schnappte sich das verkohlte Brot aus dem Toaster und warf es in die Spüle, dann griff sie sich ein Geschirrtuch und wedelte damit in Richtung des schrillen Alarms, um den Rauch zu vertreiben. Endlich verstummte der überempfindliche Melder.

»Mama, was um alles in der Welt ist denn hier los?«, fragte Annie an der Küchentür und rümpfte die Nase über den Geruch von verbranntem Toast. Sie war für die Schule angezogen, trug Jeans, die schlaff an ihrem zu dünnen Körper hingen, und ein T-Shirt mit Rundhalsausschnitt, der blasse, straff über die vorstehenden Schlüsselbeine gespannte Haut zeigte.

Dana Sue verkniff sich einen Kommentar über die Anzeichen, dass Annie noch mehr Gewicht verloren hatte, und betrachtete ihre Teenagertochter mit gequälter Miene. »Rate mal.«

»Du hast wieder mal den Toast verbrannt«, sagte Annie. Ein Grinsen breitete sich in ihrem Gesicht aus und ließ es etwas weniger hager wirken. »Na, du bist mir vielleicht eine Köchin. Wenn ich das herumerzähle, kommt nie wieder jemand zum Essen ins Sullivan’s.«

»Deshalb servieren wir dort auch kein Frühstück. Und du bist zu Verschwiegenheit verpflichtet. Außer du willst Hausarrest ohne Handy und E-Mail, bis du dreißig bist«, erklärte Dana Sue ihrer Tochter nur halb im Scherz. Das Sullivan’s war vom Tag der Restauranteröffnung an ein gewaltiger Erfolg gewesen. Durch begeisterte Mundpropaganda hatte es Bekanntheit in der gesamten Region erlangt. Sogar Charlestons renommiertester Restaurant- und Gastronomiekritiker hatte es für seine innovativen Südstaatengerichte gelobt. Dana Sue konnte nicht gebrauchen, dass ihre vorlaute Tochter diesen Ruf ruinierte, indem sie etwas über ihre kulinarischen Katastrophen zu Hause ausplauderte.

»Warum hast du überhaupt Toast gemacht? Du isst doch keinen.« Annie füllte ein Glas mit Wasser und trank einen winzigen Schluck, bevor sie den Rest in den Abfluss kippte.

»Ich wollte dir Frühstück machen«, sagte Dana Sue und holte einen Teller mit einem fluffigen Omelett aus dem Ofen, wohin sie es zum Warmhalten gestellt hatte. Sie hatte fettarmen Käse und fein geschnittene rote und grüne Paprika hinzugefügt, genau, wie Annie es immer gemocht hatte. Das Omelett war perfekt gelungen, ein Anblick, der sich für die Titelseite einer Gourmetzeitschrift geeignet hätte.

Annie betrachtete das Essen so angewidert wie die meisten Menschen den Kadaver eines überfahrenen Tiers am Straßenrand. »Kein Appetit.«

»Setz dich«, befahl Dana Sue, die allmählich die Geduld mit der inzwischen allzu vertrauten Reaktion verlor. »Du musst essen. Das Frühstück ist die wichtigste Mahlzeit, vor allem an einem Schultag. Stell dir die Proteine als Hirnnahrung vor. Außerdem bin ich extra dafür aufgestanden, also wirst du’s auch essen.«

Ihre wunderschöne sechzehnjährige Tochter sah sie mit einem dieser Blicke an, die besagten: Mutter! Nicht schon wieder. Aber immerhin setzte sie sich letztlich an den Tisch. Dana Sue nahm ihr gegenüber Platz und umklammerte ihren Becher mit schwarzem Kaffee, als wäre er flüssiges Gold. Nach einer langen Nacht im Restaurant brauchte sie sämtliches Koffein, das sie am Morgen bekommen konnte. Sonst war sie nicht aufmerksam genug für Annies geistesgegenwärtige Ausweichmanöver.

»Wie war der erste Tag zurück in der Schule?«, erkundigte sich Dana Sue.

Annie zuckte mit den Schultern.

»Hast du dieses Jahr irgendwelche gemeinsamen Fächer mit Ty?« So lange Dana Sue zurückdenken konnte, war Annie in Tyler Townsend verknallt. Seine Mutter gehörte zu Dana Sues besten Freundinnen und war seit Kurzem zudem ihre Geschäftspartnerin im Corner Spa, Serenitys neuem Fitnessclub für Frauen.

»Mama, er ist in der Oberstufe. Ich bin in der Unterstufe«, erklärte Annie mit gezwungener Geduld. »Wir haben nicht denselben Unterricht.«

»Schade«, sagte Dana Sue und meinte es auch so. Ty hatte selbst einige Probleme, seit sein Vater Maddie verlassen hatte. Aber er war immer ein guter Ansprechpartner für Annie gewesen. Wie ein großer Bruder oder bester Freund. Auch wenn Annie das nicht zu schätzen wusste. Sie wollte von Ty als Mädchen wahrgenommen werden, als jemand, mit dem er vielleicht gern gehen würde. Bisher jedoch zeigte Ty daran keinerlei Interesse.

Dana Sue betrachtete Annies mürrischen Gesichtsausdruck und versuchte es erneut. Sie war fest entschlossen, irgendwie zu ihrem Kind durchzudringen, das ihr zu schnell entglitt. »Magst du deine Lehrer?«

»Sie reden. Ich höre zu. Was gibt’s da groß zu mögen?«

Dana Sue unterdrückte ein Seufzen. Noch vor wenigen Jahren war Annie eine richtige kleine Plaudertasche gewesen. Damals wollte sie ihren Eltern jede noch so kleine Einzelheit ihres Tages mitteilen. Natürlich hatte sich alles geändert, seit Dana Sue von Ronnie betrogen worden war und sie ihn vor zwei Jahren rausgeworfen hatte. Annies Anbetung ihres Vaters war damit so zerstört gewesen, wie Dana Sues Herz gebrochen war. Nach der Scheidung hatte lange Zeit Schweigen im Hause Sullivan geherrscht, da weder Mutter noch Tochter darüber reden wollten, was wirklich mit ihnen los war.

»Mama, ich muss los, sonst komme ich zu spät.« Ein Blick auf die Uhr ließ Annie hastig aufspringen.

Dana Sue betrachtete den Teller mit dem unangetasteten Essen. »Du hast keinen Bissen davon probiert.«

»Tut mir leid. Sieht fantastisch aus, aber ich bin nicht hungrig. Wir sehen uns heute Abend.« Sie hauchte Dana Sue einen Kuss auf die Wange und verschwand.

Zurück blieben das mittlerweile nicht mehr perfekte Omelett und ein Hauch von Parfüm. Dana Sue erkannte den Duft als die teure Marke, die sie sich letztes Jahr zu Weihnachten gegönnt hatte und nur zu ganz besonderen Anlässen auftrug. Da solche Gelegenheiten seit der Scheidung immer seltener wurden, spielte es wahrscheinlich keine Rolle, dass ihre Tochter das Parfüm für Highschool-Jungs verschwendete.

Erst als Dana Sue wieder allein war und ihr Kaffee allmählich kalt wurde, bemerkte sie die braune Tüte mit Annies Mittagessen, die noch auf der Arbeitsplatte stand. Es könnte ein Versehen gewesen sein, aber das glaubte sie nicht. Annie hatte die Tüte so absichtlich zurückgelassen, wie sie das von Dana Sue zubereitete Frühstück ignoriert hatte.

Die Erinnerung an Annies Zusammenbruch bei Maddies Hochzeitsfeier letztes Jahr zu Thanksgiving kehrte zurück, begleitet von einem Anflug neuer Panik.

»Oh Süße«, murmelte Dana Sue. »Nicht schon wieder.«

»Ich denke, als Dessert mache ich heute Abend guten, alten Brotpudding, vielleicht mit Granny-Smith-Äpfeln, um ein bisschen Säure und Textur hinzuzufügen«, meinte Erik Whitney, noch bevor Dana Sue ihre Schürze umbinden konnte. »Was hältst du davon?«

Während ihr das Wasser im Mund zusammenlief, berechnete sie im Kopf die Kohlenhydrate. Jenseits von Gut und Böse, folgerte sie und seufzte. Ihre Gäste könnten es sich gönnen, aber sie musste das Dessert meiden wie die Pest.

Erik betrachtete sie mit besorgtem Blick. »Zu viel Zucker?«

»Für mich, ja. Für den Rest des Universums klingt das perfekt.«

»Ich könnte stattdessen auch frischen Obstkuchen machen, vielleicht mit Zuckerersatz«, schlug er vor.

Dana Sue schüttelte den Kopf. Sie hatte den Ruf des Sullivan’s damit aufgebaut, alten, beliebten Südstaatengerichten einen neuen Touch zu verleihen. Meistens waren ihre Variationen gesünder als die traditionellen, in Butter getränkten Gerichte. Aber Desserts wollten ihre Gäste lieber dekadent haben, das wusste sie.

Erik hatte sie direkt vom Atlanta Culinary Institute weg eingestellt, weil der Arbeitsvermittler der Schule ihn als besten Anwärter für einen Patissier seit Jahren angepriesen hatte.

Mit Mitte dreißig war Erik älter als die meisten Absolventen. Mit seiner Experimentierfreude und seinem Drang, sein Können zu beweisen, hatte er bislang weder Dana Sue noch ihre Gäste enttäuscht. Gegenüber ihrem letzten Souschef, einem launischen Mann, mit dem man kaum vernünftig zusammenarbeiten konnte, war er eine gewaltige Verbesserung. Dana Sue schätzte sich jeden Tag glücklich, dass Erik sowohl die Aufgaben des Souschefs als auch die des Patissiers bewältigte. Er war schnell mehr als ein Mitarbeiter geworden. Ein Freund.

Darüber hinaus bestand in South Carolina bereits hohe Nachfrage nach Eriks Hochzeitstorten. Er hatte die traditionelle Torte zu einer Kunstform erhoben. Seine Kreationen konnten es mit allem aufnehmen, was man bei schicken Hochzeiten von Promis sah. Dana Sue wusste, dass sie sich glücklich schätzen könnte, ihn noch ein, zwei Jahre zu halten, bevor ihn ein Großstadtrestaurant oder ein Cateringunternehmen abwerben würde. Vorläufig jedoch schien er in Serenity zufrieden zu sein und erfreut über den Freiraum, den sie ihm ließ.

»Wir hatten im Sommer reichlich Obstkuchen«, meinte sie zu ihm. »Der Brotpudding klingt großartig für heute Abend. Du kochst ja für die Gäste, nicht für mich.«

Wann hatte sie sich das letzte Mal auch nur einen Teelöffel von einem von Eriks üppigen Desserts gegönnt? Nicht mehr, seit Doc Marshall ihr einen weiteren strengen Vortrag darüber gehalten hatte, dass sie die in den letzten zwei Jahren zugenommenen zehn Kilo wieder verlieren musste. Außerdem hatte er sie – wieder mal – davor gewarnt, dass sie sich dem Risiko von Diabetes aussetzte, der Krankheit, die ihre Mutter ins Grab gebracht hatte. Das hätte Dana Sue Warnung genug sein müssen, auch ohne weitere ständige Ermahnungen ihres Arztes.

Sie hatte gedacht, die Zusammenarbeit mit ihren beiden besten Freundinnen beim Eröffnen des Corner Spa würde sie so einspannen, dass sie ihre Diät einhalten würde. Ebenso hatte sie sich eingeredet, die spektakuläre Umgebung, die sie geschaffen hatten, würde ihr einen Ansporn zum Trainieren liefern. Allerdings hatte sie bisher bloß zwei weitere Kilo zugenommen – durch das Testen all der gesunden Getränke und fettarmen Muffins auf der Speisekarte des Spas. Unter anderem boten sie dort einen Pfirsich-Birnen-Smoothie an, für den es sich zu sterben lohnte.

Für eine Köchin mochte es ein Berufsrisiko darstellen zuzunehmen, aber Dana Sue schob zumindest eine Teilschuld daran auf das Scheitern ihrer Ehe vor zwei Jahren. Sie hatte Ronnie Sullivan aus dem Haus geworfen, weil er sie betrogen hatte. Danach hatte sie sich mit Essen getröstet – im Gegensatz zu ihrer Tochter, die es stattdessen mied.

»Du bist nicht die Einzige in Serenity, die sich Gedanken über Zucker macht«, erinnerte Erik sie. »Ich kann mich anpassen.«

»Kann ich auch. Ist ja nicht so, als wäre ich am Verhungern, Süßer. Im Menü heute Abend haben wir genug Gemüse und drei gesunde Hauptgerichte. Jetzt geh und wirke deine Magie. Unsere Stammgäste erwarten bei jedem Besuch etwas Verblüffendes von dir.«

»Okay«, meinte er schließlich, bevor er sie mit einem durchdringenden Blick bedachte. »Willst du mir verraten, was du sonst noch auf dem Herzen hast?«

Dana Sue sah ihn stirnrunzelnd an. »Wie kommst du darauf, ich könnte noch etwas auf dem Herzen haben?«

»Erfahrung«, gab er knapp zurück. »Und wenn du dich mir nicht anvertrauen willst, dann ruf Maddie oder Helen an und rede es dir bei ihnen von der Seele. Wenn du beim Abendgeschäft genauso zerstreut bist, wie du’s zu Mittag warst, komme ich in der Küche zu gar nichts, weil ich dir ständig aus der Patsche helfen muss.«

»Wie bitte?«, gab Dana Sue verkniffen zurück. Ihr gefiel kein bisschen, wie recht er mit seiner Äußerung hatte.

»Na ja, ein halbes Dutzend Mahlzeiten sind zurückgegangen, weil du nicht die ganze Bestellung rausgebracht hast. Es ist eine Sache, die Pommes zu vergessen, aber eine völlig andere, das Fleisch wegzulassen.«

Dana Sue stöhnte. »Oh Gott, ich hab gehofft, du hättest es nicht bemerkt.«

Erik zwinkerte ihr zu. »Ich bekomme fast alles mit, was hier drin vor sich geht. Dadurch bin ich ein so guter Stellvertreter für dich. Jetzt geh und ruf an, hörst du?«

Dana Sue unterdrückte ein Seufzen, als Erik davonmarschierte, um seine Zutaten aus ihrem gut sortierten Vorratsraum zu holen. Ihre Gedanken kehrten zu ihrer Tochter zurück. Es ließ sich unmöglich noch länger verleugnen, dass Annie von Tag zu Tag dürrer wurde. Sie behauptete, nicht dünner zu sein als die Models, die sie in Zeitschriften und im Fernsehen sah, und sie beharrte darauf, kerngesund zu sein. Aber Dana Sue war anderer Meinung. Durch weite Kleidung, die lose an Annies knochigem Körper hing, versuchte ihre Tochter wirkungslos zu verbergen, wie abgemagert sie wirklich war. Dana Sue war überzeugt davon, dass sie hungerte, um nicht wie ihre Mutter zu werden – übergewichtig und allein.

Trotz des Hochbetriebs zu Mittag, der Dana Sue normalerweise Energie verlieh und zu Konzentration anspornte, war ihr an diesem Tag nicht der Anblick der zurückgelassenen braunen Tüte aus dem Kopf gegangen. Normalerweise tat Annie wenigstens so, als würde sie etwas essen, um sich Scherereien mit ihrer Mutter zu ersparen. Dana Sue fragte sich, ob die zurückgelassene Papiertüte mit dem Truthahnsandwich aus Vollkornbrot, den Sellerie- und Karottenstäbchen und einer Banane einen Hilferuf darstellte.

Da Dana Sue wusste, dass Erik die Vorbereitungen für das Abendgeschäft in der hochmodernen Edelstahlküche im Griff haben würde, stahl sie sich in ihr kleines, überfülltes Büro davon, um seinen Rat zu befolgen und Maddie im Fitnessstudio anzurufen. Wann immer ihre Welt zu bröckeln schien, wandte sie sich an ihre beiden besten Freundinnen – Maddie Maddox, die das Corner Spa leitete, und die Anwältin Helen Decatur. Bei beiden fand sie stets einen vernünftigen Rat oder eine Schulter zum Ausweinen. Im Lauf der Jahre waren sie geübt darin geworden, beides zu bieten. Niemand in Serenity legte sich mit einer der süßen Magnolien an, ohne sich mit allen anzulegen.

Sie hatten sich gegenseitig durch Liebeskummer als Schulmädchen, gescheiterte Ehen und Gesundheitsängste gestützt. Sie hatten Freud und Leid miteinander geteilt. Vor Kurzem waren sie zudem Geschäftspartnerinnen geworden, was sie enger als je zuvor zusammengeschweißt hatte. Ihre jeweiligen Stärken ergänzten sich dabei hervorragend.

»Wie läuft’s in der Fitnesswelt?«, erkundigte sich Dana Sue und zwang sich zu einem unbeschwerten Ton.

»Stimmt was nicht?«, fragte Maddie sofort.

Dana Sue ärgerte, dass sie bereits zum zweiten Mal an diesem Nachmittag so leicht durchschaut wurde. Offensichtlich verbarg sie ihre Gefühle nicht so gut, wie sie es gern könnte. »Warum gehst du automatisch davon aus, dass etwas nicht stimmt?«

»Weil bei dir in weniger als einer Stunde das Abendgeschäft losgeht«, erklärte Maddie. »Normalerweise steckst du dabei bis über beide Ohren in den Vorbereitungen. Zwanglose Anrufe zum Plaudern machst du nie vor neun, wenn es allmählich ruhiger wird.«

»Ich bin entschieden zu berechenbar«, murmelte Dana Sue und nahm sich vor, das zu ändern. Früher hatte sie als die Unbesonnenste und Wagemutigste der süßen Magnolien gegolten. Aber seit der Scheidung war sie vorsichtig geworden. Immerhin hatte sie eine Tochter, die sie großziehen und aufs College schicken musste – ihr Ex-Mann zahlte zwar die gerichtlich festgesetzten Alimente, mehr jedoch nicht.

»Also raus mit der Sprache. Was ist los?«, hakte Maddie nach. »Hat sich beim Mittagessen jemand über seine Quiche beschwert? War das Salatgemüse vom Händler nicht knackig genug?«

»Sehr komisch.« Diesmal belustigte sie Maddies Anspielung auf ihren Perfektionismus nicht im Geringsten. »Es geht um Annie. Ich glaube, sie steckt wieder in Schwierigkeiten, Maddie. Du und Helen wart ja von Anfang an besorgt über ihr Essverhalten und ihren Gewichtsverlust, das weiß ich. Ihr Zusammenbruch auf deiner Hochzeit hat uns alle erschreckt. Aber das war vor fast einem Jahr, und seither ist es ihr besser gegangen. Dafür hab ich gesorgt.« Von einem plötzlichen Anflug ungewohnter Hilflosigkeit überwältigt, fügte Dana Sue hinzu: »Jetzt bin ich mir einfach nicht mehr sicher. Ich glaube, ich hab mir was vorgemacht.«

»Erzähl mir mal, was passiert ist«, verlangte Maddie.

Dana Sue schilderte ihr den Vorfall von diesem Morgen. »Bausche ich zu sehr auf, dass sie das Frühstück nicht angerührt und ihr Mittagessen zu Hause gelassen hat?«, fragte sie hoffnungsvoll.

»Wenn das alles wäre, würde ich bejahen«, antwortete Maddie. »Aber Süße, du weißt genau, dass es andere Anzeichen für eine Essstörung bei Annie gibt. Wir haben sie alle gesehen. Als sie bei meiner Hochzeit ohnmächtig geworden ist, war das eine Warnung. Wenn sie magersüchtig ist, verschwindet das nicht wie durch ein Wunder von selbst. Sie ist wahrscheinlich nur besser darin geworden, es vor dir zu verbergen. Sie braucht Hilfe.«

Dana Sue klammerte sich immer noch an die Hoffnung, dass sie alles bloß falsch interpretierten. »Vielleicht ist sie nur nervös, weil die Schule wieder losgeht. Oder vielleicht isst sie in der Kantine der Schule«, meinte sie. Dann kam ihr der Gedanke, dass Maddies Sohn etwas bemerkt haben könnte. »Würdest du mit Ty reden? Vielleicht hat er ja irgendeine Ahnung. Ich weiß, dass sie keinen gemeinsamen Unterricht haben, das hat Annie mir heute erzählt. Aber vielleicht verbringen sie ja die Mittagspause zusammen oder so.«

»Ich frage ihn«, versprach Maddie. »Allerdings bin ich mir nicht sicher, ob Jungs im Teenageralter auch nur ansatzweise darauf achten, was Mädchen essen. Normalerweise sind sie zu sehr damit beschäftigt, alles in Sichtweite in sich hineinzustopfen.«

»Bitte versuch’s«, bat Dana Sue. »Offensichtlich komme ich nicht damit weiter, mit ihr zu reden. Sie wird dann nur defensiv.«

»Ich tue, was ich kann«, beteuerte Maddie. »Ich frage auch Cal. Du kannst dir nicht vorstellen, was für Klatsch mein Mann in der Umkleidekabine mitbekommt. Wer hätte gedacht, dass ein Baseballtrainer so viel wissen würde? Er ist vielleicht die beste Ressource der Schule, um auf dem Laufenden darüber zu bleiben, was die Kids so treiben. Manchmal denke ich, er weiß über Ärger der Schüler noch vor ihren Eltern Bescheid. Bei Ty war es jedenfalls so.«

»Weiß ich noch gut«, erwiderte Dana Sue und erinnerte sich daran zurück, wie die Sorge um Maddies Sohn sie und Cal zusammengeführt hatte. »Danke, dass du dich umhörst, Maddie. Gib mir Bescheid, was du herausfindest, okay?«

»Natürlich. Ich ruf dich heute Abend an«, versprach ihre Freundin. »Versuch, dich nicht zu sehr zu sorgen. Annie ist ein kluges Mädchen.«

»Aber vielleicht nicht klug genug«, erwiderte Dana Sue müde. »Ich weiß, dass so was wegen Gruppendruck und vermeintlichen Vorbildern passieren kann, die Mädchen in dem Alter im Fernsehen und in Filmen sehen. Aber Annie hat zusätzlich damit zu kämpfen, dass ihr Vater mich betrogen hat.«

»Du glaubst, es hat etwas mit Ronnie zu tun?« Maddie klang skeptisch.

»Tu ich«, bestätigte Dana Sue. »Ich glaube, sie redet sich ein, es wäre nicht passiert, wenn ich fünfzig Kilo gewogen hätte. Aber das Gewicht hatte ich wohl zuletzt in der siebten Klasse.«

»Du bist auch eins siebenundsiebzig groß. Mit fünfzig Kilo würdest du lächerlich aussehen«, argumentierte Maddie.

»Wahrscheinlich. Könnte aber irgendwie interessant sein, wie ich gertenschlank auf die Männer in Serenity wirken würde«, sagte Dana Sue mit wehmütigem Unterton. Dann fügte sie realistisch hinzu: »Nur wird das nie passieren. Ganz gleich, wie viel Mühe ich mir gebe, mehr als ein halbes Kilo scheine ich nicht mehr loszuwerden, und selbst das nie lange. Ist wohl mein Schicksal, groß und unförmig zu sein.«

»Klingt so, als bräuchte Annie nicht als Einzige einen Vortrag über Körperwahrnehmung«, sagte Maddie. »Ich bestelle Helen für morgen früh hierher. Wenn du vorbeikommst, um die Salate für das Café zu liefern, rücken wir dir den Kopf zurecht. Du bist wunderschön, Dana Sue Sullivan, und glaub bloß keine Sekunde etwas anderes.«

»Konzentrieren wir uns erst mal auf Annie«, ging Dana Sue über die eigenen Gewichtsprobleme und Maddies Versuch hinweg, ihr Mut zu machen. »Sie könnte in echten Schwierigkeiten stecken, nicht ich.«

»Dann helfen Helen und ich dir, das Problem zu bewältigen«, versicherte Maddie ihr. »Haben sich die süßen Magnolien je gegenseitig im Stich gelassen?«

»Kein einziges Mal«, räumte Dana Sue ein. Dann zögerte sie, als eine entfernte Erinnerung aus ihrem Gedächtnis aufstieg, sie zum Lächeln brachte und kurzzeitig ihre Angst um Annie verdrängte. »Warte. Das nehme ich zurück. Einmal habt ihr mich sehr wohl im Regen stehen lassen. Da musste ich mich allein mit dem Polizisten herumschlagen, nachdem wir unserer Sportlehrerin einen Streich gespielt hatten.«

»Der Streich war deine Idee, und wir haben dich nicht absichtlich zurückgelassen«, stellte Maddie richtig. »Wir dachten, du könntest schneller rennen. Und wir sind für dich zurückgekommen, oder?«

»Sicher – gleich, nachdem der Cop meine Eltern angerufen und damit gedroht hatte, mich in den Knast zu stecken, wenn er mich noch mal bei einer solchen Dummheit erwischt. Ich hatte dermaßen Angst, dass ich mich übergeben musste, als ihr endlich zurück wart.«

»Weißt du, es gibt keinen Grund, sich mit so uralten Geschichten aufzuhalten«, meinte Maddie schnell. »Wir sind da, um dir mit Annie zu helfen, was immer sie braucht. Und dir selbst natürlich auch.«

»Danke. Wir hören uns später wieder.«

Als Dana Sue das Schnurlostelefon zurück in die Ladestation steckte, verspürte sie die erste zarte Regung von Erleichterung. Sie hatte sich schon etlichen Turbulenzen im Leben gestellt und mit Maddie und Helen an der Seite alle überwunden. Die beiden hatten ihr durch ihre Scheidung und bei der Eröffnung des Restaurants geholfen, wenn Dana Sue daran gezweifelt hatte, es zu schaffen. Wenn sie alle die Köpfe zusammensteckten, würde sich diese Krise – wenn es überhaupt eine Krise gab – bestimmt genauso leicht bewältigen lassen.

Annie hasste den Sportunterricht. Sie war der totale Tollpatsch. Schlimmer noch, Ms. Franklin – die triefnass höchstes fünfzig Kilo auf die Waage bringen konnte und fanatische Sportlerin war – sah sie immer mit so finsterer Miene an, als würde etwas mit ihr nicht stimmen. Normalerweise schaute Annie genauso finster zurück. An diesem Tag jedoch schien sie irgendwie nicht die Energie dafür aufbringen zu können.

»Annie, ich würde dich nach dem Unterricht gern sehen«, kündigte Ms. Franklin an, nachdem sie alle mit einer Runde um die Laufbahn gequält hatte. Zweimal.

»Was will sie wohl?«

»Jedenfalls wird sie mich wohl kaum ins Leichtathletikteam einladen«, scherzte Annie, die immer noch Mühe hatte, zu Atem zu gelangen. Sie war nie besonders sportlich gewesen, aber in letzter Zeit geriet sie schon bei der kleinsten Aktivität außer Atem. Im Gegensatz zu Sarah, die wirkte, als wäre der Lauf nur ein Spaziergang zwischen zwei Unterrichtsstunden gewesen.

Sarah war seit der fünften Klasse Annies beste Freundin und kannte die meisten ihrer tiefsten, dunkelsten Geheimnisse. Sie musterte Annie mit besorgtem Blick. »Sie wird doch wohl nichts darüber sagen, dass du außer Form bist, oder? Erwachsene flippen immer gleich aus, wenn sie denken, wir wären nicht bereit, einen Marathon zu laufen oder so. Ich meine, wer will das schon?«

»Ich jedenfalls nicht«, pflichtete Annie ihr bei. Erleichtert stellte sie fest, dass ihr Herz nicht mehr ganz so raste und sie wieder einigermaßen normal atmete.

»Vielleicht hat sie rausgefunden, dass du ohnmächtig geworden und im Krankenhaus gelandet bist.«

»Ach, jetzt hör aber auf. Das war letztes Jahr«, gab Annie zurück. »Das haben alle längst vergessen.«

»Ich meine ja nur, falls Ms. Franklin denkt, du könntest in ihrem Unterricht zusammenklappen, lässt sie dich vielleicht aussetzen.«

»Als ob«, entgegnete Annie höhnisch. »Niemand darf den Sportunterricht ohne ärztliches Attest ausfallen lassen, und Doc Marshall würde mir nie eins ausstellen. Danach würde ich auch nicht fragen. Sonst würde meine Mutter ausrasten. Sie führt sich immer noch komisch auf, weil ich nicht so esse, wie ich ihrer Meinung nach sollte.« Annie verdrehte die Augen. »Als würde sie sich so gesund ernähren. Seit mein Papa weg ist, hat sie so viel zugenommen, dass kein Mann sie je zweimal ansehen würde. Ich lasse nicht zu, dass mit mir dasselbe passiert.«

»Wie viel wiegst du jetzt?«, fragte Sarah.

Annie zuckte mit den Schultern. »Weiß ich nicht genau.«

Ihre Freundin sah sie ungläubig an. »Oh, und ob, Annie Sullivan. Ich weiß genau, dass du dich mindestens drei- bis viermal am Tag wiegst.«

Annie runzelte die Stirn. Na schön, vielleicht achtete sie ein bisschen besessen darauf, nie auch nur ein Gramm zuzunehmen. Aber auf die Genauigkeit der Waage zu Hause konnte sie sich nicht verlassen. Also wog sie sich erneut auf der Waage in der Umkleidekabine. Und manchmal auch im Corner Spa, wenn sie Tante Maddie besuchte. Dass sie ihr Gewicht aufs Gramm genau kannte, hieß jedoch noch lange nicht, dass sie es ihrer besten Freundin verraten wollte. Außerdem kam es nicht wirklich auf die von der Waage angezeigte Zahl an, sondern darauf, was ihr der Spiegel zeigte. Sie sah fett aus, und nur das zählte. Manchmal, wenn sie sich in all den Spiegeln im Spa betrachtete, wollte sie am liebsten weinen. Ihr war unbegreiflich, wie ihre Mutter es überhaupt ertragen konnte, jenen Raum zu betreten.

»Annie?«, hakte Sarah mit besorgter Miene nach. »Hast du unter fünfzig? Für mich siehst du aus, als hättest du eher um die vierzig.«

»Und wenn’s so wäre?«, gab Annie defensiv zurück. »Ich muss noch ein bisschen was loswerden, bis ich wirklich gut aussehe.«

»Aber du hast versprochen, du würdest aufhören, so besessen von deinem Gewicht zu sein«, sagte Sarah mit einem Anflug von Panik in der Stimme. »Du hast gesagt, es war der peinlichste Moment deines Lebens, als du beim Tanzen mit Ty ohnmächtig geworden bist, und dass du so was nie wieder passieren lassen willst. Du hast allen erzählt, du würdest darauf achten, wenigstens fünfzig Kilo zu haben. Und selbst das ist noch ziemlich dünn für deine Größe. Du hast es versprochen«, betonte Sarah. »Wie kannst du das alles vergessen haben? Und du weißt, dass es passiert ist, weil du nichts gegessen hast.«

»An dem Tag hatte ich nichts gegessen«, konterte Annie stur. »Sonst esse ich sehr wohl.«

»Was hattest du heute schon?«, bohrte Sarah hartnäckig nach.

»Meine Mutter hat mir ein riesiges Omelett zum Frühstück gemacht«, sagte sie.

Sarah bedachte sie mit einem wissenden Blick. »Aber hast du’s auch gegessen?«

Annie seufzte. Offensichtlich würde Sarah sie nicht so einfach vom Haken lassen. »Keine Ahnung, warum du dich darüber so aufregst. Was hast du heute schon gegessen?«

»Ich hatte Müsli und eine halbe Banane zum Frühstück und einen Salat zum Mittagessen«, antwortete Sarah.

Allein beim Gedanken an so viel Essen beschlich Annie das Gefühl, sich übergeben zu müssen. »Tja, schön für dich. Komm bloß nicht bei mir angerannt, wenn du fett wirst und nicht mehr in deine Klamotten passt.«

»Ich nehme nicht zu«, sagte Sarah. »Tatsächlich hab ich sogar ein bisschen abgenommen, indem ich vernünftig esse.« Sie bedachte Annie mit einem zerknirschten Blick. »Aber ich würde alles für einen Burger mit Pommes geben. Wenn man meine Eltern reden hört, haben sich die Kids früher überhaupt nicht um Kalorien geschert. Nach Footballspielen sind sie zu Wharton’s gegangen und haben gevöllert. Nach der Schule sind sie für Milchshakes hingegangen. Kannst du dir das vorstellen?«

»Überhaupt nicht«, gab Annie zurück.

Einen Burger mit Pommes hatte sie zuletzt bei einem Essen mit ihrem Vater gehabt. Damals hatte er ihr mitgeteilt, dass er weggehen würde, weil sich ihre Mutter und er scheiden lassen würden. Natürlich war es kein großer Schock gewesen, nachdem sie gesehen hatte, wie ihre Mutter all seine Sachen auf den Rasen geworfen hatte. Trotzdem war ihr davon übel geworden. Sie hatte damals den Tisch bei Wharton’s verlassen, war in die Toilette gerannt und hatte sich dort ihres Essens entledigt.

Seit jenem schrecklichen Tag hatte sie auf nichts mehr Lust. Weder auf die Burger und Pommes, die sie einst geliebt hatte, noch auf Pizza oder Eiscreme. Nicht mal auf die Gerichte, die ihre Mutter im Restaurant auf der Karte hatte. Es war, als hätte ihr Vater ihr den Appetit zusammen mit ihrem Herz aus dem Leib gerissen. Mit der Erkenntnis, dass er ihre Mutter betrogen hatte, und nach der peinlichen Szene im Garten vor dem Haus war so ziemlich jede Lust darauf erloschen, je wieder zu essen. Annie wusste, dass ihre Mutter zu Recht so gehandelt hatte. Dennoch hinterließ es eine gewaltige Leere in Annie. Ihr Vater hatte sie immer für das schönste Mädchen der Welt und etwas ganz Besonderes gehalten. Vermutlich dachte er immer noch so, nur war er nicht mehr da, um es ihr zu sagen. Und es am Telefon zu hören war nicht dasselbe. Egal, wie oft er es sagte, sie tat es immer ab, weil er ja nicht wissen konnte, wie sie neuerdings wirklich aussah. Es war bloß heiße Luft.

»Irgendwie wäre es schon cool, mal bei Wharton’s abzuhängen, oder?«, meinte Sarah wehmütig. »Viele Kids gehen nach der Schule immer noch hin.«

»Dann tu’s einfach«, sagte Annie. »Lass dich von mir nicht aufhalten.«

»Ohne dich würde es keinen Spaß machen«, entgegnete ihre Freundin. »Könnten wir nicht nur einmal hingehen? Wir müssen ja nicht das bestellen, was alle anderen nehmen.«

Annie schüttelte bereits den Kopf. »Als ich das letzte Mal mit Mama, Maddie und Ty dort war, haben mich alle angestarrt, als ich Wasser mit einer Zitronenscheibe bestellt hab. Man hätte meinen können, ich hätte ein Bier oder so verlangt. Und wie du weißt, tratscht Grace Wharton über alles und jeden. Meine Mutter würde keine Stunde später wissen, dass ich dort war und weder was gegessen noch getrunken habe.«

Sarah wirkte enttäuscht. »Da hast du wohl recht.«

Annie verspürte einen kurzen Anflug von Schuldgefühlen. Es schien nicht richtig zu sein, dass ihre Marotten ihre beste Freundin davon abhielten, Spaß zu haben. »Weißt du«, meinte sie schließlich, »vielleicht wär’s doch in Ordnung. Ich könnte mir eine Limo bestellen. Trinken muss ich sie ja nicht.« Ihre Stimmung hellte sich auf. »Und vielleicht ist Ty dort.«

Sarah grinste. »Du weißt genau, dass er dort sein wird. Alle coolen Jungs gehen nach der Schule hin. Also, wann willst du?«

»Von mir aus gleich heute«, sagte Annie. »Jetzt muss ich erst mal zu Ms. Franklin. Wenn ich fertig bin, treffen wir uns draußen, dann können wir rübergehen.«

Geld für ein Getränk zu verschwenden, an dem sie nicht mal nippen würde, war ein geringer Preis dafür, eine Stunde oder so mit Ty zu verbringen. Wenngleich sie sich nicht der Illusion hingab, er würde ihr auch nur die geringste Beachtung schenken. Zum einen war Ty in der Oberstufe, zum anderen der Star der Baseballmannschaft. Und somit unerreichbar für sie. Er war ständig von den hübschesten Mädchen seiner Klasse umgeben. Zu bevorzugen schien er die Großen und Dünnen mit langen, seidigen blonden Haaren und üppigem Busen. Damit konnte Annie mit gerade mal etwas mehr als eins sechzig Körpergröße, kastanienbraunen Locken und keiner nennenswerten Brust nicht konkurrieren.

Dafür hatte sie etwas, das keines der anderen Mädchen hatte. Ty und sie gehörten praktisch derselben Familie an. Sie verbrachte Urlaube und jede Menge besondere Anlässe mit ihm. Und eines nahen Tages, wenn sie dünn genug wäre und den perfekten Körper hätte, würde er aufwachen und sie endlich bemerken.

Kapitel 2

Bei der Arbeit auf dem Dach eines weiteren Hauses einer weiteren neuen Wohnsiedlung, diesmal am Stadtrand von Beaufort in South Carolina, war es heißer als in einem Backofen. Die Sonne brannte auf Ronnie Sullivans nackte, schweißnasse Schultern herab. Unter dem Schutzhelm war auch sein Kopf klatschnass. Seine Arbeitsstiefel fühlten sich an, als wöge jeder fünfzig Kilo.

In den letzten zwei Jahren hatte Ronnie auf mehr Baustellen im Bundesstaat South Carolina gearbeitet, als es ein Mann mit gesundem Menschenverstand sollte. Je körperlich anspruchsvoller, desto besser. Wenn er noch lange so weitermachte, würde ihm die Sonne das Hirn völlig weichkochen, davon war er ziemlich überzeugt. Vor allem, seit er beschlossen hatte, vor seinem zurückweichenden Haaransatz zu kapitulieren und sich den Kopf zu rasieren.

So viele Monate lang hatte er jeden ihm angebotenen Job angenommen und war abends nach einer kalten Dusche in einem billigen Motelzimmer ausgegangen, um in irgendeiner Kneipe ein eiskaltes Bier zu kippen und fettiges Essen in sich hineinzustopfen. Mittlerweile war er davon erschöpft, körperlich und emotional. Doch ganz gleich, wie ausgelaugt er ins Bett fiel, es reichte nie, um die Albträume und die Reue zu vertreiben.

Für ihn stand außer Frage, dass er das Beste vermasselt hatte, was ihm je passiert war – seine Ehe mit Dana Sue. Schlimmer noch, er hatte es dumm und leichtsinnig getan. Bis es zu spät gewesen war, hatte er kein einziges Mal an die Konsequenzen gedacht.

Jahre in der Hitze und lebenslange Arbeit auf dem Bau boten die einzige mögliche Erklärung für seine idiotische Entscheidung zu einer Affäre ausgerechnet in Serenity, der Klatschhauptstadt des Südens – praktisch vor der Nase seiner Ehefrau. Sie hatte im Nu herausgefunden, dass er mit einer Frau ins Bett gegangen war, die er nach der Arbeit in einer Bar kennengelernt hatte. Nur einmal, verdammt. Aber in Serenity durfte man sich keine Fehltritte erlauben. Einmal hatte genügt, um sein Leben in Stücke zu reißen.

Dana Sue hatte ihm keine Minute für eine Erklärung gegeben. Oder dafür, sie um Verzeihung zu bitten. Sie hatte zwei Koffer mit seinen Habseligkeiten auf den Rasen geworfen, ohne sich darum zu scheren, dass der halbe Inhalt herausfiel. Dabei hatte sie gebrüllt, dass selbst Abschaum über ihm stünde, sie ihn hasste und sie ihn nie wiedersehen wollte. Die gesamte Nachbarschaft hatte es bezeugt. Ein paar Frauen hatten Solidarität mit Dana Sue bekundet und sie noch angefeuert.

Ronnie wäre gern geblieben und hätte um ihre Ehe gekämpft. Allerdings kannte er Dana Sue lang genug, um zu wissen, was das sture, feurige Funkeln in ihren Augen bedeutete. Also war er mit dem Wissen gegangen, den zweitschlimmsten Fehler seines Lebens zu begehen. Der erste war jener billige, bedeutungslose, einmalige Seitensprung gewesen.

Vor seiner Abreise hatte er sein kleines Mädchen zum Essen eingeladen. Er wollte Annie alles erklären, doch sie wollte davon nichts wissen. Mit vierzehn Jahren war sie gerade alt genug, um zu verstehen, was er getan hatte und warum ihre Mutter so unbändig wütend auf ihn war. Eisern schweigend, hatte sie ihm zugehört. Danach war sie auf die Toilette gegangen und dort geblieben, bis er ihr Grace Wharton hinterherschicken musste.

Seit Ronnie abgereist war, verging kein Tag, an dem er nicht bereute, Dana Sue verletzt oder diesen niedergeschmetterten Ausdruck in den Augen seines kleinen Mädchens verursacht zu haben. Beim Sturz von dem Podest, auf dem er für Annie immer gestanden hatte, war so gut wie alles von den Überresten seines Herzens zerbrochen.

Beim Scheidungsverfahren hatte er um Besuchsrechte gekämpft, doch Helen hatte sie auf ein Minimum zurückgestutzt. Was im Nachhinein betrachtet keine Rolle spielte. Über ein Jahr lang versuchte er, mit Annie in Kontakt zu bleiben. Nur legte sie bei jedem seiner Anrufe auf und weigerte sich, ihn zu treffen, wenn er einen Besuch vereinbaren wollte. Teilweise aus Loyalität zu ihrer Mutter, das wusste er, überwiegend jedoch aus eigener Enttäuschung und Wut. Seit einigen Monaten ging sie zumindest ran, wenn er anrief. Aber ihre Gespräche verliefen immer noch steif und wenig informativ, völlig anders als die herzlichen Unterhaltungen, die sie früher geführt hatten.

Da Dana Sue und Annie ihn nicht wirklich sehen wollten, war Ronnie, Feigling, der er war, nicht mehr nach Serenity zurückgekehrt. Aber in letzter Zeit dachte er mehr und mehr daran. Für das Leben eines Vagabunden war er nicht geschaffen. Er hasste das Leben in Motelzimmern und die Wanderschaft von Ort zu Ort auf der Suche nach Arbeit. Den letzten Job hatte er mittlerweile zwar schon fast ein Jahr, trotzdem war es nicht dasselbe wie sesshaft zu sein. Sogar die Freiheit, nach Lust und Laune mit Frauen zu flirten, hatte jeden Reiz verloren. Darin lag wohl eine gewisse Ironie.

In Wirklichkeit fehlte es ihm, verheiratet zu sein, insbesondere mit Dana Sue, die ihm das Herz geraubt hatte, als sie beide fünfzehn waren. Und es gehörte ihr immer noch. Warum er das vor ein paar Jahren nicht erkannt hatte, bevor er etwas so vollkommen Dämliches getan hatte, konnte er sich nicht erklären.

Aus seinen letzten Gesprächen mit Annie wusste er, dass seine Ex-Frau noch keinen anderen hatte. Was natürlich längst nicht bedeutete, dass sie ihn zurücknehmen würde. Wenn er wieder nach Serenity ginge, würde er alle Hände voll zu tun haben, um sie zurückzuerobern. Aber vielleicht hatten zwei Jahre gereicht, um ihre Wut ein wenig abklingen zu lassen. Vielleicht würde sie nicht sofort mit einer Schrotflinte auf ihn feuern. Hoffte er zumindest. Er wusste mit Sicherheit, dass sie eine Blechbüchse auf fünfzehn Meter Entfernung traf. Wenn sie auf ihn zielte, würde sie ihn nicht verfehlen.

Und selbst wenn sie auf ihn schösse: Solange sie nichts Lebenswichtiges träfe, wäre es halb so wild. Er hätte es verdient. Und verdammt, dachte er grinsend, was wäre das Leben ohne ein wenig Aufregung und Risiko von Zeit zu Zeit? Er brauchte nur einen Vorwand, um den Fuß in die Tür zu bekommen. Wenn es ihm vergönnt wäre, Dana Sue zurückzugewinnen, würde sich früher oder später eine Gelegenheit ergeben, dachte er.

Am Ende des Arbeitstags kletterte er vom Dach, griff sich eine Flasche Wasser, trank einen ausgiebigen Schluck und schüttete sich den Rest über den Kopf.

Thanksgiving, entschied er mit der ersten echten Vorfreude, die er seit zwei langen Jahren verspürte. Wenn das Schicksal ihm bis dahin keinen vernünftigen Vorwand geliefert hätte, würde er nach Hause fahren und es einfach darauf ankommen lassen.

Dana Sue und Maddie genossen ihren Eistee – Dana Sue ungesüßt, was in der Gegend praktisch als Verbrechen galt. Sie saßen auf der schattigen Backsteinterrasse hinter dem Corner Spa. Um acht Uhr morgens hatte es noch einigermaßen angenehme vierundzwanzig Grad, doch die Luftfeuchtigkeit und die strahlende Sonne versprachen für später einen sengend heißen Tag. Es würde noch Monate dauern, bis die Schwüle in South Carolina nachlassen würde, wahrscheinlich gerade rechtzeitig zu Thanksgiving.

Drinnen trainierten bereits sechs Frauen. Einige weitere befanden sich im Café und aßen Dana Sues fettfreie, ballaststoffreiche Rosinen-Muffins mit Kleie zu Schalen mit frischem Obst.

»Wo ist Helen?«, fragte Dana Sue, nachdem Maddie und sie sich gesetzt hatten.

»Oben beim Duschen«, erwiderte Maddie. »Sie hat schon trainiert, noch bevor wir geöffnet hatten.«

Dana Sue bedachte ihre Freundin mit einem ungläubigen Blick. »Helen? Unsere Helen?«

»Sie hatte gestern einen Termin bei Doc Marshall«, erklärte Maddie. »Und er hat ihr wieder einen Vortrag über ihren Blutdruck gehalten. Er ist viel zu hoch für eine erst einundvierzigjährige Frau. Der Doc hat sie daran erinnert, dass sie den Stress zurückschrauben und mehr Sport treiben soll. Deshalb ist sie zumindest heute fest entschlossen, ihr Trainingsprogramm einzuhalten.«

»Wollen wir drauf wetten, wie lang es diesmal anhält?«, fragte Dana Sue. »Vor ein paar Monaten war sie auch total engagiert. Aber dann hat sie zu viele Fälle übernommen und wieder vierzehn Stunden am Tag gearbeitet. Ein paar Wochen lang haben wir sie überhaupt nicht zu Gesicht bekommen.«

»Ich weiß«, sagte Maddie. »Sie ist eben durch und durch eine Typ-A-Persönlichkeit. Ich bin mir nicht sicher, ob sie sich ändern kann. Auf mich jedenfalls hört sie nicht. Ich hab mir bei ihr schon den Mund fusselig geredet.«

»Wer hört nicht auf dich?«, fragte Helen, griff sich einen Stuhl und setzte sich.

»Tja, du«, antwortete Maddie ohne die geringsten Schuldgefühle, weil sie hinter Helens Rücken über sie geredet hatte.

»Ich bin die letzte Stunde im Fitnessstudio gewesen, oder?«, brummte Helen, die ahnte, worum es ging. »Was willst du denn noch?«

»Wir wollen, dass du besser auf dich achtest«, warf Dana Sue mit sanfter Stimme ein. »Nicht für einen Tag oder eine Woche, sondern von jetzt an allgemein.«

Helen runzelte die Stirn. »Hast du da gerade im Glashaus mit einem Stein geworfen?«

»Ja«, gestand Dana Sue bereitwillig. Sie fand es so viel einfacher, Helens gesundheitliche Probleme anzugehen als ihre eigenen oder die ihrer Tochter.

»Darüber diskutiere ich nicht«, stellte Helen klar. »Doc Marshall hat mir die Meinung gegeigt. Das hab ich mir zu Herzen genommen. Ende der Geschichte.«

Dana Sue wechselte einen Blick mit Maddie, aber beide schwiegen. Wenn sie Helen zu sehr bedrängten, würde sie nur dichtmachen und sie beide meiden. Und damit hätte sie einen Vorwand, dem Fitnessstudio völlig fernzubleiben, obwohl sie eine wesentliche finanzielle Beteiligung daran hatte.

Helen nickte zufrieden über das Schweigen. »Danke. Dann zu einem viel erfreulicheren Thema: Ich hab mir gestern Abend die Bücher angesehen«, sagte sie. »Die Mitgliedschaftszahlen steigen.«

»Um zehn Prozent im letzten Monat«, bestätigte Maddie. »Die Wellnessbehandlungen haben sich fast verdoppelt. Und das Gastronomiegeschäft hat sich verdreifacht. Wir liegen deutlich über den Prognosen für unseren Businessplan.«

Dana Sue musterte sie überrascht. »Wirklich? Haben wir beim Frühstück oder beim Mittagessen mehr Geschäft im Café?«

»Den ganzen Tag lang«, antwortete Maddie. »Wir haben eine Gruppe von Frauen, die kommen dreimal die Woche um vier Uhr zum Training und trinken danach Tee. Sie haben mich geradezu angefleht, dich zu bitten, dass du dir kalorienarmes, fettarmes Gebäck für sie einfallen lässt. Vor ein paar Jahren waren sie alle zusammen in London, seither sind sie begeistert von Nachmittagstee. Sie betonen immer wieder, was für eine zivilisierte Tradition es ist, sich am späten Nachmittag einen Snack in angenehmer Gesellschaft zu gönnen.«

»Da wittere ich doch eine Idee«, meinte Helen nachdenklich. »Am späten Nachmittag ist wahrscheinlich oft tote Hose, oder?«

»Bisher schon. Und jetzt, da die Schule wieder angefangen hat, ist es noch schlimmer«, bestätigte Maddie.

»Ich nehme an, dass einige Frauen die Kinder von der Schule abholen«, fuhr Helen fort. »Andere sind bei der Arbeit oder fangen um die Zeit an, das Abendessen vorzubereiten. Eine Aktion für Training und Tee am Nachmittag könnte Frauen, die denken, ein Fitnessstudio wäre nichts für sie, dazu ermutigen, es bei uns zu versuchen. Das könnte ansprechend für Rentnerinnen sein, die das Gefühl haben, nicht zu den jüngeren Leuten zu passen.«

»Gefällt mir!«, verkündete Dana Sue begeistert. »Vielleicht können wir sogar eine Mutter-Tochter-Aktion hinzufügen. Das könnte einige der Mütter von Fahrgemeinschaften anlocken. So könnten sie es sich sparen, nach Hause zu fahren und einen Snack für die Kinder zuzubereiten. Oder die Kinder allein zu lassen, die dann eine Handvoll Kekse oder Junkfood in sich reinstopfen würden. Wir könnten eine Kinderbetreuung anbieten, damit die Kleinen versorgt sind, während Mütter und Töchter zusammen trainieren.«

Maddie und Helen wechselten einen Blick.

»Geht dir durch den Kopf, dass Annie und du so was zusammen machen könntet?«, fragte Maddie.

»Warum nicht?«, gab Dana Sue zurück.

»Na, zum einen, weil der Nachmittag die wohl denkbar schlechteste Zeit für dich ist, um nicht im Restaurant zu sein«, sagte Maddie realistisch.

»Eine Stunde könnte ich schon abzweigen«, ließ sich Dana Sue nicht beirren. »Ich müsste nur am Vormittag mehr vorbereiten oder Erik und Karen ein bisschen mehr machen lassen. Sie ist zwar erst seit ein paar Wochen im Restaurant, mausert sich aber schon zu einer sehr geschickten Assistentin. Was immer ich ihr erkläre, verinnerlicht sie im Nu. Und Erik könnte den Laden natürlich mit einer Hand auf den Rücken gefesselt schmeißen. Er tut es nur aus Rücksicht auf mich nicht.«

»Rücksicht auf dich?« Helen zog fragend eine Augenbraue hoch. »Oder Angst um sein Leben? Ich muss gestehen, ich kann mir nicht recht vorstellen, dass du so viel Kontrolle abgibst. Die Küche ist dein Revier. Du bist ausgeflippt, als jemand den Kühlschrank um zwei Zentimeter verschoben hat, während du nicht da warst. Du hast behauptet, es hätte dich aus dem Tritt gebracht, als du in Eile warst.«

»So ein Kontrollfreak bin ich auch wieder nicht«, entgegnete Dana Sue gereizt.

»Ach nein? Seit wann nicht?«, höhnte Helen.

»Na schön, vielleicht auch doch. Genau wie ihr beide«, räumte sie ein. »Aber es wäre das Opfer wert, wenn ich dadurch meiner Tochter zurück in die Spur verhelfen kann und wir wieder mehr miteinander reden.«

»Ich sage das echt ungern, aber ich bin mir nicht sicher, ob ein Mädchen im Teenageralter wirklich Zeit mit der Mutter im Fitnessstudio verbringen will«, gab Maddie zu bedenken.

»Auch nicht, wenn ein Mädchen besessen von seinem Gewicht ist?«, fragte Dana Sue enttäuscht, doch sie vertraute Maddies Instinkten in Hinblick auf ihre Tochter. Sowohl Maddie als auch Helen schienen Annie in letzter Zeit besser zu verstehen als sie selbst. Vielleicht lag es an ihrer Objektivität.

»Ganz besonders dann nicht«, antwortete Maddie. »Zum einen gibt’s hier überall Spiegel. Das können Menschen mit Körperwahrnehmungsproblemen nicht ausstehen. Ich hab schon gesehen, wie Annie davor zurückschreckt, wann immer sie hier vorbeischaut.«

»Was soll ich dann tun?«, fragte Dana Sue. »Maddie, du hast doch mit Cal und mit Ty gesprochen, und beide haben gesagt, dass Annie nichts isst, richtig? Wenn sie zu Hause nichts isst und auch in der Schule nicht, dann hat sie ein Problem. Soll ich sie verhungern lassen, bevor ich irgendwas unternehme?«

»Natürlich kannst du das alles nicht ignorieren«, erwiderte Maddie beschwichtigend. »Aber du musst klug vorgehen. Du brauchst handfeste Beweise, bevor du sie damit konfrontierst.«

»Zusätzlich zu ihrem Gewicht?«, fragte Dana Sue. »Ich wette, sie bringt keine fünfzig Kilo auf die Waage. Ihre Kleidung hängt nur noch an ihr. Vielleicht sollte ich sie einfach zu Doc Marshall bringen und ihm den Umgang mit ihr überlassen. Vielleicht kann er sie einschüchtern und zur Vernunft bringen.«

»Hat er dich denn eingeschüchtert?«, fragte Helen pointiert. Ohne auf eine Antwort zu warten, fuhr sie fort: »Nein, weil du ihn schon ewig kennst. Wir alle kennen ihn schon ewig. Früher hat er uns sogar Lutscher geschenkt. Du hörst nicht auf ihn. Ich höre nicht auf ihn.«

»Das ist ein völlig anderes Thema«, merkte Maddie spitz an.

Helen tat den Einwand mit einem Schulterzucken ab. »Wie auch immer. Ich will darauf hinaus, dass er im Grunde ein großer Knuddelbär ist, der heimlich raucht und vermutlich Bluthochdruck, hohe Cholesterinwerte und all die anderen Dinge hat, vor denen er uns warnt. Wer würde ihn schon ernst nehmen?«

Maddie sah sie stirnrunzelnd an. »Dich schüchtert er vielleicht nicht ein, aber das heißt noch lange nicht, dass er bei Annie keine Wirkung erzielt. Allerdings könnte er leider genau wie wir nur darüber spekulieren, ob sie unter einer Essstörung leidet. Wir brauchen irgendeinen hieb- und stichfesten Beweis. Dana Sue muss etwas in der Hand haben, das Annie unmöglich leugnen kann.«

»Zum Beispiel?«, fragte Dana Sue frustriert. »Reicht es nicht als Beweis, dass sie kein Essen anrührt, das ich ihr vorsetze?«

»Sie wird einfach behaupten, dass sie isst, wenn du nicht dabei bist«, sagte Maddie. »Vielleicht wirft sie es sogar in die Mülltonne, damit du denkst, sie hätte es gegessen. Bestimmt fallen ihr haufenweise gewiefte Möglichkeiten ein, um dich zu beruhigen. Außerdem bist du zur Essenszeit ja nicht immer da.«

»Die Waagen lügen nicht«, sagte Dana Sue. »Obwohl sie mich natürlich nicht in ihre Nähe lässt, wenn sie sich wiegt.«

Helens Gesichtsausdruck wurde nachdenklich. »Vielleicht gehen wir es völlig falsch an. Wir konzentrieren uns ausschließlich auf Annie. Dadurch kommt sie sich wahrscheinlich wie unter dem Mikroskop vor.«

Langsam nickte Maddie. »Ich glaube, du hast recht. Meinst du, Annies Freundinnen haben auch Essstörungen?«, fragte sie.

Dana Sue dachte darüber nach. Sie hatte zwar einige von ihnen gelegentlich über Diäten reden gehört, aber keine war so qualvoll dünn wie Annie. Ihrer Meinung nach schienen sie nicht besessener von ihrem Gewicht zu sein als Dana Sue und ihre Freundinnen.

»Davon hab ich nichts bemerkt«, antwortete sie schließlich. »Sarah Connors ist am häufigsten bei uns zu Hause, und sie sieht kerngesund aus. Annie und sie reden zwar über angesagte Diäten aus den Medien, aber Sarah isst die Mahlzeiten und Snacks, die ich für sie zubereite. Genau wie der Großteil der anderen Mädchen.«

»Bist du dir sicher?«, bohrte Maddie nach.

»Na ja, ich stehe nicht jede Sekunde daneben und beobachte sie, falls du das meinst.«

»Solltest du vielleicht«, konterte Helen.

»Bist du verrückt? Annie würde ausflippen, wenn ich ihr und ihren Freundinnen nicht von der Pelle rücke.«

»Gott weiß, wir wären auch ausgeflippt«, gab Maddie ihr recht. »Aber könntest du eine Übernachtung bei euch vorschlagen? Du könntest Pizzen bestellen, haufenweise Snacks vorbereiten, Brownies backen und beobachten, wie sie damit umgehen. So müsstest du nur ab und zu bei ihnen reinschauen, um zu sehen, wer gerade isst und wer nicht.«

Dana Sue sah sie ungläubig an. »Du willst, dass ich ihnen nachspioniere?«

»Na schön, es klingt vielleicht lächerlich«, räumte Maddie ein. »Aber es könnte dir einen Eindruck verschaffen, ob es Annies Problem ist oder ob sie auf einen Gruppenzwang reagiert. Und Nachspionieren ist ein weithin unterschätztes Werkzeug für Eltern. Wir müssen wissen, was mit unseren Kindern los ist. Basta.«

»Na schön, sagen wir mal, ich steige drauf ein«, erwiderte Dana Sue. »Was würde ich wirklich herausfinden? Wenn das Essen weg ist, klar, dann hat es jemand gefuttert. Oder sie haben es die Toilette runtergespült. Oder sie haben es in sich reingestopft und wieder rausgewürgt. Weißt du, es gibt mehr als eine Form von Essstörungen.«

»Ich stimme Maddie zu. Ich finde, es ist den Versuch wert«, meinte Helen. »Was hast du schon zu verlieren?«

Da Dana Sue tatsächlich wenig über die Essgewohnheiten von Annies Freundinnen wusste, würde sie so vielleicht dringend benötigte Erkenntnisse erlangen, entschied sie. »Na ja, es könnte wohl funktionieren«, räumte sie schließlich ein. Es mochte ein brüchiger Rettungsanker sein, aber sie war verzweifelt. Mittlerweile war sie bereit, sich an praktisch alles zu klammern.

Maddie strahlte sie an. »Das ist die richtige Einstellung. Und jetzt lass uns über dich reden.«

Dana Sue runzelte die Stirn. »Geht nicht. Ich muss los.«

»Nicht so schnell.« Helen hielt sie am Arm fest, bis sie wieder auf ihren Sitz sank. »Was hat Doc Marshall in letzter Zeit zu dir gesagt?«

»Dass ich immer noch diabetesgefährdet bin, Sport treiben muss, darauf achten soll, was ich esse, und meinen Blutzucker regelmäßig kontrollieren muss«, zählte sie pflichtbewusst auf.

»Und machst du das alles?«, hakte Maddie nach.

»Ja«, behauptete Dana Sue, sah dabei jedoch keiner der beiden in die Augen.

»Wirklich?« Helen machte keinen Hehl aus ihrer Skepsis. »Dann benutzt du all die schönen, teuren Trainingsgeräte, die wir gekauft haben, wohl nur dann, wenn ich nicht da bin.« Sie sah Maddie an. »Stimmt das? Ist Dana Sue am Vormittag hier? Am Nachmittag?«

»Vielleicht schleiche ich mich ja rein, nachdem wir geschlossen haben!«, brachte Dana Sue gereizt an. »Und ich weiß nicht, was dir das Recht gibt, meine Trainingsdisziplin in Frage zu stellen. Deine ist keinen Deut besser.«

»Punkt für dich«, gab Helen sofort zu. »Deshalb hab ich mir für uns eine geeignete Herausforderung ausgedacht.«

»Das klingt nicht gut«, murmelte Maddie.

Dana Sue grinste. »Was du nicht sagst.«

»Okay, ihr zwei, ich mein’s ernst«, sagte Helen. »Ich finde, wir sollten alle unsere Ziele aufschreiben, ganz gleich, wie sie auch aussehen. Und einen Plan, um sie zu erreichen. Wer sich an den Plan hält und das Ziel erreicht, gewinnt etwas Spektakuläres, das die beiden anderen bezahlen müssen.«

Sofort leuchteten Maddies Augen auf. Wettbewerbe hatten sie schon immer begeistert. Und sie gewann fast genauso gern wie Helen. »Darf sich die Siegerin den Preis selbst aussuchen?«

Helen nickte. »Scheint mir nur fair zu sein, was meint ihr?«

»Gibt’s ein Preislimit?«, fragte Dana Sue. »Du bist die Einzige von uns, die richtig viel verdient.«

Helen grinste. »Was eine hervorragende Motivation für euch beide sein sollte, mich zu schlagen. Aber zufällig weiß ich, dass es im Sullivan’s blendend läuft. Und wenn’s hier so weitergeht wie bisher, könnt ihr nicht mehr behaupten, ihr wärt ach so arm. Das Corner Spa wird uns alle reich machen. Wir haben’s uns verdient, ein bisschen zu protzen. Davon geht keine von uns bankrott. Nicht mit den Gewinnen aus dem Laden hier.« Sie wandte sich an Maddie. »Also, was ist dein Traumpreis?«

»Und es ist wirklich alles erlaubt?«, vergewisserte sich Maddie mit nachdenklichem Blick.

»Warum nicht?« Helen zuckte mit den Schultern. »Die Idee dahinter ist ja, uns zu motivieren, richtig daran zu arbeiten. Dafür reicht die Aussicht auf ein neues Kleid oder Paar Schuhe nicht.«

»Dann wäre eine Reise nach Hawaii zu meinem ersten Hochzeitstag toll«, verkündete Maddie. »Wahrscheinlich würden wir es nicht vor den Frühjahrsferien schaffen, aber dafür wär ich gern bereit zu warten.«

Helen notierte es sich auf ihrem allgegenwärtigen Notizblock. »Also eine Reise erster Klasse für zwei. Oder lieber für drei. Ich kann mir nämlich nicht vorstellen, dass sich deine Mutter um ein Baby kümmern würde. Sie hat sich ja erst unlängst daran gewöhnt, auf deine anderen drei Kinder aufzupassen, und davon sind zwei schon Teenager.«

»Ja, es müsste definitiv für drei sein«, bestätigte Maddie. »Cal wäre nie damit einverstanden, Jessica Lynn zu Hause zu lassen. Er kann sich ja kaum überwinden, zur Arbeit zu gehen.«

Helen drehte sich Dana Sue zu. »Was ist mit dir? Irgendein Traumurlaub, den du dir bisher nicht gegönnt hast? Ein neues Auto? Eine schicke neue Küche für zu Hause?«

»Ich verbringe den ganzen Tag in einer schicken neuen Küche im Restaurant«, erwiderte Dana Sue. »Das ist genug Edelstahl für mich. Und ich persönlich finde, dass Reisen stark überbewertet werden.«

»Nur, weil du dich bei unserem Abschlussausflug nach Washington, D. C., verlaufen hast«, stichelte Maddie. »Damit bist du ewig aufgezogen worden, und du hast South Carolina seitdem nicht mehr verlassen.«

»Okay, keine Küche, keine Reise«, sagte Helen. »Was dann? Träum ruhig groß.«

Eigentlich wollte Dana Sue für sich nur eins: Sie wollte einen Mann in ihrem Leben. Den richtigen Mann, einen, der sie respektierte und so behandelte, als wäre sie das Beste, was ihm je passiert war. Und im tiefsten, dunkelsten Winkel ihres Herzens wollte sie, dass Ronnie Sullivan dieser Mann war. Sosehr Helen und Maddie sie auch liebten, leider konnten sie ihr das nicht geben. Und so wütend, wie sie auf ihn waren, würden sie diese spezielle Fantasie nie und nimmer fördern.

»Ich weiß, was sie will«, sagte Maddie leise.

»Was?«, fragte Helen.

Maddie sah Dana Sue in die Augen. »Sie will Ronnie zurück.«

»Ganz sicher nicht«, widersprach sie empört. Aus Gewohnheit. Vielleicht auch aus Selbstschutz oder Verlegenheit. Schließlich war es beschämend, dass sie immer noch einen Mann wollte, den sie mit so großem Tamtam aus dem Haus geworfen hatte. »Wie kannst du so was überhaupt sagen, Maddie? Du weißt, was der Mann mir angetan hat. Du warst da, hast die Scherben aufgeklaubt. Ronnie Sullivan ist das Letzte, was ich will. Ich wäre heilfroh, wenn ich sein jämmerliches Gesicht nie wieder sehen muss.«

Ihre beiden besten Freundinnen musterten sie mit wissenden Blicken.

»Klingt vehement«, befand Helen.

»Zu vehement?«, fragte Maddie.

Beide grinsten und wirkten überaus zufrieden mit sich.

Dana Sue schaute finster drein. »Tja, dazu kann ich nur sagen: Wenn Ronnie Sullivan eure Vorstellung von einem spektakulären Preis ist, dann kann ihn gern eine von euch haben. Ich will ihn nicht. Und die Aussicht darauf, ihn zurückzubekommen, würde mich höchstens dazu motivieren, mir für den Rest des Lebens jeden Abend eine riesige Pizza zu bestellen.«

»Vielleicht meint sie’s ja doch ernst«, sagte Maddie, klang jedoch zweifelnd.

»Na schön, dann eben ein schickes kleines Cabrio«, schlug Helen vor. »Vielleicht rot?«

Dana Sue grinste und war erleichtert, das Thema Ronnie abgehakt zu haben. »Jetzt redest du meine Sprache. Und es muss unbedingt eine erstklassige Stereoanlage und ein Navi haben.«

»Das ist auf jeden Fall wichtig«, stimmte Maddie ihr zu. »Du hast nämlich null Orientierungssinn – daher auch dein Problem bei der Abschlussfahrt.«

»Hör auf, mich daran zu erinnern«, erwiderte Dana Sue gutmütig. »Ich komme immer ans Ziel.«

»Irgendwann«, merkte Helen an.

»Na schön, Klugscheißerin, was ist mit dir?«, fragte Dana Sue. »Was ist dein großer Preis?«

»Ein Einkaufsbummel«, antwortete Helen, ohne zu zögern.

»Haben daran je Zweifel bestanden?«, warf Maddie sarkastisch ein.

Helen sah sie mürrisch an. »In Paris«, fügte sie hinzu.

»In Ordnung!«, rief Maddie begeistert. »Und wir dürfen alle mit.«

Dana Sue lachte. »Allmählich gefällt mir die Sache mehr und mehr. Jetzt ist es mir fast egal, ob Helen gewinnt.«

»Unfair«, klagte Helen. »Ihr müsst versprechen, euch wirklich zu bemühen, eure eigenen Preise zu gewinnen.«

»Wann beginnt der Wettbewerb?«, fragte Maddie.

»Sobald wir unsere Ziele festgelegt haben«, sagte Helen. »Und es müssen sinnvolle Ziele sein – ehrgeizig, aber erreichbar, okay? Treffen wir uns morgen um die gleiche Zeit, sagen sie uns gegenseitig und entscheiden dann, wie lange wir dafür brauchen?«

»Bin dabei«, stimmte Maddie zu.

Dana Sue dachte an den schicken kleinen roten Sportwagen, den sie gesehen hatte, als sie zuletzt mit Annie nach Charleston gefahren war. Der Flitzer hatte sie an ein Auto erinnert, das Ronnie vor langer Zeit gehabt hatte, noch vor ihrer Hochzeit – lange, bevor es zwischen ihnen so schrecklich schiefgelaufen war.

»Ich auch«, sagte sie prompt.

Vielleicht würde sie nie wieder gertenschlank sein, aber mit etwas Glück könnte sie die Sorglosigkeit und das Selbstbewusstsein zurückerlangen, die sie mit achtzehn Jahren hatte, als in ihrer Welt noch alles in Ordnung war. Und wenn sie sich selbst besser fühlte, könnte sie unter Umständen eine Möglichkeit finden, Annie auch dazu zu verhelfen.

Kapitel 3

Jeder Gedanke daran, sich Ziele zu setzen, ging den Bach runter, als mitten in der Hektik des abendlichen Hochbetriebs ein Fettbrand in der Küche ausbrach.

Kaum hatte Karen »Feuer!« gebrüllt, schnappte sich Erik einen Feuerlöscher und begann zu sprühen. Gleichzeitig rannte Karen zum nächstbesten Telefon und wählte den Notruf, obwohl der kleine Brand bereits weitgehend eingedämmt war.

Mit der Gewissheit, dass Erik die Lage in der Küche unter Kontrolle hatte, ging Dana Sue in den Gastraum, um die verunsicherten Gäste zu beruhigen. Anschließend erklärte sie den Leuten auf der Gastterrasse, was passiert war, und wartete auf das Eintreffen der Feuerwehr. Dana Sue hoffte, die Männer davon abzuhalten, ihre Schläuche durchs Restaurant zu ziehen. Dank Eriks schneller Reaktion war es nicht nötig, dass all die Feuerwehrleute mit ihrer gesamten Ausrüstung durch das Lokal pflügten. Als die freiwillige Feuerwehr schließlich eintraf, gab es kaum noch Anzeichen eines Brands, abgesehen von erschütterten Nerven, anhaltendem Rauchgeruch und der Sauerei in unmittelbarer Nähe der in Brand geratenen Pfanne mit Öl.

Genauer würde es Dana Sue erst am nächsten Morgen feststellen können, doch es schien, als hätte der Gastraum mit seinen in hellem Pfirsichton gestrichenen Wänden und dunkelgrünen Verzierungen keine Rauchschäden erlitten. Ein Ausflug in die Wäscherei würde den Geruch beseitigen, der sich in den Tischtüchern und Servietten eingenistet hatte.

»Das war meine Schuld. Es tut mir so leid«, sagte Karen zum mindestens zehnten Mal, seit sich der Feuerwehrhauptmann abgemeldet hatte und sie alle wieder an die Arbeit gehen ließ.