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Der spicy Auftakt der neuen Western-Reihe von Bestseller-Autorinnenduo Piper Rayne Ben Noughton ist der Golden Boy seiner Familie. Doch nach dem Ende seiner Footballkarriere steht der Ex-NFL-Spieler an einem Scheideweg. Obwohl zu Hause seine Brüder und die Ranch auf ihn warten, fällt ihm die Rückkehr in die alte Heimat nicht leicht. Als er mit siebzehn der Kleinstadt in Nebraska den Rücken kehrte, ließ er auch seine erste Liebe Gillian zurück. Diese reagiert alles andere als erfreut, als sich ausgerechnet Ben als der neue Footballcoach ihres Sohnes entpuppt. Die alleinerziehende Mutter würde ihrem Exfreund am liebsten aus dem Weg gehen; zu sehr reißt seine Gegenwart alte Wunden in ihr auf. Doch Ben ist bereit, alles zu geben, damit ihre Liebe eine zweite Chance bekommt. Eine mitreißende Second-Chance-Romance für Fans von Elsie Silver, Hannah Grace und Lucy Score
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Seitenzahl: 351
Veröffentlichungsjahr: 2025
The One I Left Behind
Piper Rayne ist das Pseudonym zweier USA-Today-Bestsellerautorinnen. Mehr als alles andere lieben sie sexy Helden, unkonventionelle Heldinnen, die sie zum Lachen bringen, und viel heiße Action.
Willkommen auf der Plain Daisy Ranch
Ben Noughton ist der Golden Boy seiner Familie. Doch nach dem Ende seiner Footballkarriere steht Ben am Scheideweg. Obwohl zu Hause seine Brüder und die Ranch auf ihn warten, fällt ihm die Rückkehr in die alte Heimat nicht leicht. Denn als er mit siebzehn der Kleinstadt in Nebraska den Rücken kehrte, ließ er auch seine erste Liebe Gillian zurück. Und diese reagiert alles andere als erfreut, als sich ausgerechnet Ben als der neue Footballcoach ihres Sohnes entpuppt. Vor allem, als er plötzlich beginnt, sich wieder um sie zu bemühen ...
Piper Rayne
Roman
Aus dem Amerikanischen von Clarissa Seiferheldt
Forever by Ullsteinwww.ullstein.de
Deutsche Erstausgabe bei ForeverForever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinMai 2025© 2025 für die deutsche Ausgabe Ullstein Buchverlage GmbH, Friedrichstraße 126, 10117, Berlin© 2024 Piper RayneDie amerikanische Originalausgabe erschien 2024 unter dem Titel: The One I Left Behind.Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.Bei Fragen zur Produktsicherheit wenden Sie sich bitte an produktsicherheit@ullstein.deCovergestaltung: bürosüd, MünchenE-Book powered by pepyrusISBN 978-3-98978-034-7
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Das Buch
Titelseite
Impressum
Erstes Kapitel
Zweites Kapitel
Drittes Kapitel
Viertes Kapitel
Fünftes Kapitel
Sechstes Kapitel
Siebtes Kapitel
Achtes Kapitel
Neuntes Kapitel
Zehntes Kapitel
Elftes Kapitel
Zwölftes Kapitel
Dreizehntes Kapitel
Vierzehntes Kapitel
Fünfzehntes Kapitel
Sechzehntes Kapitel
Siebzehntes Kapitel
Achtzehntes Kapitel
Neunzehntes Kapitel
Zwanzigstes Kapitel
Einundzwanzigstes Kapitel
Zweiundzwanzigstes Kapitel
Dreiundzwanzigstes Kapitel
Vierundzwanzigstes Kapitel
Fünfundzwanzigstes Kapitel
Sechsundzwanzigstes Kapitel
Siebenundzwanzigstes Kapitel
Achtundzwanzigstes Kapitel
Neunundzwanzigstes Kapitel
Dreißigstes Kapitel
Epilog
Unsinniges Einhorn-Geschwafel
Social Media
Vorablesen.de
Cover
Titelseite
Inhalt
Erstes Kapitel
Die Schiebetüren des Flughafens öffnen sich, doch es ist nicht die Junihitze Nebraskas, die mich schockiert. Vielmehr sind es mein Vater und meine beiden Brüder, die in einem alten schwarzen Pick-up sitzen, an dessen Seite das Logo der Plain Daisy Ranch zwischen Schmutzspritzern hervorlugt.
»Das wurde aber auch verdammt noch mal Zeit!«, schreit Emmett, der seinen Oberkörper aus dem offenen Fenster des Rücksitzes geschoben hat.
Hoffentlich gibt es in diesem Truck eine Klimaanlage.
Mein Vater ist kein emotionaler Typ und mein älterer Bruder Jude auch nicht. Ich bin überrascht, dass sie nicht einfach nur Emmett geschickt haben, um mich abzuholen.
Mein Vater geht hinten am Truck vorbei, nimmt meinen Koffer und wirft ihn auf den Rücksitz. Kein Schulterklopfen oder eine Umarmung. Wir sind in der Noughton-Familie nicht sehr liebevoll.
Dads Anwesenheit lässt ein riesiges rotes Licht in meinem Gehirn aufleuchten. So eins wie über den Spielautomaten, das anzeigt, dass man gewonnen hat. Irgendetwas stimmt da nicht. Sie behandeln mich zu nett. Was ist seit ihrem Besuch vor ein paar Monaten passiert, als ich meinen Rücktritt vom Football bekannt gab?
»Das hätte ich auch selbst machen können«, sage ich, öffne die Tür, aus der Emmett halb heraushängt, und schubse ihn leicht, damit er rüberrutscht.
Er stöhnt, als wäre er wieder sechs Jahre alt, und ich würde ihn wie damals herumkommandieren. Wenn Jude und ich gewusst hätten, dass Emmett größer werden würde als wir beide, hätten wir es vielleicht unterlassen, ihn so oft zu ärgern. Wobei … wahrscheinlich auch dann nicht.
»Willkommen zu Hause!« Mein Vater klettert auf den Fahrersitz des Trucks.
Das einzige Mal, dass wir ihn herumfahren durften, war, als wir mit sechzehn Jahren für unsere Führerscheinprüfung übten. Und sogar da hatten wir zuvor schon einige Fahrerfahrung auf der Ranch gesammelt.
»Danke«, murmle ich.
Aufregung ist nicht das erste Wort, das ich benutzen würde, um meine Gefühle für die Rückkehr in meine Kleinstadt zu beschreiben. Liebe ich, wo ich aufgewachsen bin? Aber ja doch. Liebe ich meine Familie? Ohne Frage. Und ich vermisse die Ranch. Die Kühe, die Pferde, alle meine Cousins und Tanten und Onkel. Es ist zwar nicht Kansas, aber wie Dorothy sagte, es gibt keinen Ort wie zu Hause.
Doch im Laufe der Jahre habe ich mich an mein Leben in San Francisco gewöhnt. An das Leben eines Profifootballers, der gut bezahlt wird – in Dollarscheinen wie Frauen. Die Leute sprachen mich an, als wäre ich Gott höchstpersönlich, obwohl ich nur den Sport ausübte, den ich liebte.
»Keine Klimaanlage?«, frage ich.
Jude wirft einen Blick über seine Schulter. »Hast du die Benzinpreise gesehen?«
»Mein letzter Stand war, dass es der Ranch gut geht.«
In den vierzehn Jahren, seit ich die Ranch verlassen habe, um aufs College zu gehen und Profifootballer zu werden, hat sich die Plain Daisy Ranch ganz schön verändert. Es ist eine Rinderfarm, aber mit der Hilfe meiner Tanten, Onkel und Cousins haben sie unsere über fünfhunderttausend Hektar in mehrere professionelle Unternehmen für alle verwandelt.
»Das tut es auch, solange wir nicht unser Geld verschwenden. Es ist erst Juni, warte bis Juli.« Dad wirft einen Blick in den Rückspiegel.
Er hat noch immer diesen rauen Rancher-Look. Ein bisschen schäbig, als hätte er sich seit ein paar Tagen nicht rasiert, mit ein paar grauen Strähnen und tiefen Falten um die Augen. Doch unter seinem karierten Hemd und den Jeans verbirgt sich auch heute noch sein von der täglichen, körperlich anstrengenden Arbeit schlanker, muskulöser Körper.
Ich lehne meinen Kopf an das Fenster und lasse mir den warmen Wind ins Gesicht wehen. Wir fahren aus der Stadt heraus, die hohen Gebäude werden zu Maisstängeln, die nicht einmal kniehoch sind. Die sanften mit Mais und Sojabohnen bewachsenen Hügel führen uns in Richtung unserer Stadt Willowbrook. Ich erwarte, das rostige alte Willkommensschild mit dem Slogan »Nichts geht über das Kleinstadtleben« zu sehen.
Der Pick-up rast vorbei, und ich erkenne gerade noch meinen Namen auf dem neuen »Willkommen in Willowbrook«-Schild.
»War das …?« Ich zeige mit dem Daumen auf das Schild.
Emmett bricht in Gelächter aus.
Jude grunzt.
Dad richtet sich in seinem Sitz auf. »Jap. Neues Schild. Du bist das Beste, was diese Stadt hervorgebracht hat. Du hast es dir also verdient.«
Ich drehe mich zu Emmett um. »Stand da wirklich ›Heimat von Ben Noughton, San Francisco Kingsmen‹?«
Er lehnt sich näher zu mir und senkt seine Stimme, als ob Jude und unser Vater ihn über das Tosen des Fahrtwinds hören könnten. »Warte ab.«
»Was?« Meine Augenbrauen heben sich, und er lacht wieder und schüttelt den Kopf.
Ich weiß, dass er auf ein zweites Nachfragen nicht reagieren wird. Dieser Wichser wird mir einen Scheiß sagen.
Abgesehen von dem Schild hat sich nichts geändert. Es gibt immer noch eine Menge Farmen, Scheunen und Zäune mit kleinen Familienhäusern, die von einer Generation an die nächste weitervererbt werden. Ich bin die Ausnahme in dieser Stadt. Einer der wenigen, die es raus geschafft haben. Die typische Geschichte des Landkindes, das etwas aus sich gemacht hat.
Die Bauernhöfe werden immer kleiner, je näher wir dem Stadtzentrum kommen. Und als wir die äußeren Grenzen erreichen, fühlt sich mein Körper an, als würde er in Treibsand versinken. Beim Anblick der Straße vor uns dämmert es mir langsam. Falls ich dachte, das Schild sei schon schlimm gewesen, habe ich mich getäuscht.
Dad hupt.
Emmett streckt seine Faust aus dem Fenster.
Jude schüttelt den Kopf.
Familien campieren am Straßenrand, haben Stühle und Decken ausgebreitet, als gäbe es eine Parade. In Gedanken gehe ich den Kalender durch, in der Hoffnung, auf eine andere Möglichkeit zu stoßen ‒ aber es ist weder der vierte Juli noch der Memorial oder Labor Day. Dann entdecke ich es. Mrs. Webster hält ein »Willkommen zu Hause«-Schild hoch, handgeschrieben und mit Sternen, die zu den Ausstanzungen ihres Blaubeerkuchens passen.
»Was zum Teufel …?«
Emmett bricht in Gelächter aus. »Das ist deine ›Willkommen zu Hause‹-Parade!«
Ich setze mich auf und strecke meinen Kopf zwischen Jude und meinen Dad. »Eine Parade?«
»Die Stadt wollte dir zeigen, wie stolz sie auf dich ist.« Das Grinsen meines Vaters verrät, dass er etwas damit zu tun hat. Und meine Tanten – seine Schwestern – wahrscheinlich auch.
»Dad.« Ich jammere wie damals, als ich fünfzehn Jahre alt war und eines Morgens meine Englischlehrerin im Hemd meines Vaters in der Küche vorfand.
»Komm schon. Du bist das Größte, das je aus dieser Stadt kam. Sie wollen deinen Erfolg feiern. Was ist daran so schlimm?« Dad parkt auf dem Parkplatz des örtlichen Lebensmittelladens, The Farm Fresh, was ich immer für falsch halte, denn wenn man wirklich etwas Frisches vom Bauernhof will, kann man einfach einen der zahlreichen Bauernhöfe dieser Stadt besuchen.
Es gibt Festwagen, Cabrios, Flaggen und riesige Schilder. Alle im Scharlachrot und metallischen Gold der Kingsmen.
Ich stöhne und lasse mich zurück in meinen Sitz sinken.
Dad macht die Zündung aus, und er und Jude steigen aus. Mein Vater beginnt sofort ein Gespräch mit jemandem über die Fahrt zum und vom Flughafen.
»Hör auf, dich wie ein Kind zu benehmen, und steig endlich aus dem Wagen aus.« Jude schlägt mit der Hand auf die Tür.
Emmett folgt seinem Beispiel, und nun bin ich der Einzige, der noch im Wagen sitzt, als plötzlich drei Cheerleader vor meinem Fenster auftauchen. Ich schrecke zurück und starre sie mit großen Augen an.
»Das ist er«, sagt die Blondine mit der riesigen Schleife auf dem Kopf.
Die Brünette rollt mit den Augen. »Er ist in dem Truck der Plain Daisy, natürlich ist er es.«
Die Rothaarige starrt mich, ohne zu blinzeln, unheimlich an.
»Ähm … hallo?« Ich schenke ihnen ein fades Lächeln.
»Ich bin Kait.« Die Blondine winkt grinsend mit den Fingern.
»Und ich bin Rey.« Die Brünette holt ihren Lipgloss hervor und verteilt ihn auf ihren Lippen, bevor sie sie zu einem Kuss verzieht.
Kait zeigt auf das rothaarige Mädchen. »Das ist Colette. Sie ist schüchtern.«
Colette sagt nichts.
Das sieht nicht gut für mich aus. Drei junge, beeindruckte Mädchen, die sich um mein Fenster scharen, als wäre ich der einzige Bulle auf der Ranch.
Ich rutsche auf die andere Seite des Trucks. »Schön, euch alle kennenzulernen. Ich muss los.«
Ich fliehe aus dem Truck, bevor ich noch an der Kanarienvogelwand unten in der Bar The Hidden Cave lande. Gerade als ich denke, dass ich endlich frei bin, laufe ich direkt in Brooks Watson hinein. Zumindest bin ich mir ziemlich sicher, dass er es ist. Er hat sich sehr verändert, seit er der Quarterback meines Highschool-Footballteams war.
»Ich habe die Gerüchte gehört, aber …« Ich weiche einen Schritt zurück und mustere, was ich für ein Halloweenkostüm gehalten hätte, bevor ich es an ihm sah.
Seine Daumen stecken in seinem Gürtelholster. Tätowierungen und gebräunte Haut lugen unter seinen dunklen Ärmeln hervor. »Ich bin hier, um sicherzustellen, dass dein Arsch nicht zerfleischt wird. Muss hart sein, ein hübscher Junge zu sein.«
Sein tiefes Glucksen entlockt mir ein Lachen, denn jeden anderen hätte ich bei diesem Kommentar wahrscheinlich verprügelt, aber nicht Brooks.
Ich strecke ihm meine Hand entgegen. »Ist lange her.«
Brooks schlägt ein. »Nun, du bist nie zurückgekommen.«
Ich stecke meine Hände zurück in die Jeans. »Ich war ein paarmal da.«
Bei der Erinnerung an ein bestimmtes Weihnachten während des College muss ich mich bemühen, nicht zusammenzuzucken. Ich würde lügen, wenn ich behaupten würde, dass sie in letzter Zeit nicht immer öfter in meinem Kopf herumschwirrte. Vor allem, seit ich wusste, wann ich zurückkehren würde.
»Ich kann in dir immer noch lesen wie in einem Buch.« Er nickt mit dem Kopf, läuft los, und ich folge ihm. Zum Glück sind wir noch nicht wieder inmitten des Getümmels, sodass ich ein wenig mit meinem alten Freund quatschen kann.
»Ich habe keine Ahnung, wovon du redest, aber, mein Gott, Watson, eine verdammte Parade?«
»Heul nicht rum. Du bist für einen Tag König. Sie werden den heutigen Tag wahrscheinlich zum Ben-Noughton-Tag erklären.« Er lacht, und ich bin dankbar, dass kein Unmut in seiner Stimme liegt.
Als ich als Stipendiat in Clemson angenommen wurde, waren einige meiner Teamkollegen verärgert, weil sie an meiner statt die Chance haben wollten. Brooks allerdings hatte sich immer für mich eingesetzt. Und wie habe ich es ihm gedankt? Indem ich all die Jahre keinen Kontakt zu ihm hatte. Ich bin echt ein toller Freund.
Er streckt seine Arme aus, als eine Gruppe von Jungs versucht, sich mir zu nähern. »Lasst Mr. Noughton etwas Platz. Er muss sich auf seinen Thron setzen. Nachher gibt’s Autogramme.«
Die Jungs starren mich entgeistert an, und ich schenke ihnen ein entschuldigendes Lächeln.
Sobald sie weg sind, schüttle ich den Kopf. »Verdammt, Brooks!«
»Ich muss meinen Job ernst nehmen. Willowbrooks Goldjungen zu beschützen, ist nichts für Schwächlinge.«
»Können wir mit dem Scheiß aufhören?«
Wir kommen bei einem Festwagen mit einem Stuhl an, der tatsächlich wie ein Thron aussieht. Mein Dad steht mit seinen Freunden in der Nähe, ein breites Grinsen im Gesicht, während Emmett versucht, drei Frauen mit seinen Grübchen zu beeindrucken. Jude hingegen ist nirgends zu sehen.
»Das muss ein Scherz sein«, murmle ich.
»Dein Wagen wartet.« Brooks klopft mir auf den Rücken.
Seine dröhnende Stimme und sein Lachen erregen die Aufmerksamkeit aller, und das Klatschen beginnt, gefolgt von Pfiffen, Rufen und Schreien.
Ich kann mir gut vorstellen, wie rot mein Gesicht sein muss, und das liegt nicht an der unnachgiebig scheinenden Sonne.
»Hoch mit dir, mein Sohn.« Dad weist mit seiner Hand nach oben.
Emmett streckt seine Faust in die Luft und ruft immer wieder »Ben, Ben, Ben!«. Die Menge tut es ihm gleich, und ich habe keine andere Wahl, als tatsächlich auf den verdammten Festwagen zu klettern.
Ich steige auf das wackelige Gestell des Anhängers, dasselbe, das dafür benutzt wird, um den Homecoming-König und seine Königin zu verkünden. Dasselbe, auf dem ich schon einmal zu genau diesem Zweck gesessen habe. Nur dass damals Gillian auf dem Stuhl direkt neben mir saß. Für eine Sekunde bin ich wieder dort. Sie schenkt mir ihr sanftes Lächeln, das mein Herz höherschlagen lässt. Ich versichere ihr, dass ich nie zulassen werde, dass sie verletzt wird. Ich habe mein Versprechen gebrochen.
Als ich auf dem Stuhl Platz nehme, starren mich die wenigen Verantwortlichen mit einem stolzen, zufriedenen Lächeln an. Der Truck zieht meinen Anhänger hinter der Marschkapelle her, die die Hymne der Highschool spielt, und fährt auf die Paraderoute zu, die ich in- und auswendig kenne. Meine Augen schweifen in der Innenstadt von Willowbrook umher, wo an jeder Ecke Erinnerungen lauern. Kurz bevor wir in die Menschenmenge eintauchen, stellen sich die Haare auf meinen Armen auf, und ich schaue nach links.
Sie steht zwischen zwei Trucks auf einem Parkplatz. Unsere Blicke treffen sich für einen kurzen Moment. Ihre blauen Augen fesseln meine volle Aufmerksamkeit, und ich hebe den Arm, um zu winken, doch sie wendet ihren Blick von mir ab, dreht sich um und verschwindet zwischen den Autos.
Mein Verdacht bestätigt sich – diese Stadt ist nicht groß genug für uns beide. Heute kann sie zwar weglaufen, aber eines Tages werden wir uns gegenüberstehen.
Ich schlüpfe durch die Hintertür und schließe sie langsam hinter mir.
»Du wolltest einfach nicht auf mich hören, hm?«
Ich drehe mich um und sehe Laurel, die mit verschränkten Armen an der Wand lehnt, die Augenbrauen über ihre dunkel gerahmte Brille gehoben und mit Enttäuschung in ihrem Gesicht.
»Es tut mir leid.«
Sie dreht sich um und geht zurück zur Schaufensterfront ihrer Bäckerei. »Ich habe dir gesagt, dass du für heute die Stadt verlassen sollst.«
Ich folge ihr und setze mich auf einen der Hocker. Die Bäckerei und das Kaffeehaus sind dank der Ankunft von Willowbrooks König völlig verwaist. »Ich wollte nur persönlich einen Blick auf ihn werfen.«
»Und dir selbst noch mehr Herzschmerz zufügen?« Sie legt einen Smiley-Keks auf einen Teller und stellt ihn vor mich.
»Das Letzte, was ich jetzt brauche, ist Zucker.« Ich schiebe den Teller weg, doch ich mache mir etwas vor. Ich werde den Keks essen und wahrscheinlich auch einen Cupcake.
»Zucker lässt das Herz weniger schmerzen.« Laurel ordnet ihre Backwaren.
»Das solltest du ans Fenster hängen.« Sie wirft mir einen vielsagenden Blick zu, und ich gebe nach. »Ich habe keinen Liebeskummer. Es ist schon so lange her.«
Sie sieht mich unter ihrer Brille durch die Glasvitrine hindurch an. »Und deshalb hast du dich rausgeschlichen, um ihn zu sehen?«
»Ich bin keine sechzehn und schleiche mich aus meinem Schlafzimmerfenster. Ich bin eine erwachsene Frau, die nur sehen wollte, wie ihr Ex-Freund aussieht. So abwegig ist das nicht.«
»Nur waren die meisten Highschool-Crushs von Frauen keine Profifootballer, denen sie mehr als ein Jahrzehnt lang jeden Sonntag zuschauen konnten. Ganz zu schweigen von dieser neuen Erfindung namens Internet, mit der man ihn tatsächlich suchen kann.« Sie schließt die Vitrine und legt ein paar Kekse in eine Schachtel, die ich, wie ich ahne, mit nach Hause zu Clayton nehmen soll.
»Heutzutage kann man jeden googeln. Ich habe nur …«
Es gibt keine Erklärung dafür, warum ich nicht in Laurels Bäckerei geblieben bin. Ich habe mir tausendmal gesagt, dass ich den ganzen Rummel um Bens Rückkehr ignorieren sollte. Dass ich weitergemacht habe. Ich sagte mir, dass es mich nicht kümmert. Aber das sind alles Lügen. Denn es ist mir nicht egal.
Ich schwöre, in der Minute, als der Truck seines Vaters über die Bezirksgrenze rollte, schnürte sich meine Kehle zu, und die Schmetterlinge, von denen ich dachte, sie wären tot, tauchten wieder auf. Ben kehrt selten nach Willowbrook zurück, und die wenigen Male, die er gekommen ist, hat er die Ranch nie verlassen. Ich habe nur ein paarmal gehört, wie einer seiner Cousins oder Brüder beiläufig erwähnte, dass er zu Hause war, und zwar immer in der Vergangenheitsform. Irgendwann spürte ich den Schmerz nicht mehr, als mir klar wurde, dass ich auf Bens Liste nicht wichtig genug war, um mich sehen zu wollen. Andererseits kann ich es ihm nicht verübeln. Nicht nach all dem, was zwischen uns vorgefallen ist.
»Denkst du, er hat dich gegoogelt?« Laurels Augen leuchten so hell auf, dass mich meine nächsten Worte fast umbringen.
»Hast du die Frauen gesehen, mit denen er ausgegangen ist?«
Sie hält mit dem lilafarbenen Cupcake in der Hand, den sie gerade in eine Schachtel setzen wollte, inne und starrt mich an. »Tu das nicht.«
Ich liebe Laurel. Sie ist ein girl’s girl. Das Lustige ist, dass wir uns in der Highschool nicht so nahestanden. Sie war eine Cheerleaderin, und ich war … nun ja, nichts. Aber wir gingen auf dasselbe Community College und sind seitdem befreundet.
»Mach ich nicht … Ich bin zufrieden und glücklich, so wie es ist. Aber Gott sei Dank haben wir dieses Jahr mit dem Kickboxing-Kurs angefangen.«
»Gillian.« Sie seufzt und schüttelt den Kopf, unterbricht ihre Arbeit und kommt um den Tresen herum, um sich auf den Hocker neben mir zu setzen. »Ich hab’s verstanden. Wirklich.«
Ihre Hand legt sich auf meinem Unterarm, und ich wage es nicht, aufzublicken. Mir wäre es lieber, sie würde mich anschreien, als das hier. Welch ein Jammer!
Ich habe die mitleidigen Blicke aller in Willowbrook in den letzten vierzehn Jahren auf mir gespürt.
Da ist Gillian, das Mädchen, das von Ben Noughton zurückgelassen wurde.
Ich kann nicht glauben, dass sie wirklich dachte, sie würden es schaffen.
Kannst du glauben, was sie getan hat?
Ich habe das Geflüster und die Gerüchte gehört. Die ersten paar Jahre waren die schlimmsten. Aber irgendwann ist es leichter geworden, unsere Vergangenheit in den Hintergrund gerückt. Zumindest bis Bruce Noughton beim Bingo verkündete, dass sein mittlerer Sohn wieder nach Hause kommen würde. Dann ging das ganze Geflüster wieder los. Verdammt, ich bin mir ziemlich sicher, dass drei Viertel der Stadt denken, dass Clayton eigentlich Bens Sohn ist.
»Gillian?«
Ich blinzle und lächle Laurel an, als sie ihre Hand von meinem Arm nimmt. »Mir geht’s gut. Alles bestens. Ich meine … ich will nicht darüber reden.«
Sie öffnet den Mund, doch da bimmelt die Glocke über der Tür. Wir schauen auf, überrascht, dass sich jemand während der Parade in die Bäckerei verirrt.
»Das ist echt lächerlich.« Mein Sohn Clayton nimmt sich einen Stuhl und setzt sich an einen Tisch in der Nähe des Fensters.
»Er ist nun mal ein berühmter Footballspieler.« Drew, Claytons bester Freund, folgt ihm und setzt sich auf den Stuhl ihm gegenüber.
»Hey, Jungs.« Laurel steht auf und geht zurück hinter die Theke. Sie nimmt sich zwei Teller und belädt sie mit Cupcakes. »Keine Lust mehr auf die Parade?«
Kaum dass Laurel die Teller auf den Tisch gestellt hat, schnappt sich Drew einen, reißt das Muffinförmchen ab und beißt herzhaft hinein, wobei er den lila Zuckerguss im ganzen Gesicht verschmiert.
Währenddessen starrt Clayton sehnsüchtig aus dem Fenster, wo die Parade demnächst um die Ecke biegen sollte, um zurück zum Parkplatz von The Farm Fresh zu fahren.
»Scheiße, nein.« Clayton sinkt in seinem Stuhl zusammen. Mit seinen langen Beinen, die er vor sich ausstreckt, sieht er so groß aus. Ist das wirklich mein kleiner Junge im Körper eines Vierzehnjährigen?
»Hey, Wortwahl«, ermahne ich ihn.
»Sorry«, murmelt er. »Es ist nur … die ganze Stadt macht ein Theater wegen ihm. Und du solltest hören, wie die Mädchen über ihn reden.«
»Du bist nur sauer, weil Kait dich seit seiner Ankunft ignoriert hat.« Drew stopft sich das letzte Stück seines Cupcakes in den Mund, verteilt dabei Krümel auf Teller und Hemd.
»Ich mag Kait nicht.«
Drew blickt mich aus dem Augenwinkel an. Wir wissen beide, dass Clayton Kait mag. Seit der dritten Klasse ist er in sie verknallt.
»Er ist eine Art Berühmtheit.« Laurel bringt Drew einen weiteren Cupcake.
»Er ist keine Berühmtheit«, entgegnet Clay. »Er hat nur Football gespielt. Wahrscheinlich hat er jetzt für immer einen Gehirnschaden.«
»Clay …« Mein warnender Tonfall sollte ihm klarmachen, dass darüber nicht zu scherzen ist.
Er richtet sich auf seinem Stuhl auf. »Alle reden nur noch von ihm.«
»Na ja, wer hat es sonst noch aus dieser Stadt rausgeschafft und es zu etwas gebracht?«, frage ich ihn.
»Der Hype wird abflauen.« Laurel blickt mich an, als ob sie uns beide davon überzeugen wollte.
»Der Coach will, dass wir uns alle nach der Parade bei The Farm Fresh treffen.« Drew steht im selben Moment vom Tisch auf, als die Marschkapelle das Fenster von Laurels Bäckerei erreicht.
Ich will nicht hinsehen. Doch es ist zu spät, ich habe ihn bereits entdeckt. Unsere Blicke haben sich nur kurz getroffen, und schon kann ich nicht mehr aufhören, an diese braunen Augen zu denken, die mich einst ansahen, als wäre ich das Außergewöhnlichste, was sie je erblickt hatten. Aber das änderte sich, als er nach Clemson ging. Ich hatte naiv an diesen Blick geglaubt – dass wir zu den wenigen gehören würden, die es schafften.
»Komm schon, Clay«, sagt Drew.
Mein Sohn braucht genauso lange, um aufzustehen, wie er sonst nur braucht, wenn ich ihn bitte, den Müll rauszubringen. Ich verstehe seine Gefühle gegenüber Ben. Ich bin sicher, dass auch er die Gerüchte in der Stadt gehört hat. Als Clayton jünger war, hatte er Ben angehimmelt, konnte nicht glauben, dass ein Profispieler aus unserer Kleinstadt kam. Er sagte immer, er würde nach Clemson gehen, genau wie Ben Noughton. Die ganze Zeit über verbiss ich mir einen Kommentar. Denn für ein Kind hatte seine Mutter kein Leben, bevor es auf die Welt kam.
Doch vor einem Monat änderte sich etwas, und obwohl Clayton mich nie direkt gefragt hat, weiß er es. Ich weiß, dass er es weiß. Wie soll er auch nicht, wenn das Foto vom Abschlussball mit Ben und mir als Ballkönig und -königin immer noch in der Highschool hängt? Ich wünschte, ich hätte den Mut, mit Clay darüber zu reden, anstatt wie bisher das Thema komplett zu ignorieren. Aber jetzt ist Ben zu Hause, und ich bin mir nicht sicher, ob ich es noch länger hinauszögern kann.
»Wenn der Coach dich dort haben will, dann geh. Und benimm dich.« Ich hebe meine Augenbrauen und neige meinen Kopf in »Ernster Mom«-Manier.
Er atmet aus, und Laurel lässt die Schultern sinken, während sie uns beobachtet. Clayton kommt zu mir herüber und schlingt seine Arme um mich. Die Geste überrascht mich, aber ich nutze die Gelegenheit, um ihn fest an mich zu drücken, denn Umarmungen sind selten geworden. Ich habe Angst davor, wie mein Leben aussehen wird, wenn er erwachsen und aus dem Haus ist.
»Bist du okay?«, flüstert er.
Da ist es. Er weiß mehr über das gebrochene Herz seiner Mutter, als er sollte.
»Mir geht’s gut. Geh, und wenn du wieder da bist, bestellen wir Pizza.« Ich streiche über seinen Rücken, und er lässt mich los.
»Ich habe Lust auf Pizza«, sagt Drew und nimmt die Tüte mit Keksen, die Laurel ihm hinhält.
»Wann hast du denn keinen Hunger?« Clayton geht auf seinen Freund zu. »Danke, Laurel. Bye, Mom.«
Die Tür geht zu, und sobald sie außer Sichtweite sind, lasse ich meinen Kopf auf den Tresen sinken. »Oh mein Gott.«
»Nun, das große Geheimnis, das du versucht hast, für dich zu behalten, ist definitiv raus.« Laurel schiebt mir erneut einen Teller mit Keksen herüber.
Ich sehe, wie sie sich auf die Innenseite ihrer Wange beißt. »Ich wusste bereits, dass er es weiß. Ich meine, warum hängt dieses verdammte Abschlussballfoto immer noch in diesem Glaskasten in der Highschool?«
»Weil es ein Schrein für Ben Noughton ist. Ich bin überrascht, dass sie keine Messingstatue auf dem Stadtplatz aufgestellt haben.« Sie rollt die Augen. »Wie auch immer, du musst mit ihm reden, bevor jemand in der Stadt Gerüchte verbreitet.«
»Ich weiß. Heute Abend.«
Laurel legt ihre Hand auf mein Knie und tätschelt es ein paarmal. »Es ist besser, wenn er es von dir hört.«
Ich nicke, obwohl ich nicht sicher bin, ob ich will, dass er genau weiß, wie alles abgelaufen ist. Es gibt einige Dinge, von denen ich wünschte, dass Clayton sie nie erfährt. Die Situation mit seinem Vater ist schon schlimm genug. Es ist, als wäre er wieder neun Jahre alt, und ich würde ihm sagen, dass es keinen Weihnachtsmann gibt.
Es klingelt an der Tür, und ich stöhne auf. Ich will gerade niemanden aus der Stadt sehen.
»Oh mein Gott, das habe ich ganz vergessen«, murmelt Laurel und steht auf. »Lassen Sie es mich holen, Mr. Noughton.«
Ich verkrampfe innerlich bei dem Namen.
»Gillian.« Bruce Noughton lächelt mich an, als wäre nichts. »Habe gerade deinen Jungen gesehen. Ganz schön groß geworden, hm?«
»Hi, Mr. Noughton. Ja, er überragt mich mittlerweile.«
Er setzt sich auf den Hocker neben mir. Seine kräftige Statur hat mich nie nervös gemacht, aber das liegt wahrscheinlich daran, dass er immer höflich zu mir war und dem Ben-Thema aus dem Weg ging. Doch diesmal sagt mir etwas in seinem Gesicht, dass ich heute nicht so viel Glück haben werde. »So soll es sein.«
»Auf jeden Fall.« Zum ersten Mal muss ich mich in der Gegenwart von Bens Vater zu einem Lächeln zwingen.
Er blickt aus dem Fenster, während ich in Richtung Küche schaue und mich frage, warum Laurel so lange braucht.
»Hey, wir geben eine Willkommensparty … auf der Ranch … Du solltest kommen.« Bruce nimmt seinen Cowboyhut ab und fährt sich mit den Fingern durch die Haare, bevor er ihn wieder aufsetzt.
Emmett kommt ganz nach seiner Mutter, zumindest den Fotos nach zu urteilen, die ich von ihr gesehen habe, aber Ben und Jude sind praktisch Ebenbilder von Bruce. In den ersten Jahren, nachdem Ben gegangen war, war es schwer für mich, Bruce anzuschauen. Und wenn ich Jude die Straße entlanglaufen sah, dachte ich oft für einen kurzen Moment, es sei Ben, der zurückgekehrt war.
»Oh, ich würde gerne, aber ich kann nicht.« Normalerweise würde ich mir eine Ausrede einfallen lassen, aber Bruce ist nicht dumm. Seine Einladung war höflich, doch wir wissen beide, dass ich in diesen Tagen nicht in der Nähe der Ranch sein sollte.
»Nächstes Mal.« Er zwinkert. Da ist er, der unverkennbare Charme von Bruce Noughton.
»Aber sicher.«
»Hier, bitte.« Laurel kommt aus der Küche, in der Hand trägt sie eine große weiße Schachtel. Sie stellt sie auf den Tisch, und Bruce erhebt sich.
Ich bringe es nicht übers Herz, die Worte zu lesen, die sicher in Laurels filigraner Handschrift auf der Torte stehen.
»Sieht toll aus, wie immer.« Bruce kramt in seinem Portemonnaie nach dem Bargeld. Während Laurel ihn dabei beobachtet, schweift ihr Blick immer wieder in meine Richtung, und ich weiß auch, warum: Sie hätte mich vor dieser Situation bewahren können.
»Nochmals danke. Man sieht sich.« Bruce nickt, seine Augen verweilen ein wenig länger auf mir als auf Laurel. Ich beeile mich, ihm die Tür zu öffnen.
»Danke, Gillian.« Er nickt.
Während ich die Tür weiter offen halte, beobachte ich, wie er langsam auf die Menschenmassen am Ende der Parade zuläuft.
Mir wird ganz mulmig bei dem Gedanken, wer da in der Mitte der Menge steht. Ich kann ihn zwar nicht sehen, aber ich weiß, dass er es ist. Er gibt Autogramme mit diesem Lächeln, das mein Herz höherschlagen lässt. Doch sicher ist er bald wieder weg. Und wenn er es nicht ist, werde ich es sein.
Ich könnte meinen Vater umbringen. Nachdem ich die letzten zwanzig Minuten wie der verdammte Weihnachtsmann auf dem Festwagen der Thanksgiving-Parade gesessen und den Bewohnern von Willowbrook zugewunken habe, muss ich nun Autogramme geben und Hände schütteln.
Und als ob das nicht schon schlimm genug wäre, ist er bereits seit fünf Minuten verschwunden. Eigentlich sollte er sich mit den Leuten hier unterhalten oder mir zumindest die Namen zuflüstern, die ich vergessen habe.
»Geht mir aus dem Weg«, sagt eine schroffe Stimme, und ich sehe, wie Leute zurückweichen.
Lachend reiche ich dem kleinen Jungen vor mir ein signiertes Foto, wohl wissend, zu wem diese Stimme gehört.
»Benny-Boy.« Coach Marks streckt seine Arme aus, und ich stehe auf, um ihn über den Tisch hinweg zu umarmen.
»Coach.«
»Ich bin nur vorbeigekommen, um dich und alle anderen daran zu erinnern, wem du dein Profispieler-Dasein zu verdanken hast.« Er lacht, zeigt auf sich, und ein paar Leute um ihn herum tun es ihm gleich.
Coach Marks hätte mit mir auf dem Festwagen sitzen sollen. Obwohl sein Bart beinahe ganz grau ist und sein T-Shirt mehr denn je über dem Bauch spannt, hat er immer noch dasselbe gesellige Lächeln.
»Du wirst schon ganz weich.« Er stupst mit seinem Finger gegen meinen Bauch. »Geh lieber ins Fitnessstudio, damit du in Form bleibst.« Sein Bauch hüpft vor Lachen, während er das sagt.
»Ich kann nicht behaupten, dass ich mir darüber nicht auch schon Gedanken gemacht habe.«
Ich habe andere Spieler gesehen, die ihre Karriere beendet und deutlich an Muskeln verloren haben, da sie einfach nicht mehr so streng trainierten wie vorher. Aber was auch immer mein Vater für mich auf der Ranch geplant hat, sollte helfen.
»Na ja, ich werde nicht zulassen, dass du weich wirst.« Coach Marks tritt zur Seite, und hinter ihm kommt eine Gruppe Jungs, alle in ihren Willowbrook-Highschool-Footballtrikots, zum Vorschein. »Die Jungs wollen dich kennenlernen. Leute, das ist Ben Noughton.«
Sie stellen sich in einer Reihe auf, und jeder schüttelt mir die Hand. So viele von ihnen erinnern mich an mich selbst in diesem Alter. Naiv im Hinblick darauf, wie hart Football ist, wenn man aus der Highschool kommt. Aber die meisten von ihnen werden nicht im Collegeteam spielen. Ich hasse diese Tatsache, aber es ist die Wahrheit. Manchmal frage ich mich, wie ich es überhaupt auf Profiniveau geschafft habe.
»Ich bin Drew. Running Back. Freshman.« Der Junge ist so aufgeregt, dass sich seine Handfläche ein wenig feucht anfühlt. »Ich bin Ihr größter Fan. Habe noch nie ein Spiel verpasst. Irgendeinen Ratschlag?«
Coach Marks klopft Drew auf den Rücken. »Entspann dich, Junge. Geh weiter.« Er sieht mich an. »Er ist deinetwegen ein bisschen überdreht.«
»Danke, Drew«, sage ich und nicke, bevor er weg ist.
»Clayton, wovor hast du Angst?«, sagt Coach Marks zu dem Jungen, der so langsam auf mich zuläuft, als wäre er auf dem Weg zu seiner eigenen Hinrichtung.
»Tut mir leid, Coach.« Seine Stimme ist leise. Er muss eher der schüchterne Typ sein. Er streckt mir seine Hand entgegen. »Clayton.«
Coach Marks blickt mich an. Als ich nach Claytons Hand greife, um sie zu schütteln, spüre ich mehrere Augenpaare auf uns gerichtet und höre, wie in der Menge ein Flüstern anschwillt.
Oh, shit.
Clayton.
»Clayton Adams?«, frage ich ihn.
Seine Augen ziehen mich in den Bann. Wieso sind sie mir nicht sofort aufgefallen? Er hat Gillians Augen. Das gleiche Kornblumenblau, in das ich so viele Nächte auf der Ladefläche meines Trucks starrte.
»Ja, Sir.« Sein Ton ist kalt und distanziert. Ein großer Unterschied zu dem Jungen vor ihm.
»Nenn mich Ben.«
Clayton zieht seine Hand zurück, steckt sie in seine Hosentasche und geht zu seinen Teamkollegen. Offensichtlich hasst mich der Junge, aber Gillian hat ihn zur Höflichkeit erzogen, was keine Überraschung ist. Ich habe nichts anderes von ihr erwartet.
Mein Blick wandert zu Coach Marks, und er hat einen Gesichtsausdruck, der unmissverständlich sagt: »Ja, das ist der Junge deiner Highschool-Liebe. Du hast es echt versaut.« Aber anstatt es auszusprechen, verschränkt er nur seine Arme vor seinem Bauch. »Wie wäre es, wenn du mir dieses Jahr assistierst?«
Shit, ich will kein Footballtrainer werden. »Ähm … ich bin mir nicht sicher, was mein Dad für mich auf der Ranch geplant hat.«
Seine Augen verengen sich, aber er lacht und schüttelt den Kopf. »Du kannst zumindest ein paar Trainingscamps leiten. Das bist du mir schuldig.«
»Abgemacht.«
»Das habe ich mir gedacht. Jetzt überlasse ich dich mal wieder deinen Fans.« Er grinst und schlendert davon, dabei ruft er den Jungs zu, dass sie den Müll der Parade aufsammeln sollen.
Sie stöhnen auf, wie ich einst, aber dann nicken sie und verstreuen sich in alle Richtungen.
Ich beobachte Clayton einen Moment lang, und zu meiner Überraschung schaut er ebenfalls zurück. Er ist definitiv nicht mein größter Fan, das war an seinem unterkühlten Verhalten zu erkennen. Doch wer kann es dem Jungen verübeln? Ich würde den Kerl, der meiner Mutter das Herz gebrochen hat, auch hassen. Andererseits, wenn ich es nicht getan hätte, wäre er nicht hier.
»Entschuldigung?« Eine leise Stimme reißt mich aus meinen Gedanken.
Ein etwa sechsjähriger Junge steht vor mir und hält einen kleinen Football in den Händen.
»Hey.« Ich setze mich wieder hin.
Er reicht mir den Football, und ich schreibe weiter Autogramme, als wäre es eine Werbeveranstaltung, die mein Agent organisiert hat.
Nach der letzten Unterschrift schüttle ich meine verkrampfte Hand aus. In dem Moment kommt auch mein Vater zurück und setzt sich auf die Ecke des Tisches. »Bist du jetzt fertig?«
Ich stecke verärgert die Kappe auf den Marker. »Ich war bereits fertig, als ich hier angekommen bin, aber du musstet ja diese verdammte Sache planen.«
Ein Mitarbeiter von The Farm Fresh kommt herüber und räumt den Tisch ab. Mein Vater und ich bedanken uns bei ihm, bevor wir zu seinem Truck laufen. Ein paar letzte Schaulustige kommen zu uns, um mir die Hand zu schütteln und ein paar Worte mit meinem Vater zu wechseln.
Als wir den Wagen erreichen, ist dieser leer.
»Wo sind Jude und Emmett?«, frage ich.
»Jude ist mit Sadie zurückgefahren, und wer weiß, was mit Emmett passiert ist. Wahrscheinlich ist er mit irgendeiner Blondine im Heu.« Dad klettert auf den Fahrersitz, und ich sehe eine riesige weiße Kuchenschachtel auf dem Rücksitz.
Ich schätze, die Willkommensparty ist noch nicht vorbei. Aber für eine Party auf der Ranch bin ich immer zu haben.
»Du weißt schon, woher Emmett das hat, oder?«
Das Gesicht meines Vaters verzieht sich, als hätte ich ihn gebeten, eine wirklich schwere Rechenaufgabe zu lösen.
»Von dir.«
»Mir?« Er startet den Truck und fährt rückwärts aus der Parklücke, immer noch mit einem verwirrten Ausdruck auf dem Gesicht.
»Wie oft saßen wir an unserem Küchentisch mit einer fremden Frau, die nichts als dein Hemd trug?«
Er lacht. »Äußerst selten. Ich habe normalerweise dafür gesorgt, dass sie weg waren, bevor ihr aufgewacht seid.« Er zwinkert mir zu.
Ich schüttle den Kopf. »Als ich letztes Jahr nach Hause kam, hast du eine Frau mitgebracht, die du in The Hidden Cave kennengelernt hattest.«
»Sie war eine alte Freundin.«
»Das behauptest du immer.«
»Stimmt ja auch.« Er zuckt mit den Schultern. »Außerdem, wieso geht es hier um mich, ich sehe dich auch nicht in festen Händen.« Er biegt auf die Straße ein, die aus der Stadt herausführt, winkt noch ein paar Leuten zu und fährt schließlich auf die Landstraße.
»Ich habe niemanden gefunden. Ich dachte, es gäbe da eine Frau, aber …«
»Die Freundin von Xavier Greene?«
Es sollte mich nicht überraschen, dass mein Vater es weiß. Es ist schon einige Jahre her, dass ich versuchte, mit der besten Freundin meines Quarterbacks auszugehen. Rückblickend denke ich, dass sie mich einfach an Gillian erinnert hat. Kleinstadtmädchen, süß. Das Gegenteil von all den Trikotjägerinnen. Sie sah allerdings gar nicht aus wie Gill, da ich mittlerweile mehr Blondinen als Brünette date. Denn wenn ich dunkles Haar auf meinem Kopfkissen sehe, tut mir das Herz weh. Wie auch immer, Xavier hat das Mädchen für sich gewonnen, und er hat sie auch verdient.
»Es war vorbei, bevor es angefangen hat«, sage ich.
»Sie scheinen glücklich zu sein. Ich habe einen Artikel über die beiden gesehen, sie leben seit seinem Karriereende in Alaska.«
Ich nicke, da ich das ganze Beziehungsthema mit meinem Vater nicht vertiefen möchte, selbst wenn ich es zuerst angesprochen habe. Seinen nächsten Worten nach zu urteilen, sieht er das jedoch anders.
»Apropos Mädchen aus Kleinstädten, ich habe heute Gillian gesehen.«
Und los geht’s. Mein Vater hat diesmal wirklich nicht lang gebraucht, um das Thema auf sie zu lenken. Jedes Mal, wenn ich ihn besuche, versucht er, mich in Gillians Leben einzuweihen, aber ich springe nie darauf an. Ich bin ganz froh, nichts zu wissen, und außerdem geht es mich nichts an. Deshalb erzähle ich ihm absichtlich nicht, dass ich sie auch bereits gesehen habe.
»Sie war bei Laurel in der Bäckerei. Du erinnerst dich doch an Laurel, oder? Die beiden verbringen mehr Zeit miteinander als ein Bauer mit seinem Traktor.«
Ich reagiere nicht.
»Sie sah ein wenig erschüttert aus.«
Ich starre aus dem Fenster die vorbeiziehenden Nachbarfarmen an.
»Du solltest ihr die Hand reichen. Geht zusammen was trinken. Sprecht euch aus, jetzt, wo du wieder länger hier bist.«
»Ich habe nie gesagt, dass ich länger hierbleibe. Es ist nur ein Boxenstopp.« Das ist zumindest das, was ich mir eingeredet habe, nachdem ich meine Karriere beendet hatte und mein Vater mich bat, nach Hause zu kommen. Ich werde ihn ein wenig besänftigen, aber das ist nun wirklich nicht der Ort, an dem ich sesshaft werden möchte. Mein Agent versucht bereits, mich als Spielanalyst für die Sonntagsspiele ins Gespräch zu bringen.
Mein Vater runzelt die Stirn, obwohl das keine Neuigkeiten für ihn sein sollten. »Manche Boxenstopps dauern ein Leben lang an.«
»Dieses Mal nicht.« Ich liebe meine Familie, aber ich bin nicht für das Leben in Willowbrook gemacht. Ich möchte nicht jeden Freitag beim gemeinschaftlichen Fischessen darüber tratschen, wer die Woche wen wo mit wem gesehen hat.
»Denk dran, diese Stadt hat dich zu dem gemacht, der du heute bist. Nachdem deine Mutter …«
Seine Stimme bricht, wie jedes Mal, wenn meine Mom erwähnt wird, und das passiert nicht oft. Dafür erzählt er mir immer gern, wie er nach ihrem Tod kaum für uns sorgen konnte und dass, wenn nicht seine Schwestern und die Leute von Willowbrook für uns da gewesen wären, wir Brüder durchgedreht wären. Ich sage es ihm nur ungern, aber wir taten es trotzdem. Besonders Emmett.
Ich kann mich nur noch daran erinnern, wie Tante Bette Emmett monatelang in den Schlaf wiegte – in demselben Schaukelstuhl, in dem Mom Jude und mich in den Schlaf gewiegt hatte. Wie Tante Darla uns Gutenachtgeschichten vorlas und dass unser Kühlschrank und die Gefriertruhe immer bis oben hin mit Aufläufen gefüllt waren. Und wie Männer, die ich kaum kannte, die Ranch am Laufen hielten.
»Ich habe es nicht vergessen.«
Wir fahren die lange, gewundene Straße zu unserem Grundstück hinunter, durch das Tor mit der Aufschrift »Plain Daisy Ranch« und dem Hufeisen in der Mitte. Sogleich überkommen mich all die Erinnerungen, die ich mit diesem Ort verbinde.
Entlang der Ostseite des Noughton-Grundstücks verläuft die Rinderfarm. Die Unternehmen, die meine Tanten und Onkel gegründet haben, befinden sich auf der Westseite. Dazwischen liegt ein großer See, um den verstreut die Wohnhäuser meiner Familie angeordnet sind, abgesehen vom Haus meines Vaters. Er wollte nie umziehen und blieb in dem Haus, das er für meine Mom gebaut hatte.
»Versuch, ein Lächeln aufzusetzen, das ist eine Familienfeier.« Er parkt seinen Truck vor dem Haus mit der riesigen Veranda – unserem Haus.
»Das muss ich gar nicht. Ich freue mich wirklich, sie wiederzusehen.«
»Gut. Genieß das Fest, und morgen früh sprechen wir über deine Aufgaben auf der Ranch. Und welche Pläne du für dein Haus hast.«
»Mein Haus?«
»Jude und Emmett sind ausgezogen und haben ihre eigenen Häuser gebaut. Jetzt bist du dran.« Dad öffnet die Fahrertür.
»Kann ich nicht einfach in meinem alten Zimmer wohnen, bis …« Ich will ihn nicht noch einmal daran erinnern, dass ich nicht auf Dauer bleibe.
»Du bist ein erwachsener Mann, Ben. Du solltest nicht mehr zu Hause wohnen. Du kannst bleiben, bis du mit deinem Haus fertig bist.«
Damit steigt er aus dem Wagen und schließt die Tür. Was zur Hölle ist mit »Herzlich willkommen zu Hause – wir freuen uns, dass du da bist« passiert?
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