The One I Stood Beside - Piper Rayne - E-Book

The One I Stood Beside E-Book

Piper Rayne

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Beschreibung

Sein Antrag soll ihr helfen – doch er weiß nichts von ihren Gefühlen für ihn Jude Noughton würde alles für seine beste Freundin Sadie tun. Daher ist niemand überrascht, als er ihr mit Rat und Tat zur Seite steht, als Sadies Vater stirbt und der Farm ihrer Familie eine Zwangsversteigerung droht. Dass Jude jedoch vor ihr auf die Knie fallen und um ihre Hand in einer Scheinehe bitten würde, damit hat Sadie nicht gerechnet. Als die beiden sich während der Hochzeitsvorbereitungen auf der Plain Daisy Ranch näherkommen, fällt Sadie es immer schwerer, ihre wahren Gefühle für ihren besten Freund zu verheimlichen. Aber ein Happy End scheint nicht in Sicht – schließlich will Jude ihr nur zu einem Kredit für die Farm verhelfen …  Eine mitreißende Friends-to-Lovers-Romance auf einer Ranch in Nebraska

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Seitenzahl: 402

Veröffentlichungsjahr: 2025

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The One I Stood Beside

Piper Rayne ist das Pseudonym zweier USA-Today-Bestsellerautorinnen. Mehr als alles andere lieben sie sexy Helden, unkonventionelle Heldinnen, die sie zum Lachen bringen, und viel heiße Action.

Jude würde alles für mich tun. Seit wir sechs Jahre alt sind, ist er immer an meiner Seite gewesen, und ich war immer an seiner.Als mein Vater stirbt, unsere Familienfarm in Schulden ertrinkt und kurz vor der Versteigerung steht, überrascht es mich nicht, dass Jude mir den Rücken stärkt. Ich hätte mir nur nie träumen lassen, dass er auf die Knie geht und einen Plan ausheckt, um allen vorzugaukeln, dass zwischen uns mehr als eine lebenslange Freundschaft besteht.Bald ziehe ich in sein Haus, wir planen eine Hochzeit auf der Ranch seiner Familie und entdecken eine neue Seite in unserer Beziehung. Ich muss mich immer wieder daran erinnern, dass es nicht echt ist, dass es nur darum geht, einen Kredit zu bekommen, um die Farm zu retten. Ich habe Jude insgeheim mein ganzes Leben lang geliebt, und jetzt, da ich weiß, wie gut wir zusammenpassen, frage ich mich, ob wir jemals wieder nur Freunde sein können. Doch ihm meine Gefühle gestehen kann ich nicht. Nicht, ohne damit unsere jahrelange Freundschaft aufs Spiel zu setzen.

Piper Rayne

The One I Stood Beside

Roman

Aus dem Amerikanischen von Clarissa Seiferheldt

Forever by Ullsteinwww.ullstein.de

Deutsche Erstausgabe bei ForeverForever ist ein Verlag der Ullstein Buchverlage GmbH, BerlinJuli 2025© 2025 für die deutsche Ausgabe Ullstein Buchverlage GmbH, Friedrichstraße 126, 10117, Berlin© 2024 Piper RayneDie amerikanische Originalausgabe erschien 2024 unter dem Titel: The One I Stood Beside.Wir behalten uns die Nutzung unserer Inhalte für Text und Data Mining im Sinne von § 44b UrhG ausdrücklich vor.Bei Fragen zur Produktsicherheit wenden Sie sich bitte an [email protected]: bürosüd, MünchenE-Book powered by pepyrusISBN 978-3-98978-035-4

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Inhalt

Das Buch

Titelseite

Impressum

Prolog

Erstes Kapitel

Zweites Kapitel

Drittes Kapitel

Viertes Kapitel

Fünftes Kapitel

Sechstes Kapitel

Siebtes Kapitel

Achtes Kapitel

Neuntes Kapitel

Zehntes Kapitel

Elftes Kapitel

Zwölftes Kapitel

Dreizehntes Kapitel

Vierzehntes Kapitel

Fünfzehntes Kapitel

Sechzehntes Kapitel

Siebzehntes Kapitel

Achtzehntes Kapitel

Neunzehntes Kapitel

Zwanzigstes Kapitel

Einundzwanzigstes Kapitel

Zweiundzwanzigstes Kapitel

Dreiundzwanzigstes Kapitel

Vierundzwanzigstes Kapitel

Fünfundzwanzigstes Kapitel

Sechsundzwanzigstes Kapitel

Siebenundzwanzigstes Kapitel

Achtundzwanzigstes Kapitel

Neunundzwanzigstes Kapitel

Dreißigstes Kapitel

Epilog

Unsinniges Einhorn-Geschwafel

Leseprobe: Story of My Life

Social Media

Vorablesen.de

Cover

Titelseite

Inhalt

Prolog

Prolog

Jude

SECHS JAHRE ALT

Kikeriki!

Unser Hahn Phil ist wach. Ich drehe mich im Bett um und schaue aus dem Fenster. Der Himmel ist bereits gelb und orange, also ist es wohl okay, aufzustehen.

»Benny«, flüstere ich meinem kleinen Bruder zu, der im Stockbett über mir liegt.

Er antwortet nicht.

Nun bin ich derjenige, der als Erster wach wird. Ich vermisse Mommy morgens so viel mehr. Sie war immer die Erste, die aufgestanden ist. Ich habe sie nie nach unten gehen gehört, aber der Geruch von Kaffee oder Speck hat mich jeden Tag geweckt. Oder die Cowboystiefel meines Vaters, wenn er die Treppe hinunterging.

Benny wurde nicht eher wach, bis Mom noch mindestens dreimal in unser Zimmer kam, und Emmett blieb so lange in seinem Bettchen, bis Mom ihn holte.

Die hintere Fliegengittertür knallte, wenn Dad zur Arbeit auf die Ranch ging, und meist kam er erst bei Sonnenuntergang nach Hause.

Doch jetzt hört man keinen Kaffee mehr leise gluckernd durch die Maschine laufen.

Kein Speck brutzelt in der Pfanne.

Die Stiefel meines Vaters sind die Treppe nicht mehr hinuntergegangen, seit wir Mommy beerdigt haben.

Ich krabble aus dem Bett, ziehe die schmutzigen Jeans aus dem Wäschekorb an und werfe mir ein T-Shirt und mein Noughton-Ranch-Sweatshirt über, für den Fall, dass es draußen noch kalt ist. An der Tür drehe ich mich um und sehe nach, ob Benny noch schläft. Er liegt auf dem Bauch, die Arme unter dem Kissen vergraben. Ein Bein ragt aus der Decke.

Auf Zehenspitzen schleiche ich den Flur entlang, obwohl ich mir keine Sorgen machen muss, jemanden zu wecken. Mein Vater kommt ohnehin nicht mehr aus seinem Zimmer. Und wenn Emmett aufwacht, bin ich jetzt derjenige, der ihn holt.

Ich überspringe die quietschende Stufe, aber meine Socken rutschen auf dem Hartholz aus, und ich falle zwei Stufen tief, bevor ich mich am Geländer festhalten kann. Abwartend lausche ich in die Stille. Wie immer, keine Bewegung. Früher war unser Haus voller Leben. Jetzt ist es so, als würde ich in der Bibliothek wohnen, in die Mommy uns Jungs immer mitgenommen hat.

Mit den Stiefeln in der Hand husche ich durch die Hintertür und schließe langsam die Fliegengittertür, damit sie nicht knallt. Auf der Veranda ziehe ich meine Cowboystiefel an und schleiche davon.

Ich werde zurück sein, bevor Tante Darla kommt und uns Frühstück macht.

Ein paar Lastwagen fahren die Auffahrt hinunter, die Arbeiter beginnen ihren Tag.

Anstatt dem Weg um den Hof zu folgen, wandere ich an den Bäumen am Rande des kleinen Sees in der Mitte unseres Grundstücks entlang. Die Pferde sind auf der Weide, was bedeutet, dass bereits jemand hier ist, also streichle ich sie lieber nicht. Es soll niemand wissen, wohin ich gehe.

Ich steige den Hügel hinauf zu dem eingezäunten Gelände, auf dem Generationen meiner Familie begraben sind.

Während ich mich ans Ende des frischen Erdhügels setze, kann ich den Blick nicht von dem einfachen Kreuz abwenden. Tante Bette hat gesagt, dass sie in ein paar Wochen einen Grabstein wie den von Großvater haben wird.

Ich starre auf das Grab, wohl wissend, dass Mommys Körper darunter liegt, verstaut in einer Kiste. Hoffentlich kriechen die Würmer und Insekten nicht zu ihr hinein. Wer würde sie schließlich für sie töten, wenn ich nicht da bin, um es zu tun?

Die Sonne geht am Himmel auf, und ich weiß, dass mir nicht mehr viel Zeit bleibt. Ich muss zurück sein, bevor Emmett aufwacht. Jeden Tag fragt er über das Babyphone nach Mommy, und wenn ich ins Zimmer komme, zittert seine Unterlippe, bis ich mit ihm Kuckuck spiele.

Benny fragt Tante Darla beim Frühstück immer, wann Mommy aus dem Himmel zurückkommt. Daraufhin schaut sie Tante Bette an, und es herrscht Schweigen, jeder wartet auf die Antwort des anderen. Tante Darla zieht genauso die Augenbraue hoch wie Mommy, wenn sie von Benny und mir wissen wollte, wer wen zuerst geschlagen hat. Das ist dann der Moment, in dem ich Benny überzeuge, mit mir nach draußen zu gehen und Fußball zu spielen. Benny kann die Wahrheit nicht verkraften. Er würde weinen, wenn er wüsste, dass sie nie wieder zurückkommt. Es ist meine Aufgabe, ihn zu beschützen.

Dad verlässt nie sein Zimmer. Tante Darla und Tante Bette müssen sich eigentlich um meine Cousins kümmern, und ich habe gehört, wie Onkel Wade neulich auf der Veranda zu Tante Bette gesagt hat, dass er mit der ganzen Verantwortung kaum noch hinterherkommt. Er sagte, dass sie Dad irgendwie aus dem Bett holen und wieder zum Leben erwecken müssen, sonst werden wir die Ranch verlieren. Mom hat die Ranch geliebt, und ich weiß, dass sie im Himmel weinen würde, wenn das passiert.

Ich schlage meine Beine übereinander und zupfe an dem Gras um den frischen Hügel herum.

»Mommy«, flüstere ich.

Tote können nicht sprechen, doch alle sagen immer, dass sie über mich wacht, also sollte sie hier sein. Aber wenn sie hier ist, sollte ich sie dann nicht spüren? Doch das tue ich nicht. Tränen brennen in meinen Augen, und ich schlucke sie hinunter. Ich muss stark sein für Benny, Emmett und Dad.

Ich höre ein Quietschen und werfe einen Blick über meine Schulter. Sadie schließt das Tor hinter sich, als ob sie alle anderen aussperren würde. Ich wünschte, sie könnte es.

Ihrer Familie gehört der Bauernhof nebenan, und meine Mommy war die beste Freundin ihrer Mom, also ist sie immer in der Nähe. Sie ist in Ordnung, denke ich. Für ein Mädchen.

Ich sage nichts, als Sadie sich an meine Seite setzt. Sie trägt ihr weißes Nachthemd und ihre abgewetzten Regenstiefel mit den Marienkäfern drauf.

»Warum bist du schon wach?«, frage ich, zupfe einen weiteren Grashalm ab und wickle ihn um meinen Finger.

»Daddy war heute Morgen sehr laut beim Gehen, und ich habe dich hier draußen gesehen.« Sie zeigt auf ihr Haus. Ihr Schlafzimmerfenster blickt auf den Friedhof. »Geht es dir gut?«

»Ich bin okay«, sage ich mit Bitterkeit in meiner Stimme, die an dem Tag auftauchte, an dem meine Mom nicht nach Hause kam.

»Es ist in Ordnung, weißt du.«

Ich werfe meinen Kopf in ihre Richtung. »Was?«

»Zu weinen.«

Schnaubend rupfe ich eine Handvoll Grashalme ab und werfe sie einzeln auf den Erdhaufen. »Ich weine nicht.«

Sie seufzt und schlägt die Beine übereinander, wobei sie darauf achtet, dass ihr Nachthemd ihre Knie bedeckt. Ihre Hände spielen mit dem Ende ihres Zopfes, der um ihren Kopf geflochten ist und ihr in den Nacken fällt. Sie fasst sich ständig in ihr Haar. »Okay.«

Ich will aufstehen und gehen. Sie hierlassen und zurück ins Haus stapfen. Ich will allein sein.

»Meine Mommy sagt, du seist der Klebstoff.«

Ich runzle die Stirn. »Was soll das heißen?«

Sie zuckt mit den Schultern. »Ich weiß es nicht, aber Leim hält Dinge zusammen. Repariert Dinge. Letztes Jahr hat Daddy Mommys Lieblingsvase zerbrochen und sie wieder zusammengeklebt. Man hat nicht mal gesehen, dass sie kaputt war.«

Ich rolle mit den Augen. Sadies Mom hat meiner Mom und meinen Tanten diese Geschichte erzählt. Keine Ahnung, warum Sadie sie immer wiederholt. »Wie auch immer.«

»Sie sagte, dass Leim aber nicht alles kleben kann. Manchmal sickert noch Wasser durch die Ritzen. Sie hat zu Daddy gesagt, dass man eines Tages nicht mehr in der Lage sein wird, alles zusammenzuhalten.«

»Ist mir egal, Sadie.« Wirklich. Ihre Mom sagt immer so komische Sachen. Aber dass ich Kleber sei? Klebriger weißer Leim, der ewig braucht, um zu trocknen? Wovon redet sie überhaupt?

»Ich glaube, sie will damit sagen, dass, wenn man seine Gefühle nicht rauslässt, sie eines Tages sowieso rauskommen.« Sadie macht das immer. Sie ist sehr klug und erklärt mir immer Dinge, auch wenn ich sie nicht danach frage. »Denn kein Kleber ist so stark.«

»Superkleber schon. Daddy hat ihn für Emmetts Hochstuhlbein benutzt, und seitdem steht er wieder fest.«

»Oh. Nun … dann weiß ich auch nicht.«

Wir sitzen schweigend da und lauschen den Tieren, die erwachen. Ich muss zurück.

»Ich vermisse sie«, sagt Sadie.

Meine Fäuste umschließen die Grashalme. »Sie war nicht deine Mommy.«

»Meine Mommy weint die ganze Zeit. Sie vermisst sie auch.«

Mir kommen Tränen in die Augen, doch ich zwinge sie zurück. Ich habe bisher nicht geweint, und ich werde es auch nicht vor Sadie Wilkins tun. »Benny und Emmett auch.«

»Ich weiß. Du musst sie auch vermissen.«

Eine Träne läuft mir über die Wange, und ich wische sie mit dem Handrücken weg.

»Es ist okay, Jude.«

»Ich habe nur etwas im Auge.« Ich reibe mir über die Lider und hoffe, dass sie nicht merkt, dass auch mein anderes Auge mit Tränen gefüllt ist.

Sadie rutscht näher heran und macht dabei ihr weißes Nachthemd schmutzig.

»Geh nach Hause.«

Sie schlingt ihren Arm um meine Schultern. »Nein.«

Mein Kopf sackt herunter, und ich kann die Tränen nicht mehr zurückhalten. Sie laufen, eine nach der anderen, und benässen meine schmutzige Jeans. Ich wische sie mit meinen Händen weg, während Sadie sich an mich lehnt und ihren Kopf auf meine Schulter legt.

»Geh einfach, Sadie.«

»Ist schon gut. Ich werde es niemandem sagen«, flüstert sie mir zu.

Nun kann ich die Tränen erst recht nicht mehr stoppen, also sitze ich da und weine zum ersten Mal seit Mommys Tod.

Erstes Kapitel

Jude

SIEBENUNDZWANZIG JAHRE SPÄTER …

Ich wälze mich im Bett umher und starre schließlich an die Decke. Den Hähnen ist egal, dass es Sonntagmorgen ist. Es ist schon eine Weile her, dass ich wirklich ausgeschlafen habe, also stehe ich auf, ziehe meine Jogginghose an und gehe nach unten in meine Küche.

Der Kaffee ist bereits fertig, ich gieße mir eine Tasse ein und trete hinaus auf die Veranda, von der aus ich den gesamten See der Plain Daisy Ranch überblicken kann.

»Mein Gott, zieh dir ein Hemd an.« Emmett, mein jüngster Bruder, kommt in seinen typischen zu langen Basketballshorts herübergeschlendert. Er wohnt neben mir, hinter der Baumreihe, doch sonntags sehe ich ihn nur selten.

»Das könnte ich dir auch sagen.«

»Du vergisst, dass ich noch in den Zwanzigern bin, also …« Er schaut an sich herunter und tätschelt sein Sixpack. »Jap, immer noch perfekt.«

Ich lasse mich in einen der Schaukelstühle fallen und lege meine Füße auf dem Geländer ab. »Warum bist du hier?«

Emmett zieht sein Handy aus der Hosentasche und hält es hoch. »Du solltest wirklich dein Handy bei dir haben.«

Ich schätze die Vorzüge meines Handys, aber manchmal könnte ich auch gut darauf verzichten. Ich war noch nie jemand, der soziale Medien nutzt oder sinnlose Spiele darauf spielt. Normalerweise bin ich die einzige Person im Wartezimmer, die nicht an ihrem Handy hängt.

»Es ist oben«, sage ich.

Ohne ein weiteres Wort springt er die Verandastufen hinauf und läuft wie selbstverständlich in mein Haus. Bei dem Lärm der sich öffnenden Schränke und dem Klirren der Tassen verdrehe ich die Augen.

»Warum bist du noch mal hier?«, rufe ich durch die Fliegengittertür.

»Dad ist auf dem Weg.«

Meine Stirn legt sich in Falten. »Warum?«

Emmett kommt mit einer Tasse Kaffee in den Händen wieder heraus und setzt sich in den anderen Schaukelstuhl. Den, der kaum genutzt wird, seit ich allein wohne. Er wippt auf dem Sitz vor und zurück. »Entspannt.«

»Emmett – warum?«

Er starrt mich einen Moment lang an. Schließlich scheint er sich an die Frage zu erinnern, wirft den Kopf zurück und zuckt mit den Schultern. »Bin mir nicht sicher. Er sagte nur, dass wir uns in zehn Minuten hier treffen.«

»Hat er nicht Besuch?« Ich ziehe eine Augenbraue hoch.

Irgendwann, als wir in der Highschool waren, hat Dad angefangen, samstagabends Damenbesuch zu empfangen. Meistens sind es Frauen, die er in einer Bar aufgabelt und mit nach Hause nimmt, aber genau weiß ich es nicht. Ich habe schon vor Jahren aufgehört, am Sonntagmorgen dorthin zu gehen. Aber der arme Ben, mein anderer Bruder, wohnt derzeit dort, bis sein Haus fertig ist, und er erzählt mir so oft davon, wie Dad jeden Sonntag einer anderen Frau das Frühstück macht.

Ich möchte, dass mein Dad glücklich ist, aber ich mag es nicht, eine andere Frau in der Küche meiner Mom zu sehen. Nicht, dass ich das jemals jemandem erzählen würde.

Emmett zuckt mit den Schultern. »Vielleicht ist er letzte Nacht zu Hause geblieben.«

»Das bezweifle ich.« Ich nippe an meinem Kaffee.

»Es ist irgendwie traurig, findest du nicht?«

Ich spüre, wie Emmett mich anstarrt, aber ich mache mir nicht die Mühe, meinen Blick von den kleinen Enten abzuwenden, die auf dem See herumpaddeln. »Was genau?«

»Dass dein Vater ein Sexleben hat und du nicht.«

»Du weißt einen Scheiß über mein Leben.« Meine Lippen sind zu zwei schmalen Strichen zusammengepresst.

Er lacht, nippt an seinem Kaffee und spuckt ihn auf meiner Veranda aus.

»Das machst du sauber.« Ich schaue den zwei Enten nach, die auf dem See nebeneinanderher schwimmen, als seien sie ein Paar.

»Warum spritzt du ihn dir nicht einfach über eine Infusion direkt in den Blutkreislauf?« Emmett steht auf. »Ich brauche Milch oder so.«

Er verschwindet wieder drinnen, dann hallen ein Klirren und ein Poltern nach draußen. Wahrscheinlich schlägt er meine Küche gerade kurz und klein.

Ich beobachte die Enten noch eine Weile. Emmett hat nicht ganz unrecht. In letzter Zeit gab es keine Frauen in meinem Leben. Ich date nicht. Und ich schlafe auch nicht mit irgendwelchen Frauen, es sei denn, ich bin in einer anderen Stadt, und selbst das war in letzter Zeit selten der Fall. Meine Hand und meine Fantasie sind meine Samstagabendunterhaltung, doch ich sehne mich nach einer ganz bestimmten Frau – mehr, als ich es jemals jemandem gegenüber zugeben würde, besonders nicht Emmett.

»Besser.« Emmett kommt mit seiner Tasse Kaffee und einer Banane hinaus. »Ich hoffe, Dad bringt Frühstück mit.«

Ich schüttle den Kopf. Manchmal bin ich erstaunt, dass Emmett es allein schafft, sich anzuziehen und das Haus zu verlassen.

»Du schmeißt mich raus?«, höre ich Ben fragen, noch bevor er um die Ecke biegt, mein Dad direkt neben ihm.

Ben hat eine Schachtel in der Hand und ist in Jogginghose und T-Shirt gekleidet, während mein Vater seine üblichen Jeans und ein aufgeknöpftes Flanellhemd trägt und damit allen zeigt, dass er immer noch durchtrainiert ist.

»Du bist verlobt. Es wird Zeit«, antwortet Dad.

Ben bleibt stehen und starrt ihn an, doch dieser geht einfach weiter in Richtung Veranda. »Dad!«

Er winkt ab. »Geh und lebe mit deiner Familie.«

Bens Kiefer knackt. »Das Haus ist noch nicht fertig, und du lässt mich niemanden einstellen.«

Dad bleibt auf der ersten Stufe stehen und atmet tief durch. »Gut, dann stell Leute ein. Ist wahrscheinlich sowieso sicherer für Gillian und Clayton.«

»Morgen, Dad«, flötet Emmett.

Ich bin überrascht, dass er keinen bissigen Kommentar für Ben parat hat.

Bens Blick fällt auf mich.

»In diesem Gasthaus ist auch kein Platz mehr«, wehre ich sofort ab. Den Anblick von Gillian und ihm auf meinem Sofa kann ich gerade wirklich nicht gebrauchen.

»Jude. Emmett.« Dad nickt uns zu und verschwindet in meinem Haus. Gut, dass meine Kaffeemaschine so eingestellt ist, dass sie jeden Morgen eine ganze Kanne kocht.

Ben folgt unserem Vater und legt die Schachtel im Vorbeigehen auf den Verandatisch. »Hier.«

»Donuts!« Emmett benimmt sich wie ein Fünfjähriger und hechtet auf das Gebäck zu. »Wer hat die gekauft?«

»Dads … Besucherin hat sie gemacht.« Ben folgt meinem Vater ins Haus.

Die beiden streiten sich weiter über seinen Rauswurf. Das haben wir alle schon erlebt. Ich mit neunzehn und Emmett mit achtzehn. Er gab uns das Land, sagte, wir sollten ein Haus bauen und aus seinem verschwinden. Doch Ben ist erst vor ein paar Monaten zurückgekehrt, kurz nachdem er sich aus dem Profifootball zurückgezogen hat, und obwohl er einen Ball fängt, als hätte er Superkleber an den Händen, ist es nicht gerade seine Stärke, einen Nagel in Holz zu schlagen.

Emmett nimmt einen glasierten Donut in die Hand und begutachtet ihn. »Selbst gemacht?!« Er zuckt mit den Schultern und nimmt einen großen Bissen. Ein genüssliches Stöhnen entfährt ihm, während er kaut und schluckt.

Dad kommt wieder nach draußen, dicht gefolgt von Ben, beide mit Kaffeetassen in den Händen.

»Sie ist etwas Besonderes.« Emmett, der es sich wieder in seinem Schaukelstuhl bequem gemacht hat, schiebt sich den Rest des Donuts in den Mund.

»Keine von ihnen ist besonders.« Dad beugt sich über ihn und starrt so lange auf Emmett herab, bis dieser vom Stuhl aufsteht.

Er geht zum Geländer hinüber und schnappt sich unterwegs noch einen Donut.

Ben lehnt sich mit gekreuzten Beinen neben ihn und nippt an seinem Kaffee, während Dad sich nun in Emmetts Stuhl sinken lässt.

Seit siebenundzwanzig Jahren heißt es: »Wir vier gegen den Rest der Welt.« Aber die Dinge ändern sich. Ben hat seiner Highschool-Liebe, die einen fünfzehnjährigen Sohn hat, einen Heiratsantrag gemacht. Sobald sein Haus fertig ist, werden sie auf die Ranch ziehen. Diese spontanen frühen Morgenbesprechungen, die mein Vater einberuft, werden dann also entweder größer werden oder ganz aufhören.

Etwas in meiner Brust zieht sich zusammen. Ich kann nicht gut mit Veränderungen umgehen.

»Ist es das, worum es bei diesem Treffen gehen soll …? Dass du mich nun endgültig rauswirfst?«, fragt Ben.

Er war noch nie ein Frühaufsteher, und ich bin mir sicher, dass er sich an sein bequemes Leben in San Francisco gewöhnt hat.

»Du musst einen probieren.« Emmett hält Ben seinen halb aufgegessenen Donut vor die Nase.

Genervt schlägt Ben seine Hand weg. »Wenn ich einen will, dann nehme ich mir einen. Ich brauche keinen, den du schon halb angesabbert hast.«

»Du tust so, als hätte ich Läuse. Wir sind keine fünf mehr.« Emmett schiebt sich die zweite Hälfte seines Donuts in den Mund und zieht einen Schmollmund.

Ich glaube, Ben und ich vergessen oft, wie sensibel Emmett ist. Klar, er überspielt das mit Humor, aber ich bin mir sicher, dass es sich auch für ihn ungewohnt anfühlt, dass Gillian Teil unserer Familie wird. Dass eine Frau Teil unserer Familie ist. Er erinnert sich nicht an Mom.

Manchmal führt diese Erkenntnis dazu, dass ich mich schuldig fühle, wenn ich am Ende eines langen Tages nicht an sie gedacht habe.

»Bist du dir da sicher?«, fragt Ben.

Emmett stellt seine Tasse auf dem Geländer ab und baut sich bedrohlich vor ihm auf.

»Genug«, sagt Dad und wendet seinen Blick, mit dem er bis gerade eben den See vor uns gemustert hat, auf die beiden. »Ben, du hast jetzt eine Familie, und das bedeutet, dass du das Nest verlassen musst.«

Wie immer duldet der Tonfall meines Vaters keinen Widerspruch.

Ben schnaubt.

»Aber darum soll es hier jetzt nicht gehen. Gestern Abend habe ich etwas gehört. Ich habe Neuigkeiten.« Dad nippt an seinem Kaffee, stellt ihn auf den Tisch zwischen uns und stützt die Unterarme auf die Beine.

»Wirst du heiraten?«, fragt Emmett und schnappt sich zwei Donuts auf einmal.

»Halt die Klappe, Emmett«, fahre ich ihn an.

Dad antwortet nicht und widmet seine Aufmerksamkeit wieder seiner Tasse Kaffee.

»Ich meine ja nur … wenn ich jeden Morgen solche Donuts bekommen kann …« Emmett leckt einen Finger nach dem anderen ab.

»Es geht um die Ranch der Wilkinsens.«

Meine Füße rutschen vom Geländer, und ich setze mich in meinem Stuhl auf. Irgendetwas am Ton seiner Stimme lässt mich innerlich verkrampfen. »Was ist mit ihr?«

»Beruhige dich, Cowboy.« Emmett gluckst. Ben schlägt Emmett gegen den Arm.

»Autsch. Mist. Verdammt, das tat weh.« Er holt aus, um Ben einen Gegenschlag zu verpassen, doch dieser weicht aus, wobei schon wieder Kaffee auf meiner Veranda landet.

»Genug jetzt!« Dad wirft beiden einen strengen Blick zu.

Ben schafft es noch, Emmett einen letzten spielerischen Klaps gegen die Wange zu versetzen, dann trennen sie sich.

»Seid ihr beide fertig?«, fragt Dad, und meine Brüder werden ernst. »Wir wissen alle, dass das Hochwasser vor ein paar Jahren nicht gut für ihr Land war. Ich dachte, es würde besser werden, schließlich hat Monty im vergangenen Jahr bereits wieder Sojabohnen ernten können, aber man munkelt, dass sie mit den Zahlungen im Rückstand sind.«

»Was bedeutet das konkret?«, stelle ich die einzig wichtige Frage.

»Sie könnten die Ranch verlieren.« Er lehnt sich in seinem Stuhl zurück, legt ein Bein auf seinem Knie ab und hebt seinen Kaffeebecher hoch.

»Scheiße«, entfährt es Emmett.

»Wusstest du davon?«, fragt Ben an mich gewandt.

Ich schüttle den Kopf. Meine beste Freundin Sadie weiß vielleicht selbst nichts. Ihr Vater ist noch von der alten Schule, und da Mr. und Mrs. Wilkins nach Sadie keine Kinder mehr bekommen konnten, hatten sie auch nie einen Sohn, der die Ranch übernehmen konnte, wie es bei so vielen anderen in unserer Gegend im Laufe der Jahre der Fall war. Scheiße, mein Vater hat mit uns dreien den Jackpot geknackt, auch wenn der Älteste zu sein bedeutet, dass die meiste Verantwortung bei mir liegt.

»Weißt du, wie schlimm es genau um sie steht?«, fragt Emmett.

Meine Brüder sind besorgt. Ich sehe es in ihren Gesichtern. Niemand in unserer Gegend will, dass eine Familienranch von der Bank übernommen wird. Das Land wird hier seit Generationen vererbt, und es gibt immer wieder Geier, die darauf warten, es sich unter den Nagel zu reißen.

Ich mache mir Sorgen um Mr. und Mrs. Wilkins, aber vor allem kreisen meine Gedanken um Sadie. Sie hätte ihrer Familie geholfen, aber wenn man sie zu lange im Unklaren gelassen hat, könnte es schon zu spät sein. Jeder weiß, wie stolz Rancher auf ihr Land sind. Mein Vater ist nach dem Tod meiner Mutter durch die Hölle gegangen, und hätten uns nicht so viele Leute zur Seite gestanden, hätten wir unsere Ranch wahrscheinlich verloren.

Ich stehe auf. »Ich muss Sadie anrufen.«

»Wenn du dein Handy bei dir tragen würdest, müsstest du jetzt nicht Treppen steigen«, stichelt Emmett.

Ich stoße ihn vor die Brust, und er springt theatralisch über das Geländer der Veranda und landet auf den Füßen im Gras.

»Du bist ein Vollidiot«, murmelt Ben und setzt sich neben Dad.

»Warte noch«, hält mich Dad zurück.

Mit der Hand an der Fliegengittertür bleibe ich stehen. »Ich will …«

»Ich habe euch alle hierhergerufen, um euch zu sagen, dass, wenn die Gerüchte wahr sind, ich vorhabe, die Ranch zu übernehmen.«

»Was?«, fragen meine Brüder und ich unisono.

Er schüttelt den Kopf. »Ich habe nicht gesagt, dass ich sie kaufen will. Ich werde Monty helfen, die Ranch wieder zum Leben zu erwecken, aber das bedeutet, dass ich mich weniger um unsere Ranch kümmern kann.«

Zögernd nicke ich. Es ist das Richtige, aber das bedeutet, dass sich mein Arbeitspensum eben verdoppelt hat.

»Das ist das Mindeste, was ich tun kann, um mich bei ihm für das zu revanchieren, was er für uns getan hat, nachdem eure Mom …« Dad schluckt. »Es ist ein guter Zeitpunkt, um Emmett ins Boot zu holen. Du hast dir eine Menge vorgenommen, Jude. Es ist Zeit, ihn anzulernen, damit er dir einige Aufgaben abnehmen kann.«

»Bekomme ich eine Gehaltserhöhung?« Emmett springt wieder auf die Veranda.

Keiner antwortet ihm.

Ich kenne Dad gut genug, um zu wissen, dass dies nicht zur Diskussion steht. Nicht, dass ich das bestreiten würde. Der Erfolg der Wilkins-Farm steht in direktem Zusammenhang mit Sadies Glück. Es ist schlimm genug, dass sie nach der Highschool hierbleiben musste. Sie sollte schon lange aus Willowbrook weg sein. Sie hat es verdient.

»Sind wir uns einig?« Dad sieht jeden von uns an, und wir nicken. »Und jetzt, Ben, packst du deinen Kram zusammen und verschwindest.« Dann erhebt er sich aus seinem Schaukelstuhl, setzt seinen Cowboyhut auf und geht ohne ein weiteres Wort von der Veranda.

Ben murrt und folgt ihm, während Emmett zwischen der Donut-Schachtel und mir hin- und herschaut.

»Nimm sie einfach.« Ich schnappe mir alle Kaffeetassen und gehe zurück ins Haus.

»Bis morgen, Chef!«, ruft Emmett, als er geht.

Ich atme tief ein und aus. Nachdem ich die Tassen in die Spüle gestellt habe, gehe ich die Treppe hoch, wobei ich zwei Stufen auf einmal nehme. Im Schlafzimmer angekommen, schnappe ich mir mein Handy vom Nachttisch und setze mich auf die Bettkante.

Sobald der Bildschirm aufleuchtet, blicke ich auf eine SMS von Sadie.

Morgen. Wollen wir zusammen Mittag essen? Es gibt etwas, worüber ich mit dir reden muss.

Vielleicht weiß sie es ja doch.

Klar. Ich hole dich um 12 Uhr ab.

Obwohl sie die SMS vor einer halben Stunde abgeschickt hat, erscheinen die drei Punkte sofort, als ob sie auf meine Antwort gewartet hätte.

Super. Bis später.

Mir gehen eine Million Möglichkeiten durch den Kopf, wie ich dieses Problem für sie lösen könnte, denn ich hasse nichts mehr, als Sadie traurig zu sehen.

Zweites Kapitel

Sadie

»Also, warum dieses Treffen am frühen Sonntagmorgen?«, fragt Lottie, nachdem sie sich über ihren Kater beschwert hat. Sie sitzt auf der gegenüberliegenden Seite der Bank und lehnt ihren Kopf an die Vinylrückenlehne, als ob sie ein Nickerchen machen würde.

Ich hebe mein Kinn, atme tief ein und verkünde: »Ich habe beschlossen, dass es an der Zeit ist.«

Sie richtet sich auf. Dann blickt sie sich im halb gefüllten Easy Eggs Diner um und beugt sich vor. Das Lokal liegt direkt am Highway, und einige Leute könnten uns erkennen, aber die meisten hier sind auf der Durchreise. »Im Ernst?«

Ich nicke und versuche ein Lächeln zu unterdrücken.

»Miss!« Lottie winkt der vorbeikommenden Kellnerin zu. »Wir brauchen zwei Mimosas.«

Die Kellnerin zieht beide Augenbrauen hoch. »Haben wir nicht, ich kann euch Wodka aus meinem Flachmann anbieten und in euren Orangensaft mixen.« Sie wendet sich zum Gehen.

»Dann Pancakes mit Schlagsahne?« Lottie lächelt breit.

Die Kellnerin bleibt stehen, dreht sich aber nicht um. »Ich mach noch Schokoladensplits drauf.«

»Perfekt.« Lottie wendet sich wieder mir zu. »Dann werden wir eben mit Champagner feiern, nachdem du meinem Cousin gesagt hast, was du für ihn empfindest, und er dir seine unendliche Liebe gestanden hat.«

»Wir wollen nichts überstürzen.« Ich lege meinen Chai-Teebeutel in meine Tasse, damit er ziehen kann.

»Ach, hör doch auf. Ihr beide seid schon ewig ineinander verliebt.«

Damit liegt sie falsch. Ich bin mir nicht sicher, was Jude in mir sieht. Klar, ich bin seine beste Freundin, aber ich könnte schwören, dass ich ihn manchmal dabei erwischt habe, wie er mich mit einem ganz eigenartigen Blick angeschaut hat. Doch er hat nie eine Grenze überschritten. Niemals.

»Also, was ist los?« Lottie ist plötzlich hellwach, ihr Kater von zuvor scheint auf einmal vergessen.

»Was?«

»Warum jetzt?«

Ich zucke mit den Schultern. »Es gab nicht wirklich einen Auslöser. Ich war gestern Abend dort – wir haben diese Krimiserie geschaut –, und er hat mich nach Hause gefahren. Der Mond war riesig, und die Sterne funkelten. Er begleitete mich bis zur Veranda, und wir standen einen Moment lang da. Etwas war zwischen uns, das weiß ich. Aber dann hat er seine Hände in die Taschen gesteckt und ist gegangen.«

»Und?«

Ich hasse es, wie gut Lottie mich kennt. »Ich ging in mein altes Kinderzimmer und sah ihn am Grab seiner Mutter stehen.«

Sie schlägt mit der Hand auf den Tisch. »Ich wusste es.« Ein paar Leute drehen sich um und sehen uns an, und Lottie hebt entschuldigend die Hand. »Sorry. Wir haben nur ein paar aufregende Neuigkeiten hier.«

Ein paar alte Männer brummen und wenden sich wieder ihren Gesprächen zu – wahrscheinlich über das Land, das Heu und die Erntezeit.

»Erzähl weiter.«

Ich nippe an meinem Tee. »Das war’s. Er blieb stehen und sprach mit seiner Mutter, wie ich es schon tausendmal beobachtet habe. Dann ist er in der Dunkelheit verschwunden.«

Die Kellnerin, die einen Teller mit dampfenden Pancakes mit Schlagsahne und Schokoladensplits vor Lottie abstellt, ist eine willkommene Ablenkung. Das Essen sieht köstlich aus. Auf dem Pancake-Berg thront sogar eine in Scheiben geschnittene Erdbeere.

»Kann ich eigentlich auch zwei Eiweiß mit Spinat und Parmesan haben? Und als Beilage ein wenig Obst?«, frage ich mit einer Grimasse.

»Sie ist also die Einzige, die feiert?« Der Gesichtsausdruck der Kellnerin verrät, dass sie lieber auf einem gynäkologischen Stuhl für ihre jährliche Untersuchung säße, als uns hier zu bedienen.

»Sie ist einfach eine Pessimistin«, sagt Lottie mit dem Mund voller Pancake.

Die Kellnerin geht ohne ein weiteres Wort weg. Mein Gott, sie ist noch mürrischer, als Jude es sein kann.

Ich schaue zurück zu Lottie. »Ich bin Realistin, das ist ein Unterschied.«

Sie schluckt ihren Pancake herunter und schiebt den Teller von sich weg. »Kohlenhydrate machen süchtig. Das muss reichen.«

»Du hast nur einen Bissen genommen.«

»Miss Eiweiß-und-Spinat sollte das verstehen.«

Lachend nicke ich. »Vielleicht sollte ich es lieber nicht tun«, überlege ich laut, während meine Nerven mit mir durchgehen.

»Jude nichts sagen?« Lottie pikst mit der Gabel einen weiteren Pancake an, unfähig, sich zurückzuhalten.

»Wenn er nicht genauso empfindet, wird das unsere Dynamik verändern. Ich sollte warten, bis wir die Krimiserie zu Ende geschaut haben.«

Der Pancake ruht auf ihrer Gabel, während sich ihre Augen für eine Sekunde in meine bohren, dann zwei, dann drei Sekunden lang.

Ich winde mich unter ihrem Blick. »Ich weiß … Ich will nur wirklich wissen, was mit dem Mädchen in der Sendung passiert, und wenn er mir einen Korb gibt, kann ich nicht weiterschauen. Wir haben den Streamingdienst in unserem Cottage nicht.«

Sie schiebt sich den köstlich aussehenden Pancake in den Mund und lässt mit ihrer nächsten Antwort auffallend lang auf sich warten. »Wenn er nach all den Jahren immer noch nicht erkannt hat, was direkt vor ihm liegt, dann ist es an der Zeit, dass du weiterziehst. Ich meine …«

Jetzt geht’s los. Die gleiche Leier, die mir jeder erzählt. Dass ich nicht ewig auf Jude Noughton warten kann.

»Irgendwann muss man weitermachen …«

»Ich weiß!«, entgegne ich viel zu laut und senke schnell meine Stimme. »Ich weiß. Das weiß ich doch. Aber ich habe das Gefühl, dass mir andere einfach nicht gefallen.«

»Wirklich? Niemand?«

»Na ja, ich meine, klar, Models und Schauspieler, aber niemand von hier. Es gibt sonst niemanden.« Mit meinen Augen versuche ich, sie dazu zu bringen, es zu verstehen.

»Gut, wenn das hier schiefgeht, fahren wir nach Lincoln. Dort wirst du jemanden Großartiges finden, um einen Neuanfang zu wagen.«

»Ist es überhaupt ein Neuanfang, wenn wir nie gedatet haben?« Ich neige meinen Kopf.

Die Kellnerin kommt zurück und stellt einen Teller vor mir ab. Mein Magen knurrt. Ich danke ihr, und sie schenkt mir ein aufgesetztes Lächeln, bevor sie sich den Gästen zwei Tische weiter widmet.

»Lass uns den Plan in die Tat umsetzen. Heute ist der Tag.«

»Heute?« Ich ziehe die Augenbrauen hoch. »Heute ist Sonntag.«

Sie schnappt sich eine Blaubeere von meinem Teller und steckt sie sich in den Mund. »Wie wolltest du es denn machen? Ihn morgen zufällig auf der Ranch antreffen, während er seine Hände an Bessies Eutern hat, und fragen: ›Warum fasst du nicht meine an?‹«

Ich erschaudere. »Ekelhaft. Außerdem melkt er Bessie nicht.«

Sie lacht. »Hol dein Handy raus und schreib ihm eine SMS.«

Ich lege meine Gabel ab und fische es aus meiner Handtasche. Mein Daumen schwebt über seinem Namen auf dem Bildschirm.

»Beruhige dich. Du bittest ihn doch nur, sich mit dir zu treffen«, sagt Lottie.

Ich nicke, während ich mir einen innerlichen Pep-Talk darüber halte, dass es einen Grund gibt, wieso ich Lottie gebeten habe, mich heute Morgen zum Frühstück zu treffen. Dass es einen Grund gibt, warum sich gestern Abend etwas verändert und mir zugeflüstert hat, dass jetzt der richtige Zeitpunkt ist. Und ich weiß, dass ich damit nicht allein bin. Ich kenne den Typen gut genug, also sollte ich aufhören, mich verrückt zu machen.

Aber was ist, wenn er nicht dasselbe für mich empfindet? Ich kann mir nicht vorstellen, Jude nicht in meinem Leben zu haben. Bestimmt wird er sich zurückziehen, wenn er nicht genauso empfindet wie ich, und dann werde ich ihn vielleicht nie dazu bringen, sich mir zu öffnen.

»Gib mir dein Handy.« Lottie streckt ihre Hand über den Tisch.

Ich drücke es an mich und schüttle den Kopf. »Ich schaffe das schon.«

»Also gut.« Sie pikst einen weiteren Pancake mit ihrer Gabel auf.

An jedem anderen Tag hätte ich sie gefragt, wieso sie sich selbst sabotiert oder, wie sie sagt, »ihr eigener schlimmster Feind ist«. Aber heute Morgen war sie eine zu gute Freundin, als ich sie geweckt und gesagt habe, dass wir uns treffen müssen.

Ich tippe eine Nachricht und drücke schnell auf Senden, bevor ich die Nerven verliere.

Morgen. Wollen wir zusammen Mittag essen? Es gibt etwas, worüber ich mit dir reden muss.

Ein paar Sekunden lang starre ich aufs Handy. Keine Antwort. Na toll.

»Vielleicht ist er noch nicht wach«, mutmaßt Lottie mit der Kaffeetasse in der Hand, während sie darauf wartet, dass die Kellnerin ihr nachschenkt.

»Wir reden hier von Jude. Er wacht mit den Hähnen auf.«

»Wenn du neben ihm im Bett liegen würdest, wohl nicht mehr.« Sie wackelt mit den Augenbrauen.

»Lass uns einfach über etwas anderes reden.« Ich stecke mein Handy zurück in meine Tasche und widme mich demonstrativ meinem Essen.

»Sadie?«, fragt Lottie eine Minute später, in der keine von uns etwas gesagt hat.

Ich hebe meinen Kopf, und Lottie mustert mich einen Moment lang.

»Er wäre ein Narr, wenn er deine Gefühle nicht erwidern würde. Das weißt du doch, oder? Du bist das Beste in seinem Leben, und wenn er das nicht sieht, ist er ein Narr, auch wenn er immer noch mein Cousin ist.«

Ich lächle, und mein Körper beruhigt sich. Ich war mir gar nicht bewusst, wie sehr ich diese Worte brauchte. In meinem tiefsten Inneren weiß ich, dass Jude und ich an einem Scheideweg stehen. Es ist an der Zeit, entweder Hand in Hand weiter- oder getrennte Wege zu gehen. Der Gedanke, ihn mit einer anderen Frau zu sehen, einer Ehefrau, die nicht ich ist, fühlt sich an, als würde mir jemand ein Messer an die Kehle halten. Jetzt oder nie.

»Danke.«

Sie legt ihre Hand auf meine und drückt sie, wobei sie ausnahmsweise mal auf einen sarkastischen Kommentar verzichtet. Lottie ist mir über die Jahre hinweg eine wahre Freundin gewesen, und ich bin froh, sie an meiner Seite zu wissen.

Nachdem wir unser Frühstück beendet haben, umarme ich sie zum Abschied auf dem Parkplatz. Als ich in mein Auto steige, verkündet mein Handy, dass eine SMS von Jude eingegangen ist.

Klar. Ich hole dich um 12 Uhr ab.

Die Anspannung, die ich im Diner zu unterdrücken vermochte, steigt nun sprunghaft an. Ich wiederhole innerlich wie ein Mantra, dass Lottie recht hat und er ein Narr wäre, also antworte ich.

Super. Bis später.

Ich fahre, so schnell es die Geschwindigkeitsbegrenzungen von Willowbrook zulassen, nach Hause, um mich zu duschen, mich zu rasieren und meine Haare und mein Make-up zu machen, um das Beste aus meinem Aussehen herauszuholen. Nicht, dass Jude je irgendwann etwas an meinem Aussehen aufgefallen wäre oder er etwas in dieser Richtung geäußert hätte, aber wenn ich mich nach all den Jahren endlich traue, ihm meine Gefühle zu gestehen, dann will ich dabei wenigstens gut aussehen.

Ich fahre an der Ranch von Judes Familie vorbei und biege auf den Schotterweg zu unserer ein. Wir haben keinen eisernen Torbogen, und unser Zaun ist nicht frisch gestrichen wie ihrer. Vor ein paar Jahren hat ein Hochwasser unser Land verwüstet, das im Vergleich zu den meisten anderen hier eher klein ist. Dieses Jahr dürfte seitdem das erste sein, in dem wir einen Gewinn gemacht haben. Genau weiß ich es allerdings nicht, da mein Vater zu stolz ist, mir irgendetwas zu erzählen. Selbst nachdem ich mich nach der Highschool dazu entschieden habe, hierzubleiben und auf das örtliche Community College zu gehen, will er mich nicht in die finanziellen Angelegenheiten der Ranch einweihen.

Ich parke vor unserem Haus, für das mein Vater keine Zeit mehr hat, um es instand zu halten. Die rote Farbe blättert von den Fensterläden ab, und die Stufen der hölzernen Verandatreppe sind abgenutzt, da auch sie schon seit Langem nicht mehr erneuert wurden. Der Truck meines Vaters steht in unserer Einfahrt, was ungewöhnlich für einen Sonntag ist. Er arbeitet sieben Tage in der Woche auf unserer Farm und gönnt sich seit Jahren keinen Ruhetag.

Obwohl ich in das kleine Ein-Zimmer-Cottage hinter dem Haus meiner Eltern gezogen bin, das sie für meine Oma gebaut hatten, sehe ich, sobald ich nach Hause komme, immer als Erstes nach meiner Mom.

Ich steige die Verandatreppe hinauf, schaue auf die Uhr und stelle fest, dass ich zwei Stunden Zeit habe, um mich fertig zu machen.

Schon zum zweiten Mal an diesem Tag gebe ich mir selbst einen kleinen Pep-Talk, um mir Mut zu machen und Jude in Kürze gegenüberzutreten. Es gab über die Jahre immer wieder kleine Anzeichen, aber ich konnte nie eindeutig feststellen, ob es sich dabei nur um Freundschaft oder mehr handelte. Auch wenn er mein bester Freund ist, ist er so verdammt schwer zu durchschauen.

Ein Schrei hallt aus dem Haus und lässt mich erstarren.

Mom.

Oh Scheiße, ich hoffe, sie ist nicht wieder gestürzt.

Meine Schritte poltern auf den unebenen Verandabrettern, und ich eile durch die Fliegengittertür, um den Rufen meiner Mutter zu folgen. »Mom!«

»Hier drin. Oh, Sadie. Hilfe!«

Panik macht sich in mir breit, als ich die Treppe hochsprinte und mich mit den Händen zusätzlich am Geländer hochdrücke.

Meine Mutter schreit wieder nach mir.

Bitte sag mir, dass dies nicht der Tag ist, den ich seit meinem Highschool-Abschluss fürchte. In letzter Zeit ging es ihr besser, die neuen Medikamente haben ihre Symptome gelindert.

Ich renne durch die Schlafzimmertür meiner Eltern und sehe die Hände meiner Mutter auf der Brust meines Vaters.

»Mom?« Mein Gehirn braucht eine Minute, um zu begreifen, was ich da sehe. Es ist nicht meine Mutter, die in Schwierigkeiten steckt, es ist mein Dad.

Verzweifelt sieht sie mich an, Tränen laufen ihr über die Wangen. Sie muss kein Wort sagen, ich weiß auch so, dass es wahrscheinlich zu spät ist. »Ruf einen Krankenwagen.«

Ihre Stimme ist zu ruhig, und ihre geübten Hände sind nicht annähernd so stark wie früher, als sie auf die Brust meines Vaters drückt, dessen lebloser Körper nicht reagiert.

Ich ziehe mein Handy aus der Tasche, wähle den Notruf und verlasse den Raum, immer noch unter Schock.

Nachdem ich der Dame am Telefon alles geschildert habe, eile ich zurück ins Schlafzimmer, und alles scheint sich zu verlangsamen.

Meine Mutter übernimmt die Kontrolle über die Situation und weist mich an, den Puls und die Atmung zu überprüfen. Währenddessen versucht sie weiterhin, meinen Vater wiederzubeleben, doch bald ist sie zu müde, und ihre Hände verkrampfen.

Dann sieht sie zu mir auf, völlig aufgelöst. »Ich glaube … ich habe ihn zu spät gefunden. Er wollte nach dem Frühstück ein Nickerchen machen, sagte, er fühle sich nicht wohl, und ich kam, um nach ihm zu sehen.«

Die Sirenen ertönen durch die offenen Fenster, und ich lasse Mom allein zurück, um den Sanitätern entgegenzugehen.

Der Krankenwagen fährt unseren Schotterweg herauf, ich setze mich auf die Verandastufen und lehne meinen Kopf an das Geländer. Sie parken hinter meinem Auto, und ich stehe auf, gehe die Treppe hinunter und sehe, wie sie eilig mit einer Trage den Weg zum Haus laufen.

Eine Sanitäterin, Teri, ein Mädchen, mit dem ich zur Schule ging, sieht meinen Gesichtsausdruck, und ich schüttle den Kopf. Es ist zu spät, er ist tot, möchte ich sagen, doch die Worte kommen mir nicht über die Lippen.

Sie lassen die Trage am Fuß der Verandatreppe stehen.

»Die zweite Tür auf der linken Seite«, höre ich mich sagen.

Teri und ihr Partner eilen in die Richtung, in die ich zeige, während ich mich wieder auf die Verandastufen sinken lasse, die unter mir knarren.

»Sadie!«

Judes Stimme reißt mich aus meinem Trancezustand. Ich blicke hoch und entdecke ihn, wie er mit Titan in meine Richtung reitet. Sobald er in der Nähe ist, zügelt er Titan, schwingt ein Bein über das Pferd und lässt sich auf den Boden gleiten. Ich renne in seine Arme, und er umfängt mich mit seinem großen Körper.

»Ich habe den Krankenwagen am Haus vorbeifahren sehen. Geht es deiner Mom gut?«

Immer noch an seine Brust gepresst, schüttle ich den Kopf. »Es geht um Dad. Er ist tot.«

Seine Arme umschließen mich fester, und ich begrüße die Sicherheit, die nur er mir geben kann.

Drittes Kapitel

Jude

Der Krankenwagen, in den der leblose Körper von Sadies Vater geschoben wurde, fährt ohne Blaulicht die Einfahrt hinunter.

Mein Dad kam sofort herüber, als ich ihm eine SMS schrieb. Er ist drinnen mit Sadies Mom, während ich Sadie weiter an mich gedrückt halte.

»Es tut mir so leid«, sage ich.

Sie löst sich aus meiner Umarmung und geht zum Rand der Veranda, von wo aus man den besten Blick auf das Ackerland hat. »Was soll ich nur tun?«

Ich stelle mich neben sie. Ihre Farm erbringt nicht den Ertrag, den sie sollte. Sie wurde jahrelang vernachlässigt, und ich bin mir nicht sicher, ob das wieder rückgängig gemacht werden kann. Und auch wenn sie dieses Jahr etwas auf die Beine gestellt haben, wird es nicht ausreichen. »Ich werde euch helfen. Mein Vater auch. Alle packen mit an und setzen die Farm in Gang.«

Sie seufzt und lehnt ihren Kopf an den Pfosten des Geländers, um den sie ihren Arm gelegt hat. »Selbst wenn wir sie wieder in Gang setzen, Jude, kann ich sie nicht am Laufen halten. Ich müsste eine Menge Arbeiter einstellen, und ich habe keine Ahnung, ob wir uns das leisten können.«

Ich habe so meine Theorien, warum ihr Vater sich so bedeckt hielt, was den schlechten Zustand der Farm anging. Sadie ist eine Macherin. Sie ist eine Nenn-mir-das-Problem-und-ich-finde-eine-Lösung-Frau. Eine bewundernswerte Eigenschaft, die ihr dabei helfen wird, das zu überstehen, was nun auf sie zukommen wird. Aber ich bin mir sicher, dass Monty Wilkins nicht wollte, dass seine Tochter den Druck verspürt, seine Farm am Laufen halten zu müssen.

Einmal kam sie weinend zu mir, weil ihr Vater ihr gesagt hatte, dass die Farm in Zukunft ihrem Mann gehören würde. Dass, wen auch immer sie heiraten würde, er sie ihm überschreiben würde und nicht ihr. Er war unglaublich altmodisch. Und was hat ihm seine Engstirnigkeit eingebracht? Eine Frau und eine Tochter, die nicht darauf vorbereitet sind, in seine Fußstapfen zu treten.

»Du könntest sie verkaufen«, sage ich vorsichtig, wohl wissend, dass ihr dieser Vorschlag nicht gefallen wird.

»Auf keinen Fall. Dies ist das Land meiner Familie, das Land meiner Vorfahren. Ich weiß, es ist klein, aber es gehört uns. Mein Vater würde das nicht gutheißen.«

Nickend verschränke ich die Arme und stelle mich breitbeinig hin. Ich verstehe, was sie meint. Vor dem Tod meiner Mom hieß die Plain Daisy Ranch Noughton Farm, und mein Dad änderte den Namen, um sie, Daisy, zu ehren. Aber manche Leute nennen sie immer noch Noughton Farm, weil es unser Familienland ist, und das bedeutet hier etwas.

»Dann werden wir uns etwas anderes überlegen. Ich helfe dir dabei.«

Ich habe keine Ahnung, wie ich das alles schaffen soll, aber ich werde schon einen Weg finden – für Sadie. Sie verdient ein Leben, das so viel mehr bietet. Nach der Highschool hätte sie es wie Ben machen und von hier weggehen sollen, um ihre Träume zu leben. Stattdessen hat sie die Verantwortung für die Gesundheit ihrer Mom übernommen, damit ihr Dad die Farm weiterführen konnte. Sie hat ihre Zeit damit verbracht, ihrem Vater zu beweisen, dass sie die Farm managen kann, sich um die Website gekümmert, Kunstwerke angefertigt, die er nie wollte, und Vorschläge gemacht, wie man aus ihrem Namen eine Marke machen könnte. Doch er stellte sich ihr immer wieder in den Weg.

»Wie willst du das bewerkstelligen, Jude? Du hast doch deine eigene Ranch, um die du dich kümmern musst.« Ihre Augen blicken weiter auf das Land vor uns. Das Feld muss bald abgeerntet werden, was heißt, dass wir kaum Zeit haben, um uns einen Plan auszudenken.

Behutsam lege ich meinen Arm um ihre Hüfte. »Ich werde mir die Zeit nehmen.«

Ich möchte nicht erwähnen, was mein Vater gestern Abend gehört hat. Es würde Sadie nur in Verlegenheit bringen, dass die Stadt von den Schulden ihres Vaters weiß.

»Jude«, ruft mein Vater durch die Fliegengittertür.

Ich wende mich von Sadie ab und gehe über die halb verrotteten Holzplanken in Richtung Tür. Dad hält ein Stück Papier in der Hand. Er stößt die Tür auf, ich gehe hinein und sehe einen Stapel an weiteren Unterlagen vor Sadies Mom auf dem Esstisch liegen.

»Was ist hier los?« Ich runzle die Stirn.

Mein Vater drückt mir einen Brief in die Hand, auf dem in großen schwarzen Buchstaben Zahlungserinnerung steht. Ich atme tief aus und sehe meinen Vater an. Er zeigt keine Regung, und ich bin mir sicher, dass das aus Rücksicht auf Mrs. Wilkins ist.

»Sadie?«, rufe ich nach draußen.

Keine Ahnung, ob das im Moment die beste Idee ist, aber ich werde ihr das nicht verheimlichen. Denn selbst wenn sie bereits weiß, dass die Farm in finanziellen Schwierigkeiten steckt, ist das hier noch mal eine ganz neue Ebene. Wenn ihre Mutter es für wichtig genug hielt, meinem Vater davon zu erzählen, dann muss Sadie es auch wissen.

Ihre Schritte auf der Veranda lassen die Dielen vibrieren, und ich fürchte, dass das Haus eines Tages einfach einstürzen wird.