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In seiner inspirierenden Autobiografie nimmt Hanspeter Nüesch den Leser mit auf eine Reise durch Höhen und Tiefen seines bewegten Lebens. Als langjähriger Leiter von Campus für Christus Schweiz prägte er das Leben vieler Menschen nachhaltig. Seine Botschaft von der befreienden Kraft des Glaubens führte ihn auch in die entlegensten Regionen der Erde – von den indigenen Völkern Alaskas bis hin zu sozialistischen Staaten wie Nordkorea, Kuba und Russland. Gemeinsam mit seiner Frau Vreni, die als Co-Autorin mitwirkt, berichtet Nüesch von erstaunlichen Erlebnissen von Gottes «unbändigem Segen». Nüesch gibt in seinem Buch auch sehr persönliche Einblicke: Offen und mit einer Prise Humor spricht er über eigene Schwächen, Fehler und seine rebellische Seite, die ihn auf seinem geistlichen Weg herausforderten. Mit einer authentischen und demütigen Stimme zeigt er, wie Gott trotz menschlicher Unzulänglichkeiten mächtig wirken kann. «Unbändiger Segen» inspiriert und ermutigt – besonders in schwierigen Zeiten. Entdecken Sie eine Lebensgeschichte, die nicht nur bewegt, sondern auch herausfordert, dem Wirken Gottes mutig Raum zu geben.
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Veröffentlichungsjahr: 2025
Vorhang auf für die berührende und inspirierende Lebensbiografie von Hanspeter und Vreni Nüesch! Das Werk porträtiert ein Stück der jüngeren Heilsgeschichte von Jesus in unseren Breitengraden und weit darüber hinaus. Sie ist es wert, auch für die nachfolgenden Generationen von Jesus-Nachfolgern festgehalten zu werden!
Hanspeters und Vrenis abenteuerliche Lebensgeschichte inspiriert, alles auf die Karte «Jesus» zu setzen und sich vertrauensvoll seinen Wegen anzuvertrauen. Der Leser wird eingeladen, auf Zehenspitzen in den heiligen Raum ihrer Herzen, ihrer Ehe und in ihre vertraute Gottesbeziehung hineinzuschauen und somit auch Schlüsse fürs eigene Leben zu ziehen.
Danke, Hanspeter und Vreni, dass ihr euer Leben dem Auftrag Christi auf diese Art und Weise geschenkt habt.
Andreas Keller, Gesamtleiter Stiftung Schleife
Über viele Jahre waren Vreni und Hanspeter Nüesch meine Mentoren, als ich neu die Leitung der FEG Schweiz und später des Freikirchenverbandes übernahm. Ihre unerschütterliche Hoffnung auf Gottes Eingreifen hat mich bei jedem Treffen mit ihnen inspiriert und weitergetragen. Ihre Lebensgeschichte strahlt so viel von Gottes Güte aus. Und sie haben diese großzügig weitergegeben. Ich wünsche allen Leserinnen und Lesern, dass sie bei der Lektüre des Buches etwas von der Herzlichkeit von Vreni und Hanspeter Nüesch spüren und in ihr Leben aufnehmen können.
Peter Schneeberger, Dozent Theologisches Seminar St. Chrischona und Präsident Dachverband Freikirchen Schweiz
Ich weiß nicht, wie viele Hundert Biografien ich schon in meinem Leben gelesen habe, weil man von ihnen so viel lernen kann. Dass jetzt die Autobiografie von Hanspeter und Vreni Nüesch vorliegt, begeistert mich! Hanspeter ist ein Urgestein der geistlichen Geschichte in der Schweiz, aber auch in den Nationen.
Hanspeter und Vreni, die ihren Weg authentisch mit ihrem Ehemann aufzeichnet, sind geschickte Geschichtenerzähler, die Gott stark gebraucht hat im Bereich Evangelisation, Leiterschaftsschulung und Gemeindeaufbau. Hanspeters Stärke liegt nicht nur in seiner Tatkraft, sondern auch in seinem Glauben an die Kraft des Heiligen Geistes und in einem tiefen Gebetsleben. Seine Leidenschaft, den Leib in aller Unterschiedlichkeit in Einheit unter Christus versammelt zu sehen, um für Nationen zu beten, ist eine seiner Hauptstärken.
Dieses Buch ist spannend, humorvoll und voll tiefer Lehreinheiten – Sie werden es nicht aus der Hand legen wollen. Ich kann es nur empfehlen!
Monika Flach, Gründerin und Leiterin von Kingdom Impact
Hanspeter und Vreni Nüesch sind leuchtende Beispiele dafür, dass Gott seit jeher nicht unsere Perfektion sucht, sondern unsere Leidenschaft und Treue. Weil sie den Mut hatten, Ecken, Kanten und Profil zu zeigen, konnten sie unzählige Jesus-Gläubige und ganze Kirchenlandschaften positiv prägen. Gottes «unbändigen Segen» erlebten sie deshalb, weil sie sich an ihn banden. Möge ihre Liebe zum himmlischen Vater, zu Jesus Christus, zum Heiligen Geist, zu den Mitmenschen und zur Kirche uns alle inspirieren.
Christian Haslebacher, Vorsitzender Viva Kirche Schweiz (vormals Chrischona Schweiz), wohnte als junger Erwachsener mit seiner Ehefrau Annette ein halbes Jahr bei Hanspeter und Vreni Nüesch
Mit großer Freude habe ich die Segensgeschichte von Hanspeter und Vreni Nüesch gelesen. Auf eindrückliche und anschauliche Weise wird deutlich, welcher Segen von Menschen ausgehen kann, die ihr Leben ganz Gott anvertrauen und bereit sind, seinen Willen zu tun. Immer wieder neu ist der Mut gefragt, den Führungen Gottes zu vertrauen.
Aus den persönlichen Begegnungen kenne ich die Leidenschaft von Vreni und Hanspeter für die Ausbreitung des Reiches Gottes. Die Einheit der Christen wird geradezu zu einem Schlüssel für ihren weltweiten Versöhnungsdienst.
Gerhard Proß, Moderator von «Miteinander für Europa»
Ich hatte das Privileg, Hanspeter und Vreni und ihren bahnbrechenden Dienst kennenzulernen, als ich vor dreißig Jahren nach Österreich kam. Im Laufe der Jahre hatten wir die Freude, uns bei Gebetsveranstaltungen in der Schweiz, in Österreich, in Deutschland und in Armenien sowie bei einigen Generälentreffen im Haus David in Oberösterreich zu begegnen. Bei einer solchen Versammlung in unserem Haus erhielten Hanspeter und Vreni ein prophetisches Wort, dass sie über ihre unglaubliche Reise mit dem Herrn schreiben sollten, was – Gott sei Dank – nun geschehen ist. Danke dafür – und für eure erstaunliche Liebe zum Leib Christi und zur Einheit; sie ist ein wunderbares Vermächtnis für jene, die in den kommenden Jahren davon inspiriert werden!
Juliana Bosma, Gründerin des «Hauses David» für Gebet und Erneuerung nahe Linz
Wer dieses Buch liest, wird beeindruckt sein, wie der Heilige Geist zwei Menschen zum Segen für unzählige Menschen in aller Welt führt. Vielen Dank für euer Vorbild!
Walter Heidenreich, Präsident von Help International/fcjg/Horizont
Es ist ein unbändiger Segen, den meine Frau und ich durch das Wirken von HP und Vreni Nüesch erfahren durften. Die «Aktion Neues Leben», die sie in die Schweiz brachten, wurde für uns zum entscheidenden Wendepunkt: Wir durften Jesus persönlich kennenlernen und ein Leben in der Nachfolge beginnen.
Noch heute bin ich zutiefst dankbar für diesen geistlichen Aufbruch, der unser Leben und unseren Dienst nachhaltig geprägt hat. HP Nüesch zeigt in seinem Buch eindrücklich, wie Gottes Segen oft trotz unserer Schwächen sichtbar wird, wenn wir uns ihm ganz anvertrauen – eine inspirierende Ermutigung für alle, die nach einem lebendigen, tief verwurzelten Glauben suchen. Ein kraftvolles Zeugnis eines Lebens in der Kraft des Heiligen Geistes mit einem Wunder wirkenden Gott.
Pastor Marco Hofmann, Präsident Schweizerische Pfingstmission SPM
Dieses Buch ist ein einzigartiges geistliches Vermächtnis eines Ehepaars, das mich und viele andere seit Jahren inspiriert. Hanspeter bestärkte uns Mütter bei «Moms in Prayer» stets, uns als würdevolle Kinder des himmlischen Königs zu sehen und darum voller Vertrauen und Hoffnung zu ihm zu beten. Vrenis Bereitschaft, Gottes Plänen unmittelbar zu folgen und selbst eine Mütter-Gebetsgruppe zu gründen, hat uns sehr beeindruckt. Nüeschs haben mich ermutigt, den Gebetsdienst europaweit zu stärken – ein Segen, den ich bis heute weitertrage. Ihre Autobiografie ist ein wertvolles Geschenk für die Schweiz, Europa und die Welt!
Kathrin Larsen, Direktorin von Moms in PrayerEuropa und Israel, Autorin
Hanspeter und Vreni NüeschUnbändiger Segen
http://www.fontis-verlag.com
Hanspeter und Vreni Nüesch
UnbändigerSegen
Unser Leben mit einem Wunder wirkenden Gott
Bibliografische Information der Deutschen NationalbibliothekDie Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://www.dnb.de abrufbar.Der Fontis-Verlag wird von 2021 bis 2025vom Schweizer Bundesamt für Kultur unterstützt.© 2025 by Fontis-Verlag BaselFontis AGSteinentorstrasse 23, 4051 Basel, [email protected] in der EU:Fontis Media GmbHBaukloh 1, 58515 Lüdenscheid, [email protected] zitierten Bibelverse wurden zumeist vom Autor selbst ins Deutsche übertragen und folgen ansonsten den hier genannten Übersetzungen:L17 – Lutherbibel, revidiert 2017, © 2016 Deutsche Bibelgesellschaft, StuttgartHfa – Hoffnung für alle®, Copyright © 1983, 1996, 2002, 2015 by Biblica, Inc.®. Herausgeber: Fontis-Verlag BaselEÜ – Einheitsübersetzung der Heiligen Schrift. © 2016 Katholische Bibelanstalt GmbH, Stuttgart. Alle Rechte vorbehalten.GNB – Gute Nachricht Bibel, durchgesehene Neuausgabe, © 2018 Deutsche Bibelgesellschaft, Stuttgart.ZB – Zürcher Bibel © 2007 Zürcher Bibel/Theologischer Verlag Zürich.Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in diesem Buch zumeist das generische Maskulinum verwendet, beispielsweise wenn von «den Mitarbeitern» gesprochen wird. Diese Formulierungen beziehen sich ausdrücklich auf beide Geschlechter und beinhalten keine Wertung.
Umschlag: René Graf, Fontis-VerlagUmschlagfoto und Fotos Innenteil: © Hanspeter und Vreni Nüesch privatE-Book-Herstellung: InnoSET AG BaselISBN (EPUB) 978-3-03848-715-9
Kürzlich stand ich vor einem gesprayten Werk des Streetart-Künstlers Banksy. «Girl with Balloon» – ein Mädchen, das einen Ballon fliegen lässt. Wobei man bei einzelnen Versionen dieses ausdrucksstarken Bildes nicht ganz genau sagen kann, ob das Mädchen den Ballon nun tatsächlich fliegen lässt oder ob es nicht versucht, ihn wieder einzufangen.
Während mir beim Betrachten dieses Kunstwerks so allerlei durch den Kopf ging, blieben meine Gedanken überraschend bei Vreni und HP stehen. Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen, weil mich der Ballon an HPs Persönlichkeit erinnerte und das Mädchen an Vreni.
HP hat es mit allem, was er ist und hat, immer in Richtung Himmel gezogen. Er hat sich danach ausgestreckt, was Gottes Wille sein könnte, was Gott Freude machen würde, und hat mit seinem Großträumen Projekte immer wieder zum Fliegen gebracht.
Vreni war und ist mit ihrem bodenständigen und geerdeten Glauben ein wunderbarer Gegenpart. Sie erinnert mich an das Mädchen, das diesen Ballon fliegen lässt – aber ihn eben in den richtigen Momenten auch liebevoll wieder einfängt, damit er nicht allzu sehr abhebt. Diese gesunde Dynamik zwischen den beiden Eheleuten konnte ich über die Jahre immer mal wieder beobachten.
Damit stößt diese Analogie aber wohl an ihre Grenzen, wenn sie nicht schon überstrapaziert wurde. Und relativierend muss gesagt sein, dass HP genauso wenig ein kopfloser Luftikus ist wie Vreni ein kleines Mädchen. Vreni habe ich immer als starke und eigenständige Frau erlebt, auch wenn die beiden ein traditionelles Rollenbild ausfüllen. Gleichzeitig war der stets abenteuerlustige HP alles andere als unbedacht unterwegs.
Das Fliegen und die Sehnsucht in Richtung Himmel, davon habe ich tatsächlich viel von HP gelernt. Er hatte immer schon die ganz großen Träume. Gepaart mit einem erstaunlichen Biss führte dies dazu, dass vieles dann auch Wirklichkeit wurde. Für ihn war und ist die Welt kaum groß genug.
2006 hatte ich ein eindrückliches Erlebnis, als ich mich einmal für Gebet zurückgezogen hatte. Dabei hörte ich innerlich unerwartet sehr deutlich die Worte: «Führe Europa zurück an mein Herz.» Bis dahin hatte ich den Fokus meines Wirkens primär auf die Schweiz ausgerichtet. Da ich dachte, dass HP daran Freude haben könnte, erzählte ich ihm, dass ich den Eindruck hatte, dass Gott dabei war, mein Herz für Europa zu weiten.
Daraufhin meinte HP jedoch bloß: «Schön. Aber warum nur Europa? Das ist doch viel zu klein!» Und irgendwie hat er wohl recht damit. Vreni und HP haben mir die ganze Welt lieb gemacht und nicht nur Teile davon. Ihre Abenteuerlust und ihr Glaubensmut haben dafür gesorgt, dass die Welt für mich als kleiner Ostschweizer Junge nicht mehr bedrohlich, sondern erkundungswürdig wurde.
Vreni und HP – ein wohl fast perfektes Team, das kaum besser hätte harmonieren können. Einmal fragte ich den Alphapionier Nicky Gumbel, was für ihn das Geheimnis einer langen und glücklichen Ehe sei. Seine Antwort war ebenso pragmatisch wie unerwartet: «Marry the right person.»
Einfach die richtige Person heiraten – das scheint auch ein wesentlicher Bestandteil des Erfolgs von Vreni und HP zu sein. Sie, die Bodenständige, die verständnisvolle Detailseherin, die Gastgeberin mit dem offenen Ohr. Wie es bei der Heilsarmee «Suppe, Seife, Seelenheil» heißt, heißt es bei Vreni: «Tee, Kuchen und Freundlichkeit». Damit öffnet sie Türen und Herzen. Ihr Zuhause war und ist ein Ort, an dem sich Menschen wohlfühlen, und man kann sich vorstellen, wie viele wegweisende Gespräche die Sofakissen in ihrem Wohnzimmer schon mitanhören durften. Vreni ist auch die Starke – wenn man von ihr mal hört: «Ich bin etwas krank», dann liegt sie definitiv heftig darnieder.
HP hingegen ist der Kantige, der Großdenker, der Geschichten- und Visionensammler. Wer auf dem bereits erwähnten Sofa saß, ging «bebetet» und meist mit einer neuen Vision nach Hause.
Und mit einem Kristall! Denn diese sind Vrenis und HPs große Leidenschaft. Bei einer Hochzeit von Freunden war HP plötzlich für zwei, drei Stunden verschwunden. Während Vreni sozial engagiert die Stellung hielt und sich mit den Gästen unterhielt, folgte HP seinem schier untrüglichen Spürsinn. Bei der Hinfahrt hatte er eine Kluft entdeckt, die sein Interesse geweckt hatte. Bei einem benachbarten Bauernhof fand er Werkzeug – und machte sich sogleich daran, die Kluft auszuheben.
Mit Dreckspuren an den Knien und einem Hemd, das nicht mehr korrekt in der Hose steckte, tauchte er plötzlich strahlend wieder bei der Hochzeitsgesellschaft auf. In der Hand einen wunderschönen Kristall, den er dem Hochzeitspaar überreichte. Genau das ist Vrenis und HPs Stärke: Sie sehen bei Menschen nie einfach nur den Dreck, sondern immer auch das Wunderschöne, das sich darunter verbirgt. Und sie werden nie müde, dieses gottgegeben Schöne ans Licht zu befördern.
Gleich sind wir keineswegs, HP und ich. Mich treiben hoffnungsvolle Lichtschimmer am Horizont an, während HP beim Anblick dunkler Wolken und herannahender Dramen zur Höchstform aufläuft. Unvergessen ist der Moment, als er sich Weihnachten vor der Leitungsübergabe am Telefon verwählte und mitten in meiner privaten Weihnachtsfeier landete. Weil ich dachte, es sei dringend, nahm ich natürlich ab. Nach einer kurzen Entschuldigung nutzte er die Gelegenheit, mir ruhige und besinnliche Feiertage zu wünschen – zum letzten Mal, wie er meinte, da ich ja in Zukunft Campus leiten würde. Tatsächlich habe ich aber jede Weihnachten gut geschlafen!
Vreni, HP und ich – wir sind alle unterschiedlich gestrickt. Aber was uns verbindet, ist dieselbe Leidenschaft: unsere Faszination für Christus. Da ist es nicht verwunderlich, dass wir es trotz unseres unermüdlichen Geistes so lange in einer Bewegung aushalten konnten, die «für Christus» heißt.
Was bleibt, ist unendliche Dankbarkeit. Wir alle sind ein Mosaik aus den Gedanken und Taten der Menschen, die in uns investiert haben. Vreni und HP sind ein unersetzbarer Teil meines Lebens geworden. Auch dank ihnen tue ich, was ich tue. Auch dank ihnen bin ich, wer ich bin. Sie haben mich gelehrt, furchtlos groß zu glauben. Klarheit und Großherzigkeit zu leben. Überall neugierig nach Gott zu suchen – in Menschen wie auch an den wildesten Orten. Nicht dem Applaus der Menschen nachzujagen, sondern dem, woran Gott Freude haben könnte.
Und in all dem sind sie einfach ganz normale Menschen geblieben. Menschen, in denen ich mich wiederfinden kann. Der unbeirrbare Sammler HP fand in der örtlichen «Brocki» einmal eine ganze Schachtel voller alter Postkarten, die er natürlich dem inneren Drang folgend kaufen musste. Als er den Schatz Vreni zeigte, stellte sich heraus, dass es die Postkarten waren, die sie zwecks Entrümpelung des Haushaltes vor einiger Zeit selbst in die Brocki gebracht hatte …
Wie könnte man die beiden nicht mögen?
Vreni und HP: Danke für alles.
Andreas «Boppi» BoppartLeiter Campus für Christus Schweiz
Ich (Hanspeter) habe mich lange geweigert, ein autobiografisches Buch zu schreiben. Das hat einerseits damit zu tun, dass ich einmal vor Jahren schwer auf die Nase gefallen bin, als ich mich umstimmen ließ und einen Ghostwriter beauftragte, meine Lebensgeschichte aufzuschreiben – trotz der Einwände von Vreni. (Die Details dazu findet man im Kapitel: «Was passieren kann, wenn man nicht auf die Ehefrau hört».) Meine Reserviertheit hatte aber auch damit zu tun, dass ich Angst hatte, dass das Buch mich besser zeichnen würde, als ich bin, und dass ich mich dann eine Ewigkeit dafür schämen müsste.
Der Grund, weshalb ich mich trotzdem ans Schreiben machte, hat mit Vreni zu tun. Bei einer Gebetstagung in Linz hatte sie ein Wort erhalten, dass sie einmal ein Buch schreiben würde. Damals war das für uns der Beweis, dass auch erfahrene Propheten sich täuschen können. Vreni hat ja viele Gaben, aber dass sie einmal ein Buch schreiben würde, das konnten wir uns beim besten Willen nicht vorstellen. Und nun hat sie es tatsächlich getan, und das mit nicht wenig Begeisterung. Mit ihrem Schwung hat sie mich manchmal geradezu angesteckt!
Dass ich mich mit Freude an die Arbeit gemacht habe, hat auch damit zu tun, dass ich mit dem Schreiben des Buches eine Hidden Agenda verfolgte, also geheime Ziele hatte, die über das Schreiben eines autobiografischen Buches weit hinausgehen. Mein Wunsch ist es, dass die Leserinnen und Leser durch die Lektüre hellwach werden und sich optimal auf die kommende große geistliche Ernte vorbereiten, die zugleich mit rechten Herausforderungen verbunden sein wird.
Das war die Hauptmotivation, die mich in den vergangenen Monaten antrieb, mich nach einer Stillen Zeit immer pünktlich an die Arbeit zu setzen, die Bibel in der einen und die vielen persönlichen Unterlagen in der anderen Hand. Auf mehrfachen Wunsch hin habe ich Initiativen wie der Aktion Neues Leben, den EXPLO-Konferenzen und dem Christustag einigen Platz eingeräumt, da sie einen Teil der Schweizer Kirchengeschichte darstellen.
Im zweiten Teil des Buches habe ich zudem ausführlich über Themen geschrieben, die uns in den vergangenen Jahren sehr am Herzen lagen, wie Gebet, Versöhnung und Erweckung, bevollmächtigende Leiterschaft und die Kraft, die in der Freude am Herrn liegt. Letzteres ist uns deshalb besonders wichtig, weil unser Hochzeitsvers, angelehnt an Nehemia 8,10, «Die Freude am Herrn ist unsere Stärke» lautet; aber noch mehr, weil wir die Wahrheit dieser Aussage immer wieder neu erlebt haben.
Obwohl ich schon mehrere biografische Werke wie über Ruth und Billy Graham und über meinem Urahn Johannes Winzeler verfasst habe sowie dreißig kurze Lebensbilder, war das Schreiben dieses Buches eine ganz besondere Herausforderung. In dieser Zeit hat uns unsere Lektorin Konstanze von der Pahlen vom Fontis-Verlag immer wieder zugesprochen, dass wir diese komplexe Arbeit gut zu Ende bringen würden. Sie ist es, die mit ihrer außerordentlichen Beherrschung der deutschen Sprache dafür verantwortlich ist, dass unser Geschreibe zu einem verständlichen Deutsch mutierte. Und immer wieder hat sie uns darin ermutigt, so persönlich wie möglich zu schreiben und uns selber mit authentisch erlebten Geschichten einzubringen. Das haben wir versucht.
Wenn ich auf mein Leben zurückschaue, erfasst mich eine große Dankbarkeit. Wenn ich nicht Gott und liebe Freunde gehabt hätte, die für mich gebetet haben, wäre ich sehr wahrscheinlich einer jener Karrieretypen geworden, die schließlich zugunsten des Erfolgs ihre Ehe und Familie ruinieren und damit letztlich auch sich selbst. Oder ich wäre ein Gambler geworden, der es als «Flipper King» und im Umgang mit «einarmigen Banditen» zwar zu einem Ansehen in gewissen Kreisen gebracht hätte; aber ich hätte dabei jegliche Beziehungsfähigkeit verloren und damit nicht zuletzt auch die liebsten und nettesten Menschen vor den Kopf gestoßen.
Auch meine Hoffnung, es wenigstens im Sport zu etwas zu bringen, hätte eher früher als später Schiffbruch erlitten. Ich war zwar, was das Sportliche betraf, nicht unbegabt. Immerhin schnitt ich bei der militärischen Aushebung (Musterung) mit Abstand am besten ab. Aber ich musste mir ehrlich zugestehen, dass ich es nie weit gebracht hätte. Und obwohl ich liebend gerne einen fetzigen Boogie-Woogie zum Besten gebe, fehlt mir die nötige kreative Ader, um davon leben zu können.
Ich habe zwar an der renommierten Wirtschaftshochschule HSG in St. Gallen Betriebswirtschaft studiert, notabene mit Vertiefung in Organisation und Planung; aber noch heute muss ich mich, was das Planerische und Organisatorische betrifft, auf diesbezüglich begabtere Personen stützen. Früher waren das meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei Campus für Christus, heute ist es meine Frau.
Meine Hoffnung ist, dass die Lektionen, die Vreni und ich in den vergangenen fünfzig Jahren gelernt haben, auch für die Leserinnen und Leser dieses Buches hilfreich sind, auch wenn ihre Lebenssituation eine total andere ist. Wir haben immer wieder den unbändigen Segen Gottes erlebt, der uns Mal für Mal überrascht hat.
Dieses Buch hätte auch mit unserem Lebensmotto «Lobe Gott – segne Menschen» überschrieben werden können, das Gott mir vor vielen Jahren aufs Herz gelegt hat. Wir haben erlebt, wie Gott immer wieder wunderbar eingegriffen hat, wenn wir nach diesem Motto gelebt haben. Seit ich den Heiligen Geist 1972 auf besondere Weise erfahren habe, ist mir die Wichtigkeit des Lobens und Dankens sehr bewusst. Das Gebet wurde danach zentraler Bestandteil meines und Vrenis Lebens. Ich kann tausendfach bestätigen: Gott nimmt unsere Gebete sehr ernst, auch wenn die Erfüllung derselben manchmal dauert.
Mein europäischer Vorgesetzter hat einmal zu mir gesagt: «HP, du bist schon ein spezieller Typ mit all deinen Kanten und Ecken. Aber wenn man schaut, was dabei herausgekommen ist, musst du einiges gut gemacht haben.» Davon möchte ich in diesem Buch berichten und gleichzeitig herausstreichen, dass es Gottes Gnade ist, wenn etwas gut herausgekommen ist. Und auch Vreni hat natürlich einen wesentlichen Anteil daran gehabt. Deshalb möchte ich das Wort hier noch an sie übergeben.
Beim Schreiben des Buches habe ich (Vreni) eine große Dankbarkeit empfunden, …
dass Gott unser Leben so wunderbar geleitet hat,
dass wir in einer Zeit leben durften, in der Projekte wie die Aktion Neues Leben, die EXPLO-Konferenzen und die Christustage möglich waren,
dass Er uns vor großen Problemen und Schicksalsschlägen bewahrt hat,
dass wir an unserem Charakter arbeiten durften,
dass Er uns Mitarbeiter zur Seite gestellt hat, die uns unterstützt haben,
dass unsere Kinder den Glaubensweg mit uns teilen und auch hinter dem stehen, was wir hier über sie geschrieben haben,
für die Ergänzung mit HP, dass er unsere Liebe zueinander erhalten hat und wir uns nach fünfzig Jahren mehr denn je lieben,
für Gottes Güte und Vergebung, wenn wir wieder einmal versagt haben,
dass wir auch die kommende nicht einfache Zeit in Gottes Hand legen dürfen und fröhlich und hoffnungsvoll in die Zukunft schauen können.
Unser sehnlichster Wunsch ist, dass unsere Erfahrungen mit einem Wunder wirkenden Gott zur Glaubensstärkung und zu einer neuen Hingabe an unseren Vater im Himmel dienen. Wir verbinden damit die Hoffnung, dass Jesus Christus das Alpha und Omega in unser aller Leben wird.
Möge die Lektüre dieses Buches einen Hunger nach mehr von Gottes Wirken auslösen; denn dieses haben wir in den kommenden Tagen sehr nötig. Wie gut, dass wir wissen, dass uns der Heilige Geist täglich als göttlicher Beistand zur Seite steht und uns hilft, einen Unterschied in dieser Welt zu machen – zur Ehre Gottes und zum Wohl unserer Mitmenschen!
Ich war gerade erst 23 Jahre alt geworden, als ich eine vernichtende Diagnose erhielt. Nein, es handelte sich nicht um eine normale Krebsdiagnose. Für mich war sie aber ebenso schockierend: Man hatte mir «Charakterkrebs» attestiert.
Um meine Englischkenntnisse zu vertiefen, hatte ich mein Studium an der Wirtschaftsuniversität HSG in St. Gallen 1972 unterbrochen und war nach Folkestone in England gereist. Mitte Juni bekam ich von der dortigen School of English Studies als Zwischenzeugnis neben der positiven Erwähnung meiner Englischfortschritte ein vernichtendes Charakterzeugnis – schön umschrieben, aber im Inhalt unmissverständlich:
Mr. Nüesch bemühte sich, viele der schwächeren Mitglieder der Klasse bloßzustellen, und verschleuderte wertvolle Zeit. … Man hätte sich zuweilen gewünscht, dass seine Fähigkeit im Produzieren eines natürlichen Flusses von ausgedehnter Rede kleiner gewesen wäre.
Die Diagnose hätte nicht niederschmetternder sein können. Ich war am Boden zerstört. Dass Engländer so schonungslos sein können, hatte ich nicht erwartet. Aber so vernichtend die Beurteilung auch war: Leider traf sie zu. Ja, ich beharrte auf meinen Meinungen und zog Ansichten anderer, die nicht mit meinen übereinstimmten, ins Lächerliche. Selbst Lehrer mussten zuweilen daran glauben, wenn ich sie auf vermeintlich unlogische Schlussfolgerungen hinwies. Das hatte ich schon während meiner Primar- und Sekundarschulzeit getan. (Damals rettete mich allein die Tatsache, dass mein Vater Schulpräsident war, vor einem Rausschmiss.)
Natürlich gab es auch viele, die meine direkte Art liebten, weil ich damit einiges erreichte. Andere liebten sie aber gar nicht. Und wieder andere litten sogar darunter – offenbar auch meine Mitstudenten an der englischen Sprachschule. Und das, obwohl ich doch von Herzen Christ sein wollte.
Dieser Wunsch hatte seine Anfänge bereits in meiner Jugend. Schon während meiner Zeit als Gymnasiast hatte ich mehrere Freizeiten der Vereinigten Bibelgruppen (VBG) besucht. Dort entschied ich mich in verblüffender Regelmäßigkeit immer wieder neu für Jesus Christus. Meistens war meine Begeisterung aber schon auf dem Heimweg abgeflaut, spätestens, wenn ich die Zeitschrift «Sport» las und selber Sport trieb. Das tat ich ausgiebig in der Sportverbindung KTV (Kantonsschülerturnverein), wo ich als Fuxmajor (Ausbilder der Erstjährigen) und als Cantus-Magister wirkte und so zumindest beim Singen den Takt angab. Mein Vulgo (Verbindungsname) war «Schtei» (Stein), da Kristallesuchen neben dem Sport mein größtes Hobby war. Die Begeisterung für Kristalle pflegte ich weiter, auch nachdem ich meine Lieblingssportart, das Tennisspielen, aufgegeben hatte.
Dann wollte ich unbedingt lernen, Boogie-Woogie zu spielen. Ich besaß eine Platte von Lothar Löffler mit dem Titel «Man müsste Klavier spielen können». Offensichtlich imponierte er den jungen Frauen, die um sein Klavier herumstanden und ihn bestaunten. Also, dachte ich, könnte es auch mir nicht schaden, Boogie-Woogie zu lernen, um beim anderen Geschlecht Eindruck zu machen. Tatsächlich war das eine gute Idee, aber aus einem anderen Grund: Als ich bereits verheiratet war – und meine Klavierkünste damit eigentlich nicht mehr nötig waren –, sollte mir in meiner späteren Tätigkeit als Evangelist hier und da ein Stück Boogie-Woogie auf irgendeinem Piano oft helfen, eine Brücke in die Herzen der Menschen zu schlagen – gerade auch in sozialistischen und autoritären Ländern.
Aber zurück zur Studentenzeit: Eigentlich wollte ich aus tiefstem Herzen ein Christ sein, der diese Bezeichnung verdient. Immerhin war ich auch Präsident der Evangelischen Hochschulgemeinde und hatte mitgeholfen, an der Uni eine Gruppe der VBG zu gründen. Zwei Jahre zuvor hatte ich bei einem Sprachaufenthalt in Genf meiner Spielsucht abgeschworen. Meine Vergangenheit als «Flipper King von St. Gallen» war deshalb Geschichte. Ich machte nichts Anrüchiges mehr, sondern verdiente ein wenig Geld, indem ich einsprang als Aushilfslehrer für Pädagogen, die im Militärdienst waren. Überhaupt war ich – in meinen Augen – ein recht respektabler Christ geworden; und schließlich hatten doch alle Menschen gewisse Macken oder nicht?
Gleichzeitig litt meine damalige Freundin und heutige Frau Vreni immer wieder unter meiner zynisch-herablassenden Art; und das, obwohl ich sie liebte. Aber ich vermochte diese Liebe einfach nicht richtig auszudrücken, so stark ich mich auch darum bemühte. Deshalb hatte ich auch nie den Mut, das Thema Ehe ins Spiel zu bringen oder Vreni gar zu fragen, ob sie meine Frau werden wollte. Ich traute mir letztlich selbst nicht ganz über den Weg und hatte Zweifel, ob ich fähig war, mich zu binden. Ich fühlte mich als Mann nicht gut genug für eine so wunderbare Frau.
Und nun diese niederschmetternde Diagnose des Englischlehrers! Sie löste in mir das letzte Bisschen empfundene Respektabilität in nichts auf. Wie noch nie zuvor wurde mir bewusst, dass mein Verhalten als Christ kein gutes Zeugnis für Jesus Christus war. Um es in den Worten eines Wirtschaftsstudenten zu sagen: Meine Art, Christ zu sein, war «nicht exportierbar». Ich fragte mich, wie ich bei Gott einen besseren Eindruck machen konnte. Beispielsweise dachte ich, es würde Gott beeindrucken, wenn ich bei den wöchentlichen Tanzabenden der Sprachschule auf die Wichtigkeit des Glaubens zu sprechen kam. Dies löste bei meinen Tanzpartnerinnen jedoch nur Kopfschütteln aus.
Mir war klar, dass ich Hilfe brauchte. Also begann ich, darum zu beten, mit dem Heiligen Geist erfüllt zu werden. Ich wusste genug darüber, um mir im Klaren zu sein, dass ich mehr von ihm brauchte, um wirklich und nachhaltig verändert zu werden. Noch vor der Abreise nach England hatte ich in der Jugendgruppe, die ich damals besuchte, das Buch von R. A. Torrey, «Der Heilige Geist», zusammengefasst. Ehrlich hatte ich zum Schluss angefügt, dass ich die von Torrey beschriebene Geistestaufe persönlich nicht erfahren hatte und mir deshalb in diesem Buch einiges fremd vorkam.
Mit derselben Ehrlichkeit fragte ich nun meinen Vater im Himmel: «Warum erfüllst Du mich nicht mit dem Heiligen Geist, damit ich in der Schule nicht länger andere ungewollt fertig mache und ein respektables Aushängeschild für Dich bin? Du sagst doch in der Bibel, dass Du gerne Gebete erhörst.» Als ich so mit Gott sprach, passierte etwas Eigenartiges: Ich sah vor meinem geistigen Auge eine halbvolle Cola-Flasche und meinte Gott zu hören: «Auch wenn ich wollte: Ich kann dein Gebet nicht erhören, weil du noch voll eigener Pläne bist, die mich hindern, dich mit meinem Geist zu erfüllen.»
Mir war schnell klar, was er mit diesen eigenen Plänen meinte: Ich hatte große Bedenken, Gott die Führung in meinem Leben zu übergeben, weil ich fürchtete, dass er mich als Missionar nach Japan schicken würde. Mein japanischer Mitbewohner Masayoshi war mit seiner pedantischen Korrektheit gar nicht mein Typ. Und ich wusste, dass ich in meiner offenen Art einfach nicht geschaffen war für den Umgang mit der sehr zurückhaltenden Art der Japaner. Was, wenn nun Gott mich genau dort haben wollte? Konnte ich das Risiko eingehen, dass mir, wenn ich Gott die Führung überließ, etwas in meinen Augen «Dummes» passierte? Konnte ich darauf vertrauen, dass er nur gute Pläne mit meinem Leben hatte und ich deshalb nichts befürchten musste?
Ein paar Tage lang bewegte ich diese Fragen. Ich brach sogar den Kontakt mit Vreni ab, die sich natürlich wunderte, was los war. Als ein gemeinsamer Freund ihr nach einem Besuch bei mir in England mitteilte, es gehe mir nicht gut, weil mich große persönliche Probleme beschäftigten, machte sie sich ernste Sorgen um mich.
Wie sollte ich aus dieser verzwickten Situation herauskommen?
Konnte ich Gott vollständig meine Zukunft anvertrauen, ohne dass für mich dabei etwas Unschönes herauskam? War ich überhaupt fähig, seinen Willen zu tun? Als ich, immer noch in England, diese und ähnliche Fragen bewegte, erinnerte ich mich an zwei Begegnungen, die bei mir einen tiefen Eindruck hinterlassen hatten.
Da war zum einen der bekannte Evangelist und Pfarrer Wilhelm Busch: Vor allem in seinen späteren Jahren war er oft bei meinen Großeltern Hans und Margrith Nüesch im Berghüsli auf dem Sevelerberg zu Gast gewesen. Wilhelm Busch war ein lustiger und stimmgewaltiger Mann, der mit uns Kindern Boccia spielte oder auf eine Wanderung ging. (Er sei ein «Pietist», sagte man mir. Also konnte es um die Pietisten nicht so schlecht bestellt sein, fand ich!)
Wilhelm Busch – wir Kinder nannten ihn «Onkel Wilhelm» – war ein tiefgläubiger Mann, jedoch keine Person mit Heiligenschein. Man konnte in seiner Gegenwart herzhaft lachen und dann und wann auch Streiche spielen. Aber er selbst hatte es nicht immer lustig gehabt. Während des Zweiten Weltkriegs saß er im Gefängnis, weil er sich als aktives Mitglied der Bekennenden Kirche gegen das Nazi–Regime gestellt hatte. Er betonte jedoch, dass auf Gott auch in dunklen Stunden ganz Verlass sei, denn Gott habe nur gute Gedanken über seine Kinder.
In seinem Bestseller «Jesus unser Schicksal», das seine Sekretärin nach seinem Ableben aus Vortragsnotizen zusammengestellt hat, ist eine interessante Geschichte mit meinem Großvater Hans Nüesch beschrieben. Typisch Evangelist, benutzte Wilhelm Busch die Begebenheit, um eine für ihn wichtige geistliche Wahrheit zu erläutern:
Ich habe einen lieben Freund in der Schweiz, mit dem ich wunderbare Reisen gemacht habe. Wenn wir irgendwo zusammen zu Mittag gegessen haben, kam die Rechnung. Und dann hieß es: «Einer muss bezahlen! Wer hat's größere Portemonnaie?» Selbstverständlich durfte ich dann sagen: «Hans, bezahl du schon mal! Leg's mal aus!» Sie verstehen. Einer muss bezahlen! Für unsere Schuld vor Gott, für unsere Sünden und Übertretungen muss einer bezahlen! Entweder glauben Sie an Jesus, dass er für Sie bezahlt hat – oder Sie müssen selber einmal bezahlen!
Die andere Begegnung, an die ich in England denken musste, hatte ein paar Jahre später stattgefunden:
Ich verbrachte im schon erwähnten Berghüsli eine siebenwöchige Auszeit, um mich auf die Zwischenprüfungen an der HSG vorzubereiten. Opa hatte als Stickereifabrikant immer wieder Personen zu Gast, die überzeugte Christen waren und etwas im Leben erreicht hatten. Und nun war Alfred Hirs, der ehemalige Generaldirektor der Schweizerischen Nationalbank, zu Besuch. Er hatte noch das Fünfernötli (den Fünf-Franken-Schein) unterschrieben. (Diese Banknote war mit Abstand am längsten im Umlauf. Sie war zu Beginn des Ersten Weltkrieges eingeführt worden, weil die damalige Fünf-Franken-Münze aus Silber bestand und diesbezüglich Nachschubprobleme bestanden.) Obwohl Alfred Hirs nicht mehr im Amt war, machte dieser bekannte Wirtschaftsmann bei mir als Wirtschaftsstudent natürlich großen Eindruck.
Beim gemeinsamen Mittagessen saß ich Alfred Hirs direkt gegenüber. In seiner freundlichen, geduldigen Art beantwortete er mir mehrere Fragen zu Wirtschaft und Glauben. So nahm ich für mich mit, dass eine berufliche Karriere offensichtlich kein Problem für meinen Vater im Himmel darstellt, solange die Karriere in seinem Sinn und ein Segen für die Menschen ist.
Dann, wie aus dem Nichts, erlitt Alfred Hirs eine Herzattacke und konnte kaum mehr atmen! Bis zum heutigen Zeitpunkt berührt mich sehr, was daraufhin geschah. Nach Atem ringend, keuchte Alfred Hirs: «Macht euch keinen Kummer! Ich weiß, wohin ich gehe, wenn mein Leben auf dieser Erde jetzt enden sollte.»
Ich spürte: Dieser Mann war ein echter Christ, der nicht nur fromme Worte machte. Wenn es darauf ankam, wusste er, dass ein Höherer sich liebend um ihn sorgte. Für diese von vielen respektierte Person gab es offenbar nichts Wichtigeres, als das Leben an Gottes Hand hier auf Erden gut abzuschließen. Und er wusste, dass ein noch viel besseres Leben auf ihn wartete, für das dieses kurze Dasein auf der Erde nur ein Übungsfeld war. Stand nicht über dem Eingang des Berghüsli der Großeltern in großer Schrift: «Obdach biete kurze Zeit Pilgern nach der Ewigkeit»?
Die Begegnung mit Alfred Hirs machte mir bewusst, dass wir letztlich Pilger hin zur Ewigkeit sind und unsere begrenzte Zeit hier auf der Erde verwenden sollten, uns darauf vorzubereiten, indem wir Gottes Willen tun. Außerdem lehrten mich Wilhelm Busch und Alfred Hirs, dem Vater-Gott, der nur gute Pläne für mich hat, ganz zu vertrauen. Sie selbst waren fest überzeugt von Gottes wunderbaren Absichten für ihr Leben. So fand ich, dass es auch für mich an der Zeit sei, meinem Vater im Himmel mein volles Vertrauen zu schenken und meine eigenen Pläne zugunsten seiner Pläne ad acta zu legen.
Es war mitten an einem freien Schulnachmittag und ich war nicht in einer besonders frommen Stimmung. Aber ich hatte schlicht genug vom dauernden Hin-und-her-Raten, ob das mit diesem Gott und seinem guten Plan für unser Leben stimmte. Ich wollte die Probe aufs Exempel machen. Also kniete ich vor dem Bett nieder und betete sinngemäß: «Lieber Gott, ich will Dir vertrauen, dass Du gute Pläne mit meinem Leben hast. Ich bin bereit, das zu tun, was Du mir aufträgst zu tun. Ich bin bereit, das zu sagen, was Du mir aufträgst zu sagen, und zu schweigen, wenn ich schweigen soll. Ich bin bereit, dorthin zu gehen, wo Du mich hinschickst, und wenn es als Missionar nach Japan ist.» Sicherheitshalber fügte ich noch hinzu, dass ich das mit Japan allerdings immer noch für keine gute Idee hielt.
Dann setzte ich mein Gebet sinngemäß so fort: «Damit ich fähig bin, das zu tun und zu sagen, was Du mir aufträgst, brauche ich dringend die Fülle Deines Heiligen Geistes. Du weißt, dass mein Rohmaterial für sich gesehen nicht taugt, um Deinen Willen zu tun. Ich nehme nun im Vertrauen auf Deine Versprechen in der Bibel an, dass Du mein Gebet erhörst und mich mit Kraft und Liebe erfüllst, sodass ich ein gutes Zeugnis für Dich sein kann.»
Nach dem Gebet spürte ich nichts, absolut nichts. Aber ich war dankbar, meinen Teil zur Erhörung des Gebets getan zu haben. Hatten reifere Christen nicht immer wieder dazu geraten, sich nicht von Gefühlen leiten zu lassen, sondern von Gottes Wort? Ich wusste, dass Gefühle oft erst dann folgen, wenn wir im Gehorsam zu Gott und seinem Wort gehandelt haben.
Dann kam mir noch etwas Komisches in den Sinn: Ich konnte an kaum einem Pub vorbeigehen, ohne einen köstlichen Bananen- oder Ananas-Milchshake zu trinken! Nein, bittere Biere waren nicht meins. Ich hatte höchstens hin und wieder eins der berühmten englischen Shandys zu mir genommen. (Ein Shandy besteht aus Bier, das – ähnlich dem österreichischen «Radler» oder dem Schweizer «Panaché» – mit viel Zitronen- oder Orangenlimonade trinkbar gemacht wird.)
Für mich war es wichtig, auch in kleinen Dingen gehorsam zu sein, denn es sind gemäß der Bibel die kleinen Füchse, die den Weinberg verderben (vgl. Hohelied 2,15). Und so teilte ich Gott meine Bereitschaft mit, fürs Erste auf meine geliebten Milchshakes zu verzichten.
Im Bewusstsein, das getan zu haben, was ich von meiner Seite aus tun konnte, um mit dem Heiligen Geist erfüllt zu werden, ging ich am Abend zu Bett. So schlief ich friedlich ein – bis um Mitternacht etwas geschah, das mein ganzes zukünftiges Leben prägen, wenn nicht auf den Kopf stellen sollte.
So schlummerte ich tief und fest, als mich plötzlich eine Welle von Energie wie ein elektrischer Strom durchflutete und aus dem Schlaf riss. Mein erster Eindruck: Etwas Dunkles war aus mir herausgeschwemmt worden. Ich fühlte mich reingewaschen, geistlich sauber. Aber nicht nur das! Ich empfand, wie Wellen von Liebe durch mich hindurchgingen. Es war, wie wenn ich unter einer Liebesdusche stehen würde. Plötzlich erfüllte mich eine noch nie erlebte Liebe zu Gott und meinen Mitmenschen, auch zu denen, die eigentlich so gar nicht meine Wellenlänge waren.
Rückblickend glaube ich, ich hätte auch in neuen Sprachen (die Bibel nennt diese Glossolalie) beten können, aber ich wollte diesbezüglich zuerst noch einige theologische Probleme geklärt haben, was ich Gott auch sagte. Und der Heilige Geist ist ja bekanntlich ein Gentleman, der uns nie zu etwas drängt, für das wir noch nicht bereit sind.
Ich empfand eine unbändige Freude – eine Freude von einer Qualität, wie ich sie bisher nicht gekannt hatte. Mein Herz war voller Lob. Ich sprudelte über vor Dankbarkeit. Ich wusste: Gott hatte mein sehnliches Gebet nach mehr von ihm erhört und mich mit seiner Gegenwart erfüllt! Ich wusste, Vergangenes war vergangen. Mein Leben würde von jetzt an nicht mehr dasselbe sein.
Und tatsächlich bemerkte ich schon bald nach diesem eindrücklichen Erlebnis einige Veränderungen. Zum einen hatten sich meine Träume gewandelt. Diese standen nun im Einklang mit meinem tatsächlichen Leben. Für längere Zeit hatte ich kaum Verarbeitungsträume. Zum anderen konnte ich plötzlich auch Menschen lieben, die ich zuvor nicht gemocht hatte, einfach weil sie mir nicht entsprachen.
Da war zum Beispiel Peter, ein Bekannter, der mit seiner pedantischen Art so gar nicht mein Typ war. (In einem späteren Kapitel werde ich noch mehr von ihm erzählen.) Auf einmal konnte ich ihn ins Herz schließen, wie es mir zuvor nicht möglich gewesen war. Und nicht nur das. Als wir uns Monate später trafen, sprach er mich auf ein konkretes Datum an. Seit diesem Tag habe er mich plötzlich gemocht und seinen Argwohn mir gegenüber ablegen können, doch er wisse nicht, warum. Das genannte Datum stimmte auf den Tag mit meiner Gotteserfahrung überein! Dabei war er damals nicht einmal ein überzeugter Christ gewesen.
Doch nicht nur andere Menschen konnte ich nun mehr lieben. Durch die Erfüllung mit dem Heiligen Geist hatte ich auch ein Ja zu mir selbst gefunden. Schließlich hatte ich nun Gott an meiner Seite. Er würde mir beistehen. Er würde mich mit der nötigen Liebe für andere Menschen versorgen. Nicht zuletzt würde er mich heiratsfähig und auch «heiratbar» machen, also zu einem Mann, den eine Frau heiraten kann, ohne unglücklich zu werden – mehr noch, mit dem sie glücklicher werden kann als zuvor. Auch wäre ich nun eher fähig, ein guter Vater für meine künftigen Kinder zu sein, nachdem ich den Vater im Himmel tiefer kennengelernt hatte.
Und so machte ich endlich Nägel mit Köpfen: Gleich am nächsten Morgen schrieb ich Vreni einen Brief, in dem ich ihr einen Heiratsantrag machte. Zuvor hatten wir das Thema Heirat peinlichst vermieden, obwohl wir eigentlich spürten, dass wir füreinander geschaffen waren. Nun also fasste ich Mut, den entscheidenden Schritt zu gehen. Zu meiner großen Zufriedenheit beantwortete Vreni meine Frage mit einem klaren Ja. Und unsere Ehe hält dank Gott als Drittem im Bunde bis heute! Das ist nun über 50 Jahre her und wir lieben uns mehr denn je.
Neben diesen vornehmlich inneren Veränderungen, die ich erlebte, ereignete sich in den folgenden Tagen und Wochen auch in meinem Umfeld Erwähnenswertes. Schon am ersten Tag nach meiner Geisteserfahrung kam Ursula, eine von Depressionen geplagte Schweizer Studentin, auf mich zu. Bereits zuvor hatte ich versucht, ihr vom Glauben her zu helfen, doch ohne Erfolg. An diesem Tag teilte sie mir mit, dass sie mir gegenüber kein Misstrauen mehr empfinde und das, was ich sagte, nun annehmen könne. Sie machte einen Anfang im Glauben.
Gleich am nächsten Tag, noch auf dem Weg zur Sprachschule, wünschte sich eine griechische Mitbewohnerin, der ich von meiner Gottesbegegnung berichtete, dieselbe Erfahrung zu machen. Sie wollte keinen Moment länger warten, und so beteten wir an Ort und Stelle mitten auf dem Gehsteig dafür.
Doch dabei blieb es nicht. Nur wenige Tage später teilte eine Lehrerin uns Studenten mit, dass sie in der vergangenen Nacht nicht habe schlafen können: Sie habe Angst um ihre Seele gehabt! Auch ihr hatte ich zuvor ohne Erfolg von Jesus erzählt (sie war eine jener Tanzpartnerinnen). Sie fragte uns, ob wir schon etwas Ähnliches erlebt hätten. Diese Vorlage ließ ich mir nicht entgehen und antwortete: «You have to surrender your life to Jesus Christ.» Ganz die Lehrerin, die sie war, korrigierte sie mein Englisch: «You have to commit your life to Jesus Christ.» Ich doppelte nach, dass sie ihr Leben, wenn nicht Jesus Christus unterordnen (surrender), dann zumindest ihm anvertrauen (commit) sollte. Das machte bei ihr offensichtlich Eindruck, denn sie gab mir am Ende des Semesters ein gutes Zeugnis.
Und noch etwas ist an dieser Geschichte interessant und wurde mir zu einer grundlegenden Lehre: Ich hatte an diesem Morgen verschlafen und deshalb keine Zeit mehr zum Gebet gehabt. Auf dem Weg zur Schule betete ich daher sinngemäß: «Es tut mir leid, Herr, dass ich nicht gebetet habe. Vergessen wir diesen Tag. Morgen bin ich dann wieder bereit, dass Du mich gebrauchen kannst.» Gott zeigte mir durch diese Erfahrung, dass er nicht auf mein Gebet angewiesen ist, um wirken zu können.
Später sollte ich erfahren, dass er dann oft am meisten wirkte, wenn ich mich angegriffen fühlte; wenn ich körperlich und seelisch angeschlagen war; wenn ich mit meinem Bemühen am Ende war; wenn ich mich nicht besonders geistlich fühlte. Hatte nicht bereits der Apostel Paulus gesagt, dass Gottes Stärke in unserer Schwachheit sichtbar wird?
Wenn wir schwach sind, dann ist Gott stark. Deswegen bejahe ich meine Ohnmacht, alle Misshandlungen und Nöte, Verfolgungen und Ängste, die ich für Christus ertrage; denn wenn ich schwach bin, dann bin ich stark.
2. Korinther 12,9
Ja, mein Leben war nicht mehr dasselbe, seit ich vom Heiligen Geist erfüllt worden war. Doch es ist auch nicht einfach alles anders, wenn man Gott erlebt hat. Die persönlichen Schwächen, Charaktermerkmale oder auch Vorlieben bleiben. So freute ich mich beispielsweise auch nach der Geistestaufe weiterhin an einem guten Essen. Daran hatte sich nichts geändert.
Einmal studierte ich in der verwinkelten Innenstadt des am Ärmelkanal gelegenen Folkestone gerade die Speisekarte eines asiatischen Restaurants, als unerwartet Matrosen durch die enge Gasse gerannt kamen. Sie stießen mich an und schwupps war mein Geldbeutel weg! Zwei Japaner, eine Frau und ein Mann, hatten mein Unglück mitbekommen. Kurzerhand luden sie mich in die nahe gelegene Cafeteria zu einem Kaffee ein und versuchten mich zu trösten. Das war aber gar nicht nötig! Statt ihnen mein Leid zu klagen, erzählte ich ihnen freudig, dass mich die 100 englischen Pfund in meinem Geldbeutel nicht schmerzten (dazumal gab es noch keine Kreditkarten) – ich hätte etwas viel Wertvolleres gefunden: Ich sei dem lebendigen Gott begegnet!
Die beiden Japaner waren buddhistisch erzogen worden und wollten mehr von diesem christlichen Gott wissen, der offensichtlich Wichtigeres zu geben hatte als Money. Und so entschieden wir, uns jeden Mittwochnachmittag in der Cafeteria zu treffen, damit ich ihnen anhand der Bibel und persönlicher Erfahrungen mehr von meinem Glauben an Jesus Christus erzählen konnte. Das war der Anfang eines stetig wachsenden Bibelkreises um einen runden Tisch herum, mitten in der Cafeteria. War das nicht Humor Gottes, dass es ausgerechnet Japaner waren, mit denen dieser Kreis begann, der noch Erstaunliches auslösen sollte?
Mit der Zeit sprach es sich herum, dass es in der Cafeteria nicht nur guten Kaffee und Kuchen gab, sondern auch geistliches Brot. Immer mehr Personen, die meisten aus der Sprachschule, schlossen sich uns an. Mehrere waren nicht einmal dem Namen nach Christen, sondern hingen dem Islam oder Buddhismus an. Wenn ich mich richtig erinnere, waren auch keine regelmäßigen Kirchgänger dabei und zum Glück auch keine theologischen Besserwisser. Ein bunter und fröhlicher Haufen war das damals …
So sehr ich es auch genoss, in unserem Bibelkreis gerade mit solchen Menschen Zeit zu verbringen, die Jesus noch nicht kannten, war mir doch damals schon bewusst, dass ich nur weitergeben konnte, was ich zuvor selbst erhalten hatte. Deshalb nahm ich mir vor, Zeit mit anderen Christen zu verbringen und gute Literatur zu lesen.
So entschied ich, die örtliche Heilsarmee zu besuchen, um mich glaubensmäßig weiterzubilden und christliche Gemeinschaft zu erleben – was sich als spaßiger herausstellte, als ich zunächst dachte. Wann immer der dortige Offizier (also der Pastor der Heilsarmee) auf seiner Concertina rassige Lieder spielte, ging richtig die Post ab. (Die Concertina ist eine Miniversion des «Schwyzerörgeli», welches einem Akkordeon ähnlich ist.)
Um ehrlich zu sein: Was der Inhalt der Predigten war, weiß ich nicht mehr. Aber die Veranstaltungen in der Heilsarmee bestätigten mir, dass Christsein eine fröhliche Sache ist. Bisher hatte ich die Heilsarmee eher als altmodisch empfunden. Mein Stil war ja mehr der jazzige Boogie-Woogie, den ich spielte, wo immer ich ein Klavier sah: in Pubs, Hotels, im Freien, auch auf Hochzeiten und anderen Festen. Nein, eine solch fröhliche Beschwingtheit hatte ich von der für mich bisher eher biederen Heilsarmee nicht erwartet.
Gemeinschaft mit anderen Christen hatte ich also, es fehlte nur noch an guter Literatur. Auch hier erhielt ich von unerwarteter Seite neue Inspiration für mein Glaubensleben. Ich kaufte mir das Buch «A New Song» vom bekannten Sänger Pat Boone. Ja, richtig gehört: Sänger, nicht Pastor. Pat Boone war mir schon seit meiner Teenagerzeit wegen «Speedy Gonzales» ein Begriff, einem meiner Lieblingssongs. Der Sänger beeindruckte mich, weil er zu den Christen gehört, die trotz ihres großen weltlichen Erfolgs mutig ihren Glauben bekennen. So spielte er die Hauptrolle im Film «Das Kreuz und die Messerhelden», der nach dem gleichnamigen Weltbestseller von David Wilkerson gedreht wurde.
Als ich nun Pat Boones Buch las, erfuhr ich, dass er ursprünglich sehr zurückhaltend gewesen war, wenn es um spezielle Glaubenserfahrungen ging. Doch die positiven Veränderungen seiner Frau Shirley und ihrer vier Töchter hatten ihn zum Umdenken bewegt:
Ich sah meine eigene Frau, die verwandelt worden war von einer frustrierten und verwirrten Frau in eine wunderschöne christliche Persönlichkeit, die Friede und Freude und Verbundenheit mit Jesus ausstrahlte, eine neue Liebe zu mir und unseren vier Töchtern hatte und die eine Leidenschaft für die Bibel mit einem tiefen Anliegen für die Probleme der Welt verband … Ich wollte diese Freude. Ich brauchte diese Kraft. Ich sehnte mich nach der Taufe des Heiligen Geistes. Tatsächlich hoffte ich nicht nur, dass es möglich war. Jetzt glaubte ich es.
(aus: Pat Boone, A New Song, Creation House 1971)
Alle fünf Frauen in Boones Haus hatten jede auf ihre Weise eine tiefe Erfahrung mit dem Heiligen Geist gemacht. Schließlich durfte er diesen dann auch selbst erleben. Speziell war bei ihm, dass er daraufhin vom Heiligen Geist inspirierte Lieder schrieb.
Als ich das Buch wieder aus der Hand legte, war mir klar: Ich wollte auch zu denen gehören, bei denen die Begeisterung für ihren Vater im Himmel aus allen Knopflöchern leuchtet, wie es Pfarrer Wilhelm Busch zu sagen pflegte – und wie es ganz offensichtlich in der Familie Boone der Fall war.
Diese Begeisterung konnten aber nicht alle teilen. In der Sprachschule war beispielsweise ein sizilianischer Playboy, der mehr Eindruck mit seinem schnittigen Sportwagen machte als mit seinen Sprachkenntnissen. Wieder einmal fuhr er vor der Cafeteria mit seinem Sport-Cabriolet vor und machte sich über unseren Bibelkreis lustig. Wir wüssten das Leben nicht zu genießen und hätten offensichtlich nichts Besseres zu tun, als in einem altmodischen Buch zu lesen, feixte er.
Ich forderte alle Teilnehmer des Bibelkreises dazu auf, für ihn zu beten, was einige in der Zwischenzeit bereits gelernt hatten. Wir baten Gott, dass er ihm zeigen möge, dass die Bibel heute aktueller ist denn je. Als wir uns eine Woche später wieder in der Cafeteria trafen, kam ein Mann im Eilschritt auf uns zu. Es war der Playboy. «Mich interessiert nicht, was ihr gerade lest. Ich möchte nur in Ordnung kommen mit Gott!», rief er.
Unser Gebet war erhört worden! Der Heilige Geist hatte dem Mann aus Sizilien seinen geistlichen Zustand aufgezeigt und ihm bewusst gemacht, dass er in seinem Stolz und seiner Ichbezogenheit Gott bisher auf der Seite gelassen hatte. So bat er um Vergebung für seine Sünden und um Frieden mit Gott und den Menschen. Ich weiß leider nicht mehr, wie es mit ihm weitergegangen ist, aber er machte uns auf jeden Fall keine Probleme mehr. Uns allen blieb: Gott erhört Gebet! Und er ist stärker als der Widersacher, der Menschen abzuhalten versucht, das Heil in Jesus Christus zu erkennen und anzunehmen.
Dass es ganz real verschiedene Mächte gibt, die miteinander im Widerstreit sind, erlebte ich einmal ganz einprägsam. Ich lud die zwei Japaner meines Bibelkreises und einen Studenten aus Panama, der mit dem Glauben auf Kriegsfuß war, zu einem gemeinsamen Essen in einem chinesischen Restaurant ein. Plötzlich spürten wir alle die Gegenwart Gottes in einem starken Maß. Es war, als sei der Heilige Geist selbst ins Restaurant getreten. Die Japaner spürten das auch und riefen begeistert: «Jetzt spüren wir den Gott, von dem du immer sprichst!»
In dem Moment, als sie das aussprachen, rannte der Mann aus Panama, ohne sich zu verabschieden, wie von einer Tarantel gestochen aus dem Lokal. Wir wunderten uns, was ihn zu seinem fluchtartigen Aufbruch bewogen hatte. Am nächsten Tag kam er auf mich zu, entschuldigte sich für sein Verhalten und bat mich, es nicht persönlich zu nehmen. Er habe sich einfach nicht mehr wohlgefühlt.
Einen solchen Powerclash von gegeneinander streitenden Mächten erlebte ich noch ein paarmal. Ich erinnere mich zum Beispiel an eine finnische Studentin, die sich mit schamanistischen Praktiken beschäftigte. Sie sagte mir, während sie am ganzen Körper zitterte, offen ins Gesicht: «Der in dir ist stärker als der in mir!» Ungewollt sprach sie eine biblische Wahrheit aus: «Er, der in euch wirkt, ist mächtiger als der, der diese Welt regiert» (1. Johannes 4,4). Ich widerstand ihr, indem ich in Gedanken die mächtige Gegenwart Gottes bewusst in Anspruch nahm, und sie machte sich schleunigst davon. Die Bibel fordert uns unmissverständlich auf:
Leistet dem Teufel Widerstand, und er wird vor euch fliehen. Nähert euch Gott, und er wird sich euch nähern.
Jakobus 4,7 f.
Wie stand es nun um mein generelles Betragen an der Schule? Sowohl meine Mitstudenten als auch die Lehrer spürten meine positive Veränderung. Ich beteiligte mich aktiv an Schulaufführungen und gestaltete eine Art Musical mit. Erstaunlicherweise verstand ich mich plötzlich auch mit den schwächeren Mitschülern. Ja, ich versuchte sie sogar zu ermutigen und stand ihnen bei Problemen bei. Ich konnte gar nicht anders, denn Gott hatte durch den Heiligen Geist seine Liebe in mein Herz gegossen (vgl. Römer 5,5). Ich war selber erstaunt über meine Veränderung.
Am Beispiel der vom Heiligen Geist überführten Personen in der Sprachschule wurde mir bewusst, dass ein persönlicher Neuanfang jedoch nur möglich ist, wenn zuvor echte Umkehr und Vergebung der Schuld geschehen sind. Meine persönliche Umkehr schlug sich dann auch in meinem Abschlusszeugnis nieder, welches ich am Ende meiner Zeit in England erhielt. Es wurde von derselben Person unterschrieben wie das desaströse Zeugnis drei Monate zuvor:
Hanspeter hat einen positiven Beitrag im Leben der Schule geleistet. Er hat sich an vielen sozialen Aktivitäten der Schule beteiligt. Er hat für das Schulmagazin Beiträge verfasst und sich mit Begeisterung in Klassendiskussionen und Debatten eingebracht … Er war ein großer Gewinn sowohl für die Klasse als auch für die ganze Schule.
Ich wusste, dieses Lob gehörte allein Gott. Dass manche Studenten meine Veränderung mitbekommen hatten und offen für den Glauben wurden, war allein sein Verdienst.
Doch meine Frage war: Würde diese Veränderung auch dann anhalten, wenn ich in die Schweiz zurückkehrte? Denn dort würde ich als Nächstes ein Praktikum bei der IBM machen und anschließend mein Studium fortsetzen. Und wie würde Vreni mich erleben? Konnte ich ihr nun meine Liebe zeigen? War mein Sarkasmus wirklich verschwunden oder einfach nur für eine gewisse Zeit in den Hintergrund gerückt?
Ich denke, es ist am besten, wenn Vreni diese Fragen beantwortet.
Ich kann wirklich bezeugen, dass HPs ironisch-sarkastische Art, die mich zeitweise verletzt hatte, verschwunden war. Um diese gewaltige Veränderung in HPs Wesen zu verstehen, ist es hilfreich, den folgenden Brief aus der Zeit vor seiner Geisteserfahrung zu lesen. HP (wie ich meinen Mann bis heute nenne) hatte ihn mir nach einem kurzen Besuch in der Schweiz am 15. September 1972 aus England geschrieben. HPs Zeilen zeigen seinen inneren Kampf gut auf:
Ich bin niedergeschlagen. Ich begreife mein Handeln gegenüber Dir nicht. Ich konnte kaum warten, bis ich Dich wiedersehen durfte. Ich wollte Dir einen «himmlischen» Tag machen, «Dich auf Händen tragen». Aber bevor ich Dich sah, wusste ich schon, dass es schiefgehen würde. Komisch. Ohne Grund benehme ich mich uncharmanter und liebloser als gegen jedermann anderen.
Dabei habe ich Dich im Grunde wahnsinnig gern. Ich leide mindestens so stark an der Situation wie Du. Eigentlich bräuchte ich im Moment ein Lob von Dir, eine Geste der Bewunderung. Aber wie soll ich das bekommen, wenn ich mich so lieblos verhalte? Viele halten etwas von mir und lieben mich nicht, Du liebst mich, aber hältst nicht viel von mir.
Vreni, ich bitte Dich und Gott einmal mehr um Verzeihung. Vergib mir und höre nicht auf, für mich täglich zu beten. Ich will es auch so halten und auch für Dich beten. Nur Gott allein kann die Veränderung in mir und unserer Beziehung bewirken.
Dein HP
Einige Wochen später kam für mich total überraschend HPs Brief mit dem Heiratsantrag. In der ganzen Zeit, seit wir uns kannten, hatten wir nicht einmal andeutungsweise über unsere Zukunft oder eine mögliche Hochzeit gesprochen. So war ich verständlicherweise erstaunt, einen schriftlichen Antrag von HP zu bekommen. Wow – wirklich? Die Verwunderung wich schnell einer tiefen Freude und sogleich musste ich das meiner Freundin erzählen, mit der ich das Zimmer teilte. Dass ich dann HP ein freudiges Ja von mir schickte, war logisch.
HP erlebte eine intensive Veränderung seines Wesens als Folge seiner Entscheidung, Gott die Führung seines Lebens bedingungslos zu übergeben. Damit wurde auch mein Gebet um eine tiefe Veränderung von HP auf wunderbare Weise erhört.
Als er dann nach Ende der Sprachschule endgültig in die Schweiz zurückkehrte, kam er wirklich verwandelt zurück. Ich erlebte einen neuen Mann. HP verletzte mich nicht länger mit seiner Lieblosigkeit, sondern konnte mir nun seine Liebe zeigen. Sein Sarkasmus war verschwunden. Und das sollte auch in der Zukunft so bleiben. Seit seiner Erfüllung mit dem Heiligen Geist war es sein tiefer Wunsch, dass alle Menschen eine ähnliche Erfahrung machten wie er.
HP hatte neue Ziele in seinem Leben. Warum nicht Christ und Geschäftsmann? Ein Leben als Missionar oder hauptamtlicher Christ war für ihn zwar nicht ausgeschlossen, aber auch nicht primär auf seinem Horizont. Alles sprach dafür, dass er einmal den Stickereibetrieb seines Vaters übernehmen oder sonst wo als Geschäftsmann wirken würde. Sein Wunsch war es, Menschen mit seinen Gaben zu dienen und Gottes Reich zu fördern.
Unsere Beziehung änderte sich in der Folge in vielem zum Guten, was von unserer Umgebung schnell bemerkt wurde. Aber HP blieb der Leiter, der er nun einmal ist: Er war es, der Ziele setzte, und ich folgte ihm. Dabei kam es vor allem in den ersten Jahren unserer Beziehung immer wieder vor, dass er zu wenig auf meine Wünsche und Bedürfnisse achtete. Er war mir und auch anderen gegenüber zwar liebevoller und barmherziger geworden, aber es war meistens er, der bestimmte, wohin der Weg gehen sollte. Mir half es, dass ich ein Leben lang gelernt hatte, mich genügsam an die gegebenen Umstände anzupassen und mich – wo nötig – schmal zu machen.
Um das zu verstehen, hilft ein Blick zurück in meine Kindheit.
Ich stamme aus einer Arbeiterfamilie. Vati arbeitete in einer Schreinerei. Er starb, als ich elf Jahre alt war. Meine Mutter musste mich und meine beiden vier und sechs Jahre älteren Brüder allein durchbringen. Zugleich musste sie auch für ihre Mutter sorgen, die bei uns wohnte. Dabei war ihr der starke Glaube, der in den Ehejahren mit meinem tiefgläubigen Vater auch sie geprägt hatte, eine große Stütze. Später halfen ihr die Gotteserfahrungen, die sie in ihrer herausfordernden Arbeit als Sozialarbeiterin für suchtkranke Menschen erlebte. Mit großer Hingabe half sie diesen von Süchten und anderen Nöten geplagten Frauen, Männern und Familien. Zuweilen betreute sie über zwanzig Personen gleichzeitig. Die Lebensphasen, in denen sie sich allein gefühlt hatte, ermöglichten es ihr, andere Menschen in ihrer Einsamkeit zu verstehen. In diesen einsamen Momenten habe sich Gott immer wieder für sie entschieden, meinte sie später in einem Lebenszeugnis vor Senioren unserer Kirche.
Als mein Vater noch lebte, wohnten wir in der Sigristenwohnung der Methodistenkapelle in Herisau. Vati diente neben seiner Tätigkeit als Schreiner als Sigrist (Küster) der Kirche. So etwas wie eine Dusche oder gar ein Badzimmer hatten wir nicht. Ferien verbrachten wir in einer sehr einfachen Alphütte auf der Schwägalp, wenn sie der Senn (Alphirt) nicht gerade brauchte. Ich kannte nur dieses einfache Leben. Mühelos passte ich mich der jeweiligen Situation an und empfand, dass ich alles hatte, was ich zum Leben und Glücklichsein brauchte.
HP hingegen stammte aus einer angesehenen und erfolgreichen Unternehmer- und Politikerfamilie. Als Hahn im Korb wurde er von seinen drei Schwestern und den jeweiligen Haushaltshilfen geradezu verwöhnt. Als er mit seinem Studium an der HSG in St. Gallen startete, war es selbstverständlich, dass er sich als Spross der Familie Nüesch ein Auto leistete, einen roten Fiat 850 Special. Das war für mich jedoch gar nicht selbstverständlich, vor allem, nachdem er ein Zimmer bezog, das ganz nahe bei der Hochschule war. Ich konnte ihn schließlich überzeugen, das in meinen Augen nicht mehr nötige Auto abzugeben.
Auch sonst musste er sich an meinen einfacheren Lebensstil etwas anpassen, was er erstaunlich gut schaffte. In den ersten gemeinsamen Ferien übernachteten wir zuerst auf einem harten Garagenvorplatz in Biel, dann auf einem Holzboden in einem Stadel im Oberwallis und schließlich auf Heu in einem Stall in der Bündnerischen Surselva. Wenigstens die Qualität der Unterlage nahm von Mal zu Mal zu. In Erinnerung ist mir geblieben, wie wir einmal im Freien bei Mondschein unseren Schlafplatz in einem Kastanienhain bei Soglio aufschlugen und uns mitten in der Nacht ein Reh überraschte.
Was uns von Anfang an verband, war die Tatsache, dass wir beide Abenteuer liebten. So gingen wir, nachdem wir uns für eine Freundschaft entschieden hatten, immer wieder Kristalle suchen. Es war die Lust, etwas Schönes zu entdecken, die uns beide anzog. Dies konnte auch einmal eine seltene Orchidee oder ein Schneehuhn sein.
Auswärts essen war nur selten drin. Und wenn, dann sollte es günstig sein. So gab es nur einen Nachtisch für uns beide: Wir bestellten eine Tasse Kaffee und eine Kugel Vanilleeis, taten beides zusammen und fertig war unser Dessert.