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. . . und plötzlich hab` ich Leukämie. Mit dieser, meiner Geschichte habe ich die Krankheit zu verarbeiten versucht. Vielleicht kann ich damit anderen Mut machen.
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Veröffentlichungsjahr: 2020
Mit dieser Geschichte möchte ich allen mit Leukämie erkrankten Mut machen sich nicht ohne Gegenwehr ihrem Schicksal zu ergeben.
Verzweiflung und Aufgabe sind nicht die richtigen Begleiter auf diesem schweren Weg. Mit eisernem Willen und einer gehörigen Portion Wut im Bauch kann man diesem Problem leichter entgegentreten.
Um allen zu zeigen, wie ich mich gegen die Leukämie wehre, habe ich hier meine Geschichte aufgeschrieben.
Wir haben das Jahr 2005.
Das Telefon klingelt. Guten Morgen, hier ist ihre Hausarzt-Praxis. Gut, dass Sie wieder aus dem Urlaub zurück sind. Wir hoffen, Sie haben sich wie immer gut erholt.
Erschrecken Sie nicht über diesen Anruf. Es ist nichts passiert, machen sie sich keine Sorgen. Kommen sie bitte morgen in die Praxis, wir haben für sie schon einen Termin beim Hämatologen im Elisabeth-Krankenhaus gemacht. Alles weitere besprechen wir morgen hier. Tschüss bis morgen.
Wir waren gerade einige Tage aus einem USA-Urlaub zurück in Deutschland, haben kaum richtig geschlafen und hatten mit dem Jetlag zu kämpfen.
Dieser Anruf machte mich und meine Frau hellwach. Unsere Erholung war wie weggeblasen. Wir konnten keinen normalen Gedanken mehr fassen.
Was war denn nur passiert? Ich sollte mir keine Sorgen machen! Aber gerade die mache ich mir im Augenblick! Was ist so wichtig, dass ich schon morgen im Elisabeth-Krankenhaus sein soll? Ich habe keine Schmerzen und fühle mich sauwohl. Tausend Gedanken rasten durch meinen Kopf. Ordnen konnte ich keinen.
Kurz vor Antritt des Urlaubs habe ich noch meinen vierteljährlichen Checkup gemacht mit großem Blutbild usw. Das war Routine da ich Diabetiker Typ 2 bin. Bei allen vorangegangenen Untersuchungen war meiner Ärztin nie etwas Besonderes aufgefallen, warum jetzt, so plötzlich?
Vollkommen unverständlich für mich. In der letzten Zeit habe ich nichts Falsches gemacht. Dieser Anruf brachte meinen Tagesablauf restlos durcheinander. Gerade wieder in Deutschland hatte ich mir für diesen Tag einiges vorgenommen und dann das.
Die Warterei bis zum nächsten Morgen machte mich fast verrückt. Normalerweise bin ich die Ruhe selbst und habe keine Probleme mit Stress, doch dieser Anruf gab mir den Rest.
Meine Frau war genauso von der Rolle. Sie schaute mich fragend an. Ich zuckte mit den Schultern, wusste doch auch nicht was ich antworten sollte.
Die Nacht war wie ein nicht-aufhörenwollender-Alptraum.
Noch nie waren wir so früh wach und konnten beide nicht verstehen, was meine Ärztin von mir wollte. Meine Frau hatte auch nicht schlafen können und immer und immer wieder den gleichen Traum. Sie versuchte mir ihren Traum zu erzählen, es klappte aber nicht.
“Glaube mir, es ist ein total zusammenhangloses Zeug“, sagte sie. Meine Frau wusste nicht mehr genau, was sie geträumt hatte. Das konnte ich verstehen nach der Aufregung vom Vortag.
Wir versuchten noch in aller Ruhe zu frühstücken, aber der gestrige Anruf der Praxis machte uns beide verrückt. Unsere Gedanken schlugen Purzelbäume. Dann endlich machten wir uns auf den Weg, allerdings mit sehr schlechten Gefühlen.
Als wir die Praxis erreichten, wurde mir ganz flau im Magen. Im Fahrstuhl nahm mich meine Frau an die Hand und führte mich, kreidebleich im Gesicht, behutsam in die Praxisräume.
„Guten Morgen“, hörte ich eine mir bekannte Stimme. Dieser Gruß und die Stimme holten mich aus meinen Gedanken zurück in die Wirklichkeit.
In unseren Gesichtern sah die Sprechstundenhilfe Panik, Ratlosigkeit, Angst und Verzweiflung gleichzeitig. Ich sah ihr an, dass sie das von mir nicht gewohnt war und sie es mit der Angst zu tun bekam.
Sie versuchte sofort uns mit folgenden Worten zu beruhigen: „Sehen sie das nicht so tragisch, aber es ist bei der letzten Blutuntersuchung ein Ergebnis aus der normalen Bahn geraten das uns Sorgen macht. Bei diesem Ergebnis ist es besser, wenn ein Hämatologe draufschaut. Daraufhin haben wir mit der Onkologie des Krankenhauses einen Termin gemacht, den sie heute noch wahrnehmen sollten.
Sie kennen doch das Elisabeth-Krankenhaus. Dort melden sie sich in der Hämatologie. Da ist ein tüchtiger Professor, der die entsprechende Untersuchung vornehmen wird. Ihr Termin ist um 11 Uhr. Wir drücken ihnen die Daumen.“
Damit waren wir erst einmal entlassen. Bis zum angegebenen Termin war noch reichlich Zeit, deshalb überlegten wir vorher noch einen Cappuccino zu trinken, und hofften uns damit ein wenig zu beruhigen.
In den letzten Wochen vor unserem Urlaub sind wir fast jeden Morgen in „unser“ Café gegangen, um mit einem Cappuccino den Tag zu beginnen. Wir trafen oft Bekannte mit denen wir plauderten, schauten uns die vorbeigehenden Passanten an, ließen uns von der Sonne verwöhnen, und lebten in den Tag hinein. So hatten wir uns unseren wohlverdienten Ruhestand immer vorgestellt.
Bis zum Elisabeth-Krankenhaus waren es nur ca. 4 km. Auf der Fahrt dorthin konnten wir keinen klaren Gedanken fassen. Durch die Parkplatzsuche wurden wir abgelenkt und dadurch wieder ruhiger.
Aber kaum nach Betreten des Krankenhauses wurde mir abwechselnd heiß und kalt. Ich hatte auf einmal das Gefühl Fieber zu bekommen. Noch nie habe ich eine Onkologie betreten und wusste darum gar nicht, wie ich mich verhalten sollte.
Aber, als ich dann den Raum betrat, fiel alle Anspannung von mir ab und ich wurde ruhiger und ruhiger. Meine Frau schaute mich ratlos an und wollte von mir wissen, ob es mir nicht gut ginge. Ich brachte keinen Ton heraus, setzte mich in eine Ecke und versank in einer Art „Starre“.
Sie kennt mich sehr genau. Immer wenn ich machtlos einer Situation ausgesetzt bin, kommt die Stagnation. Ich würde das als Hilflosigkeit bezeichnen. Ich schaute mir das Wartezimmer genau an, dabei kam ich mir vor wie in einer Totenhalle. Vielleicht bildete ich mir das auch nur ein.
Von meiner Anmeldung bekam ich fast nichts mit, die Formalitäten erledigte meine Frau. Sie war genau so aufgeregt, doch in bestimmten Situationen kann sie besser reagieren als ich.
In einem Nebenraum saßen mehrere Personen an der Wand in einer Reihe. Sie hatten Infusionsschläuche in den Armen. Das konnte ich genau sehen, und dachte, das können die Chemo-Injektionen sein. Alle waren sehr blass und zeigten kaum eine Reaktion. Für mich sahen sie schon fast halb tot aus. Ich stellte mir vor, demnächst auch da zu sitzen und nicht mehr reagieren zu können.
Dann wurde ich plötzlich aus meiner Schock-Starre geholt. Eine Sekretärin kam auf mich zu, fragte mich: „Sie waren angemeldet?“ Ich schaute sie mit großen Augen an, brachte kein Wort hervor, hörte nur noch: „Folgen sie mir bitte. Nehmen sie hier schon einmal Platz, der Professor kommt gleich.“
Ohne meine Frau wäre ich der Aufforderung nicht nachgekommen. Sie führte mich in diesen Raum, den ich ohne sie nicht gefunden hätte.
Wie ich Krankenhäuser hasse! Schon in jungen Jahren musste ich oft ins Krankenhaus, allerdings um meinen Vater dort zu besuchen. Um seine Gesundheit war es nicht immer bestens bestellt. Er litt viel unter Magenbeschwerden und hatte neben Magengeschwüren auch Rückenprobleme. Das war die Folge seines Berufes. Er war Maurermeister und immer dem Wetter ausgesetzt. Kein Wunder, dass er so oft krank war.
Heute und hier überkam mich wieder das gleiche schlechte Gefühl wie früher. Ich musste mich zwingen, nicht daran zu denken, und es einfach beiseite-schieben. Es ging ja schließlich um mich. Ich ergab mich in mein Schicksal.