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Fast jede Woche ein welterklärender Brühwürfel des Autors Jan C. Behmann in der Wochenzeitung Der Freitag. In wenigen Zeilen ein Thema als spannende Geschichte zu erzählen, hat Behmann nun in weit über hundert Texten bewiesen. Eine Auswahl seiner beliebten Glossen aus der Wochenzeitung finden Sie nun im ersten Band der Reihe seiner Glossensammlungen.
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Seitenzahl: 56
Veröffentlichungsjahr: 2023
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Zum Titelbild:
Das Café Crumble in Frankfurt-Bockenheim ist seit Jahren mein erweitertes Wohnzimmer, in dem ich mich wohl und sicher fühle. Es gibt einem denkenden Menschen Halt und Kraft und einen einzigartigen Resonanzraum.
Es fängt den Fortgang der Dinge bei gleichzeitiger Konstanz der Umgebung ein. Dieser Ort ist viel mehr als ein Café, es ist eine Lebensweise.
Es bedarf keiner Werbung oder Existenzerklärung.
Das Crumble ist a priori ein Ort der guten Dinge,
der wie alles Unternehmerische, aus der intrinsischen Motivation, etwas wahrhaft Gutes anzubieten, erst entstehen kann.
Es ist so rein wie der Wunsch nach Geborgenheit.
Es ist das Crumble.
Impressum
Herausgeberin:
edition:behmann ist ein Imprint-Verlag der
medicteach GmbH
Offenbacher Straße 91
63165 Mühlheim am Main
Telefon: +49 69 175 370 42-0
medicteach.de
behmann.de
Geschäftsführung:
Jan C. Behmann
Sitz der Gesellschaft:
Frankfurt am Main
Amtsgericht Frankfurt am Main, HRB 91438
USt. ID: DE278350938
Copyright für alle Texte:
© 2020 Jan C. Behmann
Alle Rechte vorbehalten.
Stand eBook:
Juli 2023
Grafische Gestaltung:
Susann Massute,
susannmassute.de
Umschlagabbildung:
Illustration Susann Massute
nach einem Bild von
Jan C. Behmann
Weitere grafische Gestaltung:
Gabor Farkasch,
gaborfarkasch.de
Vertrieb:
Vertrieb: epubli - ein Service der neopubli GmbH, Berlin
ISBN der gedruckten Auflage: ISBN: 978-3-00-065315-5
ISBN der eBook-Auflage: 978-3-757566-41-8
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Der Inhalt der Texte entspricht teilweise literarischer Fiktion. Etwaige Ähnlichkeiten mit lebenden oder toten Personen oder Verhältnissen wären rein zufällig.
Christopher Bulle
Jan C. Behmann
Glossen I
edition:behmann
Nach dem Besuch einer Lesung von Deniz Yücel
und Michel Friedman im Frankfurter Schauspiel im
Mai 2019, schrieb ich Christopher:
Behmann
Es war heute wieder so
entsetzlich eng, mitten im
Publikum zu sitzen. 21:50
Bulle
Keine Sorge, auf der
Bühne wirst du später genug
Beinfreiheit haben. 21:56
„Ihre Glossen haben
eine liebe Anmut,
eine freie Schwingung.“
— Peter Handke
Literaturnobelpreisträger
in einem Brief an den Autor
vom 11. Mai 2020
Die hier vorliegenden Glossen erschienen zwischen 2018 und 2020 in der
Wochenzeitung Der Freitag in der Rubrik
Freitag A–Z.
Der Abdruck erfolgt mit
freundlicher Genehmigung von
Der Freitag Mediengesellschaft mbH & Co. KG
freitag.de
Artikel und Interviews des Autors
finden Sie auf behmann.de
Nicht alle Klischees stimmen, doch zwischen den Bankentürmen in Frankfurt treffen sie öfter zu. Nach den aus Sylt importierten hochgeklappten Polohemdkragen kam die Inflation der Sonnenbrillen. Statt Sonnenschutz zu sein, sind sie zu einer Kontaktbarriere verkommen, zu einem Statement des Seins und des Habens. Auch Säuglinge tragen Luxusmodelle.
Die Brille ist ein Puzzleteil der non-verbalen Statuskommunikation, die einer dauerhaften Zurschaustellung bedarf. Man kann nämlich nicht immer bewusst ordnungswidrig mit dem Range Rover direkt vorm Café parken. So wird die Sonnenbrille, bar jeder Vernunft, getragen, auch wenn das bedeutet, nach dem zehnten Riesling die Stufe zum Café nur noch stürzend zu nehmen. Absturz eines Bankers – aber bitte modisch!
Wenn Besucher erst mal das Frankfurter Bahnhofsviertel überwunden haben, benötigen sie dringend ein Antidot des glänzenden Kapitalismus. Dieser wirft hier immer größere Schatten und pflockt – wie eine nimmersatte Dehnungsfuge – Keile in die Gesellschaft.
Ein Freund aus Bangkok musste letztens kichern, als ich ihm aus der Entfernung unsere Skyline zeigte; es ist für ihn eher ein „Versuch einer Skyline“, als müsse da Peter Handke noch ran. Ich liebe die Türme. Wenn ich sie aus dem ICE bei der Einfahrt in den Hauptbahnhof erblicke, bin ich jedes Mal wieder entzückt. Wenn man die Neue Mainzer Straße entlangprescht, wo immer Schatten herrscht, und kurz das Gefühl hat, im Big Apple zu sein. So schön ein Balkon im 50. Stock ist, der Blick auf unsere Skyline ist tausendmal schöner.
Wer die beiden Wall-Street-Filme von Oliver Stone sieht, kann durchaus an Fabeln denken. Doch in meinem Stammcafé, da sitzen sie, die Investmentbanker.
Man erkennt sie an ihrem Anzug, der gerne mal 10.000 Euro kostet. Schuhe wenigstens von John Lobb – wenn nicht gar ein eigener Leisten aus Italien.
Sie haben die Karriere durch die Vorstandsetage gar nicht nötig, denn sie wollen nicht ärmer werden. Spannend ist, dass die peinlichen Ausfälle (Grölen ab dem dritten Wein, Trinkgeld lässig in den Weinkühler werfen) nur dem Tretmühlenpersonal aus dem mittleren Management passieren. Die rackern Tag und Nacht an sinnlosen Slides / Charts / Papers (David Graeber: Bullshit Jobs) und werden in periodischer Regelmäßigkeit wegrationalisiert (Hühnerfabrik). „250 Millionen? Kriegen Sie nicht kaputt“, sagt Immobilienmogul Christoph Gröner in der WDR-Reportage Ungleichland. Was Gröner vergisst: dass der Kapitalismus, der das perverserweise möglich macht, Menschen zerstört.
Sehr verehrte Damen und Herren, Sie glauben es nicht, die Aldi-Tüte ist so viel mehr als eine profane Einkaufstasche! Sie ist mein Universalverunsicherungsmittel. Vieles in der Geschäftswelt beruht nicht auf Können, sondern auf Markenpräsentation. Wer trägt welche Anzüge, Schuhe, Accessoires – und vor allem: Wie teuer sind die? Neid und Missgunst müssen Sie da aber immer einkalkulieren, und so können die schweineteuren Manschettenknöpfe zu echten Manschetten werden, wenn Sie bei Ihrem Geschäftspartner in Verruf kommen, sein Geld auf dem Ku’damm zu verbrennen.
Es bieten sich daher simple Tricks an. Ein bewährter Trick ist das Mitführen einer Aldi-Tüte. Immer dann, wenn ich in einem Meeting mein Gegenüber in grundfester Weise verunsichern will, nutze ich als Arbeitstasche eine Aldi-Tüte. Der Schock könnte größer nicht sein, gar Mitleid schlug mir schon entgegen. Satte Honorare! Aber, psst, verraten Sie es nicht weiter! Viel Erfolg beim Ausprobieren!
FAZ-Herausgeber Jürgen Kaube schreibt im Nachwort zu Niklas Luhmanns 2016 postum veröffentlichtem Band
Der neue Chef, dass die Chefetagen noch nicht wirklich soziologisch erkundet seien. Allerdings erschien 2009 ein Gesprächsband mit elf Topmanagern: Die da oben. Die Gespräche lassen teils tief in die Welt des Topmanagements blicken, wenn Ex-Telekom-Chef René Obermann sagt, er wache nachts auf und sofort gehe der Film los.