Wege, Worte, Welt – Erinnerungen - Bernhard Kellermann - E-Book
SONDERANGEBOT

Wege, Worte, Welt – Erinnerungen E-Book

Bernhard Kellermann

0,0
2,99 €
Niedrigster Preis in 30 Tagen: 2,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.

Mehr erfahren.
Beschreibung

Mit leichter Hand und wachem Blick erzählt Bernhard Kellermann von den entscheidenden Momenten seines Lebens – vom Aufbruch eines jungen Mannes mit Rucksack über die Wanderjahre durch Franken, die Schweiz und Frankreich bis zu Begegnungen mit großen Persönlichkeiten der Literatur wie Hermann Hesse. Diese Erinnerungen sind mehr als eine persönliche Lebensgeschichte: Sie zeichnen ein lebendiges Bild einer ganzen Epoche – zwischen Kaiserreich, Weltkriegen und Nachkriegszeit. Kellermann berichtet eindrucksvoll, wie ein junger Künstler seinen Platz in der Welt sucht, das Leben in Paris erlebt, den Aufstieg der Moderne beobachtet und politische Umbrüche miterlebt. Eine kluge, nachdenkliche und zugleich mit Humor durchzogene Selbstreflexion eines Mannes, der Weltgeschichte nicht nur erlebt, sondern literarisch geprägt hat.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 45

Veröffentlichungsjahr: 2025

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Impressum

Bernhard Kellermann

Wege, Worte, Welt – Erinnerungen

ISBN 978-3-68912-585-1 (E-Book)

Aus: EINE NACHLESE 1906-1951, Verlag Volk und Welt, Berlin 1979. Herausgegeben von H. D. Tschörtner unter Mitarbeit von Georg Wenzel

© 2025 EDITION digital®

Pekrul & Sohn GbR

Alte Dorfstraße 2 b

19065 Godern

Tel.: 03860-505 788

E-Mail: [email protected]

Internet: http://www.edition-digital.de

Erinnerungen

Ich lichte die Anker

Eines Tages schulterte ich in aller Ruhe meinen Rucksack, verabschiedete mich von meiner kleinen Mutter und verließ ihr Haus in Ansbach. Es war im Sommer und ein herrlicher Tag.

Endlich war ich frei und begann meine Wanderschaft ins Leben. Mutig und eilig klang mein Schritt in den stillen Straßen des fränkischen Städtchens. Ich hatte mir vorgenommen, von Ansbach zu Fuß nach Samaden im Engadin zu wandern, wo ich mich in diesen Tagen mit Freunden treffen wollte.

Der Weg führte durch das Herriedener Tor und dann eine steile Allee herrlicher alter Pappeln empor in einen ausgedehnten Weiler, der W. hieß. Die Pappeln waren hundert Jahre alt, wahrscheinlich älter, majestätische Bäume, wie ich sie nie wieder gesehen habe, der letzte Markgraf soll sie gepflanzt haben. Die riesigen Wälder, die W. und Ansbach umgeben, kannte ich ganz genau aus meiner Jugend, ich kannte die Erdbeerschläge, ich kannte die hohen Buchenwälder, wo es Pfefferlinge und Blaubeeren gab, Hunderte von Körbchen Pfefferlinge und Blaubeeren hatte ich dort für meine Mutter geholt; ich erinnere mich noch heute an den Ort, wo vor Jahren die üblen Jungen des Buchbinders Römer mir mein Körbchen voll Blaubeeren wegnahmen und einfach in den Straßengraben schütteten. Ich habe mich mit den Römerjungen ziemlich oft geprügelt. Sie fielen im ersten Weltkrieg als Ulanen.

Ich war erstaunt, wie schnell ich in Herrieden war, dessen Rathausturm ich vor Jahren abbrennen sah. Nun war er wiederaufgebaut, sah neu und hübsch aus. Jahrelang lag der Turm in übel riechenden Schutthaufen mitten am Wege, und immer noch roch das Städtchen nach Brand. Die fränkischen weißen Landstraßen nahmen mich auf, und ich empfand Genuss beim Gehen, obschon ich mein Tempo mäßigen musste.

Meine erste Fußwanderung erschien mir herrlich. Endlich hatte ich Klarheit bekommen! Damals quälte ich mich noch mit der Malerei ab, ohne rechte Fortschritte zu machen. Dazwischen schrieb ich dies und jenes. Nunmehr aber waren die Würfel gefallen, und das Schicksal hatte gesprochen. Ich hatte den Mut gehabt, meinen Roman „Ingeborg“ dem Verlag S. Fischer in Berlin einzureichen, und der große S. Fischer hatte mit einem höchst schmeichelhaften, anerkennenden Brief geantwortet. Ja noch mehr, er beabsichtigte, den Roman in der „Neuen Rundschau“ vorher zu veröffentlichen! Das war doch etwas, nicht wahr? S. Fischer war heute der bedeutendste, modernste Verlag, und die „Neue Rundschau“ galt als die angesehenste Zeitschrift in Deutschland. Das hatte mich bestimmt, mich endgültig der Schriftstellerei zu widmen und die Malerei aufzugeben. Nun konnte ich den Schritt wagen! Ich hatte schon vor zwei Jahren einen kleinen Roman geschrieben, „Yester und Li“, der recht gut aufgenommen wurde, aber sofort wieder in Vergessenheit geriet. Er war in drei Monaten hingeschrieben, was konnte man schon von einer so flüchtigen Arbeit verlangen?

Unter einem Obstbaum an der Straße saß ein ältlicher Mann mit einem zerbeulten, staubigen Hut, der aufstand, als ich näher kam.

„Wohin, Herr Nachbar?“, rief er mich an, und ich blieb stehen. Der Alte kam auf mich zu. Er war barfuß, und seine Füße waren bis zu den aufgerollten Hosen mit Staub bedeckt, seine schweren, genagelten Schuhe hingen an einer Schnur um seinen Hals. Er schwang einen knorrigen Stock.

„Schönes Wetter hast du dir ausgesucht für die Walz. Profession?“

Ich genierte mich, ihm zu sagen, dass ich Schriftsteller sei, denn Schriftsteller gehen für gewöhnlich nicht auf die Wanderschaft, so sagte ich ihm, dass ich Schriftsetzer sei. „Und du?“

„Schlosser“, brummte der Alte. „Ein Schriftsetzer muss gute Augen haben, dann kann er viel Geld verdienen. Bist du verheiratet?“

Ich verneinte. „Ich habe auch keine Lust, so schnell zu heiraten.“

Der Alte lachte und schlug mit dem Stock heftig auf die Straße. „Recht so, dazu hat es ja immer noch Zeit.“

Wir schritten ohne Eile fürbass, und ich war befriedigt, mit einem wirklichen Handwerksburschen zu wandern. Der Alte erzählte mir, dass er nach Lindau gehe, ein früherer Meister habe ihm geschrieben. Bei diesem Meister hatte er vor Jahren acht Jahre gearbeitet, er war ein Prachtkerl, der von früh bis nachts schuftete, aber nun schaffte er es nicht mehr, er brauchte einen Gesellen, auf den er sich verlassen konnte. Eine geraume Weile erzählte er mir von diesem Meister, den er nicht genug loben konnte.

„Also nach der Schweiz willst du?“

„Ja, nach der Schweiz.“

„Prächtige Menschen sind die Schweizer! Ich habe drei Jahre in Luzern gearbeitet. Es wird dir sicher gut gefallen in der Schweiz. Sie haben viele und große Zeitungen, und die Buchhandlungen sind voller Bücher. Da kann es nicht schlecht sein für einen Schriftsetzer.“

In einem Dorf machten wir halt und tranken ein Glas Bier. Mein Kamerad erlaubte nicht, dass ich bezahlte. Noch früh am Tage erreichten wir Dinkelsbühl, das voller Gedudel und Lärm war. Auf einer Wiese standen einige Karusselle in voller Fahrt und mehrere Schaubuden. Die ganze Jugend der Stadt war versammelt, die berühmte Kinderzeche war schon gestern gewesen.

In einer Reihe von Städtchen Frankens und Württembergs fanden jedes Jahr Festspiele statt, die sich auf irgendein Ereignis während des Dreißigjährigen Krieges oder eines anderen Krieges bezogen. Welchen Anlass die Kinderzeche in Dinkelsbühl feierte, weiß ich nicht mehr. Manchmal waren die Frauen oder die Kinder einem siegreichen General entgegengezogen, einmal verlangte der siegreiche General, dass ein Bürger einen gewaltigen Humpen bis auf die Neige austrank, damit die Stadt nicht verbrannt wurde, kurz, diese alten Generäle, hießen sie nun Tilly oder sonst wie, hatten Humor und ein gutes Herz und ließen mit sich reden.