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Luise Rinser

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Beschreibung

»Zigeuner« ist der Inbegriff aller Vorurteile und Verfolgungen, denen das Volk der Sinti und Roma in Deutschland bis heute ausgesetzt ist. Im Namen dieser Minderheit klagt Luise Rinser gegen das tägliche Unrecht und bringt es vor eine Öffentlichkeit, der Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land nicht gleichgültig sein dürfen. (Dieser Text bezieht sich auf eine frühere Ausgabe.)

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Seitenzahl: 128

Veröffentlichungsjahr: 2016

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Luise Rinser

Wer wirft den Stein?

Zigeuner sein in Deutschland. Eine Anklage

 

 

Über dieses Buch

 

 

»Zigeuner« ist der Inbegriff aller Vorurteile und Verfolgungen, denen das Volk der Sinti und Roma in Deutschland bis heute ausgesetzt ist. Im Namen dieser Minderheit klagt Luise Rinser gegen das tägliche Unrecht und bringt es vor eine Öffentlichkeit, der Menschenrechtsverletzungen im eigenen Land nicht gleichgültig sein dürfen.

 

 

Weitere Informationen finden Sie auf www.fischerverlage.de

Inhalt

Der Pharisäer sprach:

Vorbemerkung

Was wissen wir von unseren deutschen Sinti?

I.

II.

III.

Zu den negativen Vorurteilen

Reise ohne Rückkehr

Hitler, die Zigeuner, wir Deutschen

Die Endlösung

Schwarzer Winkel und »Z«

»Warum liess der Vater im Himmel das zu?«

Zigeuner nach 1945

Dokumente der Zigeuner-Diskriminierung aus unserer Zeit

Und die Schuldigen?

Gaj chal maro drom?

Der lange Marsch und seine Stationen

Für die freundliche Unterstützung [...]

Der Pharisäer sprach:

»Gott, ich danke Dir, daß ich

nicht bin wie die Räuber, Betrüger,

Ehebrecher oder auch wie dieser

Zöllner« – und diese Zigeuner.

(Lukas 18, 10–11)

Vorbemerkung

In dieser Arbeit finden sich drei verschiedene Bezeichnungen für jene Menschen, über die ich schreibe:

Zigeuner, Roma, Sinti.

Zigeuner ist ein negativ besetzter Begriff, den wir nicht mehr gebrauchen sollten.

Das Volk, das wir so bezeichnen, heißt Roma. Innerhalb der Roma, die über die ganze Erde verstreut leben, gibt es mehrere Gruppen. Jene, die mit uns in der Bundesrepublik leben, heißen Sinti.

Wenn ich im Verlauf der Arbeit die Begriffe verschieden anwende, so hat das jeweils seinen Grund. So rede ich von Zigeunern, wenn ich vom Standpunkt der vorwiegend negativ eingestellten Nicht-Zigeuner rede, die in der Sprache der Roma Gadje heißen.

Wenn ich Roma sage, so meine ich das ganze Volk der Roma, wo immer es auch lebt. Wenn ich Sinti sage, so spreche ich von jenen Roma, die Deutsche sind wie wir andern Deutschen auch.

 

Die, die dieses Buch schreibt, schämt sich, es nicht schon längst getan zu haben, obgleich sie seit vielen Jahren zu den Schirmherren der »Gesellschaft für bedrohte Völker« gehört und informiert sein sollte nicht nur über das drohende Aussterben von Indianerstämmen, sondern auch der Zigeuner. Es bedurfte eines heftigen konkreten Anstoßes dazu, daß sie sich mit dem Zigeunerproblem zu befassen begann.

Das alarmierende Ereignis war das Verhalten des Stadtrats von Darmstadt im Sommer 1983: Er ließ die Wohnungen einiger Zigeunerfamilien (Roma) in deren Abwesenheit zerstören, vorgebend, es sei anzunehmen gewesen, diese Leute kehrten nie mehr zurück (obwohl die Betreuer dieser Familien wußten, daß es sich um fahrende Händler handelte, die immer wieder in ihre Wohnungen zurückkehren). Man erklärte die Zerstörung damit, daß Einsturz- und Seuchengefahr bestehe.

Meine sofortige Reaktion auf diese Nachricht war ein Protesttelegramm an den Oberbürgermeister. Seine Antwort war das gekürzte Protokoll einer Stadtratssitzung zu dem Vorkommnis. (Die Kürzung des Protokolls ist zugegeben, Gründe für die Kürzung wurden nicht genannt, das ungekürzte Protokoll konnte ich nicht erhalten.)

 

 

 

Dem Protokoll war zu entnehmen, daß die Zerstörung jener Wohnungen nötig gewesen sei, da die »Zustände« dort skandalös seien. Der Schmutz häufe sich. Das im Protokoll gezeichnete Gruselbild traf nicht zu. Angenommen aber es träfe zu: Wie kommt es, daß der Stadtrat nicht in Anwesenheit der Bewohner einschreitet, sondern deren Abwesenheit benutzt, um kurzerhand die Wohnungen abzureißen? Weiter gefragt: Wie kommt es denn, daß diese Leute derart schlecht untergebracht waren? Warum gab man ihnen keine ordentlichen Wohnungen? Warum?

Weil man die Roma nicht auf Darmstädter Boden wollte. Das wurde und wird sogar zugegeben. Und die Begründung dafür? Sie ist entlarvend. Sie ist Ausdruck eines handfesten Rassismus, auch wenn der Darmstädter Stadtrat dies weit von sich weist. Aber was sonst als Rassismus ist es, wenn man sagt, die Roma seien allesamt »asozial und unfähig und unwillig zur Integration«? Es heißt, daß alle Bürger einer Stadt, eines Landes, eines Staates gleichförmig, d.h. nach demselben bürgerlichen Modell leben müssen. Wer anders lebt, ist eine asoziale Randfigur und wird von der bürgerlichen Mehrheit abgelehnt. Diese Ablehnung geht bis zur Verfolgung und bis zum Mord: Im NS-Staat brachte man diese Randfiguren, diese Nicht-Integrierten (Homosexuelle, psychisch wirklich oder angeblich Kranke, körperlich Behinderte, Regimegegner, Juden und Zigeuner) ins KZ und in die Gaskammern, oder man eliminierte sie in den NS-Kliniken und nannte das Euthanasie.

Darmstadt will seine Randfiguren, die Roma, nicht umbringen, sondern nur »draußen haben«. Man löst aber gesellschaftliche Probleme nicht dadurch, daß man Unbequemes beseitigt. Man löst das Roma-Problem nicht, indem man Romagruppen »abschiebt«.

Frage: Wieso gibt es überhaupt ein Zigeunerproblem? Wieso gibt es eine ethnische Minderheit in der Bundesrepublik, der man vorwerfen kann, sie habe sich nicht in die Gesellschaft integriert? Hat man ihr denn die Integration möglich gemacht? Hat man nicht vielmehr alles getan, sie ihr unmöglich zu machen durch Diskriminierung, und dies nicht nur im NS-Staat, sondern lange vorher und nachher, bis heute? Wie kann man die Sinti und Roma beschuldigen, sie seien nicht integriert, wenn man diese Integration gar nicht wollte und will? Waren die deutschen Juden nicht durchaus in die deutsche Gesellschaft integriert, und brachte man sie nicht doch um? Wollte man nicht gerade ihre Desintegration? Liegt die Parallele zum Zigeunerproblem nicht offen?

Frage: Wo liegen denn die Wurzeln dessen, was man das Zigeunerproblem nennt? Diese Frage führt nach Auschwitz, Ravensbrück, Dachau, Maidanek, Treblinka und anderen KZ-Schreckensorten des NS-Staates. Ich erfuhr, daß in diesen 12 Jahren eine halbe Million Sinti und Roma in den Lagern umgebracht wurden. Mit unserer schweigenden Duldung. Mit unserm »Nichts-davon-Wissen«.

Meine Nachfragen führten weiter zurück. Wo liegen denn die Wurzeln der bürgerlichen Abneigung gegen Zigeuner? Ich begann, mich mit der Geschichte dieses Volkes zu befassen.

Gleichzeitig bekam ich einen weiteren, handfesten Anstoß:

Romani Rose, der Vorsitzende des »Zentralrats deutscher Sinti und Roma«, bat mich, im Oktober 1978 in Stuttgart an einer Pressekonferenz zur Zigeunerfrage teilzunehmen. Bei dieser Gelegenheit baten mich die vier anwesenden Sinti (von denen drei in deutschen KZs gewesen waren und mit knapper Not überlebt hatten), an einem Gespräch mit dem württembergischen Innenminister teilzunehmen. Dieses Gespräch sollte sich vorrangig mit jenem Formblatt befassen, das aus dem NS-Staat stammt und das heute noch von jedem Polizisten gebraucht wird, wenn es darum geht zu wissen, wer bei einem Kriminalfall unter den Verdächtigen zuerst zu verhaften sei: Prostituierte, Strichjungen und Landfahrer. Früher waren noch aufgeführt: Juden und Zigeuner. Das Wort Juden verschwand natürlich 1945, das Wort Zigeuner blieb. Es wurde in den fünfziger Jahren gestrichen, oder vielmehr ersetzt durch ein Wort, das eben nur ein andres Wort für die gleiche Sache ist: Landfahrer.

Wer ist ein Landfahrer? Jemand, der keinen bestimmten Wohnsitz hat, sondern über Land fährt und also nicht als seßhaft betrachtet werden kann.

Sind unsre Sinti Landfahrer? 98 % haben einen festen Wohnsitz. Wieso werden sie dennoch den Landfahrern zugeordnet?

Weil es das Bundeskriminalamt (BKA) so will. Weil es in das rassistische Konzept paßt.

Der Beweis: Im Leitfaden des BKA von 1967 steht: »Landfahrer ist jemand, der aus eingewurzeltem Hang zum Umherziehen oder aus eingewurzelter Abneigung gegen eine Seßhaftmachung mit Fahrzeugen, insbesondere mit Wohnwagen oder Wohnkarren oder sonst mit beweglicher Habe im Land umherzieht. Als Landfahrer gilt auch, wer im Gefolge eines Landfahrers umherzieht.«

Wieso wird diese Definition auf unsre Sinti angewandt, die fast alle einen festen Wohnsitz haben und ihn nur zeitweise verlassen, um ihrem Beruf nachzugehen?

Trifft diese Definition nicht auch auf alle Operndirigenten, alle Sänger, alle Zirkusleute zu?

Nein? Nein: Diese Leute ziehen ja nicht herum aus dem »eingewurzelten Hang zum Umherziehen …« Der »eingewurzelte Hang«. Das ist die unzulässige Unterstellung, die es dem BKA erlaubt, Sinti und Roma als Nicht-Integrierte, als Asoziale zu diskriminieren.

Ob Sinti und Roma wirklich diesen »eingewurzelten Hang« haben, ist noch zu erörtern.

Daß diese Definition Ausdruck des puren Rassismus ist und aus dem NS-Geist der Rassendiskriminierung stammt, ist erschreckend deutlich.

Daß der Definition des BKA entgegen, derjenige kein Landfahrer ist, der einen festen Wohnsitz hat, bedeutet, daß der feste Wohnsitz durchaus nicht vor Diskriminierung als Landfahrer schützt.

Es wäre gut, sagte man in zynischer Offenheit klipp und klar: Landfahrer ist jeder, der uns nicht paßt, weil er einer andern »Rasse« angehört.

Wie wirkt sich jene Definition des BKA praktisch aus?

Sie gibt jedem Polizisten das Recht, Landfahrer als Kriminelle (virtuelle oder potentielle) zu betrachten und entsprechend zu behandeln. Als es mir gelang, dank meinem Namen, mit den vier Sinti bis zum Stuttgarter Polizeipräsidenten durchzudringen, wurde uns klargemacht, daß man gewillt sei, das diskriminierende Wort Landfahrer aus dem besagten Formblatt zu streichen, genau gesagt: jene Formulare, in denen es sich findet, nicht mehr nachzudrucken, sondern »auslaufen« zu lassen; man könne aber nicht einfach den Restbestand dieser Listen vernichten … Meine ironische Frage, ob denn die paar tausend Mark zum Neudruck für das württembergische Budget untragbar seien und ob nicht die Ehre und Würde einer Minderheit im Staat mehr wert sei, brachte den Polizeipräsidenten zu dem Versprechen, diesen leidigen Restbestand sofort zu beseitigen.

In den Polizeiformularen anderer Bundesländer taucht jedoch das Wort Zigeuner noch immer auf, wenn auch fast unauffällig nur in den Ausführanleitungen und auch nicht unumstritten, wie die Antwort der Bundesregierung auf eine große Anfrage verschiedener Abgeordneter im Bundestag vom Dezember 1982 zeigt. Die Frage war, ob es mit der Verfassung, insbesondere mit dem Datenschutz vereinbar sei, daß in den genannten Formularen ein Kürzel ZN hinter Namen steht, wobei das Z eben doch Zigeuner heißt. Die Antwort lautete, daß diese Bezeichnung keineswegs rassistisch zu werten sei, denn auch andere Gruppen werden durch einen Klammerzusatz näher gekennzeichnet, so KN für Künstlername oder ON für Ordensname. Da die Bundesregierung jedoch selbst bedenkt, daß die Bezeichnung ZN den Anschein der Diskrimination erwecken kann, »auch vor dem geschichtlichen Hintergrund«, soll sie wegfallen. Jedoch sind nicht alle Bundesländer derselben Meinung. Auch das ist bezeichnend. Dieses ZN in den Polizeiinformations- und Fahndungslisten ist nur die Spitze eines Eisbergs, der »Landfahrerzentrale« heißt. Darüber später Genaues.

Jenes Stuttgarter Gespräch weckte mich nun wirklich auf. Dazu kam noch die verspätet zu mir gelangte Nachricht aus Würzburg, wo am 28. 9. 1976 ein Fest der 18. Panzerdivision SS stattfinden sollte (und natürlich stattfand), was eine Gruppe deutscher Sinti durch eine gewaltfreie Demonstration verhindern wollte. Diese Gruppe wurde verhaftet. Eine Verhaftung von Opfern der SS zugunsten der SS. Die Henker wurden geschützt, die Opfer verhaftet. Ein zynisch offener Rückfall in den NS-Staat. Wieder sind die Faschisten die Sieger, und immer noch sind die Zigeuner die Opfer.

Mit diesem Material im Kopf begann ich mich zu fragen, was ich selber wisse von den Menschen, die wir Zigeuner nennen. Ich begann alle meine Bekannten zu befragen, was denn sie darüber wissen. Es war wenig, und das Wenige war oberflächlich, töricht oder vom NS-Geist her übriggeblieben. Ich begann, mir Informationen zu beschaffen. Beim Lesen der vielen Schriften über Sinti und Roma ging es mir so, wie es den Sinti und Roma geht, wenn sie lesen, was da über sie geschrieben wird von Leuten, die sich Zigeunerforscher nennen: Ich fühlte, daß das meiste davon nichts weiter ist als Pseudowissenschaft in der Form eiskalt überheblicher Analyse. Mich erinnerte diese Art der Behandlung an den Vorschlag des Reichsführers SS Himmler im NS-Staat: man solle nicht alle Zigeuner vergasen, sondern einen Teil, den reinrassigen nämlich, in einer Art Zoo unterbringen als Forschungsobjekte.

Viele der neuen Arbeiten erinnern fatal an die Rassenforschung, wie sie im NS-Staat jene Eva Justin betrieben hat, die sich unter die gutgläubigen Sinti mischte, sie ausforschte und Gutachten erstellte, aufgrund derer die Zigeuner in die KZs, d.h. in den Tod geschickt wurden.

Daß die Sinti auch über die neuesten Arbeiten zum Thema nicht glücklich sind, kommt daher, daß sie sich nicht verstanden fühlen. Hier liegt auch ihr Problem mit mir und das meine mit ihnen. Sie fühlen sich durch jeden Versuch einer Analyse, ja schon Beschreibung, zu Objekten erniedrigt. Aber dies ist das Problem jeder Arbeit über eine Gruppe, der man nicht angehört.

Wenn ich sage, daß die Roma von westlichen Intellektuellen schwer verstanden werden, weil sie eine »andere Mentalität« haben, so werfen mir meine Sinti-Freunde vor, ich operiere mit einem Begriff, der zur Arbeitsmethode des Rassismus gehöre. Ich habe mich entschlossen, dieses Thema fast völlig auszusparen, obgleich es mich brennend interessiert in einer Zeit, in der man vom rational-intellektuellen Erfassen der Wirklichkeit, die dem Westen als einzig zulässig erschien, abgeht und neue Erkenntniswege wagt, die jenen der Roma entgegenkommen. Doch sei, wie gesagt, das Thema hier nur ganz am Rande berührt, zumal ich ja keine wissenschaftliche Arbeit über die Roma schreibe, sondern eine aktuell-politische, die dazu dienen soll, unter Nicht-Roma das Verständnis für das Schicksal der mit uns lebenden Sinti und Roma zu wecken und unser Gewissen zu schärfen für das Unrecht, das wir ihnen zugefügt haben und weiter zufügen.

Was wissen wir von unseren deutschen Sinti?

Ergebnisse meiner Umfrage unter Deutschen verschiedener Bildungsschichten.

I.

Zigeuner stehlen.

Sie sind schmutzig und verdrecken ihre Umgebung.

Sie betteln unverschämt.

Sie sind kriminell.

Sie haben zu viele Kinder und richten sie zum Betteln und Stehlen ab.

Sie schwindeln.

Sie lügen mit jedem Wort.

Sie sind arbeitsscheu.

Sie können nichts als Musik machen und tanzen.

Sie sind die geborenen Schauspieler ohne Bühne.

Sie wollen nichts lernen und nicht in die Schule gehen.

Sie betrügen bei Kauf und Verkauf.

Sie betteln, fahren aber mit großen Mercedes.

Sie haben einen so schlechten Charakter, daß sie unter Hitler sogar in die Partei eingetreten sind.

Sie haben sehr lockere Sitten.

Sie sind die geborenen Verführer.

II.

Zigeuner haben in beiden Weltkriegen mitgekämpft als deutsche Soldaten. Einige bekamen hohe Orden.

Sie sind sehr kinderlieb.

Sie haben einen starken Familiensinn.

Sie wurden immer verfolgt, und man verbot ihnen ehrenvolle Berufe.

Sie wurden unter Hitler diskriminiert als Untermenschen.

Sie wurden in den KZs vergast, und nur wenige überlebten, etwa 500000 starben.

Sie haben das Kunststück fertiggebracht, zugleich ein eigenes Volk zu sein und gute Deutsche.

Sie heißen als Deutsche »Sinti«, die übrigen heißen Roma, ihre Sprache ist das Romanes.

Sie sind heute noch vogelfrei, wie der Prozeß gegen den niederbayrischen Bauern beweist, der zwei Zigeunerinnen erschoß und der vom Gericht sehr milde behandelt wurde.

III.

Fast niemand von den Befragten wußte, daß die meisten von Hitlers Rassegesetzen Betroffenen noch ihre Nachkommen keine Entschädigung im Sinne der Wiedergutmachung bekamen.

Niemand wußte etwas von den Polizeilisten, auf denen die Zigeuner als primär Verdächtige und potentiell Kriminelle und also zuerst präventiv zu Verhaftende aufgeführt sind.

Niemand von den Befragten wußte, daß Sinti und Roma heute noch nach den Ergebnissen der Rassenforschung im NS-Staat beurteilt und behandelt werden.

Niemand wußte, wie die Zukunft der Zigeuner aussehen soll.

Zu den negativen Vorurteilen

Zigeuner stehlen. Das ist nicht zu leugnen. Aber stehlen nur Zigeuner? Und stehlen sie häufiger als Gadje? Warum stehlen sie? Die Zigeuner-Kriminalität liegt eher unter jener der Gadjes. Sinti und Roma stehlen, ohne zu morden; Raubüberfälle sind nicht ihre Art. Und stehlen alle Sinti und Roma?

Als wir deutschen Gadjes nach dem Krieg hungerten, lernten wir das Stehlen. Mundraub ist erlaubt. Unvergeßlich die Rede des Kölner Kardinals Frings über das Stehlen 1946. Man dürfe stehlen, wenn man ohne zu stehlen nicht überleben kann. Man nannte das Stehlen dann fringsen