Winter Wedding: Mr. Temptation - T.C. Daniels - E-Book
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Winter Wedding: Mr. Temptation E-Book

T.C. Daniels

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Beschreibung

Carter war seine Schwäche. Schon immer. Sein Leben lang war Beckett heimlich in Carter Dearing verliebt, während dieser nur Augen für seinen Bruder hatte. Doch jetzt ist der aufstrebende Songwriter zurück in White Falls und Beckett fühlt sich noch immer unwiderstehlich zu ihm hingezogen. Als ein Schneesturm über der kleinen Stadt hereinbricht und sie in seinem Haus festsitzen, werden verbotene Küsse zu ungeahnten Wahrheiten und die beiden Männer kommen sich näher als jemals zuvor. Es gibt nur einen Haken: Beckett war schon immer der falsche Bruder, und daran wird sich auch nie etwas ändern. Oder? Die Printausgabe von Winter Wedding - Mr. Temptation enthält 305 Seiten.

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Veröffentlichungsjahr: 2022

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Winter Wedding

Mr. Temptation

T.C. Daniels

2. Auflage

Copyright © 2022 T.C. Daniels

Covergestaltung: Catrin Sommer rausch-gold.com

T.C. Daniels

c/o WirFinden.Es

Naß und Hellie GbR

Kirchgasse 19

65817 Eppstein

Alle Rechte vorbehalten.

Nachdruck, auch auszugsweise, nur mit schriftlicher Genehmigung des Autors. Personen und Handlungen sind frei erfunden, etwaige Ähnlichkeiten mit real existierenden Menschen sind rein zufällig und nicht beabsichtigt. Markennamen sowie Warenzeichen, die in diesem Buch verwendet werden, sind Eigentum der rechtmäßigen Besitzer.

Inhalt

Prolog

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

Kapitel 15

Kapitel 16

Kapitel 17

Kapitel 18

Kapitel 19

Kapitel 20

Kapitel 21

Kapitel 22

Kapitel 23

Kapitel 24

Kapitel 25

Epilog

Die Winter-Wedding-Reihe

Prolog

Früher

Carter

»Ryan ist nicht hier«, sagte Beckett mit üblich verschlossener Miene, als er ihm die Tür öffnete.

Carter holte aus und boxte ihm freundschaftlich gegen die Schulter, ehe er sich an ihm vorbeidrängte. »Dann warte ich eben unten auf ihn«, sagte er und ging voraus in den Keller, wo sich die drei Jungen für gewöhnlich aufhielten, weil seit ein paar Wochen eine Bullenhitze herrschte, die für White Falls gänzlich untypisch war. Der Keller war eine wunderbare Rückzugsmöglichkeit, und Carter beneidete seine Freunde für den coolen Raum, in dem es nicht nur eine Playstation, einen Kickertisch und eine Dartscheibe, sondern auch noch einen extragroßen Flachbildfernseher und eine Art Bar gab, an der sie sich alkoholfreie Getränke mixen konnten. Becketts großes Talent.

»Bekomme ich einen Juicy Maracuja?«, fragte Carter und grinste. Er beobachtete, wie sich Becks Miene weiter verfinsterte, ehe er sich auf den Sessel plumpsen ließ, und nach dem Zeichenblock griff, der auf dem Tisch gelegen hatte. Beck gab es nur mit Zeichenblock, überall hin schleppte er ihn mit.

»Heute nicht«, sagte er nur und fing wieder an zu malen. Er signalisierte Carter sehr deutlich, dass sein Besuch ungelegen für ihn kam. Aber so war Beckett. Der introvertierteste Kerl, den Carter jemals kennengelernt hatte. Er verbrachte seine Zeit am liebsten damit, die Pferde der Familie zu betreuen oder allein herumzuhocken und was auch immer in seinen Zeichenblock zu malen. Wenn er Ryan und Carter nicht hätte, dann wäre er ein richtiger Einsiedler.

»Okay. Dann mixe ich mir meinen eigenen Drink«, erwiderte Carter schulterzuckend und trat hinter die Theke, wo er die große Auswahl an Flaschen mit verschiedenen Sirupsorten und Säften betrachtete. Es gab sogar drei verschiedene Sorten Mineralwasser.

Er schnappte sich den Maracuja-Saft und füllte ihn großzügig in ein Glas. Weil die Mischung mit dem Kirschsaft eine farbliche Bombe abgeben würde, mischte er noch einen Schluck davon dazu, dann ging er an den Kühlschrank und holte Milch heraus, von der er ganz sicher wusste, dass Beck sie letztes Wochenende in das Getränk gemischt hatte.

Carter füllte das Glas vollständig, musste dann aber zu seiner Enttäuschung feststellen, dass aus dem knalligen, orangefarbenen Getränk eine gelbgraue Pampe geworden war. Unbeirrt gab er noch ein bisschen Crushed Ice dazu, versuchte, die misslungene Farbe des Cocktails zu retten, indem er ein blaues Röhrchen hineinsteckte, dann kehrte er zu Beckett zurück.

Der sah auf, als Carter sich setzte. »Sieht richtig appetitlich aus«, spottete er.

»Was ist nur aus deiner Gastfreundschaft geworden?«, seufzte Carter übertrieben leidend und kostete von seinem Cocktail. Sah vielleicht scheiße aus, schmeckte aber ganz okay.

»Was dagegen, wenn ich eine Runde zocke?«

»Als ob du meine Erlaubnis dafür bräuchtest«, brummte Beckett.

»Stimmt«, erwiderte Carter. Vergnügt holte er sich den Controller und legte die Disc von Tekken ein. Er spielte wie immer seinen Lieblingscharakter Shaheen und kämpfte ein paar Runden gegen Computerspieler. Irgendwann wurde ihm aber langweilig, außerdem nervte das Gekratze von Becketts Stift auf dem Papier.

»Was malst du da überhaupt?«, fragte Carter und drehte sich mit dem Gaming-Sessel zu ihm um.

»Ich zeichne«, korrigierte Beckett, abweisend wie immer. Ryans großer Bruder konnte ein echter Geheimniskrämer sein.

»Und was?« Carter erhob sich und setzte sich auf einen Stuhl in Becketts Nähe. Der riss augenblicklich seinen Block hoch und hielt ihn so, dass Carter nichts erkennen konnte. Er grinste. »Schweinisches Zeug?«

»Ich möchte nur gerne selbst entscheiden, wem ich es zeige und wem nicht«, erwiderte Beckett hastig. Seine Wangen färbten sich rosa, und das amüsierte Carter noch mehr.

»Zeig mal«, sagte er und streckte seine Hand aus.

»Vergiss es. Spiel weiter deinen Müll.«

»Das ist Tekken und kein Müll.«

»Ist wohl Ansichtssache«, gab Beckett zurück.

Carter grinste, sprang auf und warf sich auf Beckett, der von seinem Angriff vollkommen überrascht wurde. Sie rangelten eine Weile miteinander, wobei Carter sich keine Illusionen machte. Beckett war größer als er, außerdem besaß er krasse Muskeln, weil er oft im Fitnessstudio trainierte, und viel Zeit in den Ställen, bei den Pferden, verbrachte.Trotzdem hielt Carter sich tapfer, er schaffte es sogar, einen Blick auf ein paar Konturen auf dem Zeichenblock zu werfen, die er jedoch nicht richtig erfassen konnte.

Irgendwann gewann Beckett die Oberhand und schubste ihn von sich, sodass Carter auf dem Boden landete.

»Du kannst ein richtiger Spielverderber sein«, brummte Carter.

Beckett hatte seinen Block aus Carters Reichweite gelegt und streckte ihm jetzt die Hand entgegen, um ihm beim Aufstehen zu helfen. »Und du kannst eine echte Nervensäge sein. Warum kommst du überhaupt hierher? Du weißt doch, dass Ryan noch im Training ist.«

Carter zuckte mit den Schultern. Er wusste nicht, inwieweit Beckett über seine häuslichen Verhältnisse informiert war. Wenn es nach ihm ging, dann musste er gar nichts darüber wissen. Ryan und Beckett lebten in einer dieser perfekten Familien, in der sich alle liebten, Dinge miteinander unternahmen und füreinander da waren. Diese ekelhafte Kleinstadtidylle, mit der Carter rein gar nichts anfangen konnte, weil sein eigenes Leben so verdammt weit davon entfernt war.

Trotzdem hatte sich herausgestellt, dass er erstaunlich gut zu den Campbells passte. Sie hatten ihn mit offenen Armen empfangen und in ihre Familie aufgenommen. Ryans Mutter, Gloria, hatte ihm bereits mehrfach gesagt, dass er hier immer willkommen war. Und wenn er auch sonst nur ungern etwas annahm: In den Hobbykeller von Beckett und Ryan flüchtete er sich gern, wenn sich sein eigenes Zuhause in ein Pulverfass der Emotionen verwandelte, aus dem mindestens eines seiner Familienmitglieder oder er selbst nicht unbeschadet herauskamen.

»Er sollte ja bald hier sein«, sagte Carter schulterzuckend und setzte sich wieder an die Konsole. »Was ist jetzt? Spielst du mit?«

Beckett seufzte, ließ sich dann aber neben ihn auf den anderen Sessel sinken, den gewöhnlich Ryan besetzte. »Ich wollte dich ja nicht fertigmachen, aber offenbar bestehst du darauf.«

Carter prustete los, und vergessen waren die Gedanken an Familien und Pulverfässer. Natürlich machte Beckett ihn nicht fertig. Er konnte zwar gut zeichnen, aber im Zocken war er eine richtige Niete. Trotzdem machte es Carter Spaß, Zeit mit ihm zu verbringen. Als Ryan irgendwann auftauchte, und den Controller von Beckett übernahm, bemerkte Carter, wie der ihn betrachtete. Bevor Carter seinen Blick deuten konnte, schnappte er sich seinen Zeichenblock und verschwand nach oben in sein Zimmer.

1

Carter

»Gottverdammtes, drecksverfluchtes Mistding! Ich werde dich umbringen. Ich werde dich auf den nächsten Schrottplatz verfrachten, wo sie dich zerquetschen werden wie eine Fliege, nichts anderes hast du verdient! Du bist der abscheulichste Abschaum aller Hyundais, der Bodensatz, der es nicht wert ist, meinen Arsch herumzukutschieren!«

»Wow. Was für eine Rede. Gibt’s die auch in anständig? Du lehnst dich ganz schön weit aus dem Fenster, vor dem Ortsschild von White Falls so herumzufluchen. Hier leben einige Gottesmänner, die dir die Ohren ganz schön langziehen könnten.«

Carter wandte sich um. Natürlich hatte er gehört, dass sich ein Auto genähert hatte, aber er hatte weder damit gerechnet, dass es anhielt, noch dass es ausgerechnet Beckett Campbell war, der ausstieg.

Becketts Mund verzog sich jetzt zu einem breiten Grinsen, als sich ihre Blicke trafen, Carter lachte auf, dann gingen sie aufeinander zu und umarmten sich freundschaftlich.

»Gott, dich nochmal hier zu sehen, damit hätte ich nicht gerechnet«, sagte Beckett. »Du bist doch jetzt einer von diesen berühmten Hollywood-Freaks.«

Carter verdrehte die Augen. »Und das bedeutet, dass ich mir Ryans Hochzeit entgehen lasse? Komm schon, ich bin kein Arsch, nur ein verdammt berühmter Songwriter.« Carter zwinkerte Beckett zu.

Beckett grinste und klopfte ihm auf die Schulter. »Ganz schön aufgeblasen, dein Ego. Es laufen schon Wetten, wann du endlich einfällst. Den roten Teppich haben sie aber noch nicht ausgerollt.«

»Wie traurig. Ich wäre früher gekommen, wenn dieses Auto mich nicht in den Wahnsinn getrieben hätte. Ich werde die Mietwagenfirma verklagen.«

Beckett grinste. »Du hörst dich an wie ein Snob. Los, schnapp dir deine Tasche, du kannst bei mir mitfahren.«

»Und was ist mit dem?«, fragte Carter und klopfte auf das Dach des verhassten Autos.

»Blaine wird sich darum kümmern.«

»Blaine ist der Automechaniker?«

»Genau. Der Mann, dem die Autos vertrauen«, erwiderte Beckett. Carter verdrehte die Augen, holte seine Reisetasche vom Rücksitz des Wagens und sein Keyboard aus dem Kofferraum, dann ging er hinter Ryans Bruder her. Es war eine kleine Ewigkeit vergangen, seit sie einander zuletzt gesehen hatten. Nach der Highschool waren Ryan und er auf die UCLA gegangen, und Carter war nach seinem Musik-Studium nicht an die Ostküste zurückgekehrt. Es gab absolut keinen Grund dafür. Die meiste Zeit, wollte er diesen Ort und alles, was damit zusammenhing, einfach aus seinem Gedächtnis streichen. Inzwischen lebte Carter in L.A. und fühlte sich dort pudelwohl. Wieder nach White Falls zu kommen, war ein merkwürdiges Gefühl.

Außer seiner Freundschaft mit Ryan verband er nicht viel Gutes mit White Falls. Seine Kindheit war eine Katastrophe gewesen, weshalb er nicht schnell genug hatte flüchten können, sobald sich ihm die erste Möglichkeit geboten hatte, und das war nun mal die UCLA gewesen, die mit einem fetten Musik-Stipendium gewinkt hatte. Er bekam die Gelegenheit, einen kompletten Neuanfang zu starten, und die ließ er sich nicht entgehen.

Offenbar hatte er dabei verpasst, wie Beckett sich im Laufe der Jahre in einen verdammt attraktiven Mann verwandelt hatte. Er hatte Ryan zwar ein- oder zweimal am College besucht, doch das war schon eine Ewigkeit her.

Carter versuchte nachzurechnen, wie lange sie sich nicht mehr gesehen hatten. Ganz sicher länger als sieben Jahre. Beckett war nun vierunddreißig Jahre alt, seine blonden Haare wie immer ein einziges Chaos, und der Hauch von goldenen Bartstoppeln stand ihm verdammt gut und passte zu seinen kantigen Gesichtszügen. Was seinen Hintern anging, der war … Carter räusperte sich. Nein, er würde jetzt nicht damit anfangen, den Hintern vom Bruder seines Freundes zu analysieren. Das war keine gute Idee. Er wusste, wie sich Ryans Arsch anfühlte, und er würde seine Zeit nicht damit verbringen, Becketts anzuschmachten. Zumindest ein bisschen Stolz sollte er sich bewahren.

Hintern-Betrachtungen waren tabu. Ob es sich dabei jetzt um Becketts oder Ryans Hintern handelte, war egal. Vor allem, da Ryan sich ganz offensichtlich dazu entschieden hatte, den männlichen Hintern dieser Welt den Rücken zuzukehren, und sich nur noch mit dem seiner zukünftigen Frau abzugeben. Carter unterdrückte ein Schnauben. Er konnte noch immer nicht ganz glauben, dass Ryan wirklich eine Frau zu heiraten gedachte.

»Hat Ryan dir schon mitgeteilt, dass du für eine Weile mein Mitbewohner sein wirst?«

Ach? Jetzt wurde er auch noch abgeschoben? Das wurde ja immer besser.

»Höre ich heute zum ersten Mal«, brummte Carter.

»Du solltest dem Herrn auf den Knien dafür danken. Ryan und Amanda werden … nun ja. Sie freuen sich bestimmt auf die Hochzeit, wenn du verstehst, was ich meine.« Beckett drehte sich zu Carter um und ging rückwärts vor ihm her, dabei zwinkerte er ihm vielsagend zu. »Eigentlich war unser Plan, dich im Hotel unterzubringen, aber du glaubst nicht, was dort los ist. Ehrlich, ich wusste selbst nicht mal, dass ich so viele Verwandte habe. Sei einfach froh, dass du in meinem bescheidenen Heim wohnen kannst.«

Carter zwang sich zu einem Lächeln. Ja, Ryan heiratete. Aber er war neben Beckett sein verdammter Trauzeuge und dazu auch noch ein sehr alter Freund. War es wirklich zu viel verlangt, ihm ein Zimmer für die Dauer seines Aufenthaltes zur Verfügung zu stellen?

»Alles klar. Wo leben denn Ryan und Amanda?«

»Er hat sich im letzten Jahr ein Ferienhaus in der Nähe unseres Elternhauses gekauft, wo sie jetzt bis zur Hochzeit wohnen. Wie ich es verstanden habe, würde Amanda gern ganz herziehen.«

»Ryan nicht?« Carter bemühte sich um einen beiläufigen Tonfall, während er sich daran zu gewöhnen versuchte, dass Beckett hier nicht mehr von dem Ryan sprach, mit dem er ein Zimmer am College geteilt hatte. Dieser Ryan hier war ein ihm praktisch unbekannter Mensch. Er war mehr als überrascht gewesen, dass Ryan ihn zu seiner Hochzeit einlud - mit einer Frau!

Himmel, Ryan war der heißeste schwule Mann, den er jemals kennengelernt hatte. Jemand, der so fickte, sollte keine Frau heiraten, mehr gab es - seiner Meinung nach - nicht zu dem Thema zu sagen.

»Ich schätze, er will lieber noch eine Weile in New York leben, um dort zu arbeiten. Seine Karriere geht gerade ziemlich steil nach oben. Ich bin mir aber sicher, sie finden einen guten Kompromiss.«

Ja, klar, Beck, natürlich doch. Wenn Amanda sich einen Schwanz wachsen lassen würde, das wäre ein Kompromiss.

»Wie lange sind die beiden nochmal zusammen?«

»Ein Jahr oder so«, antwortete Beckett. Er öffnete den Kofferraum seines schwarzen Trucks, der für den vorhergesagten Schneefall in den nächsten Tagen eindeutig besser gerüstet war als Carters geliehener Hyundai.

»Ich wusste gar nicht, dass Ryan überhaupt Heiratspläne hatte.« Er stieg auf der Beifahrerseite ein.

»Ich auch nicht«, erwiderte Beckett und startete den Motor. »Amanda ist … sie ist speziell.«

»Das klingt gruselig.«

Beckett grinste. »Sagen wir es so: In ihren Adern fließt reinstes Hampton-Blut und sie hat noch nie auch nur einen Tag in ihrem Leben gearbeitet.«

Carter gab ein würgendes Geräusch von sich. Sein Ryan Campbell gedachte, ein verwöhntes Hampton-Girl zu heiraten? Was stimmte nicht mit ihm?

»Aber sie ist ausgesprochen schön«, fügte Beckett hinzu und grinste weiter. Er schien sich köstlich zu amüsieren.

»Ist Ryan glücklich?«, fragte Carter. Neben der noch immer tiefsitzenden Verletztheit, die Ryans damaliges plötzliches Verschwinden verursacht hatte, zählte für ihn trotzdem nur, dass Ryan glücklich war. Und seine Zukünftige hörte sich jetzt gerade nicht nach einer absoluten Traumfrau an, die Ryan glücklich machen konnte.

Traumfrau. Carter schluckte. Ihm gefiel das alles gar nicht, und er würde Amanda genau in Augenschein nehmen und hoffen, dass Ryan wusste, was zur Hölle er da tat.

»Er kommt mir immer ziemlich glücklich vor, ja«, crashte Beckett seine Gedanken.

»Und warum heiraten die beiden nicht in den Hamptons? Macht man das dort nicht so?«

»Das ist einer der Gründe, warum ich Amanda irgendwie mag«, erklärte Beckett. »Sie will hier heiraten, wo Ryan aufgewachsen ist.«

Carter schnaubte. Ryan lachte sich also ein verwöhntes High-Society-Girl an, das auch noch nett zu sein schien.

»Also, es ist nicht wirklich groß, und den meisten Platz brauchen meine …«

»… Farben«, sagte Carter tonlos, während er über das Chaos aus Farbeimern, Tuben, Schwämmen, Lappen, Mischpaletten und Terpentin-Dosen sah. Hätte Beckett ein großes Haus bewohnt, mit hohen Decken und großen Fenstern, wäre ihm der Raum vielleicht gar nicht so vollgestopft vorgekommen. Aber Beckett lebte in dem kleinen Kutschenhaus, das auf dem Grundstück seiner Eltern in der Nähe der Ställe stand. Die Decken waren niedrig, die Fenster klein und nicht besonders sauber. An den Wänden reihten sich Regale voller Farbdosen, dazwischen lehnten Bücher mit abgewetzten Rücken, manche waren sogar mit Farbe besprenkelt. Er entdeckte CDs und DVDs in einem bunten Durcheinander. Weiter vorne lehnte eine Gitarre an der Wand, die bereits eine dicke Schicht Staub angesetzt hatte. Ein paar Medaillen, die Beckett bei Reitturnieren gewonnen hatte, hingen lieblos an einem Nagel, der in der Wand steckte.

»Also, hätte ich gewusst, dass du kommst, dann …« Beckett sah sich in dem offen gestalteten Wohnraum um, der Wohnzimmer, Küche, Esszimmer und Atelier in einem war. »Es wurde ziemlich spontan entschieden, dass du bei mir wohnen wirst«, endete er dann kleinlaut.

»Kein Ding«, sagte Carter leichthin, obwohl er sich nicht sicher war, ob er lachen oder schreien sollte. Er war froh, dass die Hochzeit in etwas mehr als einer Woche, kurz vor Weihnachten, über der Bühne wäre. Danach würde er in sein aufgeräumtes, cleanes Appartement nach L.A. zurückkehren.

»Solange du mir keine Farbe ins Müsli schüttest.«

»Du kannst dir dein Müsli selbst machen«, brummte Beckett. »Dein Schlafzimmer ist oben, komm mit.« Er schulterte Carters Reisetasche und ging voraus. Carter folgte mit seinem Keyboard und fragte sich ernsthaft, wie er in so einem Saustall arbeiten sollte. Er steckte mitten in einem wichtigen Projekt und musste eine Deadline einhalten. Die Überraschung über Ryans anstehende Hochzeit hatte seine Pläne ins Nirvana torpediert. Er würde den Zeitplan nur einhalten können, wenn er auch während seines Aufenthalts in White Falls weiter arbeitete.

Das obere Stockwerk sah noch schlimmer aus als das untere. Hier stapelten sich Umzugskisten übereinander, Leinwände lehnten an der Wand, einige bemalt, andere nicht, ein Koffer stand in der Ecke. Schweigend gingen sie über den Gang.

»Das Badezimmer ist auf der linken Seite. Und hier ist dein Zimmer.« Beckett stieß eine Tür auf und ließ seine Tasche auf den Boden fallen. »Oh«, sagte er und eilte auf das Bett zu, das in der Mitte des Raums stand. Eine Dachschräge verkleinerte den Raum noch mehr, ein winziges Fenster erhellte das Chaos, das auch hier drinnen herrschte, nur minimal. Auf dem Bett stapelten sich weitere Kartons. Carter lachte auf. »Scheiße, Beck, du bist ja ein richtiger Messie.«

»Ich hatte nur viel Arbeit, bin erst letzte Woche von einer Ausstellung zurückgekommen«, verteidigte sich Beckett. Er trug die Kisten an Carter vorbei nach draußen und stapelte sie auf die anderen.

»Wo hast du denn ausgestellt?«, fragte Carter nach. Seit er Beckett kannte, hatte der gemalt. Irgendwie war es klar gewesen, dass seine Kunst ihm irgendwann einmal den Lebensunterhalt finanzieren würde.

»Atlanta«, erwiderte Beckett.

»Also zeigst du deine Bilder inzwischen anderen Leuten?« Carter grinste. Beckett war ein richtiger Geheimniskrämer gewesen, was seine Zeichnungen anging. Nur selten hatte er sich überwunden und sie jemandem gezeigt. Er zum Beispiel hatte nie eine zu Gesicht bekommen.

»Sie finanzieren mir einen Teil meines Lebensunterhalts«, sagte er.

»Darf ich sie sehen?«

»Unten im Wohnzimmer liegt ein Katalog«, sagte Beckett achselzuckend. »Willst du dich erst ausruhen oder bist du bereit, Amanda kennenzulernen?«

»Ohne Scheiß, ich habe Angst«, murmelte Carter. Er legte sein Keyboard auf das Bett und wandte sich um. »Zuerst Kaffee.«

2

Beckett

Sie betraten das Franklin‘s und wurden sofort von den verschiedensten Gerüchen verzaubert. Kaffee, Schokolade, Gebäck. Ein Ort des Teufels.

Carter ging mit dem selbstbewussten Schritt eines Mannes voraus, der mitten im Leben stand. Natürlich wusste Beckett alles über ihn. Von seinem Studium an der Westküste, dass er zusammen mit Ryan an der UCLA absolviert hatte, seinen ersten Versuchen, als Musiker Geld zu verdienen, der eher mäßig erfolgreichen Acoustic-Band, in der er der Singer und Songwriter gewesen war. Trotzdem war er bei einem der Auftritte von einem Filmproduzenten entdeckt worden. Der Rest war Geschichte. Carter schrieb Filmmusik und war Anfang des Jahres für den Oscar nominiert worden. Er war dabei, ein echter Promi zu werden. Amanda würde voll auf ihn fliegen, dessen war er sich sicher.

»Was trinkst du?«, fragte er Carter und studierte die Tafel, auf der eine unendliche Anzahl von Geschmacksvarianten notiert war.

»Ich probiere den Kürbis-Latte«, sagte Carter nachdenklich. Beckett bestellte sich seinen üblichen schwarzen Kaffee, sie bezahlten und gingen wieder raus.

»Jetzt fängt es an«, brummte Carter und sah in den sich verdunkelnden Himmel, von dem die ersten Schneeflocken fielen.

»Schnee war vorhergesagt«, erwiderte Beckett nur. Er genoss die Gegenwart von Carter schon in diesen ersten Stunden viel zu sehr. Auch würde es sein kleines Geheimnis bleiben, dass er ein kleines Freudentänzchen hingelegt hatte, nachdem sie entschieden hatten, Carter bei ihm einzuquartieren. So nahe war er ihm schon lange nicht mehr gewesen, und er hatte sich vorgenommen, jeden Moment mit ihm zu genießen.

Auf eine sehr platonische Art und Weise.

Niemand wusste von seinen Gefühlen für den Freund seines Bruders, aber Carter war ihm schon immer einer der liebsten Menschen auf der Welt gewesen, obwohl sie nie mehr als eine lockere Freundschaft verbunden hatte, dennoch hatte er sich ihm immer besonders nahe gefühlt. Carter hatte ihn damals permanent aufgezogen und genervt, gleichzeitig aber bedingungslos so akzeptiert, wie er war. Ein bisschen introvertiert, gern für sich, nicht besonders freundlich.

Außerdem war er ein wahnsinnig interessanter Mensch. Beckett liebte seine Gesichtsmimik, die ganze Geschichten erzählen konnte. Er hatte eine besondere Art, sich zu bewegen, und ging sparsam mit Gestik um. Er lachte oft, und das vergnügte Glitzern in seinen Augen ließ Becketts Brust eng werden.

»Ich wohne seit Jahren an der Westküste. Ich darf genervt sein vom Schnee.«

»Das gilt für reine Kalifornier. Aber du bist hier aufgewachsen, du hast dich gefälligst zu freuen«, erwiderte Beckett und rempelte Carter an. »Bereit für das glückliche, zukünftige Brautpaar?«

»Wird schon«, erwiderte Carter nur knapp und ging, an seinem Kürbis-Latte nippend, neben ihm die Straße hinunter.

White Falls war eine belebte Kleinstadt, wie es sie zu tausenden in den USA gab. Dabei gab es eine kleine Besonderheit: White Falls war das Hochzeitsmekka der Ostküste. Jeder, der etwas auf sich hielt, heiratete hier. Es gab monatelange Wartelisten, das schönste Hotel, den besten Konditor, die leckerste Torte und den humorvollsten Trauredner. Wer hier heiraten durfte, konnte sich glücklich schätzen.

Sommers wie Winters war White Falls beliebt bei heiratswilligen Paaren. Mehrere Pavillons mit Kerzen und Lichterketten verziert, waren im Park verteilt aufgebaut. Dort zu heiraten, war genauso romantisch wie die beliebten Trauungen im blühenden Rosengarten oder in der kleinen Remise direkt neben einem der vielen Wasserfälle in den höheren Lagen.

White Falls war ausgerüstet für jeden noch so verrückten Wunsch eines Brautpaares. Hier heirateten reiche Menschen aus der High Society genauso wie das Pärchen von nebenan. Dieser Ort bedeutete, dass man seine Traumhochzeit bekam, wie auch immer die aussehen mochte.

Ryan und Beckett hatten, während ihrer Kindheit, ihren Eltern in den Ställen und bei den gebuchten Kutschfahrten geholfen, während Carter sich einen Job im Hotel gesucht hatte und dort für die Pflege der Gartenanlagen zuständig gewesen war.

»Nettes Häuschen«, sagte Carter und sah an der Fassade von Ryans Ferienhaus empor, vor dem sie stehen geblieben waren.

»Anwalt«, erwiderte Beckett nur, als würde das alles erklären, dann klopfte er an die Haustür. Durch die Scheibe schien das Licht warm und gemütlich zu ihnen heraus.

»Ryan, sie sind da!«, rief Amanda, als sie im gleichen Augenblick die Tür öffnete und sie beide anstrahlte. Beckett warf einen unauffälligen Blick zu Carter hinüber, der Amanda anstarrte, als wäre sie die erste Frau auf Erden, der er begegnete. Er unterdrückte ein Grinsen und begrüßte Amanda mit Wangenküsschen.

Die Frau war unglaublich. Sie besaß eine natürliche, bronzefarbene Haut und die weißesten Zähne, die er jemals an einem Menschen gesehen hatte. Ihre glatten braunen Haare schimmerten und passten zu ihren dunklen Augen.

»Und du musst Carter sein«, sagte sie begeistert. Sie umarmte Carter, der etwas steif auf die Berührung reagierte.

»Da seid ihr ja schon«, sagte Ryan, der aus dem Inneren des Hauses aufgetaucht war. Er sah zwischen ihnen hin und her, ehe sein Blick an Carter hängen blieb. Wie immer. Carter und Ryan, das war pure Symbiose, und wenn man kein Teil von ihrem blinden Verständnis füreinander war, konnte man schon ein wenig neidisch werden. Die beiden teilten eine Menge Geheimnisse miteinander.

Vermutlich war Beckett der einzige Mensch auf Erden, der einige von ihnen erahnte.

Carter

Sie war nett. Sogar lustig, sie sah gut aus, und sie trug Ryan auf Händen. Und der saß da und grinste sie mit diesem komischen Gesichtsausdruck an, den Carter noch nie an ihm gesehen hatte.

Er wollte kotzen.

»Möchtest du noch Bohnen?«, fragte Amanda an ihn gerichtet nach.

Carter schüttelte den Kopf. »Ich bin satt.«

»Dann kann ich dir ja endlich meinen Hobbyraum zeigen«, sagte Ryan und erhob sich augenblicklich. Er warf die cremeweiße, viel zu elegante Serviette auf den Tisch und winkte Carter hinter sich her. »Komm mit, das wird dir gefallen.«

Carter erhob sich. Er spürte, wie Becketts Blick ihnen folgte, und auch Amanda beobachtete sie, doch er ignorierte beide und folgte Ryan mit klopfendem Herzen.

Wenn nicht alles so kompliziert wäre, dann wäre er jetzt der glücklichste Mensch auf Erden, weil er endlich wieder bei Ryan sein konnte. Doch zwischen ihnen standen noch immer die Ereignisse in L.A., nachdem Ryan vollkommen überstürzt und ohne ein Wort aus seinem Leben verschwunden war. Fünf Jahre waren seitdem vergangen, in denen sie nur höfliche Worte und Weihnachtskarten miteinander getauscht hatten. Er hatte es wirklich gehasst, gleichzeitig aber nicht gewusst, wie er auf seinen ehemals besten Freund zugehen sollte.

Und nun stand er hier, in Ryans Haus, das er mit seiner Verlobten bewohnte, und alles, woran er denken konnte, war, wie es sich angefühlt hatte, Ryan zu küssen. Nach fünf bitteren Jahren waren das seine Gedanken. Hallelujah.

Sie gingen durch die Tür und eine Treppe hinab, bis sie in einem Raum standen, der dem Hobbykeller in Ryans Elternhaus auffallend ähnelte. Die Wände waren mit Holzleisten verziert, die alt und verwurmt aussahen und dadurch ihren ganz eigenen Charme besaßen, in die Decke waren LED-Spots eingelassen, und der Boden bestand aus schwarzen Fliesen.

»Fuck, ist das …«

»Ich habe sie von zu Hause mitgenommen«, sagte Ryan stolz, und sie betrachteten die Dart-Scheibe, an der sie hunderte von Spielen gespielt hatten.

»Und in der Bar gibt es jetzt sogar Alkohol«, sagte Ryan mit einem Schmunzeln und unverkennbarem Stolz in der Stimme. Er trat hinter den Tresen und holte aus einem kleinen Kühlschrank zwei Bierflaschen. Eine reichte er Carter, dann sah er sich um. »Wie findest du es?«

»Ziemlich cool. Ich dachte eigentlich immer, dass wir unsere Hobbyräume ins Wohnzimmer verlegen, sobald wir erwachsen und unsere Wohnungen größer als ein Schuhkarton sind.«

Ryan zuckte mit den Schultern. »Du als Junggeselle kannst das ja auch machen.« Ryan pulte mit dem Fingernagel am Etikett seiner Flasche herum, dann sah er Carter wieder an. Unter seinem Blick wurde ihm ganz warm – wie damals. Wie immer.

»Ich war ein Arschloch, oder? Als ich damals einfach abgehauen bin.«

Carter blinzelte, denn der plötzlich ernste Tonfall in Ryans Stimme überraschte ihn. Er hatte mit allem gerechnet, aber nicht damit, dass der zukünftige Ehemann ausgerechnet hier und heute dieses Thema anschnitt. Aber wo sie schon mal dabei waren, konnten sie auch gleich Klartext sprechen.

»Ich würde sagen, wie der Arsch aller Ärsche«, konkretisierte Carter und nippte an seinem Bier.

Ryan nickte nachdenklich. »Ich … du glaubst nicht, wie oft ich das Telefon in der Hand hatte, weil ich dich anrufen wollte.«

»Aber? Dann kam ein Schneesturm im Sommer, der das Stromnetz lahmgelegt hat? Ein EMP-Notfall? Dein Handy wurde von gefährlichen Straßengangstern geklaut?«

»Schon gut«, fuhr Ryan dazwischen. »Ich hab’s kapiert.«

»Fünf Jahre zu spät, Alter«, erwiderte Carter und schüttelte den Kopf. »Was ist passiert? Eine Frau? Seit wann?« Er beobachtete, wie sich Ryans Wangen leicht röteten und er seinem Blick auswich.

»So läuft das eben«, sagte er mit einem Schulterzucken. »Manchmal geht es ganz schnell.«

»Sie hat eine Vagina«, sagte Carter mit hochgezogenen Augenbrauen.

Ryan lachte. »Das ist mir durchaus aufgefallen. Und du redest ganz schön krass von meiner Verlobten.«

Carter ging auf Ryan zu. Er hatte sich einmal so viel von diesem Mann erhofft. Sie waren mehr gewesen als nur Freunde, und jetzt erzählte er ihm, dass er eine Frau liebte und mit ihr eine Familie gründen wollte? Das Wissen darum stellte komische Dinge mit seinem Magen an. Sie hatten einander mal ziemlich viel bedeutet und gleichzeitig scheinbar nicht genug, aber irgendwie hatte es sich bei Ryan und ihm immer so angefühlt, als wäre das mit ihnen noch nicht zu Ende. Sie hatten doch gerade erst angefangen, und dann war Ryan einfach gegangen.

Monatelang hatte Carter in einer Warteschleife gehangen. Er hatte nachgedacht, jeden gemeinsamen Moment analysiert, auf den Kopf gestellt und wieder verworfen. Er wünschte, er hätte diesen einen Augenblick gefunden, in dem es ihm gelungen wäre, Ryan davon abzuhalten, vor ihm wegzulaufen. Er wünschte sich, er hätte besser auf ihn aufgepasst, wäre geduldiger gewesen, mit mehr Verständnis.

Natürlich hatte er irgendwann mitbekommen, dass Ryan in New York in einer schicken Kanzlei arbeitete, dass er erfolgreich in seinem Job war und die Karriereleiter aufstieg. Zwei Jahre vergingen, ehe ihn die erste Weihnachtskarte erreichte. Dann kam ein Geburtstagspäckchen. Als Anfang des Jahres der Oscar an einen der anderen Nominierten ging, hatte Ryan ihm eine nette SMS geschrieben.

Carter ging Unterhaltungen durch, die sie miteinander geführt hatten. Gespräche, die ihm einen Hinweis hätten geben müssen, dass zwischen Ryan und ihm eben nicht alles so gut lief, wie er das gern gehabt hätte.

»Wir könnten uns einen Van mieten und durch die USA reisen.«

»Coole Idee. Wir reisen an verlassene Orte, wo wir keine Menschenseele kennen, und dort werde ich dich verführen.«

Oder:

»Lass uns in den neuen Pub gehen. Das Bier dort soll fantastisch sein.«

»Das können wir auch ein andermal tun. Wir leihen uns jetzt einen Film aus, ich mache Popcorn.«

Mit Ryan war es nie leicht und unkompliziert gewesen, er hatte sich immer schwer getan mit seiner offensichtlichen Vorliebe für Männer. Nie hatte er dazu gestanden, und sich schon gar nicht geoutet. So viele der Dinge, die Carter gern gemeinsam mit ihm erlebt hätte, hatten sie nicht gemacht, weil Ryan fürchtete, dass jemand sein Geheimnis aufdecken könnte.

Im Gegensatz zu Carter hatte er nie offen homosexuell gelebt. Carter hatte mehr als einmal mitbekommen, wie er anderen erzählte, dass er ja überhaupt nichts damit anfangen könne. Nachts kam er dann unter seine Decke gekrochen und fickte ihn auf eine sehr homosexuelle Art und Weise. Carter wusste nicht mehr, wie oft er darüber nachgedacht hatte, Ryan aus seinem Leben zu streichen, weil ihn der ständige Wechsel aus Annäherung und Ablehnung unendlich viel Kraft kostete.

Die Erinnerung an ihr geheimes Sexleben brachte seinen Körper auch heute noch zum Kribbeln. Seit Ryan hatte es andere Männer gegeben, aber mit ihm war es immer besonders gewesen. Explosiv, kraftvoll, so oft war er wütend gewesen, hatte diese Wut in sexuelle Energie umgewandelt und ihm einige der heftigsten Orgasmen seines Lebens geschenkt.

Traurige Tatsache.

Ohne darüber nachzudenken, trat Carter zwischen Ryans Knie und sah ihn an. »Sie ist eine Frau«, sagte er leise. »Willst du das wirklich?« Er hob eine Hand und ließ sie in einem Anflug von verlorener Sehnsucht durch seine Haare gleiten. Er schloss die Augen, als ihn die Erinnerungen zu überwältigen drohten.

Ryan lehnte sich in seine Berührung und seufzte leise. »Ich bin so froh, dass du gekommen bist.«

Carter betrachtete ihn, mit all der Liebe, die er schon immer für ihn empfunden hatte, und das Gefühl des Verlusts war schmerzhaft.

»Carter? Ry? Kommt ihr hoch? Amanda serviert das Dessert.« Beckett kam langsam die Treppen runter, woraufhin Carter die Hand sinken ließ und unwillkürlich einen Schritt zurücktrat. Leise Wut auf Beckett züngelte in ihm hoch. Er wollte kein Dessert, das Amanda vorbereitet hatte. Er wollte hierbleiben und sich mit Ryan unterhalten, herausfinden, wo sein Freund hingegangen war und wie er ihn wieder zurückbekommen konnte. Hatte er sich wirklich für eine Frau entschieden, obwohl er all die Jahre ihn hätte haben können?

»Kommt ihr?«, fragte Beckett, der jetzt stehengeblieben war und zwischen ihnen hin- und hersah.

»Klar«, sagte Ryan irgendwann, erhob sich und ging um Carter herum nach oben. Carter blieb zurück und starrte vor sich hin, konnte und wollte einfach nicht glauben, dass das hier gerade wirklich passierte.

»Komm, Carter«, sagte Beckett nochmal.

»Und?«, fragte Beckett, als sie auf dem Nachhauseweg waren. »Wie findest du sie?«

»Nett.«

»Sie hat nichts getan«, sagte Beckett, und es hörte sich an, als würde er sie verteidigen.

»Ich habe doch gesagt, dass ich sie nett finde«, erwiderte Carter genervt. »Tut mir leid, wenn ich keine Lobeshymne auf sie singe. Das kannst gern du übernehmen.«

Beckett schnaubte. »Ich glaube Ryan und sie sind sehr glücklich miteinander. Sie gibt ihm Ruhe.«

»Ja, das kann sie gut, weil sie ja vierundzwanzig Stunden am Tag um ihn herumscharwenzelt und ihm den Arsch nachträgt.«

Beckett blieb mitten auf dem Weg stehen. Den Boden bedeckte inzwischen eine feine Schicht aus Schnee. Morgen früh wäre White Falls ein Winterwunderland. Für die nächsten vier Monate. Carter hasste es jetzt schon. Er stieß die Hände frustriert in die Taschen seines Mantels.

»Du wurdest nicht eingeladen, damit du dich zwischen Amanda und Ryan drängen kannst, okay? Ryan hat seine Wahl getroffen und die solltest du akzeptieren.«

Carter schnaubte. »Die beiden passen nicht zusammen.«

»Manchmal braucht es keine Gemeinsamkeiten, sondern Gegensätze. So ist das nun mal, Carter! Und Ryan ist erwachsen. Er ist glücklich.«

Carter schnaubte und ging um Beckett herum, der ihn jedoch aufhielt, indem er seinen Arm umfasste. »Du bist als Freund hier. Als Trauzeuge. Nicht mehr. Du wirst dich nicht einmischen, klar?«, zischte Beckett und klang so wütend, wie Carter ihn noch nie gehört hatte.

»Habe ich etwas anderes gesagt?« Carter riss sich ruckartig von Beckett los. »Sie ist nett, verdammt. Was willst du noch hören?«

»Nichts«, brummte Beckett und ging weiter. Carter sah ihm hinterher und seufzte. Er musste etwas tun, denn Ryan war unglücklich. Traurig genug, dass sein eigener Bruder das offenbar nicht bemerkte, aber er war nicht so blind. Und er würde nicht eher ruhen, als bis Ryan die für ihn richtige Entscheidung getroffen hatte.

3

Beckett

Die Sache mit seiner Kreativität war verrückt.

---ENDE DER LESEPROBE---