Yes We Could - Meike Mittmeyer-Riehl - E-Book

Yes We Could E-Book

Meike Mittmeyer-Riehl

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Beschreibung

2008: Während die Welt von einer Finanzkrise erschüttert wird, träumt Amerika von einer besseren Zukunft mit Barack Obama. Der kollektive Freudentaumel, "Obamanie" genannt, ist vor allem in dessen Heimatstadt Chicago greifbar. Dort verbringt die damals 21-jährige Journalistin Meike Mittmeyer - selbst engagierte Kommunalpolitikerin - gerade ein Auslandssemester. Sie begleitet den Wahlkampf und das Weltgeschehen mit spitzer Feder in ihrem Blog. Dabei zeichnet sie das facettenreiche Bild eines Landes im Umbruch, in dem ein Donald Trump als Präsident noch so fern erschien wie eine andere Galaxie. Eine turbulente Retrospektive, die nun ungekürzt und mit ausgewählten Bildern und Leser-Kommentaren erstmals gesammelt als Buch vorliegt!

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Seitenzahl: 166

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Meike Mittmeyer-Riehl

Yes We Could

Chicago im Rausch der "Obamanie" 2008

 

 

 

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis

Titel

Vorwort

8.7.2008

11.7.2008

14.7.2008

20.7.2008

28.7.2008

2.8.2008

8.8.2008

12.8.2008

21.8.2011

22.8.2008

24.8.2008

26.8.2008

27.8.2008

28.8.2008

30.8.2008

31.8.2008

1.9.2008

2.9.2008

3.9.2008

4.9.2008

5.9.2008

7.9.2008

8.9.2008

10.9.2008

11.9.2008

13.9.2008

14.9.2008

17.9.2008

18.9.2008

18.9.2008

19.9.2008

21.9.2008

22.9.2008

23.9.2008

25.9.2008

26.9.2008

26.9.2008

28.9.2008

1.10.2008

2.10.2008

5.10.2008

7.10.2008

10.10.2008

12.10.2008

15.10.2008

19.10.2008

21.10.2008

22.10.2008

23.10.2008

26.10.2008

28.10.2008

29.10.2008

30.10.2008

2.11.2008

3.11.2008

Gastbeitrag

4.11.2008

5.11.2008

6.11.2008

7.11.2008

9.11.2008

14.11.2008

16.11.2008

18.11.2008

20.11.2008

21.11.2008

23.11.2008

24.11.2008

28.11.2008

1.12.2008

4.12.2008

6.12.2008

9.12.2008

12.12.2008

15.12.2008

15.12.2008

17.12.2008

21.12.2008

23.12.2008

Impressum neobooks

Vorwort

Zwischen August und Dezember 2008 befand sich mein Lebensmittelpunkt 6.994 Kilometer Luftlinie westlich meines kleinen, beschaulichen Heimatörtchens. Knapp fünf Monate lang lebte, arbeitete und studierte ich in Chicago im US-Bundesstaat Illinois. Als 21-jährige Online-Journalismus-Studentin der Hochschule Darmstadt absolvierte ich ein berufspraktisches Semester am Goethe-Institut. Die Reise war für mich in zweierlei Hinsicht äußerst abenteuerlich: Zum einen war es eine prägende Reise auf dem Weg ins Erwachsenwerden. Ich, geboren und verwurzelt im ländlich geprägten Speckgürtel nahe Frankfurt am Main, war zum ersten Mal für längere Zeit von Familie, Freunden und festem Freund getrennt und stürzte mich in die Tiefen einer quirligen amerikanischen Metropole.

Zum anderen war es für mich als junge Journalistin und engagierte, ehrenamtlich tätige Kommunalpolitikerin eine einmalige Chance, den historischen Präsidentschaftswahlkampf von Barack Obama in dessen Heimatstadt mitverfolgen zu können – anders als in der Heimat nicht als umtriebige Akteurin, sondern als ausländische Beobachterin.

Ich bin seit 2006 Mitglied der SPD, stieg in meinem Ortsverein in jungen Jahren vor allem aus demographischen Gründen rasch zur stellvertretenden Vorsitzenden auf und stürzte mich mit viel Enthusiasmus und Tatendrang in Wahlkämpfe und das alltägliche kommunalpolitische Geschehen. Als ich im August 2008 in die USA reiste, wusste ich noch nicht, dass der Rest des Jahres für die hessische SPD und auch die Bundespartei eine mehr als turbulente Zeit werden würde. Die dramatischen Geschehnisse rund um die „vier Abweichler“ und Andrea Ypsilanti verfolgte ich aus tausenden Kilometern Entfernung, zugleich gebannt und entsetzt. Zur gleichen Zeit entwickelte sich in Chicago eine politische Stimmung, die gegensätzlicher nicht hätte sein können: Mit der Kandidatur von „Chicago’s own“ Barack Obama politisierte sich die amerikanische Metropole bis ins kleinste Detail hinein, schaukelte sich hoch zur Euphorie, zur „Obamanie“.

Und zwischendurch versuchte ich mich in meinem Praktikum am Goethe-Institut mal als Kulturbotschafterin, mal als Journalistin und mal als Referentin, lernte die Stadt und ihre Menschen kennen und lieben. Dabei merkte ich allerdings auch relativ schnell, dass zwischen meinem fernen Zuhause und meiner Wahl-Heimat auf Zeit mehr lag als nur der atlantische Ozean. Nicht nur politisch.

Meine Erlebnisse und Gedanken aus dieser Zeit hielt ich, teils für mich selbst, aber vor allem auch für die Daheimgebliebenen, in meinem Internet-Blog „Meike in Chicago“ fest. Die Seite ist schon seit Jahren nicht mehr im Netz, ich habe aber alle Texte aufbewahrt und lange unangerührt auf meiner Festplatte liegen lassen. Vor Kurzem sind sie mir durch Zufall wieder in die Hände gefallen. Beim Lesen habe ich an einigen Stellen erinn-erungsselig gegrinst, an anderen die Stirn gerunzelt und an wieder anderen lauthals gelacht. Nicht immer kann ich aus heutiger Sicht die Einschätzungen meines jüngeren Ichs teilen oder dessen Handlungen nachvollziehen. Trotzdem habe ich es bewusst vermieden, die Texte zu verändern, ich habe sie konserviert, ungekürzt, unverändert, echt und authentisch, wie sie waren, samt einer Auswahl an Fotos und Leserkommentaren. Mein Blog auf Papier gebannt. Herausgekommen ist dabei die spannende Retrospektive einer Zeit, die global gesehen politisch zwar auf wackeligen Beinen stand, in der man aber auch ganz deutlich ein Gefühl von Aufbruch, von positivem Wandel spüren konnte, verkörpert durch die Lichtgestalt Barack Obama und seinen Leitspruch „Yes We Can“. Dieses Gefühl habe ich in meinen Blog-Beiträgen versucht einzufangen und für all jene greifbar zu machen, die nicht so hautnah am Puls des Geschehens sein konnten.

Heute, nur zehn Jahre später, wissen wir leider, dass sich die Welt in vielen Bereichen ganz anders entwickelt hat als wir uns das im Jahr 2008 noch erhofft hatten. Es scheint fast, als habe sie sich rückwärts gedreht. Auf dem Höhepunkt der „Obamanie“ war die Vorstellung, dass weniger als zehn Jahre nach der Wahl des ersten schwarzen US-Präsidenten rechtspopulistische Parteien weltweit die Parlamente stürmen, dass offen geäußerter Rassismus plötzlich wieder salonfähig ist, dass Mauern gebaut statt abgerissen werden und dass die Welt unter den Trumps, Putins, Erdogans und Orbans aufgeteilt wird, so fern wie eine andere Galaxie. Auch mein persönliches Leben ist in vielen Punkten leider ganz anders verlaufen als ich das 2008 noch gedacht hatte. Redakteurin beim Spiegel oder der Zeit zu werden, vielleicht als Auslandskorrespondentin, das war mein hochgestecktes Ziel. Oder in die Politik gehen, professionell, in den Landtag oder den Bundestag. Was ich lieber machen wollte, wusste ich damals noch nicht genau. Ich war ja noch so jung und hatte alle Zeit der Welt. Ich konnte nicht ahnen, dass mich nur gut drei Jahre später eine schwere Erkrankung aus der Bahn werfen würde. Im Alter von nur 24 Jahren hatte ich einen Schlaganfall, aufgrund eines sehr selten vorkommenden plötzlichen Gefäßeinrisses in der Halsschlagader.

Diese einschneidende Erfahrung sortierte auch die Prioritäten in meinem Leben neu. Ich wurde weder Auslandskorrespondentin noch Berufspolitikerin. Dafür schrieb ich ein Buch über meine Erkrankung („Der Spalt“, ebenfalls erschienen bei neobooks) und bin heute als Botschafterin in Sachen Früherkennung von Schlaganfällen unterwegs. Das Leben ist nun mal wie ein Zug, den man besteigt, ohne wirklich zu wissen, wohin er fährt. Und obwohl man einen Reiseplan dabei hat, obwohl man alle Stopps, alle Umstiege und alle Anschlusszüge penibel herausgesucht hat, muss man plötzlich feststellen, dass es auf dem Weg Steigungen, Täler, Windungen und Unwetter gibt, die man nicht einkalkuliert hatte. Aber das macht doch überhaupt erst den Reiz des Lebens aus, oder?

Mein Abenteuer Chicago hat mich als Mensch und als Journalistin so sehr geprägt wie kaum eine andere Erfahrung. Ich denke, die folgenden Beiträge werden Ihnen als Leser/in einen recht guten Eindruck davon vermitteln. Es wäre schade gewesen, diesen spannenden Zeitzeugenbericht, der sich phasenweise liest, als beschreibe er eine andere Welt, auf der Festplatte versauern zu lassen.

Ich glaube nach wie vor daran, dass eine bessere Welt möglich ist. Doch sie ist kein Selbstläufer. Wir alle müssen etwas dafür tun. Das muss ja nicht gleich in eine „Obamanie“ münden. Aber ein Gemeinschaftsgefühl, ein Gefühl des Aufbruchs und der Glaube daran, etwas zum Guten verändern zu können – das ist möglich, und dieser Glaube kann uns einen. Es hat doch schließlich schon mal geklappt. Yes we could. Yes we can.

Meike Mittmeyer-Riehl im August 2018

8.7.2008

Bald geht's los...

Schon sehr bald werdet ihr hier einiges über die Vorbereitungen meines 4-monatigen Amerika-Abenteuers lesen können. Und ab dem 23. August gibt es Live-Berichte aus der "Windy City", denn dann heißt es für mich: Sleepless in Chicago. Vorher werden mir aber sicherlich auch noch so einige schlaflose Nächte hier in Deutschland bevorstehen. Denn die Aufregung steigert sich von Tag zu Tag...

11.7.2008

Ein langer Weg

Bewerbung abschicken, Visum beantragen, Stipendium besorgen, Wohnung suchen - klingt doch nicht so schwer! Nachdem ich diese Schritte nun hinter mich gebracht und dafür insgesamt fast ein ganzes Jahr gebraucht habe, kann ich euch sagen: Es ist schwer! Und wer von euch mit dem Gedanken spielt, auch mal für längere Zeit zum Arbeiten in die USA zu gehen, dem kann ich nur wärmstens empfehlen, früh anzufangen...

Zur Entwarnung sei vorab noch gesagt: Die meiste Zeit dieses einen Jahres der Vorbereitung habe ich natürlich mit Warten verbracht - warten auf Zusagen, warten auf Post, warten auf Termine. Aber ohne das Warten geht es nicht - es muss in alle Vorbereitungsschritte mit eingeplant werden.

Abenteuer Bewerbung

Von den 3 "Abenteuern", die ich inzwischen in der Vorbereitung hinter mich gebracht habe, war die Bewerbung noch das einfachste und am wenigsten spektakuläre. Die Bewerbungsunterlagen für das Goethe-Institut gibt es auf goethe.de herunterzuladen. Einfach drei Wunsch-Institute auswählen, Unterlagen ausfüllen, abschicken und warten - und einige Wochen oder Monate später eine Zusage erhalten. Geschafft!

Neben Chicago hatte ich mich außerdem noch in Los Angeles und Washington beworben. Warum habe ich nun die windy city, in der es im Winter schon mal bitter kalt werden kann, dem sunny California vorgezogen? Komischerweise hat es mir Chicago schon immer angetan. Schon als Kind wollte ich in diese Stadt, die ich auf Bildern gesehen hatte und in die mein Vater schon mehrmals beruflich gereist war. Chicago, my kind of town. Das hat schließlich schon Frank Sinatra gesungen. Und der muss ja Recht haben.

Abenteuer Visum

Jetzt geht's also los mit der Bürokratie. Ich weiß ja nicht, wie es ist, eine Steuererklärung zu machen, aber seitdem ich ein J1-Visum für die USA beantragt habe, kann mich das glaube ich nicht mehr schockieren. Ich erspare mir und euch die einzelnen Schritte im Detail (wer es genauer wissen will, der informiert sich am besten im Auslandsbüro der Hochschule). Wahrscheinlich habe ich nach dem 15. Formular, in das ich Name, Anschrift, Geburtstag, Zeitraum und Anlass meines Praktikums usw. eintragen musste, aufgehört zu zählen. Dazu kamen diverse Besuche bei der Sparkasse und der Studiengangsleitung, reger E-Mail- und Telefonverkehr mit meiner TravelWorks und Briefwechsel mit dem Goethe-Institut. Nebenbei liefen Bewerbungsprozess und Auswahlgespräche für das Stipendium bei der Friedrich-Ebert-Stiftung.

Und dann endlich - der Termin beim US-Konsulat in Frankfurt. Ich fühlte mich an diesem Tag im Mai so, als würde ich bereits nach Chicago einreisen. Strenge Sicherheitskontrollen am Eingang, amerikanische Flaggen überall und Warten in einem riesigen Aufenthaltsbereich, der gut und gerne als Wartehalle am Flughafen durchgehen könnte. Alles war straff durchorganisiert: Jedes Dokument musste exakt in der richtigen Reihenfolge in der Mappe angeordnet sein.

Jeder Antragsteller hatte am Eingang ein kleines Zettelchen mit Nummer bekommen und wartete nun darauf, zwei Mal aufgerufen zu werden: Einmal, um Fingerabdrücke aller 10 Finger zu hinterlassen und die Dokumente einzureichen, und ein zweites Mal, um ein kurzes Interview zu führen und dann endlich die Bewilligung des Visums zu erhalten. So war ich also nach gut eineinhalb Stunden wieder draußen - ohne Reisepass, denn den musste ich dort lassen, um das Visum ausstellen zu lassen. Er wurde mir eine Woche später per Post zugeschickt.

Ganz in trockenen Tüchern ist die Sache allerdings noch nicht: Direkt nach meiner Einreise in die USA muss ich noch zu einem Social Security Officer, um mich an meinem Wohnort registireren zu lassen. Was mich dort erwartet, werdet ihr also irgendwann ab dem 23. August lesen können...

Abenteuer Wohnungssuche

So richtig abenteuerlich war aber erst die Suche nach einer Unterkunft in Chicago. Frühere Praktikantinnen vom Goethe-Institut empfahlen mir, Inserate bei craigslist.com zu schalten - einer Seite, auf der man nach WGs und möblierten Zimmern suchen kann. Abenteuerlich war nicht das Inserieren selbst - sondern die Antworten meiner potentiellen Roommates.

Da schrieben etwa 35-jährige Männer, die einen Platz in ihrem Penthaus an "pretty single girls" abzugeben hätten - ääh, ja. Schon klar. Oder es schrieb eine einsame Frau in den End-Vierzigern, die beruflich angeblich viel unterwegs sei und mir ihr komplettes zweigeschossiges Haus im neugotischen Baustil anbot, unter der Bedingung, ihre Hunde zu versorgen (wie viele Hunde das denn wären habe ich besser gar nicht erst nachgefragt....).

Wenn dann mal ein halbwegs seriöses Angebot dabei war, dann waren entweder die Mietpreise unbezahlbar, oder das Zimmer befand sich viel zu weit von der Innenstadt entfernt. Oder aber es gab ein Apartment in der südlichsten Südstadt, von der man sich im Dunkeln vor allem als Frau besser fernhalten sollte. Inzwischen habe ich aber vermutlich ein gutes Arrangement gefunden - eine WG mit einer Amerikanerin und ihren zwei Katzen, 5 Meilen nordwestlich der Innenstadt und mit super Verkehrsanbindung. Ein mulmiges Gefühl bei solchen Arrangements über das Internet bleibt natürlich - aber ein bisschen Angst gehört zu einem richtigen Abenteuer ja schließlich dazu.

Und nun habe ich alles beisammen: Praktikumsplatz, Visum, Stipendium und Wohnung. Chicago kann kommen! Und meine erste Steuererklärung in ferner Zukunft auch!

14.7.2008

Mission: Kultur

Mit interkulturellem Austausch werde ich in Chicago ständig zu tun haben. Kein Wunder bei einem Praktikum bei Deutschlands offiziellem Kulturinstitut. Kulturpolitik ist für mich eine der spannendsten politischen Disziplinen überhaupt. Aber was ist unsere "deutsche Kultur" überhaupt? Genau deshalb will ich nach Chicago: Um zu lernen, wie die Amerikaner unsere Kultur verstehen. Dazu werde ich nicht nur im Institut selbst Gelegenheit haben …

Das Land der Dichter und Denker - lang ist's her! Gibt es in Zeiten der Globalisierung überhaupt noch nationale Kultur? Was macht unsere deutsche Kultur aus und wo steckt sie - in den Köpfen der Menschen, in unserem Alltag, oder doch nur noch zusammengeschrumpelt im Feuilletonteil der Zeitungen?

Wenn ich eine Antwort auf diese und viele weitere Fragen wüsste, dann wäre ich wahrscheinlich nicht so riesig gespannt auf mein Praktikum am Goethe-Institut in Chicago wie ich es im Augenblick bin. Natürlich hat jeder sein eigenes Verständnis von Kultur. Kultur, das heißt ja auch: Tradition. Bewahrung des Einzigartigen. Ich bin sehr neugierig darauf, wie die offizielle Kulturarbeit der Bundesrepublik in den USA verwirklicht wird.

Aber beinahe noch viel gespannter bin ich darauf, meine eigene Kultur aus der Vogelperspektive betrachten zu können: Als Fremde in einem Land, das sich rein äußerlich vielleicht gar nicht so sehr von unserem eigenen unterscheidet, aber in Wirklichkeit doch ganz anders tickt als wir hier.

Darüber hinaus bin ich auch mit meinem ganz eigenen Kulturauftrag unterwegs. Schließlich ist jede Einzelperson Repräsentant seines Landes und seiner Kultur. Was man aus dieser Mission macht, bleibt jedem selbst überlassen. Ich jedenfalls habe meiner amerikanischen Mitbewohnerin versprochen, ihr die englische Edition von "Faust" mitzubringen. Sie liest sehr gerne, doch die deutsche Literatur ist ihr bisher fremd - wenn Goethe ihr gefällt, ändert sich das vielleicht bald. Aktueller als heute war der Faust vermutlich sowieso noch nie. Ich kenne die englische Ausgabe übrigens auch noch nicht. Das verschafft mir die nötige Distanz zum Werk, um es aus einer ganz anderen Sicht neu zu entdecken. Mal sehen, was ich dabei über mich und uns alle lernen kann. Ein großer Bestandteil von Kulturarbeit ist für mich vor allem auch, viel über sich selbst zu lernen - um das Handeln anderer dann besser nachvollziehen zu können.

Sicherlich ist meine ganz persönliche "Mission Kultur" nur ein winziger Teil der kulturpolitischen Aufgabe an sich. Aber wo soll Kultur denn anfangen, wenn nicht im Allerkleinsten? Der Teufel steckt doch meistens im Detail. Das heißt aber nicht, dass aus jedem Detail auch ein Teufel herausspringt, so wie Mephisto aus einem Pudel. Gerade nochmal Glück gehabt.

Ich bin der Geist, der stets verneint!

Und das mit Recht; denn alles, was entsteht,

Ist wert, dass es zugrunde geht;

Drum besser wär's, dass nichts entstünde.

So ist denn alles, was ihr Sünde,

Zerstörung, kurz das Böse nennt,

Mein eigentliches Element.

(Aus: Johann Wolfgang von Goethe: „Faust. Der Tragödie erster Teil“, Hamburger Lesehefte Verlag, Husum)

20.7.2008

Was nehm' ich bloß mit?

Ja ich gebe es zu, zum Packen ist es wirklich noch zu früh - noch ein Monat und drei Tage, bis es los geht. Andererseits ist es nicht gerade ein All-Inclusive-Urlaub, zu dem ich da aufbreche. Und wenn ich meinen Blick so durch mein Zimmer schweifen lasse, fallen mir schon einige Dinge auf, die ich zum täglichen Überleben brauche - die aber insgesamt definitiv mehr wiegen als 20 Kilo Reisegepäck …

"Ich habe nichts zum Anziehen!" Dieser Satz, den Frauen angeblich so oft benutzen, schießt mir auch durch den Kopf, wenn ich daran denke, dass ich den harten Chicagoer Winter überstehen muss, in dem das Quecksilber schon mal gerne auf minus 10 Grad oder noch weniger abrutscht. Das heißt also: Winterklamotten muss ich mir dort besorgen! Und auch sonst werde ich beim Gepäck wahrscheinlich an Klamotten sparen - 20 Kilo hat man ja für zwei Wochen Pauschalurlaub schon schnell zusammen, wie fix geht das dann erst, wenn ich Sachen für 4 Monate zu verstauen habe?

Und was soll ich ohne all meine Bücher machen? Am liebsten würde ich mir dieses vermutlich tonnenschwere Regal separat in die USA einfliegen lassen, weil ich mich einfach nicht entscheiden kann, was für eine Auswahl ich treffen soll. Letztendlich wird die Wahl wahrscheinlich auf möglichst viele dünne Reclam-Heftchen fallen - Quantität über Qualität! Die gesammelten Werke von Kafka oder Shakespeare werden da keine Chance haben gegen Dostojewski im Mini-Taschenbuchformat. Wie gut, dass in der heutigen Zeit das halbe Leben in den Laptop reinpasst - so habe ich wenigstens alle Fotos, Hörbücher und Lieblingslieder bei mir, ohne das Maximalgewicht auszureizen. Manchmal ist es eben doch ein Segen, im 21. Jahrhundert zu leben!!

28.7.2008

Deutschland – ein Sommermärchen?

Ein richtiger Sommerurlaub ist in diesem Jahr nicht drin, aber ein paar Tage ausspannen und Kopf-frei-kriegen sollten es vor meinem Chicago-Aufenthalt schon werden. Warum also nicht im eigenen Land? So war die glorreiche Idee geboren, mit Zelt und Campingausrüstung an den Biggesee ins Sauerland zu fahren. Blöd nur, dass es die Gewitterwolken an genau denselben Ort gelockt hat: Ein Zentrum der heftigen Sommergewitter der letzten Tage waren der Raum Dortmund und das Sauerland. Resultat: Durchnässte Zeltwände, Schlammpfützen auf dem Campingplatz und eine Tasche voll klammer Klamotten. Schön war's trotzdem und den Kopf freibekommen habe ich allemal, während ich im Zelt gesessen und auf den nächsten Blitzeinschlag gewartet habe!

2.8.2008

Noch 3 Wochen

Heute in drei Wochen ist es so weit. Sogar ziemlich genau um dieselbe Zeit (es ist jetzt 11.20 Uhr). Am 23. August um 11.10 Uhr hebt meine US-Airways Maschine in Richtung Philadelphia ab, von dort geht's weiter nach Chicago O'Hare. So langsam sammeln sich in einer Ecke meines Zimmers Sachen an, die in den Koffer wollen. So langsam beginne ich, jeden Tag nervös alle Dokumente durchzuschauen, um sicherzustellen, dass ich auch wirklich alles habe, um einreisen zu dürfen. So langsam versuche ich mir immer wieder diesen Moment auszumalen, wenn ich zum ersten Mal mein neues Zuhause für vier Monate betrete oder zu meinem ersten Arbeitstag im Goethe-Institut antrete. Bald werde ich wissen, wie weit sich diese Vorstellungen auf die Realität übertragen lassen, denn sehr bald ist die Realität bei mir angekommen - oder ich bei ihr?

8.8.2008

Englisch ist nicht gleich Englisch

Besser gesagt: Englisch ist nicht gleich Amerikanisch. Schließlich gibt es die Harry Potter Bücher ja auch in einer Original- und einer amerikanisch übersetzten Fassung. Das kommt nicht von ungefähr. Und dass sich diese beiden "Sprachen" nicht nur in Nuancen unterscheiden, sondern oft ein himmelweiter Unterschied besteht, ist aus dem Englischunterricht noch gut bekannt. Doppelbedeutungen von Wörtern wie "boot" oder "chips" können zu bösen Fallen werden. Um solchen Fettnäpfchen zu entgehen, habe ich mir nun ein amerikanisches Wörterbuch angeschafft - sicher ist sicher! Darin finde ich nicht nur treffsicher alle Vokabeln und die korrekte Kaugummi-Aussprache, sondern auch Umrechnungstabellen von Maßeinheiten. Ich glaube, so langsam habe ich drauf, bei wieviel Grad Fahrenheit ich das T-Shirt oder doch besser die Daunenjacke anziehen sollte, aber spätestens bei inch, foot und gallon muss ich kapitulieren.

12.8.2008

Chicago Top 10

Nach meiner Ankunft in Chicago habe ich genau 7 Tage Freizeit, um die Stadt zu erkunden. Da es in Chicago so wahnsinnig viel zu sehen gibt, lohnt es sich, etwas planvoll an die Sache heranzugehen, wenn nicht alles komplett in Stress ausarten soll (was es wahrscheinlich ohnehin wird, weil ich von Museum zu Wolkenkratzer und von Theaterstück zu Football-Spiel hasten werde...). Es ist mir nicht leichtgefallen, aber ich habe mir eine Prioritätenliste zusammengestellt, die ich in jedem Fall "abarbeiten" möchte. Selbst wenn es nicht in der ersten Woche klappt - es wird innerhalb von vier Monaten auch noch ein paar Wochenenden geben, schätze ich. Einige Sehenswürdigkeiten habe ich bewusst ausgelassen (wie die Magnificent Mile und den Navy Pier), weil ich die gar nicht verpassen kann, wenn ich in Chicago lebe. Und hier ist sie nun, meine Chicago Top 10:

10. Deutsches Viertel in Lincoln Square: Wenn mich das Heimweh oder die Lust nach gutem deutschen Körnerbrot allzusehr überkommt, dann werde ich in diesem kleinen deutschen Viertel vorbeischauen. Im Oktober wird es beim Chicagoer "Oktoberfest" wahrscheinlich ohnehin viel mehr "Heimat" geben als mir lieb ist.

9. Gangster-Tour: